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[verschiedene Systeme] Huhn leitet Oneshots
Huhn:
Wo geleitet: CONspiracy, 21.05.2020
System: Beyond the Wall
Abenteuer: "Feenhandel" aus "Beyond the Wall und andere Abenteuer"
Autor_in: Daniel Neugebauer
Dauer: 1 h Charakterbau + ~2,5 h Spiel
Feenhandel
SC:
Wilfred, der unerprobte Dieb
Maximilian, der Dorfheld
Garoth, der Hexenschüler
Ambrose, der Wirt des Wirthauses "Zum Roten Eber" und Brauer des besten Bieres weit und breit, bittet einige junge Freunde aus dem Dorf um ihre Hilfe. Sein Knecht Kelvin hat sich im Keller eingeschlossen und kommt nicht mehr heraus. Vielleicht haben ja die jungen Leute einen Draht zu ihm und können ihn dazu bringen, wieder seiner Arbeit nachzugehen? Natürlich willigen Wilfred, Maximilian und Garoth ein. In der Taverne werden sie von Ambrose und dessen altem Vater Cedric herzlich empfangen und mit allen wichtigen Informationen versorgt. Als Ambrose kurz nicht im Raum ist, warnt der alte Cedric sie. Er ist überzeugt, dass Kelvin einen sehr dummen Handel mit Feenwesen abgeschlossen hat und nun dafür zahle muss. Nicht jeder Handel sei eben ein guter Handel. So viel Glück jedenfalls, wie Kelvin es zuletzt hatte, sei nicht normal. Garoth erinnert sich mit gebrochenem Herzen daran, wie seine große Liebe Katalina beim letzten Dorffest lieber mit dem hässlichen Kelvin tanzte als mit dem Hexenschüler. Dennoch willigt er ein, nach Kelvin zu schauen.
Wilfred, der angehende Dieb, lässt sich von der verschlossenen Türe nicht aufhalten und so stehen die Freunde nach kurzer Zeit im dunklen Keller. Alte Laternen sorgen nach etwas Herumgetapere im Dunkeln für Licht. Kelvin ist offenkundig nicht da. Vermutlich ist er durch das große Loch hinter den Bierfässern verschwunden. Kleine Fußspuren deuten darauf hin, dass Cedrics Vermutung richtig sein könnte. Bevor die drei Freunde das allerdings prüfen können, werden sie von drei gewaltigen Ratten mit glühend roten Augen angegriffen. Mit Müh und Not schlagen sie die Tiere tot, nicht ohne selbst Verwundungen davonzutragen.
Sie rüsten sich, schockiert vom Überfall der Ratten, anständig aus, ehe sie sich in das Loch im Keller wagen. Dahinter liegt ein Gang, auf dessen Boden deutliche Fußspuren zu erkennen sind. Zielstrebig und ohne abzubiegen folgen sie den Spuren. Aufgehalten werden sie nur kurz von allzu neugierigen und feuerhassenden Wurzeln, mit denen insbesondere Garoth wohl keine Freundschaft mehr schließen wird. Kurz vorm Ausgang finden sie ein kleines Bierfäßchen voll mit Ambroses bestem Bier, das sie mitnehmen. Man weiß ja nie. Alsbald kommen sie jedoch unbeschadet am Ende des Tunnels am hellen Tageslicht an.
Vor ihnen liegt nun ein Wald, den sie nie zuvor gesehen habe. Am Waldrand entdeckt die Gruppe eine windschiefe Hütte. Dort treffen sie auf eine recht freundliche Hexe, die ihnen im Tausch gegen das hervorragende Bier, einige Tipps gibt, wie sie Kelvin helfen könnten. Offenbar wurde er auf Geheiß des Feenfürsten entführt. Möglicherweise könnten ein starker Oger oder eine eifersüchtige Nymphe ihnen gegen den Fürsten beistehen. Natürlich nicht ohne Gegenleistung. Mit Dank verabschieden sich die drei Freunde und wandern den goldenen Pfad, der zum Schloss des Fürsten führen soll, entlang in den Wald hinein.
Im Wald haben sie eine denkwürdige Begegnung mit einer Gruppe flatteriger Vögel. Sie helfen den Vögeln dabei, einen wunderschönen Umhang aus regenbogenfarbenen Federn zu nähen. Zum Dank überlassen ihnen die Vögel eine der schönen Federn. Später gelangen die Freunde an einen See, neben dem eine große Höhle zu erkennen ist. Dort machen sie Bekanntschaft mit der Nymphe Saida, die sie überreden möchte, eine Phiole voll Blut des Feenfürsten zu besorgen. Im Gegenzug bietet sie das Wissen um seinen wahren Namen an. Da Garoth weiß, welch grausige Magie sich mit Blut anstellen lässt, lehnt die Gruppe ab. Stattdessen begeben sie sich zur Höhle, um dort den Oger zu treffen. Der will ihnen helfen, gegen den Fürsten zu kämpfen - wenn sie ihm zuvor seinen schönen Spiegel aus den Klauen der schleimigen Kröte befreien. Das macht die Gruppe natürlich gern. Einige Kraft, gescheiterte Gesprächsversuche und einen beinahe gemampften Helden später, bringen sie dem Oger seinen Spiege zurück. Der überglückliche Oger begleitet sie daraufhin.
