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[Age of the rising Sun] Überlegungen zu einem Solarpunk-Setting

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Waldviech:
Punks gibt's im RPG-Sektor ja so einige. Cyberpunks, Steampunks, Dieselpunks, Dungeonpunks und so weiter und so fort. Solarpunk hingegen scheint eher, sagen wir mal, "unterrepräsentiert" zu sein. Tatsächlich fällt mir hierzu eigentlich nur der gleichnamige Tanelorn-Beitrag von 2014 ein. Daher möchte ich hier mal ein paar halbgare Überlegungen dazu in die Runde schmeißen, wie ein Solarpunk-Setting wohl aussehen könnte.  Vielleicht kommt ja was zusammen!

- das Ganze spielt so round about zwei Jahrhunderte in der Zukunft
- Klimawandel sei Dank ist die Erde heißer und feuchter als heute. Etliche Küstenlinien verlaufen anders, Klimazonen haben sich verschoben, große Teile der Polkappen sind abgeschmolzen.
- Weite Teile des 21. und des 22. Jahrhunderts waren ziemlich ätzend. Kriege, Naturkatastrophen, Ressourcenknappheit etc.pp. sorgten dafür, dass die Lage für die Menschheit als Ganzes ziemlich ernst war. Gleichwohl blieb der befürchtete totale Kollaps aus. Zwar wird das 21. Jahrhundert rückblickend als "Jahrhundert der Apokalypse" bezeichnet und die Menschheit hatte einen ziemlichen Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen, aber irgendwie wurstelten man sich durch - bis die Lage tatsächlich stückchenweise wieder besser würde (Ja, hier schlägt meine Vorliebe für Szenarien in der Post-Postapokalypse durch ;) )
- die "Gegenwart" ist geprägt von wirtschaftlicher Aufbruchsstimmung und der sogenannten "Reglobalisierung". Die Staaten der Welt gehen wieder aufeinander zu.
- politische Zentren der neuen Ära sind ein florierendes Südamerika, ein föderales Europa, (dass die Kurve gekriegt hat) und Indien. In "zweiter Reihe" stehen aufstrebende, afrikanische Republiken, die in Ost und West geteilten USA und diverse, südostasiatische Staaten. "Sorgenkinder" sind ein weitgehend kollabiertes Russland, ein in sich zusammengefallenes Saudi-Arabien, ein bürgerkriegszerrissenes Japan und ein von faschistischen Australiern besetztes China.
- es hat sich ein ziemlich urbaner Lebensstil durchgesetzt, der stark (sehr stark) vom Green Urbanism geprägt ist. Metropolen sind eine Mischung aus Hochhäusern, Arkologien, Gärten und Parkanlagen.
- Technologisch wirkt die neue Ära aus heutiger Sicht vermutlich ziemlich "schizo".
Auf der einen Seite:  Die Energieversorgung erfolgt zu hundert Prozent aus nachhaltigen Quellen, hoch entwickelte Medizin und Gentechnik kann Krankheiten heilen, an deren Heilung heutzutage nicht zu denken wäre, die Computertechnik ist tatsächlich bei echter KI angekommen (sowohl bei stationären Computersystemen als auch bei Robotern).
Auf der anderen Seite: da man sich während des "Jahrhunderts der Apokalypse" vielerorts gezwungenermaßen auf Lowtechlösungen verlegt hat und Teile der Welt während der ganzen, vergangenen Katastrophen auf eine Art "technologisches Drittweltniveau" zurückgefallen sind und sich bis heute nicht völlig erholt haben, wirkt das frühe 23. Jahrhundert steckenweise verdächtig wie das späte 19. (Nur mit erheblich weniger Umweltverschmutzung).
- internationaler Verkehr ist, im Vergleich zu heute, entschleunigt. Wer es eilig hat und in einer Großmetropole wohnt, kann per Hyperloop-Bahnverbindung tausende von Kilometern in wenigen Stunden zurücklegen. Ansonsten nimmt man gern Passagierschiffe (von Elektromotoren, Segeln und Flettnerrotoren angetrieben). Im Bereich Flugverkehr hat der gute, alte Zeppelin eine Renaissance.
- auch stilistisch und modemäßig wirkt die neue Ära mitunter etwas "retro". In Europa und Südamerika feiert der Jugendstil seine Wiedergeburt. Moderne Metropolen dort sehen also durchaus so aus wie von Schuiten und Peeters gezeichnet.

