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Deutsche OSR Systeme?
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--- Zitat von: Pandelume am 6.03.2017 | 18:11 ---Wieso funktioniert das bei OSR denn nicht? Magst mal ausführen?
--- Ende Zitat ---
Ja sicher. Die Antwort erklärt dann vermutlich auch die unterschiedliche Rezeption von OSR-Ansätzen. Nach meinem Eindruck geht es Alexandro in vielerlei Hinsicht ähnlich wie mir und ich kenne noch diverse weitere Leute, deren Blick auf die OSR dem meinen stark gleicht.
Das urpsprüngliche Zitat lautete:
--- Zitat ---Mir ist eine über das Funktionale hinausgehende, psychologisch nachvollziehbare Motivation der Handelnden wichtig. Ich erlebe Rollenspiele nicht in erster Linie als mehr oder weniger sinnbefreiten Rätsel- und Würfelspaß - sondern als Interaktionsspaß, dessen ingame-Interaktionen sich halt nicht nur auf abstrakte Verhandlungen mit Fraktionen eines Dungeons beschränken.
--- Ende Zitat ---
Im Prinzip hat das viel mit Konsistenz, Immersion und Stances zu tun. Ich mache das mal beispielhaft an zwei zentralen Prinzipien klar:
1. Herausforderung der Spieler: In der OSR sollen ja die Spieler herausgefordert werden und nicht die Charaktere. Das ist selbstredend ein total legitimes Ansinnen, hat aber massiven Einfluss auf das Spiel. Mit diesem Einfluss gehen nämlich Veränderungen im Verhalten und Erleben der Beteiligten einher. Diese Veränderungen werden bewertet und verschiedene Leute kommen zu unterschiedlichen Ergebnisse. Einige findens super, andere scheiße. So weit, so logisch. Bezogen auf das Beispiel "Fordere die Spieler heraus, nicht die Charaktere": wenn das Spiel auf einer Metaebene die Spielweltlogik so biegt, dass die Spieler sich herausgefordert fühlen, dann leidet darunter die spielweltimmanente Konsistenz und Logik. Das mag sich seltsam anhören, wenn man über Fantasywelten mit Elfen, Drachen und zaubernden Einhörnern spricht. Aber ich empfinde das so. Wenn sich in einem Dungeon auf einer offenen Tür ein Schlangenkopf befindet, dann richtet sich dese Herausforderung offensichtlich an die Spieler. Ähnlich der Feuerballfalle aus dem obigen Beispiel. Die Frage, welchen tieferen Sinn diese Tür hat, wer die Tür mit welchen Mitteln wartet, weshalb man nicht unbeträchtliche magische und sonstige Energie in diese Tür investieren sollte, warum die Falle in der Tür dann doch wieder so offensichtlich und zugleich so wenig tödlich ist sowie zwei Millionen weitere Fragen: das ist in der OSR zumeist weniger von Belang als der Spaß, dieses Hindernis möglichst effizient zu bewältigen. Daran ist selbstredend auch rein gar nichts auszusetzen. Gleichwohl verändern Details wie diese, deren Vorhandensein sich vornehmlich aus der Herausforderung der Spieler speist und weniger aus einer spielweltimmanenten Logik, das Spielgefühl danz erheblich. Insbesondere sorgen sie dafür, dass man sich als Spieler ein wenig rauszieht und das Spiel abstrahierter betrachtet - weil man ja selbst herausgefordert wird. Auch reduziert sich dadurch die Identifikation mit dem gespielten Charakter, denn schließlich steht der ja weniger im Mittelpunkt des Geschehens. Es geht ja um die Spieler selbst. Und so weiter. Daraus ergeben sich dann sehr viele Änderungen. Da muss man nur, als ein Beispiel unter vielen, auf die Tödlichkeit abheben. Wenn ich im OSR-Feeling durch einen Dungeon cruise und dabei als Spieler im Mittelpunkt stehe, dann reduiziert sich parallel natürlich die Identifikation mit dem Charakter. Entsprechend leichter kann man mit Charaktertoden umgehen und entsprechend weniger Verständnis bringt man für die "Heulsusen" auf, die womöglich weniger bereitwillig den gespielten Charakterbogen zerreißen möchten. Und so weiter.
