Autor Thema: Möglichkeiten mechanischer Belohnung von Probenbeschreibungen in Fate  (Gelesen 1404 mal)

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Offline Colgrevance

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Ich beschäftige mich gerade mit den Fate Core-Regeln, und soweit ich das verstanden habe, ist Fate der Intention nach ja eher ein "erzählerisches" Rollenspiel, bei dem die recht abstrakten Regeln (z. B. die Überwinden-Aktion) erst durch die Beschreibungen der Spieler mit Inhalt gefüllt und ausdifferenziert werden.

Da aber nicht alle Spieler (aus welchen Gründen auch immer) zu detaillierten Beschreibungen neigen, mag ich Systeme, die es ermöglichen, Spielern auch (kleine) mechanische Boni zu geben, wenn sie eine Szene schön ausspielen/erzählerisch gestalten. So kann man beim Star Wars-System von FFG z. B. einen oder mehrere blaue Boost-Würfel geben, wenn in einer Überredungssituation ein Spieler eine gute Argumentation präsentiert und auch sein Vorgehen schön anschaulich beschreibt. Das motiviert die Spieler, viel mehr aus einer Szene zu machen, als einfach nur "ich überrede ihn, mich durchzulassen" anzusagen und zu würfeln.

Bei Fate fällt es mir allerdings schwer, eine analoge mechanische Belohnung zu finden - man könnte natürlich die (passive) Schwierigkeit der Probe senken, aber das ist in meinen Augen kein so greifbarer mechanischer Vorteil wie ein spezifischer Bonus. Damit fehlt diesem "erzählerischen" System m. M. n. gerade ein Mechanismus, der erzählerisches Spiel belohnt und damit fördert... oder übersehe ich da was? Wie handhabt ihr das denn in euren Fate-Runden?

Offline Kampfwurst

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Fate sieht das tatsächlich nicht vor. Auf der einen Seite braucht es das auch nicht, wenn alle Spieler gleichermaßen fähig sind solche Beschreibungen zu liefern oder soziale Szenen auszuspielen. Denn dann würde jeder den gleichen Bonus bekommen, und wenn jeder den gleichen Bonus bekommt, dann kann man ihn in Fate auch weglassen.

Auf der anderen Seite, wenn du sehr unterschiedlich starke Spieler hast, wird eine solche Regelung sehr zu Lasten der schwächeren Spieler gehen. Im Endeffekt könnten die stärkeren Spieler dann ohne weiteres die sozialen Fertigkeiten ein wenig tiefer setzen und hätten durch den Erzählbonus die gleichen Werte wie der schwächere Spieler. Fate trennt da doch sehr deutlich zwischen Spieler und Charakter.

Bei Fate ist die Belohnung die coole Erzählung selbst.

Ein paar Dinge kannst du aber sicherlich machen.
- Sei hartnäckig, wenn du Beschreibungen einforderst. "Ich greife mit Kämpfen an" ist keine gültige Beschreibung. "Ich schlage mit meinem Schwert nach ihm" schon. Betone das, wenn die Spieler dir eine Beschreibung liefern, die eigentlich nur eine Aneinanderreihung von mechanischen Worten sind. Aber auch nicht zu streng, dass du jedesmal die perfekte Beschreibung forderst.

- Wurf zuerst, Beschreibung später. Wenn dein wortgewandter Spieler eine großartige Rede hält die jeden überzeugen würde, aber dann wirft er -4 und schafft seinen Wurf damit doch nicht, dann bricht das die Stimmung. Wenn du weißt, wie der Wurf ausgeht, dann lässt sich das einfacher ausspielen und beschreiben. In dem Fall reicht dann eine knappe Beschreibung vorweg, die dann nach dem Wurf ergänzt werden kann.

- Gegenseitig helfen. Wenn einem Spieler gerade keine coole Beschreibung für seine Aktion einfällt oder ihm die überzeugenden Worte fehlen, dann brainstormt das zusammen. Damit kannst du auch einem schwächeren Spieler mit der Zeit helfen sicherer zu werden in seinen Beschreibungen.

Offline Lichtbringer

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Da der Zahlenraum von Fate eher klein ist, wie ware es mit Wahrscheinlichkeitsboni?

Meine erste Idee wären diese winzigen W6 im 36er-Pack (die verschluckbaren Kleinteile, mit denen Shadowrunspieler aus dem Genpool entfernt werden  >;D). Als Belohnung werden die mit den WF mitgewürfelt, geben aber nur dann einen Bonus von +1, wenn sie eine 6 zeigen.
Ob bei mehreren W6 man +1 pro 6 gibt oder nur maximal +1 und mehr Würfel machen sie nur wahrscheinlicher, das müsste man mal austesten.

Offline aikar

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Der erste Gedanke, der mir kam, ist ein Aspekt.

Du könntest bei guter Beschreibung einen Szenen- oder NSC-Aspekt offenbaren/ins Spiel bringen, je nach Geschmack der Gruppe mit oder ohne freier Ausnutzung.
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline Oak

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Wenn die Beschreibung wichtig ist, verwende die Methoden aus Turbo-Fate. Jeder Spieler ist dann sowieso verpflichtet zu erklären, was er macht und wie (Methode) er es macht. Du kannst dann ja sogar noch einen Schritt weiter gehen und Fertigkeit mit Methoden zusammen verwenden. Da gibt es einen schönen Artikel zu im letzten Fate Codex.

