Autor Thema: [Heldenreise] Ein Erzählspiel  (Gelesen 6146 mal)

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Offline Beral

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[Heldenreise] Ein Erzählspiel
« am: 18.11.2011 | 14:19 »
Eine Diskussion im Theorieforum ist Inspiration für das Vorhaben.

Worum geht es?

Die Spieler erfinden gemeinsam eine klassische Heldengeschichte, wie wir sie aus Märchen und Legenden kennen.

Wie geht das?

Ein spielleiterloses System (ähnlich wie Western City) unterstützt die Spieler, indem es die Rahmenbedingungen der Heldenreise vorgibt. Die Spieler denken sich dazu den Inhalt aus.

Die Story wird in mehrere Akte unterteilt, die jeweils einen wichtigen Abschnitt der Heldenreise darstellen.

Erster Akt: Aufbruch

1) Ein Problem muss her. Es tritt ein Schaden ein oder es herrscht ein Mangel, das jeweils behoben werden muss.

a) Ein Widersacher richtet Schaden an (raubt eine Person oder Gegenstand, jemand wird verletzt oder etwas wichtiges wird beschädigt, jemand wird getötet oder etwas wird zerstört, jemand wird verzaubert, jemand wird verstoßen).

b) Einem Familienmitglied fehlt etwas (eine Braut, ein Freund, ein Zaubermittel, ein außergewöhnliches Objekt/Schatz, etwas Existenzielles wie Geld oder Nahrung).

Bedingung: Die Lösung des Problems muss irgendwo in weiter Ferne zu suchen sein. Sei es ein Zaubertrank, der die Krankheit des Vaters beendet, sei es das Wissen der drei Gelehrten hinter den Sieben Bergen, die ein Prinz finden muss, um sich auf das Thronerbe vorzubereiten. Was auch immer, es muss weit weg sein.

2) Der Auserwählte tritt auf den Plan. Er bekommt den Auftrag, das Problem zu lösen.

a) Der suchende Held wird um Hilfe gebeten, oder er bietet sich selbst an und bekommt die Erlaubnis auszuziehen. Das kann so weit gehen, dass der Held sich gegen Widerstände für seine Mission entscheidet.

b) Der leidende Held bekommt seine Reise aufgezwungen, ob er will oder nicht. Er wird gewaltsam aus dem trauten Heim ausgestoßen, um sich dem Problem zuzuwenden.

3) Abreise. Der Held zieht aus. Eventuell packt er dafür seine sieben Sachen. Der Held hat ein klares Ziel vor Augen (siehe Problem). Den Weg kann er wissen, muss aber nicht. Der Abschied steht im Mittelpunkt.

Ende des ersten Akts.


Beispiel

1) Problem: Der Rote Drache entführt die Tochter des Königs. Der König ist krank vor Sorge. Niemand weiss, wo der Drache haust.

2) Der König ruft seine Ritter zusammen. Er wählt den besten aus und schickt ihn aus, die Tochter zurückzuholen.

3) Der Ritter sattelt sein Schlachtross, packt seine Rüstung ein, nimmt seine Lanze mit und reitet aus der Stadt. Die Bevölkerung winkt ihm mit Taschentüchern nach.

Wie genau die Erzählrechte verteilt werden, weiss ich noch nicht. Es kann reihum gehen. Oder die Spieler geben einen Bennie aus, sobald sie eine Idee haben, die sie einbringen wollen. Oder sie einigen sich einfach im freien Gespräch.

Die anderen Akte folgen noch. Kommentare soweit zur Idee?
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Offline Fire

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #1 am: 18.11.2011 | 14:21 »
Klingt grob wie das Kartenspiel "Es war einmal..."
Die Zeit heilt alle Wunden, aber die Narben bleiben immer da....

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Offline Nørdmännchen

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #2 am: 19.11.2011 | 18:08 »
OT: Hi, habe leider so selten Zeit ins  :T: zu schauen... dabei inspiriert's mich immer wieder. Naja, die nächsten zwei Monate sind entspannter.

Ich finde den Ansatz die Heldenreise direkt ins Erzählspiel zu übersetzen auf jeden Fall reizvoll. (Ich gehe davon aus Du beziehst Dich auf J. Campbell?)
Da Du bis jetzt nur die ersten Akte anskizziert hast, fehlt ja noch der Bezug zu Regeln - also bin ich gespannt was da kommt.

So direkt würde ich vorschlagen vor (oder als) den ersten Akt die gewohnte Welt zu stellen. Also zunächstmal die "heimische" Wirklichkeit des Helden zu beschreiben.
Das könnte a) reihum verteilt ganz reizvolle Ergebnisse liefern und b) stellt es einen recht wichtigen Punkt im Monomythos dar.

Hier noch zwei spontane Gedanken:
- Die Heldenreise bietet sich mMn geradezu an für ein Spielbrett - im Sinne von Monopoly oder "Fang den Hut". Sozusagen ein Erzähl-Brettspiel.
- Es gibt eine Interpretation des großen Arkanas des Tarots als Heldenreise, vielleicht inspiriert das oder ist irgendwie nutzbar...

So oder so, auf jeden Fall weitermachen! Ich bin neugierig...
»Gute Geschichten sind so gut aufgebaut, daß Lehrer natürlich denken, sie seien vorher geplant,
aber jede Geschichte hätte auch in eine Million andere Richtungen gehen können.«

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Offline 1of3

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #3 am: 20.11.2011 | 10:26 »
Was ich als Gedanke sehr interessant fände, wäre ein wenig bei modernen Fantasy-Epen zu klauen und zwar in dem Sinne, dass der eigentliche Reisende Gefährten ansammelt, die möglicher Weise auch viel erfahrener sind als er.

Das könnte man dann gleichsam als Spielmechanismus einfügen: Je abgefahrener der Charakter ist, desto weniger hat er vom Heldenreisenden und desto weniger zentral ist er für die Handlung. Das würde das Ganze etwas weniger vorgegeben machen. Die Leute könnten dann entscheiden, wie ihr eigener Hauptcharakter funktionieren soll. Auf einer Skala von Frodo über Aragon bis Gandalf, wobei es immer einen Frodo geben sollte.

ErikErikson

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #4 am: 20.11.2011 | 10:35 »
Möglich wäre es auch, die drei Brüder einzuführen. Die ersten beiden Brüder stehen ja für unvollkommene Entwicklungsschritte. beide scheitern recht früh, und müssen dann später gerettet werden.

Also man fängt bsp mit dem ersten Bruder an, und wenn die SC Scheisse bauen, können sie den zweiten Bruder ins feld führen. Der dritte ist dann aber der letzte.

Offline Nørdmännchen

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #5 am: 20.11.2011 | 14:43 »
Einmal +1 für 1of3's Idee  :d

Möglich wäre da ja einiges. z.B. eine Art Skala (Reisender-Mentor) oder einfach Schicksal vs. Fähigkeiten (wie z.B. im Dresden Files RPG) oder Regelungen zur "Screen-Time" (je Erfahrener desto häufiger verschwindet die Figur im "Gandalf-Loch")... oder, wasweißichnochso...

