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Abwarten und Unterbrechen in Rollenspielkämpfen
nobody@home:
--- Zitat von: OldSam am 4.11.2016 | 21:12 ---Ja, ist auf jeden Fall ein häufig gesehener Fall, kann ich auch bestätigen (ohne jetzt sinnvoll einschätzen zu können wie häufig der vom Gesamtanteil her vorkommt, aber das ist ja auch nicht so unbedingt wichtig).
Das lässt sich mittels Abwarten meiner Erfahrung nach auch gut abbilden. Blöd wurde es aber einige Male i.d. Vergangenheit, wenn der zulässige Schaden des genutzten Systems der Bedrohung überhaupt nicht entsprach, dann wird das vermeintlich tödliche Messer am Hals zum luschigen Kratzer, weil die Leute soviele Lebenspunkte haben o.ä.
--- Ende Zitat ---
Das ist dann mehr ein Problem mit dem Schadenssystem, denke ich. Natürlich wird eine "Bedrohung", die eigentlich gar keine ist, entsprechend schlecht wirken, wenn sie erst mal durchschaut ist. (Und natürlich hängt's auch vom bedrohten Charakter ab. Ein Pulp-Actionheld in einem entsprechenden Setting beispielsweise stirbt nun mal nicht einfach so eben, egal, wie gefährlich die Situation für andere Leute vielleicht wäre -- und er erstarrt auch nicht so schnell vor Schreck, nur weil mal wieder 'ne Maschinenpistole in seine Richtung zeigt.)
Turning Wheel:
Ja, die ganze Abwarterei macht logischerweise auch nur in Systemen Sinn, die
in einer einzelnen Kampfrunde auch spürbare Konsequenzen produzieren.
YY:
--- Zitat von: Turning Wheel am 4.11.2016 | 00:13 ---Im Rahmen dieses Themas wäre es für mich durchaus interessant zu erfahren, in welchen Rollenspielen das gut oder weniger gut gelöst ist.
--- Ende Zitat ---
Dann gehe ich mal etwas Prominenz und ein paar obskurere Kandidaten durch :)
Corporation macht es sich einfach: Wer später handeln will, tut das zu einem beliebigen Zeitpunkt und darf dabei auch andere unterbrechen.
Das ist auf einer Linie mit dem Rest des Systems, wo einfache und schnelle Anwendung über detaillierte Verregelung gestellt wird.
Aus oben genannten Gründen nicht ganz optimal - aber wenigstens spielt man hier keine normalen Menschen, sondern schwerst vercyberte Agenten, da stört es nicht ganz so sehr. Normalsterblichen NSCs kann man dann ggf. entsprechende Würfe aufdrücken...
Savage Worlds erlaubt es, seine Handlung zurückzustellen und sich irgendwo in die Handlungsreihenfolge einzuschieben. Wenn man nicht zwischen zwei Beteiligten handeln, sondern jemanden unterbrechen will, wird gewürfelt, ob es klappt. Dabei kann es passieren, dass die Handlung, die man geplant und wegen der man unterbrochen hat, nicht mehr möglich ist - aber da man frei abwartet, kann man schauen, ob man noch was anderes Sinnvolles macht oder weiter/wieder abwartet.
Passt zum System, erzeugt aber manchmal etwas seltsame Resultate - auch wegen der Swingyness der Würfelmechanik.
In Shadowrun (5) kann man seine Handlung auf ein beliebiges nachfolgendes Ini-Ergebnis verlegen, muss diesen Zeitpunkt aber ansagen (was im nachfolgenden Beispiel aber anders gemacht wird...). Man kann wählen, ob man vor, nach oder gleichzeitig mit einem Akteur handelt, der ggf. auf diesem Ergebnis dran ist. Verzögerte Handlungen erleiden einen kleinen Malus.
So richtig klar wird aus Regeltext und Beispiel also nicht, wie es nun gehandhabt werden soll. Der Malus ist jedenfalls zu klein, um wirklich relevant zu sein.
Wir bleiben verwirrt zurück :P ;D
Space Gothic (3) trennt zwischen "normalen" Handlungen und Schussbereitschaft. Wer nicht bei seinem Ini-Ergebnis handeln will, handelt als Letzter. Gibt es mehrere Abwartende, handeln sie in umgekehrter Ini-Reihenfolge. Davon getrennt ist das Einnehmen der Schussbereitschaft - damit darf man in der Folge zu einem beliebigen Zeitpunkt einen Angriff auf einen anderen Akteur durchführen, allerdings mit einem Malus.
Eher ungewöhnlich gelöst; die Aufteilung in normales Warten und einen frei bestimmbaren Angriff (aber auch nichts anderes) funktioniert aber meistens ganz gut, weil damit die Standardfälle abgedeckt sind.
Dark Heresy (2) trennt ebenfalls zwischen Abwarten und Schussbereitschaft. Beim normalen Abwarten wendet man eine Volle Handlung auf, um später eine Halbe Handlung durchführen zu können - und darf dabei niemanden unterbrechen. Wollen zwei Abwartende gleichzeitig handeln, würfeln sie eine vergleichende Agility-Probe.
Für Schussbereitschaft (Overwatch) muss der Charakter einen Schussbereich festlegen und darf dann bis zum Beginn seiner nächsten Runde einen Angriff durchführen. Unterbricht er jemanden, gilt die höhere Agility - bei einem d100-System ist Gleichstand hier selten und ein hoher Wert entsprechend wichtig. Gibt es doch einmal Gleichstand, wird vergleichend gewürfelt.