Offline Nocturama

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Ich mag Fate sehr, bin aber gar kein Freund von Boni für "gutes Erzählen". Das endet das oft damit, dass die Spieler die Boni bekommen, die eh' gerne erzählen und die anderen es entweder lassen oder sichtlich bemüht etwas zusammenkratzen, ohne wirklich Spaß dran zu haben.
Außerdem geht das wieder zu Lasten des SL, der bestimmen muss, was eine gute und eine schlechte Erzählung ist - da habe ich als SL gar keine Lust zu. Was weiß ich denn, was "gutes Erzählen" ist und ob andere am Tisch das Gleiche gut finden wie ich? Fate hat außerdem schon viele Teile, die man als SL beachten muss (reizen, reizen, reizen, Fatepunkte verwalten, Aspekte im Blick haben...), da würde ich abraten, noch einen Teil einzubauen.

Mechanische Belohnungen sind bei Fate eher, dass du durch deine Erzählung bestimmte Optionen bekommst (den dick gepanzerten Drachen kannst du mit deinem Dolch pieken wie du willst, du darfst keinen Angriff oder Schaden würfeln - beschreibst du dagegen, wie du dem Drachen den Dolch in den geöffneten und ungepanzerten Rachen wirfst, darfst du das; deine Beschreibung bestimmt generell, welche Fertigkeit oder Methode du verwenden darfst) oder einen Aspekt reizen oder benutzen darfst. "Ich benutze dann mal 'Auf rutschigem Eis'" gilt eigentlich nicht, da muss schon ein "ich stoße mich ab und rutsche auf dem Eis entlang, um den Gegner mit voller Wucht zu treffen" her (wobei man das am Tisch nicht immer sooo streng handhabt, denn manchmal ist ein flottes Spiel wichtiger als lange Beschreibungen).

Das "Erzählerische" bei Fate sehe ich tatsächlich mehr darin, dass die Geschichte von allen gemeinsam gestaltet wird (vor allem durch das Erschaffen, Benutzen und Reizen von Aspekten) und dass "Fiction First" gilt, und weniger darin, wie ich meine Erzählung ausschmücke.
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Offline Nørdmännchen

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Ich würde mich voll umfänglich Nocturamas Beitrag anschließen. Mein Vorschlag wäre Fate in jedem Fall erstmal "by-the-book" auszuprobieren.

Wenn Du dann noch unbedingt etwas versuchen möchtest, funktioniert bei mir eine Fanmail-Variante leidlich gut:
  • Du legst einen Pool freier Fate-Würfel in die Mitte des Tisches (z.B. pro Abenteuer oder aufgefüllt, wenn die SC ein völlig neues Ziel fassen).
  • Wenn jemand eine besonders spektakuläre, stimmige oder anschauliche Beschreibung liefert, hat jede/r Mitspielende die Möglichkeit, dem Beschreibenden einen dieser "Schwungwürfel" als Applaus zuzuschieben.
  • Schwungwürfel können einmalig gemeinsam mit den vier üblichen Würfeln geworfen werden - wonach der niedrigste Würfel (bzw. einer von ihnen) aus dem Resultat entfernt wird.

Diese Schwungwürfel sind nicht so mächtig wie Fate-Punkte, ein eigenständiges Instrument und erlauben zumindest das gleichberechtigte Bewerten von dem, was gelungene Erzählung sein könnte.
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

– Keith Johnstone, Theaterspiele

Offline Colgrevance

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Sehr gute Anmerkungen und Vorschläge hier - vielen Dank. Keep 'em coming! ;D

Offline piotr

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Ich würde unterscheiden zwischen fluffigen und taktisch sinnvollen Erzählungen.

Beispiel für letzteres: Mit einer Erzählung wie "Ich schleiche mich auf die Burgmauer und lasse einen losen Hinkelstein auf die Wache fallen." würde sich der vielleicht offensichtlichere Angriff (gegen +5 Verteidigung) in einen Schleichwurf und einen Kraftwurf mit jeweils niedriger Schwierigkeit verwandeln, vielleicht auch eher den Fertigkeiten des SC entsprechend. Wie du schon meintest ist es nicht sonderlich greifbar, aber elegant finde ichs trotzdem :)

Was fluffige Erzählungen angeht: Wer dem Setting entsprechend erzählt und sich dabei besondere Mühe gibt, machts richtig, aber im Sinne der Fairness gegenüber weniger ausgeschlafeneren Spieler_innen würde ich hier auf generelle Boni dafür verzichten.
Man könnte aber vielleicht über Stunts gehen. Wenn jemand bei FAE einen Stunt hat, der den SC bei besonders schön aussehenden Säbelschwüngen vor Publikum mit Flashy+3 statt mit Quick+1 kämpfen lässt, ist das auch eine gute Motivation, besonders schön zu erzählen. Hat natürlich den Nachteil, dass man den Bonus nur in speziellen Fällen bekommt.

Ansonsten hilft natürlich immer "Nein, die Chipstüte machen wir nur auf, wenn du uns mit deiner nächsten Aktion die Tränen in die Augen treibst!"  ;D