Wollte eigentlich nur ausdrücken, dass ich das Ganze für eine ausgesprochen coole Idee halte.
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Offline Beral

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #6 am: 20.11.2011 | 18:09 »
Danke für die Kommentare! Ich behalte sie im Hinterkopf. Im Moment möchte ich die Hauptstruktur der Heldenreise (vermutlich 5 Akte) umsetzen. Danach probiere ich aus, wie sich eure Vorschläge einbinden lassen. An einige Sachen habe ich selber schon gedacht, zum Beispiel die drei Brüder, von denen zwei in eine Sackgasse führen.

Zunächst aber...

Zweiter Akt: Die Reise


1) Der Schenker stellt den Helden vor eine erste Aufgabe. Der Schenker kann wohlwollend oder feindselig sein. Durch das Bestehen der Aufgabe erlangt der Held ein mächtiges Zaubermittel.

a) Wohlwollender Schenker stellt den Helden auf die Probe, fragt den Helden aus, bittet um einen Dienst, bittet um Gnade. Feindseliger Schenker versucht den Helden umzubringen, oder nimmt einen offenen Kampf mit dem Helden auf, oder bietet dem Helden einen arglistigen Tausch an.

b) Der Held besteht die Herausforderung. Bei positiver Beziehung: Held besteht die Prüfung, erwidert die Begrüßung, erfüllt die Bitte. Bei negativer Beziehung: Held Rettet sich aus der Bedrohung, besiegt den Schenker, überlistet den Schenker, tötet den Schenker. In jedem Fall muss der Held eine richtige Entscheidung treffen.

c) Der Held erlangt ein Zaubermittel. Bei positiver Beziehung wird das Mittel direkt ausgehändigt, wird der Held auf das Mittel hingewiesen, findet der Held das Mittel zufällig, bietet das Mittel seine Dienste von selbst an. Bei negativer Beziehung raubt der Held das Mittel oder entwendet es dem getöteten Schenker. Das Zaubermittel wird für das Gelingen der Heldenreise von entscheidender Bedeutung werden.

Bedingung: In der Schenkerszene stellt der Held eine wünschenswerte Eigenschaft unter Beweis. Je nach Setting kann das unterschiedlich und sogar gegensätzlich sein. Mut, Stärke, Geschick, Gewieftheit, Klugheit, Freundlichkeit. In einer bestimmten Situation ist vielleicht nicht Freundligkeit gefragt (Schenker helfen) sondern das Gegenteil (Hilfe ablehnen und Schenker verprügeln, weil Hinterhalt erkannt wurde).

2) Versetzung an den Bestimmungsort.
Der Bestimmungsort ist weit weg. Er ist hinter dem Rand der bekannten Welt. Der Held fliegt, fährt oder reitet dorthin. Er kann hingeführt werden. Er kann den Weg erklärt bekommen. Oder er folgt einer Spur. Vielleicht folgt der Held einem Vogel und merkt gar nicht, wie er plötzlich inmitten eines unbekannten Walds ist. Am Ende ist er in jedem Fall fernab von seiner Heimat.

3) Der große Kampf bzw. die Problemlösung. Je nach Problem (1. Akt) erfolgt nun die Lösung. Sie kann darin bestehen, eine knifflige Aufgabe zu lösen. Es kann auch ein Kampf sein, bei dem der Problemverursacher getötet wird. Am Ende ist das Problem gelöst.

a) Der Held wird in einen Kampf verwickelt. Es kann auf Leben und Tod gehen. Es kann ein Wettkampf sein oder ein Spiel (Schach, Karten). Der Held kann auch vor eine schwierige Aufgabe gestellt werden, bei der er sich beweisen muss.

b) Der Held gewinnt den Kampf oder den Wettstreit. Er vertreibt seinen Widersacher oder beweist seine Überlegenheit. Die ihm gestellte Aufgabe kann er lösen.

c) Der Held erlangt, wonach er ausgezogen ist. Mit Kraft, List oder Zauberei. Der Mangel wird durch Entzauberung oder Wiederbelebung behoben.

4) Markierung. Eine Begegnung mit dem anderen Geschlecht hinterlässt eine Spur. Wo kommt denn das andere Geschlecht plötzlich her? Nun, das Ziel der Reise befindet sich im Reich einer Fremden. Oder im fremden Reich ist eine Unbekannte vor Ort. An der Markierung oder den Markierungen können der Held und die Fremde einander erkennen.

a) Der Held selbst wird von der Fremden markiert bzw. bekommt in ihrem Reich eine Markierung. Mittels eines Kennzeichens, das an seinem Körper angebracht wird, oder mittels einer Verletzung, die er erfährt, oder mittels eines Gegenstands, das ihm ausgehändigt wird. Oder einfach mittels eines magischen Kusses, das ihm eine unauslöschliche Erinnerung an die Fremde verleiht.

b) Der Held markiert die Fremde. Er hinterlässt seine Anschrift oder ein Andenken, oder er nimmt sich etwas von der Fremden mit.

Ende des zweiten Akts.

Beispiel:


1) Der Ritter begegnet einer alten Hexe. Diese Verlangt vom Helden eine Entscheidung: Der erste Pfad führt ihn zum Reichtum, der zweite Pfad führt ihn zum Ruhm, der dritte Pfad führt ihn in den Tod. Unser Ritter wählt den Tod. Die Hexe schenkt ihm daraufhin einen Zaubertrank, der gegen den Tod schützen soll und weist ihm dem dritten Weg. Er führt hinter die großen Berge und über die weiten Ebenen, dorthin, wo noch niemand gewesen ist.

2) Der Ritter reist über Ebenen und Berge und erreicht schließlich das Schloss des Drachen.

3) Im Kampf fallen die Mitstreiter, aber der Held, der den Zaubertrank getrunken hat, ist gegen den Odem des Drachens immun. So kann er sich dem Monster nähern und sein Schwert in den Hals des Drachen stoßen. Die Prinzessin wird von ihren Ketten befreit.

4) Im Schloss findet der Ritter eine Frau, die Haushälterin des Drachen. Diese bittet ihn zu bleiben und die Position des Schlossherrschers zu übernehmen. Als Symbol der Herrschaft überreicht sie einen Siegelring. Diese spricht dem Ritter ihre Bewunderung für seinen Mut und seinen Geschick aus. Sie warnt ihn aber auch davor, dass der zweite Drache noch diese Nacht zurückkehrt und sich rächen wird. Sie schenkt dem Ritter magische Steine, mit denen er falsche Fährten auslegen kann, um den Drachen zu verwirren. Der Ritter bedankt sich bei der Haushälterin mit einem Kuss.
« Letzte Änderung: 22.11.2011 | 14:42 von Beral »
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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #7 am: 20.11.2011 | 20:13 »
Allgemeine Regeln:

- Es gibt keine konkrete Zeit. Sämtliche Zeitangaben haben schwammig zu sein: vor langer Zeit, seit einiger Zeit, seit Ewigkeiten, schon immer. Man beriet sich lange, etwas ist nach kurzer Zeit geschehen.