2. Do it yourself: Das Prinzip, sich gegen eine Industrialisierung aufzulehnen und sich stattdessen im Hobby auf seine eigene Kreativität zu verlassen, finde ich grundsätzlich wahnsinnig sympathisch. Damit einher geht häufig die Ablehnung von als kommerzialisiert wahrgenommenen Hochglanzprodukten. Viele OSR-Produkte kommen deshalb mit einer betont eigenen, amateurhaften Aufmachung daher. Das wirkt sicherhlich einladend und senkt die Hemmschwelle von Leuten, selbst tätig zu werden und aktiv beizutragen. Parallel erschwert es aber aus einer anderen Richtung die Immersion und Konsistenz der Spielwelt. Es gibt ja schließlich einen Grund, weshalb modernes Interaction Design als extrem wichtig angesehen wird. Ich selbst habe davon zwar keine Ahnung, aber in den letzten Jahren sehr viel Erfahrung mit Top-Designern sammln dürfen. Meine anfängliche Skepsis diesen Leuten gegenüber ist einer aufrichtigen Bewunderung gewichen. Die sind imstande, sehr komplexe Sachverhalte auf absolut treffende Weise zu erläutern. Wer schon mal in einem modernen, clever "designten" Museum war und den Vergleich zur üblichen Darstellung vor 30 oder 40 oder gar 50 Jahren hat, der kennt die Unterschiede. Gutes Design hilft bei der Orientierung, hilft bei der Immersion, regt die Kreativität an, lässt die Gedanken kreisen. Die OSR erreicht nichts von dem, sondern erschwert mir durch bewusst beschissene Darstellung das Leben als Spieler und als SL. Auch da wieder: ich kann dem Grundgedanken ne Menge abgewinnen, aber im Ergebnis find ich es im Kontext von Rollenspielen schlicht scheiße.
EDIT:Ein schönes Beispiel für die beiden obigen Prinzipien ist das GRW von DCC (Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Kurzum: Die Grundannahmen der OSR sorgen für eine Verschiebung der Prioritäten des Spiels. Je nach eigener Präferenzstruktur kann man das durch die Bank total super finden oder sich damit schwer tun. Bei mir ist leider Letzteres der Fall, so sympathisch mir viele der Grundannahmen der OSR auch sein mögen. Entsprechend ist es selbstverständlich korrekt zu sagen, dass man innerhalb der OSR exakt das gleiche tun kann wie bei anderen Rollenspielen auch. Der Unterschied ist aber: es fühlt sich anders an.
P.S.: Zur Sicherheit vielleicht noch schnell der Hinweis, dass es immer auch Ausnahmen und Beispiele für gegenteilige Ansätze in einem so weiten Feld wie der OSR gibt. Das kenne ich von INdiespielen. Da gibts auch immer Gegenbeispiele für alles. Darum gehts hier in diesem Beitrag aber nicht. Ich beschränke mich bewusst anhand von zwei Beispielen auf von mir wahrgenommene, allgemeine Tendenzen. Nicht auf Ausnahmen und singuläre Gegenbeispiele. Das bitte ich bei etwaigen Antworten zu berücksichtigen. Danke.