Und was spielt man in diesem Szenario?
Das ist tatsächlich eine sehr gute Frage! Ich mir hier prima so eine Art "Neopulp" vorstellen.
Das optimistische, urbane "Ecotopia" ist schließlich nicht gleichmäßig über die Welt verteilt.
Während man in Rio, Leipzig, Lagos oder New York in elegantem Luxus lebt, sieht es im "leeren" Mittelwesten Nordamerikas oder gar in Russland verdächtig nach Fallout aus.
In verborgenen Ruinen mag manch technologischer Schatz aus dem Jahrhundert der Apokalypse verborgen liegen (und gar eine Gefahr für die Welt darstellen, wenn er Leuten wie den Australiern in die Hände fällt).
Zudem gehen die (meisten) Staaten der Welt zwar wieder friedlich aufeinander zu, aber das bedeutet nicht, dass es nicht Spionageaffären in Hülle und Fülle gäbe. Brasilien und Nigeria bespitzeln gegenseitig ihre Weltraumprogramme, denn jeder der beiden Staaten will bei der geplanten Rückkehr zum Mond der erste sein. Niemand weiß, wie weit die Wissenschaftler von Lhasa wirklich mit ihren Minduploadexperimenten sind (die dem wahnsinnigen Dalai-Lama echte Reinkarnation ermöglichen sollen). Und jeder andere europäische Staat würde gerne die genetische Geheimformel hinter den irrwitzig ertragreichen flensburger Ölalgen kennen.
Für Abenteurer und Spione gäbe es also einiges an Betätigungsfeldern.

Was würde hier denn noch fehlen? Welche Ansätze sind gut, welche weniger?

Achamanian:
Auf jeden Fall eine schöne Idee. Ich gebe gleich mal eine Lektüreempfehlung, nämlich "New York 2140" von Kim Stanley Robinson - das ist zwar in jeder Hinsicht Gegenwartsnäher, es gibt aber schön viele gute Ideen, wie die Menschheit mit der Klimakatastrophe umgehen könnte, von einem neuen Zeitalter der Segelschifffahrt bis zu Stadtteilen auf Riesenbojen ...

Ich bin mir noch nicht ganz sicher zu dem "was soll man da eigentlich spielen"-Teil, das überzeugt mich alles noch nicht so richtig; für mein Gefühl müsste man da noch ein Core-Story-Element reinballern, das als Aufhänger für viele Arten von Abenteuern passt. Ich bringe da mal mein Steckenpferd ein: Ich wollte schon länger mal Klimakatastrophe und das Alien-Zone-Thema aus Picknick am "Wegesrand", "Auslöschung" und so Büchern für's RSP zusammenbringen. Wie wäre es mit einer Alien-Ökologie, die relativ kurz vor Spielbeginn als "Saat" auf der Erde niedergegangen ist und mittlerweile einen Haufen ökologisch fremdartiger Zonen hervorgebracht hat ...?

EDIT: Als Abenteueraufhänger könnte das einiges liefern, von der Erforschung der Zonen über Eindämmung von bedrohlichen Organismen, Verhinderung ihrer Ausbeutung/ihres Missbrauchs bis hin zur Auseinandersetzung mit eventuell intelligenten neuen Lebensformen, die dort entstehen und (gemäß der optimistischen Solarpunk-Grundhaltung) hoffentlich eine gemeinsame Lebensgrundlade mit den Menschen finden ...