- Es gibt keine konkreten geographischen Angaben. Das Land ist groß, riesig, klein. Ein Ort ist weit weg oder nah.

- Logikverzicht ist gewünscht! Wir bewegen uns im Bereich von Mythen und Märchen. Weltliche Logik und Plausibilität können das zauberhafte schnell zerstören. Also lass sie raus.

- Suche nach einem Inhalt, bis es sich richtig anfühlt. Wenn es sich richtig anfühlt, behalte die Idee.

Spezielle Regeln:

- Der Held zieht aus, um das Problem anderer zu lösen. Es geht nicht um seine persönlichen Probleme. Am naheliegendsten ist, dass es um seine Familie oder sein Volk geht. Der Vater ist krank und braucht ein Heilmittel. Das Heimatdorf ist von einer Hexe verzaubert worden.

- Das Ziel der Reise sollte magisch sein. Ein Zaubertrank, der Kelch der Weisheit, das Lebenswasser, der goldene Vogel.
- Das Ziel der Reise ist die Lösung des Problems. Der Zauber befreit den Hexenbann, das Lebenswasser heilt den Vater.
- Das Ziel der Reise befindet sich im Reich einer (Jung-)Frau, oder es ist eine (Jung-)Frau vor Ort.

Anmerkungen:

Die Regeln wirken teilweise korrigierend auf die bisherige Darstellung. Meine bisherige Beispielgeschichte mit der entführten Prinzessin ist damit auch schon über den Haufen (aus guten Gründen). Ich behalte sie doch noch. :)

Wenn ihr parallel zu meiner Entwicklung mit eigenen Beispielen mitmacht, ist es verdammt cool! Ein paar kurze Sätze oder Stichpunkte reichen schon; etwa so wie ich das bisher auch getan habe. Dann merken wir auch sofort, was gut funktioniert und was nicht.
« Letzte Änderung: 22.11.2011 | 14:43 von Beral »
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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #8 am: 22.11.2011 | 14:51 »
Dritter Akt: Die Rückkehr

1) Held tritt Rückkehr an.
Entweder aus eigenem Antrieb, denn er hat zu Hause ja noch was zu erledigen. Oder weil er merkt, dass er in der Ferne nicht jedem willkommen ist und abhauen angesagt ist. Oft gibt es eine Prophezeihung, die eine zeitige Rückkehr anmahnt. "Bevor es Mitternacht ist...!"

2) Held wird verfolgt. Nicht alle sind erfreut über das, was er angerichtet hat. Jemand zieht oder fliegt ihm nach. Oder jemand verlangt die Auslieferung des Helden. Oder jemand sucht den Helden mit Verlockungen aufzuhalten. Der Verfolger meint es ernst, der Held ist in Lebensgefahr. Der Verfolger kann weiblichen Geschlechts sein, gern die Fremde selbst, in dessen Reich sich der Held bedient hat.

3) Held entkommt dem Verfolger. Durch Flucht, oder durch Verstecken, oder durch Auslegen von Hindernissen für den Verfolger, oder mit Hilfe von Magie. Jedenfalls entkommt er den Anschlägen auf sein Leben.

4) Böse Überraschung bei der Ankunft. Der Held verliert das Zaubermittel oder jemand stiehlt es ihm. Oder er ist noch gar nicht zu Hause, sondern in einem unbekannten Reich. (Anmerkung für später: hier kann auf Wunsch ein größerer Fall aufgerollt werden, der den ersten anderthalb Akten entspricht).

Ende des dritten Akts.

Beispiel:

1) Der Ritter nimmt die gerettete Prinzessin mit und reitet geschwind nach Hause.

2) Kaum unterwegs, sieht der Ritter einen Drachen am Himmel, der näher kommt. Der prophezeihte Rächer!

3) Der Ritter wirft einen magischen Stein aus und schlägt selbst eine andere Richtung ein. So macht er das immer wieder, wenn ihm der Drache näher kommt. Letztlich kann er den Verfolger abschütteln.

4) Müde von der Reise erreicht der Ritter abends sein Königreich. Kurz vor dem Schloss quartiert er sich in einer Taverne ein, um am nächsten Morgen frisch vor den König zu treten. Als er morgens aufwacht, ist die Prinzessin weg.
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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #9 am: 23.11.2011 | 10:01 »
Die von mir eingeführten Regeln scheinen nicht der Bringer gewesen zu sein. Jedenfalls gibt es seitdem keine Kommentare mehr. ;D Aber vielleicht handelt es sich nur um eine als Kausalität verkleidete Korrelation.

Jedenfalls ist es so, dass ich noch kein Regelkonzept im Kopf habe. Alle bisher aufgestellten Regeln haben Brainstorming-Niveau.

In meiner Beispielgeschichte habe ich bereits Korrekturen vornehmen müssen (bei der Markierung des Helden). Das wird sicher keine Ausnahmeerscheinung bleiben, also wird es für diese Fall eine Regel geen müssen:

Sackgasse. Die Erzähler können eine Sackgasse ausrufen, wenn die Geschichte stockt. Dann kehren sie zu einer früheren Szene, eventuell in einem früheren Akt, zurück und nehmen Änderungen vor, die am Punkt der derzeitigen Sackgasse den Weg freimachen. Die Änderungen können beliebig weitreichend sein.

Beispiel: In meiner Geschichte war ich zu Beginn des dritten Akts (Rückkehr) mit dem Ende des zweiten Akts (Markierung) nicht zufrieden. Die Bitte der Haushälterin an den Ritter, in ihrem Schloss als Hausherr zu bleiben, fühlte sich irgendwie nicht richtig an und passte nicht so gut zu den Ideen für die Rückkehr. Also habe ich die Markierungssequenz einfach geändert. Jetzt spricht die Haushälterin Bewunderung aus, warnt vor dem zweiten Drachen, deutet damit schon das Thema des dritten Akts an und hat auch ein Geschenk parat, das dem Helden nützlich sein wird.
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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #10 am: 23.11.2011 | 20:52 »
Vierter Akt: Der falsche Held

1) Unerkannte Rückkehr. Der Held ist noch nicht wirklich angekommen.

a) Der Held trifft incognito zu Hause ein.

b) Der Held kommt in ein fremdes Land.

2) Unrechtmäßige Ansprüche des falschen Helden. Während der Held unerkannt oder noch in einem anderen Land ist, versucht jemand seine Lorbeeren einzustreichen. Der falsche Held gibt sich für den richtigen aus und will die Belohnung einstreichen. Wenn es im ersten Akt drei Brüder gab, von denen sich zwei als untauglich erwiesen, so ist jetzt erneut Zeit für ihren Auftritt.