Der Overwatch-Angriff unterliegt keinem Malus (anders als in der ersten Edition) und hat obendrauf noch Sondereffekte gegenüber einem regulären Angriff in der eigenen Runde (der Beschossene muss eine Probe ablegen, ob er vom Beschuss gepinnt wird). Anders als beim Abwarten werden für Overwatch Bedingungen festgelegt, unter denen die Schussbereitschaft verfällt (z.B. eigenes Ausweichen).
Die Regelformulierung ist mehr als unglücklich, weil nicht klar wird, ob man nur einen Angriff oder beliebig viele hat: in meiner Ausgabe stehen fälschlicherweise beide relevanten Worte drin (es ist also in der Entwicklung zumindest mal geändert worden, nur ist nicht klar, in welche Richtung) und die Frage ist von FFG nie abschließend beantwortet worden, so weit ich weiß.
Selbst mit einem Angriff (mMn die einzig sinnvolle Variante) ist Overwatch immer noch eine sehr starke Option.
Wie bei SG 3 wird also getrennt in freies Abwarten mit zeitlichen Nachteilen (keine Unterbrechung) oder Schussbereitschaft. Funktioniert auch hier grundsätzlich, ist aber undurchsichtig formuliert und nicht ganz durchdacht - eine Baustelle, die man aus der ersten Edition mitgeschleppt hat.
Twilight 2013 verwendet ein Tick-System und erlaubt es einem Charakter nicht, tickweise abzuwarten. Stattdessen muss er mindestens eine Anzahl an Ticks warten, die von seinem OODA-Loop-Attribut festgelegt werden. So wird die Reaktions- und Bewertungsfähigkeit abgebildet und es kann passieren, dass Abläufe zu schnell für den Abwartenden sind, als dass er darauf reagieren könnte. Insbesondere wenn man die komplexe Variante des Tick-Systems anwendet, welche Anfangs- und Endzeitpunkt von Handlungen nachhält, funktioniert das sehr gut.
Auch eine eher ungewöhnliche Umsetzung, aber mMn eine sehr schöne Lösung.
Hier wird der Schwerpunkt nicht auf die Ansage einer Handlung gelegt, sondern auf die dem Akteur eigene Reaktions- und Bewertungsfähigkeit - und weil das je nach Attributswert eine recht starke Einschränkung sein kann bzw. die Entscheidungszeit schon beinhaltet, kann man hier auch freies Abwarten zulassen.
An diese Variante dachte ich, als ich den Abschnitt im Eingangsbeitrag geschrieben habe.
Splittermond erlaubt "perfektes" Unterbrechen ohne Wurf, verlangt aber dafür eine Ansage von Handlung und Auslöser. "Unterbrechen" ist im systemeigenen Sprachgebrauch anderweitig in Verwendung und bezeichnet den Abbruch einer kontinuierlichen Handlung durch erlittene Schadenspunkte (etwa aufgrund bereitgehaltener Handlungen von Dritten...).
GURPS (4) macht es ebenso - die konkrete Handlung und der Auslöser müssen benannt werden, dafür klappt das Unterbrechen ohne Wurf. Als Besonderheit gibt es z.B. die Option, Angriffe auf eine bestimmte Stelle mit einem Abzug zu versehen, wenn man zuerst schauen will, auf wen man denn eigentlich schießt.
Sowohl Splittermond als auch GURPS legen also nicht fest, was doch nicht unterbrochen werden kann - hier ist ggf. der SL gefragt, wenn es mal relevant sein sollte.
Die Lösungsansätze von Splittermond und GURPS entsprechen meinen obigen Überlegungen und haben daher meinen Segen.
Am Elegantesten ist aber in meinen Augen die Regelung von Twilight 2013, weil hier auch Dinge quasi hinter den Kulissen mit abgebildet sind, die in anderen Systemen entweder ignoriert oder extra geregelt werden.
OldSam:
--- Zitat von: YY am 6.11.2016 | 17:29 ---Dann gehe ich mal etwas Prominenz und ein paar obskurere Kandidaten durch :)
--- Ende Zitat ---
Coole Aufstellung, danke dafür... :d
---
Kriegt eigentlich noch jemand auf Anhieb zusammen wie das genau bei DSA4 war?
Es wurde ein freies Abwarten benutzt und es gab irgendwie Kalkulationen auf Basis des Ini-Wertes wer noch welche (freien) Handlungen bekommen kann. Ich erinnere mich da von früher noch an sehr seltsame Geschichten, also sowas das es für viele Chars eine der besten Kampf-Taktiken war grundsätzlich erst immer abzuwarten und dann konnte man irgendwie später - wenn das Abwarten "unnötig" gewesen ist - nachträglich eine Parade in eine weitere Attacke umwandeln oder etwas in dieser Art... Lange her, darum müsste ich jetzt nochmal nachlesen wie es genau war, aber jedenfalls recht merkwürdig gelöst mit diversen kantigen Effekten (wenn man gewisse logische Überlegungen zugrunde legt wie hier im Thread) ...
Für DSA5 würde es mich im Vergleich dann auch interessieren, sofern sich was geändert hat...
Turning Wheel:
Ja, auch von mir vielen Dank für den detaillierten Abriss.
Tatsächlich ist das eine Info, der für mich das Splittermondsystem sehr interessant macht.
Was haltet ihr sonst von dem System? Ist es für simulatives, taktisches Spiel gut geeignet?
Macht es auch sonst vieles richtig?
Übrigens: Wie lange ist ein Tick bei Splittermond?
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