Man könnte außerdem gut eine internationale Behörde, die sich mit den Auswirkungen dieser Zonen befasst, als Arbeitgeber der SC benutzen.

Chaos:
"Internationale Behörde" (danke für das Stichwort, Rumpel) bringt mich auf eine ganz andere Idee: Könnte sich nicht eine Organisation gebildet haben, deren Ziel es ist, die Fehler der Vergangenheit zu vermeiden? Als da wären:
- Umweltzerstörung und Nutzung nicht nachhaltiger Technologien
- Nationalismus, religiösen und sonstigen Fanatismus
- Ideologien wie den Faschismus (der ja nur florieren kann, wenn man eine Gruppe gegen andere aufstachelt)
- ABC-Waffen (und alles Andere, was seit der heutigen Zeit noch für diese Spielzeugkiste entwickelt wurde)

Wann immer die Organisation Wind bekommt, dass sich irgendwo auf der Welt so etwas zusammenbracht, schickt sie ihre Spezialisten los, die dem mit allen geboteten Mitteln entgegenwirkt. Da verstirbt der faschistische Hetzer unerwartet an einem "Herzinfarkt", das Biolabor, das an einem optimierten Ebolavirus gearbeitet hat, explodiert infolge eines "Gaslecks", etc etc. Das alles findet im verborgenen statt, ist hochgradig illegal und ethisch auch nicht gerade lupenrein, aber der Zweck heiligt die Mittel, denn weder die Menschheit noch das Ökosystem würden ein zweites Jahrhundert der Apokalypse überleben.

Waldviech:
[So, als leichte, emotionale Ablenkung vom Uhrwerkschock mal hier weiter im Text]

Danke für den Buchtipp! Den Schmöker habe ich tatsächlich schon länger auf der Zu-Lesen-wenn-Zeit-Liste und das Konzept vom Buchdeckel stand auch so ein bisschen Pate für das Ganze hier - ohne, das da Details ne Rolle spielen würden, denn ich habe ja noch nicht gelesen :)

Die Idee mit der internationalen Behörde ist eine echt gute Idee, wobei ich noch nicht weiß, wie "düster" ich diese gestalten würde. Das Konzept mit der internationalen "Rettungstruppe" würde ja sowohl im hellen James-Bond-Film-Stil, als auch im dreckigen Noir-Style funktionieren. Vielleicht wird ja so ein Schuh draus:

Die Geheimorganisation "Club of Geneva" soll während des Jahrhunderts der Apokalypse entweder aus einer Gruppe skrupelloser Ökoterroristen oder einem geheimen Kader der UN entstanden sein. Die Ziele dieser Organisation: ziemlich genau DAS, was Chaos gerade beschrieben hat. Die Menschheit ist davongekommen - und so soll es bleiben. Das ist das oberste Ziel des Clubs. Für diesen Zweck rekrutiert der Club außergewöhnliche Individuen aus allen Teilen der Welt, aus allen Schichten der Gesellschaft.
Offiziell existiert de Club natürlich nicht, inoffiziell ist er aber so etwas wie die geheime Eingreiftruppe der Erdallianz, der neuen Nachfolgeorganisation der UNO (die im Übrigen alles daran setzt, schlagkräftiger zu sein als die alte UNO).

Die Idee mit dem Alien-Ökosystem ist auch knorke und sollte mit rein. Ich würde als "Kern" des Ganzen hier jedoch keine Aliens nehmen, sondern das Ganze wie folgt basteln: das "Alien-Ökosystem" ist eine Folge der Singularität! Während des frühen 22. Jahrhunderts haben einige Wissenschaftler ihrem Quantencomputer eingeimpft "Zeige und Wege, die Ökokalypse zu verhindern". Ausgerechnet dieser Quantencomputer war es dann, der seine geistigen Möglichkeiten exponentiell weiterentwickelte. Es gibt nun also einige Areale auf Erden, in denen eine transzendente Gott-KI das Ökosystem der Erde "repariert" und "verbessert" hat. Diese Gott-KI hat allerdings zuweilen SEHR eigene Vorstellungen von Reparieren und Verbessern, was die Sache dann sehr interessant macht. Im Übrigen ist die KI keineswegs inhärent menschenfeindlich. Sie ist nur mittlerweile so weit fortgeschritten und so "anders", dass Menschen für sie auch nur nein Teil des Ökosystems von vielen sind...