3) Der Held wird erneut auf die Probe gestellt. Der dritte Punkt aus dem zweiten Akt wird hier erneut durchgespielt. Während es im zweiten Akt häufig ein Kampf auf Leben und Tod ist, geht es in diesem Akt jedoch meist um eine knifflige Aufgabe.

a) Erinnert ihr euch noch an die Fremde aus der Fremde? Sie ist es, die in der Heimat des Helden auftaucht. Sie kommt mit kriegerischer Gewalt daher und verlangt den Helden, der sich in ihrem Reich bedient hat.

b) Die Fremde stellt eine Aufgabe, an der sich der Held beweisen muss. Er muss eine Feuerprobe bestehen, etwas erraten, die richtige Wahl treffen, etwas herstellen oder herbeischaffen, Mut, Kraft, Geschick, ausdauer oder Geduld beweisen.

4) Richtiger Held erkannt, falscher Held überführt.  

a) Der Held löst die Aufgabe. Der falsche Held versucht sich möglicherweise auch daran, mitunter erfolglos.

b) Die Fremde kann den richtigen Helden identifizieren. Entweder daran, dass er die Aufgabe schafft, oder an der Markierung, die sie ihm hinterlassen hat, oder weil sie ihn unmittelbar erkennt.

c) Der falsche Held wird überführt. Es fehlt ihm die Markierung, oder er kann die Aufgabe nicht lösen, oder er verhält sich falsch.

Anmerkung: Die Unterpunkte a bis c können in diesem Punkt in eine beliebige Reihenfolge gebracht werden.

Ende des vierten Akts.

Beispiel:

1+2) Als der Ritter aufwacht, ist die Prinzessin weg und auf den Straßen ist Tumult. Die Prinzessin sei gerettet und zurück! Der Ritter geht hinaus und stellt fest, dass einer der heimgebliebenen Ritter sich als Retter ausgegeben hat. Der König ist außer sich vor Freude und will schon am nächsten Tag die Prinzessin mit dem (falschen) Retter trauen. Die Stadt bereitet sich hastig auf die Feierlichkeit vor.

Sequenzeinschub: Ein Taugenichts soll den Ruhm ernten? Der Ritter schüttelt den Kopf. Er muss es irgendwie verhindern. Er geht zur Hexe und fragt um Rat. Die Hexe verlangt, den Ritter für seine Dummheit auszupeitschen, wenn sie ihm helfen soll, die Sache doch noch hinzubiegen. Der Ritter willigt ein und wird kräftig gezüchtigt, bis sein Rücken blutüberströmt ist. Daraufhin schenkt die Hexe dem Ritter einen Zaubertrank und sagt, er solle zurückkehren und werde schon noch eine Möglichkeit haben, die Angelegenheit ins Reine zu bringen.

3) Kaum ist der Ritter zurück in der Stadt, gibt es neuen Tumult. Eine Armee steht vor den Toren und ein Weib in Ritterrüstung verlangt Einlass. Zu allem Übel kreist auch noch ein Drache über der Stadt. Der König tritt vor die Stadttore und fragt, was das Kriegsweib begehre. Sie verlangt einen Held, der es mit dem Drachen aufnimmt. Ansonsten lege sie die gesamte Stadt in Schutt und Asche.

4) Der König wendet sich an den künftigen Schwiegersohn, der ja angeblich Übung im Drachenbesiegen hat. Er soll die Forderung der Fremden erfüllen. Während dieser nach Ausreden sucht und der König davon irritiert ist, taucht unser wahrer Held auf. Er wolle es machen. Der künftige Schwiegersohn willigt allzu gerne ein, um etwas Zeit zu gewinnen. Der wahre Held nimmt unterdessen den Kampf auf und bedient sich erneut des Zaubertranks der Hexe. Verblüfft sieht die Menge, wie der Drachenodem wirkungslos bleibt und der unbekannte Held den Drachen tötet. Dies sei der wahre Held, den sie suche, sagt die Fremde. Jetzt ist die Sache offensichtlich und der falsche Held bricht um Gnade bittend zusammen.
« Letzte Änderung: 24.11.2011 | 09:15 von Beral »
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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #11 am: 24.11.2011 | 09:41 »
Fünfter Akt: Das gute Ende

1) Transfiguration des Helden. Es erfolgt eine äußerlich sichtbare Wandlung des Helden. Aus dem Frosch wird ein Prinz. Der Held bekommt neue Kleider oder legt sie sich selber an. Oder er bekommt eine neue Gestalt. Er baut oder erhält ein prächtiges Schloss.

2) Bestrafung des falschen Helden. Der falsche Held wird getötet oder gezüchtigt, oder er begeht Selbstmord.

3) Heilige Hochzeit. In der neuen Gestalt heiratet der Held die Fremde aus der Fremde. Gemeinsam begründen sie ein neues Reich außerhalb der Heimatgefilde.

Bedingung: Ja, der Held heiratet die Fremde! Die Prinzessin aus der eigenen Stadt darf es nicht sein. 

Ende des fünften Akts und der Geschichte.

Beispiel:

1) Der König lässt königliche Gewänder für den Ritter holen. Dieser streift seine schmutzige Reisekleidung ab und legt sich das Prachtgewand an. Der tief berührte König schenkt dem Ritter darüberhinaus ein eigenes Reich.

2) Der falsche Held wird für sein Vergehen vor aller Augen geköpft.

3) Die Hochzeitsvorbereitungen waren nicht umsonst. Nur das Paar vor dem Alter ist ein anderes. Der Held heiratet die schöne Fremde und es gibt ein nie gesehenes Fest. Anschließend ziehen sie in ihr neues Reich, wo ein eigenes Schloss auf sie wartet.

___________

Jetzt ist die Grundstruktur der Geschichte komplett und die Zeit für Organisatorisches und Feinheiten gekommen.

Wie genau spielt sich das Spiel? Nun, ein Wettkampf, wie im Kartenspiel "Es war einmal..." ist definitiv unpassend. Die Teilnehmer konkurrieren nicht miteinander. Sie kooperieren. Das Ziel ist eine Geschichte, die sich gut anfühlt. Das ist der Strang, an dem alle gemeinsam ziehen.

Für wen ist das Spiel? Definitiv nicht für Kinder! Das sinnvolle Frühestalter der Spieler liegt irgendwo in der Pubertät. Es ist ein Spiel für Erwachsene und solche, die erwachsen werden.