Rorschachhamster:
@Wellentänzer: Nur mal kurz, vielleicht finde ich später noch mehr Zeit: Diese Ausführung finde ich total Spannend, weil ich den ersten Teil nachvollziehen kann, aber den 2. Teil vollkommen anders wahrgenommen habe; in meiner Wahrnehmung habe ich nämlich oft superschöne Rollenspielprodukte in den Händen gehabt, deren Regeln und Mechaniken schlecht bis grottig waren. Form over function. Das ist sicherlich subjektiv, aber vielleicht kann man da ja mal tiefer nachschauen... ;)
Wellentänzer:
--- Zitat von: Rorschachhamster am 7.03.2017 | 11:46 ---@Wellentänzer: Nur mal kurz, vielleicht finde ich später noch mehr Zeit: Diese Ausführung finde ich total Spannend, weil ich den ersten Teil nachvollziehen kann, aber den 2. Teil vollkommen anders wahrgenommen habe; in meiner Wahrnehmung habe ich nämlich oft superschöne Rollenspielprodukte in den Händen gehabt, deren Regeln und Mechaniken schlecht bis grottig waren. Form over function. Das ist sicherlich subjektiv, aber vielleicht kann man da ja mal tiefer nachschauen... ;)
--- Ende Zitat ---
Nene, das kommt auch oft vor, keine Frage. Artgasm heißt sowas gerne mal, wenn ich da richtig informiert bin. Hier ein paar Beispiele ;)
:
Fieser Doppelpost: die unterschiedlichen Haltungen zu der Frage, wer denn nun herausgefordert werden soll, verursachen bei Heterogenität innerhalb einer Gruppe mitunter massive Probleme. Man denke nur an den berühmt-berüchtigten "Taschenlampenfallenlasser". Die Fraktion der Leute, die als Spieler herausgefordert werden möchte, reißt dem Typen natürlich den Kopf ab. Aus der Perspektive desjenigen, der die Charaktere herausfordern möchte, ist das hingegen total verständlich. Blöd wirds halt, wenn das in der Gruppe unausgesprochen + unerkannt bleibt, sich dann im Taschenlampenfallenlassen manifestiert und emotionale instabile Gemüter darüber explodieren.
Das sind alles unterschiedliche Seiten der gleichen Medaille. Besser oder schlechter gibts da nicht.
Scurlock:
Ich kann ehrlich gesagt keinen der beiden Punkte nachvollziehen, weil beide von Prämissen ausgehen, die nicht zwangsweise bei OSR gegeben sind bzw. eine Vorraussetzung für OSR sind.
Ja, OSR-Abenteuer setzen in der Regel eher auf Spielerkompetenz und weniger auf Charakterkompetenz. Das heisst aber nicht, dass Rätsel, Fallen und Herausforderungen deshalb automatisch im luftleeren Raum bestehen und keinen Bezug zur Spielwelt haben. Es gibt Abenteuer, in denen diese Elemente losgelöst sind von Spielweltlogik, aber dies ist mit Sicherheit kein Merkmal von OSR. Im Zweifel sind das auch schlechte (OSR)-Abenteuer.
Die Herausforderungen in Modulen wie Death Frost Doom, Deep Carbon Observatory oder Sleeping Place of the Feathered Swine hingegen liegen immer innerhalb der Spielwelt begründet. Und das sind (gute) OSR-Abenteuer.
Auch kann ich (zumindest für mich) nicht erkennen, dass die vermeintlich amateurhafte Aufmachung von OSR-Produkten Immersion und Konsistenz von Spielwelten erschwert. Ich denke gerade das Gegenteil ist der Fall. Perfekt durchdesignte und romanhafte Module im Stile von Pathfinder&Co ersticken viel eher die Kreativität und jegliche Flexibilität bei Vorbereitung und am Spieltisch. Und es brechen ganz schnell Konsistenz und Immersion zusammen, wenn man am schönen Schein des hübschen Designs kratzt. Viele OSR-Produkte, Deep Carbon Observatory sei hier wieder beispielhaft genannt, schaffen hingegen gerade in bewusster Knappheit der Abenteuer und mit zielsicher gesetzten Stilelementen verdammt immersive Spielwelten, ohne den SL aber einzuengen. Und das ist für mich gerade eine der Stärken von OSR.
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