Chaos:

--- Zitat von: Waldviech am  4.06.2019 | 16:27 ---[So, als leichte, emotionale Ablenkung vom Uhrwerkschock mal hier weiter im Text]

Danke für den Buchtipp! Den Schmöker habe ich tatsächlich schon länger auf der Zu-Lesen-wenn-Zeit-Liste und das Konzept vom Buchdeckel stand auch so ein bisschen Pate für das Ganze hier - ohne, das da Details ne Rolle spielen würden, denn ich habe ja noch nicht gelesen :)

Die Idee mit der internationalen Behörde ist eine echt gute Idee, wobei ich noch nicht weiß, wie "düster" ich diese gestalten würde. Das Konzept mit der internationalen "Rettungstruppe" würde ja sowohl im hellen James-Bond-Film-Stil, als auch im dreckigen Noir-Style funktionieren. Vielleicht wird ja so ein Schuh draus:

Die Geheimorganisation "Club of Geneva" soll während des Jahrhunderts der Apokalypse entweder aus einer Gruppe skrupelloser Ökoterroristen oder einem geheimen Kader der UN entstanden sein. Die Ziele dieser Organisation: ziemlich genau DAS, was Chaos gerade beschrieben hat. Die Menschheit ist davongekommen - und so soll es bleiben. Das ist das oberste Ziel des Clubs. Für diesen Zweck rekrutiert der Club außergewöhnliche Individuen aus allen Teilen der Welt, aus allen Schichten der Gesellschaft.
Offiziell existiert de Club natürlich nicht, inoffiziell ist er aber so etwas wie die geheime Eingreiftruppe der Erdallianz, der neuen Nachfolgeorganisation der UNO (die im Übrigen alles daran setzt, schlagkräftiger zu sein als die alte UNO).

Die Idee mit dem Alien-Ökosystem ist auch knorke und sollte mit rein. Ich würde als "Kern" des Ganzen hier jedoch keine Aliens nehmen, sondern das Ganze wie folgt basteln: das "Alien-Ökosystem" ist eine Folge der Singularität! Während des frühen 22. Jahrhunderts haben einige Wissenschaftler ihrem Quantencomputer eingeimpft "Zeige und Wege, die Ökokalypse zu verhindern". Ausgerechnet dieser Quantencomputer war es dann, der seine geistigen Möglichkeiten exponentiell weiterentwickelte. Es gibt nun also einige Areale auf Erden, in denen eine transzendente Gott-KI das Ökosystem der Erde "repariert" und "verbessert" hat. Diese Gott-KI hat allerdings zuweilen SEHR eigene Vorstellungen von Reparieren und Verbessern, was die Sache dann sehr interessant macht. Im Übrigen ist die KI keineswegs inhärent menschenfeindlich. Sie ist nur mittlerweile so weit fortgeschritten und so "anders", dass Menschen für sie auch nur nein Teil des Ökosystems von vielen sind...

--- Ende Zitat ---

 :d

Vielleicht hat man beim Programmieren dieses Quantencomputers auch einfach vergessen, explizit vorzuschreiben, dass dieses Ökosystem menschliches Leben ermöglichen/unterstützen soll? Ich meine, es ist für Menschen vollkommen offensichtlich, dass es das soll, aber für eine KI? Sicher ist das nicht das erste mal, dass in der Informatik etwas fürchterlich schiefgelaufen ist, weil jemand nicht daran gedacht hat, etwas völlig offensichtliches explizit vorzuschreiben.

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