Welche Regeln braucht es? Offene Frage. Ich will keine Regeln haben, nur damit es Regeln gibt. Sie müssen schon einen konkreten Zweck haben. Im Grunde funktioniert das Spiel ohne besondere Regeln. Die Gruppe setzt sich zusammen, das gemeinsame Ziel ist klar, die fünf Akte geben den roten Faden eindeutig vor. Nun gehe ich aber nicht davon aus, dass der Spielprozess reibungslos verläuft. Es wird Schwierigkeiten geben, aber ich weiss noch nicht wo und welche. Vielleicht ist der Leitfaden zu abstrakt. Vielleicht stolpert man über die Chronologie der Ereignisse (die grundsätzlich bindend ist). Vielleicht kommt es zwischen Spielern zu Konflikten darüber, was sich gut und richtig anfühlt und was nicht. Je nachdem, welche Probleme auftauchen, müssen Regeln gefunden werden, die dem Problem in Zukunft vorbeugen. Für mich ist es besonders schwer, die Probleme vorherzusehen, weil ich mit einem ganz anderen Wissen zur Heldenreise ausgestattet bin als die zukünftigen Spieler. Was mir selbstverständlich scheint, wird anderen ein totales Rätsel sein.

Fazit zu Regeln: Welche nötig sind, ist schwer zu antizipieren. Aus der Testspielpraxis werden sich Problemfelder ergeben, die ich dann gezielt mit Regeln bearbeite. Euer Feedback ist also entscheidend dafür, welche Regeln noch eingeführt werden.

Wenn gewünscht, mache ich noch eine komplette Beispielgeschichte.
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Achamanian

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #12 am: 24.11.2011 | 09:49 »
Die Vorgaben sind schon mal gelungen, was ich mich frage ist, wie man jetzt eine Ebene "tiefer" kommt, denn ich glaube, das wäre für die Regeln das Entscheidende. Es käme ja (m.E.) darauf an, kein "präskriptives" Spiel zu entwickeln, in dem es heißt: "Eine solche Art von Geschichte sollt ihr erfinden, bitte haltet euch dran", sondern ein "generatives", also eines mit Regeln, aus deren Anwendung tendenziell die Entstehung einer solchen Geschichte erfolgt.
Ganze klare Vorbilder wären da für mich Fiasco, Prime Time Adventures und Polaris, die alle ziemlich abstrakte Regelstrukturen haben, die sich relativ zuverlässig in der Entstehung bestimmter Arten von Geschichten niederschlagen, ohne, dass dabei übermäßig an die Mitspieler appelliert werden müsste, genau so eine und keine andere Geschichte zu entwickeln.
Aber wie geht das?

Offline Beral

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #13 am: 24.11.2011 | 11:27 »
Die Vorgaben sind schon mal gelungen, was ich mich frage ist, wie man jetzt eine Ebene "tiefer" kommt, denn ich glaube, das wäre für die Regeln das Entscheidende. Es käme ja (m.E.) darauf an, kein "präskriptives" Spiel zu entwickeln, in dem es heißt: "Eine solche Art von Geschichte sollt ihr erfinden, bitte haltet euch dran", sondern ein "generatives", also eines mit Regeln, aus deren Anwendung tendenziell die Entstehung einer solchen Geschichte erfolgt.
Ganze klare Vorbilder wären da für mich Fiasco, Prime Time Adventures und Polaris, die alle ziemlich abstrakte Regelstrukturen haben, die sich relativ zuverlässig in der Entstehung bestimmter Arten von Geschichten niederschlagen, ohne, dass dabei übermäßig an die Mitspieler appelliert werden müsste, genau so eine und keine andere Geschichte zu entwickeln.
Aber wie geht das?
Die Ereignischronologie soll genau dafür sorgen. Jede beliebige Idee in jedem beliebigen Setting wird durch die spezielle Chronologie zu einer klassischen Heldengeschichte. Die Chronologie ist die Hauptregel dieses Spiels. Wenn diese Regel gebrochen wird, bricht die Spielidee in sich zusammen. Dann kommt irgendetwas raus, aber sicher keine Heldenreise.

Der zweite wichtige Punkt ist das Gefühl der Spieler. Die Heldenreise ist ja in unseren Gehirnen drin und wird aus genau diesem Grund überall auf der Welt gleich erzählt. Das ist die tiefere psychologische Erklärungsebene, die im Regelwerk gar nicht angesprochen wird, aber sehr wohl wirksam wird. Wenn die Chronologie der Ereignisse befolgt wird UND die Spieler darauf achten, dass sich die Erzählung richtig anfühlt, kommt als Endprodukt automatisch die Heldenreise heraus.

Der dritte Punkt sind noch nicht absehbare Hindernisse, die ich schon ansprach. Das bisherige Grundkonzept soll genau das leisten, was du ansprichst, aber es wird Stolperfallen geben, denen ich mit Regeln begegnen muss und begegnen werde. Logische Überlegungen sind zum Beispiel eine Stolperfalle, daher auch eine Zusatzregel, dass auf Logik verzichtet werden soll. In meiner Beispielerzählung sind viele Logiklöcher, aber die muss man ignorieren, wenn man sich der Heldenreise nähern will. Eine rudimentäre Regel habe ich dafür gegeben. Die wird vermutlich noch ausgebaut werden müssen. Und weitere Regeln werden nötig sein, um die ersten beiden Punkte gegen Störungen abzuschrimen.

Nachtrag: Die Chronologie ist die Umsetzung der "tieferen" Ebene, von der du sprichst. Die tiefere Ebene ist die Analyse des Heldenmythos, nachzulesen bei Norbert Bischof. Die Analyse erklärt den Heldenepos und die psychologischen Hintergründe. Aber mit der Analyse in der Hand schreibt es sich schwer, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Eine Analyse ist eben keine Handlungsanweisung. Die Übersetzung von Analyse zu Handlungsanweisung habe ich versucht zu schaffen. Der Thread hier beinhaltet eine Handlungsanweisung, mit der man der tieferen Ebene des Heldenmythos gerecht wird ohne sie kennen zu müssen. Aber der Feinschliff fehlt zweifellos noch.
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Achamanian

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #14 am: 24.11.2011 | 11:51 »
Die Ereignischronologie soll genau dafür sorgen. Jede beliebige Idee in jedem beliebigen Setting wird durch die spezielle Chronologie zu einer klassischen Heldengeschichte. Die Chronologie ist die Hauptregel dieses Spiels. Wenn diese Regel gebrochen wird, bricht die Spielidee in sich zusammen. Dann kommt irgendetwas raus, aber sicher keine Heldenreise.

Das ist allerdings eines der Probleme - diese Regel ist ein Exoskelett, das mit Fleisch gefüllt werden soll, ich glaube aber, funktionaler zum Spiel ist ein Endoskelett, auf das Fleisch drauf kommt. Ergibt das irgendeinen Sinn? Wenn du zum Beispiel schreibst: "eine Zusatzregel, dass auf Logik verzichtet werden soll", ist das rein präskriptiv. Besser wären Regeln, die von allein dazu führen, dass die Logik der kausalen Folgerichtigkeit von Ereignissen zugunsten einer Logik der narrativen Folgerichtigkeit von Ereignissen außer Kraft gesetzt wird.

Nachtrag: Die Chronologie ist die Umsetzung der "tieferen" Ebene, von der du sprichst. Die tiefere Ebene ist die Analyse des Heldenmythos, nachzulesen bei Norbert Bischof. Die Analyse erklärt den Heldenepos und die psychologischen Hintergründe. Aber mit der Analyse in der Hand schreibt es sich schwer, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Eine Analyse ist eben keine Handlungsanweisung. Die Übersetzung von Analyse zu Handlungsanweisung habe ich versucht zu schaffen. Der Thread hier beinhaltet eine Handlungsanweisung, mit der man der tieferen Ebene des Heldenmythos gerecht wird ohne sie kennen zu müssen. Aber der Feinschliff fehlt zweifellos noch.

Das stimmt so nicht ganz, eine Beschreibung des Heldenmythos ist zwar insofern eine Analyse, als das von bestehenden Geschichten auf eine gemeinsame Struktur hin abstrahiert wird. Aber was du (ziemlich gelungen) lieferst, ist dann ja erst einmal eine Beschreibung dieser gemeinsamen Struktur, d.h. du verdinglichst das, was erst einmal nur eine Theorie ist, zu etwas Faktischem. Was auch ein notwendiger (wenn auch wissenschaftlich etwas fragwürdiger, aber darum geht es hier ja gar nicht) Schritt ist. Aber ich glaube, für Spielregeln darf man da nicht stehenbleiben, denn das, was du vorschlägst, bleibt dann ja erst einmal noch die präskriptive Aufforderung, dieses Modell wieder mit einer neuen Geschichte zu füllen, die dem äußerlichen Regelgerüst des Heldenmythos folgt.
Die Spielerfahrung dabei dürfte dann aber nicht eine der Geschichtenschöpfung, sondern eher eine der Einengung sein. Das ist nicht gut, finde ich.
Da man die unterstellten tieferliegenden Strukturen des Heldenmythos (so es sie denn tatsächlich gibt, ich halte da ja nichts von) wenn überhaupt dann nur mit Mitteln der Gehirnforschung weiter entschlüsseln könnte, muss man für ein Spiel sozusagen eine Alternative Tiefenstruktur schaffen. D.h. man muss sich Regeln überlegen, die nicht etwa einfach aus der deskriptiven Beschreibung des Heldenmythos ein präskriptives Schema ableiten, dass es zu füllen gibt, sondern welche, die die Struktur des Heldenmythos selbst generieren.

Ein bisschen ist es wie in der Linguistik: Die ist als Wissenschaft erst einmal deskriptiv, d.h. man beschreibt, wie Sprache ist und funktioniert. Es gibt die analytische Ebene, die fragt, warum sie so ist, und es gibt die präkriptive Ebene der Schulgrammatik, die sich aus der deskriptiven herleitet, d.h. die sagt: "Das und das wird von der Mehrzahl (oder den die Deutungshoheit innehabenden) Sprechern als 'richtige' Sprachregel empfunden und verwendet, deshalb sollt ihr so schreiben/sprechen und nicht anders." Ähnliches machst du mit dem Heldenmythos: Er wird beschrieben und aus der Beschreibung wird dann die Vorschrift einer entsprechenden Umsetzung.
Was es aber bräuchte, wäre ein System, das Sprache "generiert". Die Schulgrammatik ist dem eigentlichen Spracherwerb ja äußerlich, sie ist nur ein korrektiv und eine Systematisierung von Inhalten. Sprache lernt man nicht, indem man äußerliche Regeln lernt und befolgt, sondern indem man (ebenfalls regelhafte) Strukturen aufbaut.
Eine solche, nur viel einfachere Struktur müsste ein Regelwerk sein. Das leisten m.E. auch die von mir genannten Indie-Spiele. Fiasco z.B. schreibt zwar in den Regeln, um was für eine Art von Geschichte es gehen soll, aber es steht nirgends: "Achten sie darauf, dass in jeder zweiten Szene so richtig was schiefgeht und dass auf der Hälfte eine krasse Wendung kommt". Die Regeln selber tragen dafür Sorge, dass es tendenziell so läuft. Natürlich müssen die Spieler wissen, was sie tun und was für eine Geschichte sie damit erzeugen wollen, aber die Regeln fungieren hier als eine Tiefenstruktur, die einen entsprechenden Verlauf "wie von selbst" anstößt und begünstigt, ohne die Spieler in jeder Szene daran erinnern zu müssen, welchen Teil des Schemas sie jetzt gerade auszufüllen haben.


EDIT: Ich will dir natürlich nicht vorschreiben, wie so etwas auszusehen hat, sondern nur darlegen, in welcher Form mich so ein Spiel wirklich reizen würde. Man kann das vielleicht auch über ein "Endoskellett" aufziehen, ich glaube allerdings, mir persönlich würde es keinen Spaß machen, so was zu spielen.
« Letzte Änderung: 24.11.2011 | 14:52 von Rumspielstilziel »

Offline Beral

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #15 am: 24.11.2011 | 13:08 »
Ob die Chronologie ein Endo- oder Exoskelett ist, ist vielleicht eine Frage des Blickwinkels? Ich empfinde sie als Endoskelett. So wie es dasteht, ist es das Gerüst, aber Fleisch muss erst draufgepackt werden. Würde aber nicht darum streiten, in welche Skelettsorte man das einquartiert.

Kannst du dir eine Beispielregel ausdenken zu dem, was du meinst? Im Moment gibt es ja tatsächlich keine speziellen Regeln für den Prozess der Geschichtenerschaffung. Die implizite Aufforderung lautet, brainstormartig loszulegen und sich an der Chronologie entlangzuhangeln. Wie könnte man das konkreter machen? Welche Regel würde dich voranbringen?

Empfinden die anderen Leser das Fehlen zusätzlicher Regeln auch als Hemmnis? Wünscht ihr euch ebenfalls Regeln, die das Eis irgendwie brechen?
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Achamanian

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #16 am: 24.11.2011 | 13:16 »

Kannst du dir eine Beispielregel ausdenken zu dem, was du meinst? Im Moment gibt es ja tatsächlich keine speziellen Regeln für den Prozess der Geschichtenerschaffung. Die implizite Aufforderung lautet, brainstormartig loszulegen und sich an der Chronologie entlangzuhangeln. Wie könnte man das konkreter machen? Welche Regel würde dich voranbringen?

Das Problem ist, dass das wahnsinnig schwer in den Griff zu kriegen ist. Ich habe abstrakt eine ziemlich gute Vorstellung davon, wie ein solches Spiel sich spielen sollte, aber sich konkrete Mechanismen einfallen zu lassen, scheint mir eine gewaltige Herausforderung.
Ich müsste mich jetzt erst mal genauer mit dem Heldenmythos befassen, um überhaupt einen Ansatz zu finden. Das geht nicht so schnell ... Wenn ich an die Campbell'sche Heldenreise denke (ist das eigentlich etwa das Gleiche?), würde ich z.B. sagen, dass eine feste Szenenabfolge schon sinnvoll ist. Wenn die dritte Szene dann von mir aus die "Schwelle" ist, dann könnte klar sein, dass der Held hier seine gewohnte Umgebung verlässt (d.h. die Regeln legen fest, dass ein neuer Schauplatz eingeführt und bespielt wird), man könnte aber Variablen darüber einführen, wer den Helden begleitet, was der neue Schauplatz für ein Ort ist usw., die dann durch Zufalls- oder Aushandlungsregeln entschieden werden. So könnte man dann gleichzeitig für eine Einhaltung der Struktur wie für Überraschungen sorgen.

Offline xergazz

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #17 am: 24.11.2011 | 13:59 »
Hallo Beral,

ich muss Rumspielstilziel mit dem, was er sagt recht geben. Du gibst mit deinen Vorschlägen im Moment den Spielern einen Weg an die Hand, den sie im Laufe der Geschichte dann beschreiten sollen und ihn dadurch mit Leben füllen. Besser wäre allerdings ein Werkzeug, damit sie den Weg von selber finden. Da du nach einem Beispiel für solche Regeln gefragt hast, spinne ich jetzt einfach mal ein bisschen rum. Bitte versuche nicht schon an dieser Stelle das Ganze auf seine Konsistenz zu überprüfen. Es geht eher darum, dass du einen Ansatzpunkt hast, mit dem du in diese Richtung weiterarbeiten kannst:

Also zu Beginn des Spieles gibt es eine Art Vorbereitungsphase, in der jeder Spieler so eine Art Grundgerüst für die Geschichte festlegt. Dazu erstellt jeder Spieler seinen Spielercharakter anhand von beliebig vielen Aspekten, die seinen Beruf, Ziele, Vorlieben und besonderen Fähigkeiten darstellen, gibt ihm einen Namen, eine Herkunft, eine Geschichte usw. Soweit so FATEig. Nun werden die bösen Gegenstücke zu den Spielerfiguren erstellt. Diese sollten nach Möglichkeit das genaue Gegenteil zu deiner eigenen Spielerfigur darstellen. Ist deine Spielerfigur ein Friedfertiger Zauberer, so ist dein Gegenstück vielleicht ein Kriegstreiberischer Schwarzmagier. Ist sie ein geselliger harmloser Halbling, so ist das Gegenstück ein seelenloser Titan und König der schwarzen Lande. Die Gegenstücke erhalten ebenso wie die Spielercharaktere ihre Aspekte, und zwar umso mehr, je weniger Aspekte der jeweilige Spielercharakter besitzt. Zuletzt entscheidet sich der Spieler, dessen Charakter die wenigsten Aspekte besitzt, für einen Ort, an dem die Geschichte beginnt (und an dem er sich zu diesem Zeitpunkt aufhält) und die Gruppe überlegt sich gemeinsam, um welchen magisches Gegenstand es in der Geschichte gehen soll. Dieser Gegenstand befindet sich am Ort des Gegenspielers mit den meisten Aspekten.

Wie läuft das Spiel?
Der Spieler mit den wenigsten Aspekten beginnt, die Geschichte zu erzählen. Jedes Mal, wenn nun im Laufe der Geschichte ein Aspekt eines anderen Spielercharakters angesprochen wird, kann sich dieser dazu entscheiden, die Geschichte fortzuführen. Die anderen Spieler können weiterhin ganz normal handeln, doch der "aktive" Spieler legt das Thema fest, um dass es gerade geht. Der Spieler, welcher den Aspekt angesprochen hat erhält außerdem einen Token. Token kann man dazu benutzen, um einen neuen Spielercharakter in die Geschichte einzuweben, die Spielsituation zu seinen Gunsten zu verändern oder einen befreundeten NPC zu erschaffen, der ihn fortan begleitet oder ihm helfend zur Seite steht. Ausgegebene Token wandern zu dem jeweiligen Gegenspieler des Spielercharakters.

Sobald nun ein Gegenspieler eindeutig die wenigsten Token besitzt, taucht er an dem Ort des Geschehens auf und versucht, die Spielercharaktere an ihren Zielen zu hindern. Der Spieler, welcher den Gegenspieler erstellt hat, schlüpft in seine Rolle und kann auch entsprechend seine Token ausgeben, um bestimmte Situationen zu erzwingen oder seiner Niederlage zu entkommen. Die Spielercharaktere können versuchen zu fliehen oder sich ihm stellen. Dazu müssen sie seine Aspekte erfolgreich anspielen. Die Gegenspieler können nur besiegt werden, wenn diese Weniger Token besitzen als einer der Spieler.

Ist der Gegenspieler besiegt, können die Spielercharaktere weiterziehen. Alle Spieler, die noch nicht in die Geschichte eingebunden sind, können nun den Ort festlegen, an dem die Geschichte weitergeht. Sind alle Spieler eingebunden, legt der Gegenspieler mit den wenigsten Token den Ort fest. Haben die Spieler den Aufenthaltsort des magischen Gegenstandes erreicht und den dortigen Gegenspieler besiegt, so können sie sich wieder auf den Heimweg machen. Sind nun noch Gegenspieler übrig, werden diese versuchen sie zu verfolgen. Das Spiel endet, wenn alle Gegenspieler besiegt sind und / oder der Gegenstand an den ersten Ort der Geschichte zurückgebracht wurde.


Ich hab versucht mich kurz zu fassen. Die genauen Regeln sind natürlich geschmackssache, das sie doch stark das Spielverhalten beeinflussen.




Es ist ganz einfach. [...] Diskutiert nicht. Diskutiert bitte auch nicht über denn Sinn des Threads.

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #18 am: 24.11.2011 | 14:35 »
@xergazz:
Genau so was meine ich! Unabhängig davon, ob das so schon funktioniert, klingt das System jedenfalls extrem spannend - man erhält beim Lesen eine Ahnung, wie das etwa ablaufen dürfte, aber die Geschichte entfaltet sich beim Spiel aus der Mechanik (wenn sie denn funktioniert - aber das ganze ist ja erstmal auch nur ein Denkansatz).
So was würde ich mir auch gerne Ausdenken können, irgendwie finde ich aber nicht so leicht einen Mechanismus, der potentiell das erzeugt, was ich mir wünsche.

Offline xergazz

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #19 am: 24.11.2011 | 14:38 »
Danke für das Lob :)
Ehrlichgesagt hatte ich das sofort im Kopf, als ich deine Beiträge gelesen habe. Fands sehr inspirierend. Ob die Regeln so funktionieren weiß ich aber auch nicht.
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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #20 am: 24.11.2011 | 15:03 »
Ob die Regeln so funktionieren weiß ich aber auch nicht.
Ausprobieren und berichten! :)

Ihr stellt euch den Spielverlauf ganz anders vor als ich. Aber ich bin offen für eure Vorschläge. Ich schreibe das Spiel für andere, also muss es bei anderen ankommen.
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Offline xergazz

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #21 am: 24.11.2011 | 15:14 »
Ausprobieren und berichten! :)

Du glaubst also ernsthaft, ich würde meine Freizeit dafür opfern? Nichts für ungut. Ich werde den Faden weiter mit großem Interesse verfolgen und wünsche dir noch viel Erfolg bei deiner Suche.
« Letzte Änderung: 24.11.2011 | 15:29 von xergazz »
Es ist ganz einfach. [...] Diskutiert nicht. Diskutiert bitte auch nicht über denn Sinn des Threads.

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #22 am: 24.11.2011 | 16:14 »
Du glaubst also ernsthaft, ich würde meine Freizeit dafür opfern? Nichts für ungut. Ich werde den Faden weiter mit großem Interesse verfolgen und wünsche dir noch viel Erfolg bei deiner Suche.
Opfere deine Freizeit für das, was dir Spaß macht. Und erspare dir und mir vorschnelle Rückschlüsse.

Ich glaube langsam zu erkennen, woher die Meinungsverschiedenheit bezüglich der Spielgestaltung kommt. In diesem Forum geht es um Rollenspielbau. Ihr erwartet berechtigterweise ein Rollenspiel. An dieser Stelle muss ich klarstellen, dass mir ein echtes Rollenspiel zu keinem Zeitpunkt vorgeschwebt hat. Deswegen steht im Threadtitel "Erzählspiel" und nicht "Erzählrollenspiel". Trotzdem liegt der Kommunikationsfehler natürlich bei mir. Deswegen hole ich jetzt ein paar Dinge nach.

Der ein oder andere ist vielleicht schon über die Phantasiereisen gestolpert. Das ist ein Spiel für Kinder. Man beginnt eine Geschichte mit einem Stichwort und das Kind setzt die Geschichte fort. Man bringt abwechselnd die eigenen Ideen rein und entwickelt die Geschichte so weiter. Ähnliches Spiel kennt man aus der Schule, wenn einer den Satz anfängt, der nächste ihn zu Ende schreibt und einen neuen beginnt, der nächste den neuen Halbsatz zu Ende schreibt und selbst einen neuen beginnt. So entstehen die abgefahrensten Storys.

Etwas ähnliches schwebt mir die ganze Zeit vor. Eine lockere Erzählrunde. Aber am Ende soll nicht irgendwas herauskommen, sondern ein Heldenepos. Das kriegt man ohne Hilfe nämlich nicht hin, es sei denn man gewinnt den metaphorischen Sechser im Lotto. Die wilde kreative Power von interagierenden Gehirnen soll auf ein konkretes Ziel ausgerichtet werden. Das Streulicht einer Glühbirne soll in einen Laserstrahl verwandelt werden.

Es war von mir nicht geplant, dass jeder Spieler einen oder mehrere Charaktere bekommt und diese durch das Spiel führt. Es gibt einen Heldencharakter und alle beteiligen sich an seiner Geschichte. Die Geschichte als solche rückt so weit in den Fokus, dass die Rollenübernahme komplett entfällt. Streng genommen bin ich damit im falschen Forum gelandet. Mea culpa!

Soweit also meine ursprünglichen Pläne. Unter der Annahme, dass es ein echtes Rollenspiel werden soll, also mit fester Rollenübernahme, sehe ich den krassen Regelmangel natürlich auch sofort. Für ein Rollenspiel habe ich keine Regeln geliefert. Jetzt frage ich mich, ob meine Idee nicht nur für ein Erzählspiel geeignet ist, sondern auch für ein Rollenspiel.

Wenn überhaupt, ist es eine echt große Herausforderung. Ein Rollenspiel so hinzubiegen, dass das Abenteuer am Ende einer Heldenreise entspricht, ist schon mal eine Ansage. Ich lasse das mal sacken. Normalerweise dauert es ein paar Stunden oder Tage, bis ich in so einer Situation Ideen finde. Wenn sie kommen, melde ich mich wieder.
Spielertyp: Modellbauer. "Ich habe das Rollenspiel transzendiert."

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Achamanian

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #23 am: 25.11.2011 | 10:11 »

Ich glaube langsam zu erkennen, woher die Meinungsverschiedenheit bezüglich der Spielgestaltung kommt. In diesem Forum geht es um Rollenspielbau. Ihr erwartet berechtigterweise ein Rollenspiel. An dieser Stelle muss ich klarstellen, dass mir ein echtes Rollenspiel zu keinem Zeitpunkt vorgeschwebt hat. Deswegen steht im Threadtitel "Erzählspiel" und nicht "Erzählrollenspiel". Trotzdem liegt der Kommunikationsfehler natürlich bei mir. Deswegen hole ich jetzt ein paar Dinge nach.

Ich würde da gar nicht so einen großen Dissens sehen, ich habe auch gar keine Erwartungen - wäre ja noch schöner, wenn ich verlange, dass wer anders ein Spiel entwickelt, so wie ich es gerne hätte, nur weil ich zu faul dazu bin oder mir nichts vernünftiges einfällt ...

Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob man für das, worauf die scheinbar hinauswillst, überhaupt Regeln braucht bzw. ob das überhaupt ein Spiel ist. Geht es dir nur darum, noch einmal möglichst kurz und bündig zusammenzufassen, welchen Regeln der Heldenmythos gehorcht, damit man sich dann zusammensetzen kann und sich anhand dieser Regeln eine Geschichte ausdenken? Das kann man machen, bloß dafür muss man, so scheint mir, eigentlich nichts entwickeln, da reicht tatsächlich die Übersicht, die du schon gemacht hast.

ErikErikson

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Re: [Heldenreise] Ein Erzählspiel
« Antwort #24 am: 25.11.2011 | 10:33 »
Nach Bischof gibt es diese feste Abfolge. Die lässt sich nicht in abstrakte Regeln fassen. Das ist so nicht möglich. Man kann also kein RSP bauen, welches aufgrund weniger Regeln quasi diese Entwivcklung von innen auf natürliche Weise vollzieht.

Am ehesten wäre das noch möglich mit etwas wie Polaris und einer Vorgabe von Archetypen. Das ist zwar Jung, passt aber.

Bsp. könnte man den Archetypen des Torwächters vergeben. Der hat dann automatisch das Ziel, dem Helden eine Prüfung zu stellen/sich überlisten zu lassen und ihn sonst nicht durchzulassen. Wenn diser Archetyp nach Regeln erst dann auftauchen kann, wenn er dran ist, also wenn die entsprechende Stufe kommt, dann wäre das eventuell ein Weg.

Alternativ könnte man pro Stufe bestimmte Wenn/Dann Sätze einbauen. Etwa in der stufe, wo der held das Monster besiegt: "Du siegst, aber...."