Aus dem Wald herausgekommen, gelangt die Gruppe zur strahlenden Stadt des Feenfürsten. Von den glänzenden Nichtigkeiten des Goblinmarktes lassen sie sich nicht beeindrucken. Stattdessen gehen sie, um dort Informationen zu sammeln, direkt zur Taverne. Dort werden sie Zeuge eines überaus beeindruckenden Kampfes zwischen zwei starken Ogern, die ihren Begleiter schmächtig aussehen lassen. Außerdem erfahren sie, dass der Wirt der Taverne in letzter Zeit Probleme hat, das wirklich gute Bier aus der Menschenwelt zu bekommen, weil ihm der Lieferant abhanden kam. Messerscharf schlussfolgern die drei Helden, dass es sich dabei um Kelvin gehandelt haben muss. Sie versprechen dem Wirt, sein Problem zu lösen und bekommen dafür einen guten Krug leckeren Bieres und einige wertvolle Informationen, wie sie Einlass ins Schloss des Fürsten erhalten können. Der Wirt berichtet von zwei Torwächtern - einem grummeligen Bürokraten und einem reimeliebenden Oger.
Am Schlosstor entscheidet sich die Gruppe für den Oger. Jeder von ihnen muss ihm einen schönen Reim nennen, dann dürfen sie herein. Das fällt den drei jungen Leuten unterschiedlich schwer, schlussendlich erlangen sie jedoch Einlass und werden auch sogleich vor den Fürsten geführt. Im Thronsaal sitzt Kelvin und schrubbt mit einem Schwämmchen die Stufen, die zum Thron führen, auf dem der etwas gelangweilt aussehende Fürst sitzt. Garoth, der im Herzen immer noch die wunderschöne Katalina trägt, hat es gar nicht so eilig, Kelvin aus dieser Lage zu erlösen. Im Gespräch mit dem Feenfürsten erfahren sie zudem, dass Kelvin in der Tat nur seinen Teil eines geschlossenen Paktes einhalten muss, den er geschlossen hat - ein Jahr Glück gegen ein Jahr Dienst. Garoth plädiert dafür, alles seinen Gang gehen zu lassen. Aber Kelvins Weinen erweicht das Herz der tapferen Recken. Sie schließen mit einigem Verhandlungsgeschick einen neuen Handel mit dem Fürsten. Kelvin darf nach Haus und seinen Dienst dort leisten - alles Bier, was er in den kommenden beiden Jahren brauen wird, wird er persönlich dem Fürsten zur Verfügung stellen, danach gilt der Handel als erfüllt. Selbstverständlich wird er das Bier in seiner Freizeit brauen müssen. Zufrieden mit dem Ausgang ihres Abenteuers entlassen die Helden den freundlichen Oger aus ihrem Dienst, der sofort zurück zu seinem Spiegel kehrt. Der Feenfürst stellt ihnen ein Portal nach Hause zur Verfügung, wo sie bereits freudig von Ambrose, dem Wirt, erwartet werden.
Die drei Helden haben unterwegs viele neue Freunde gefunden. Kelvin hingegen ... hat eine harte Zeit vor sich, aus der er hoffentlich lernen wird, dass nicht jeder Handel ein guter Handel ist.
Ich hab das Abenteuer endlich mal in voller Länge geleitet und hab mich königlich amüsiert - nicht zuletzt aufgrund der drei wunderbaren Spieler, die sich voll auf das Spiel eingelassen haben und lauter tolle Ideen unterwegs aufgriffen. Diese ganze Geschichte mit der schönen Katalina wurde vom Spieler während des Spiels gestrickt und immer weiter ausgebaut. Als sie am Ende bei Kelvin ankamen, schlossen sie einen absichtlich beschissenen Handel ab, weil niemand Kelvin mochte. Großes Kino! ;D
War für mich auch mal cool, genug Zeit zu haben, in Ruhe eine der Zufallsbegegnungen im Wald einzubauen, die ich sonst bei Schnupperrunden immer wegkürze.
Den Knecht benenne ich übrigens immer on the run zu Beginn der Runde um, weil ich mich beim Namen "Derwyn" immerzu verhaspele. Normalerweise nenne ich ihn Devin, Kevin oder diesmal eben Kelvin.
Huhn:
Wo geleitet: Huhn-Zuhause, 29.+30.11.2020
System: The Sealed Library
Autor_in: Matt Sanders
Dauer: ca. 6 h
The Sealed Library
Tag 1 nach Barrikadenbau, Tagebuch der Asistenzbibliothekarin Huhn.
Türen und Fenster sind gesichert, aber das ständige Klopfen und die fernen Schreie sind grauenerregend. Ich versuche mich davon zu überzeugen, dass da draußen noch andere Überlebende sein könnten. Wie auch immer es stehen mag – ich muss heute mit meiner Arbeit beginnen: die bedeutendsten Werke – oder wenigstens das, was davon übrig ist – auswählen und in die Katakomben in Sicherheit bringen. Ich hoffe, die Nahrungsvorräte reichen solange, bis ich meine Aufgabe erfüllt habe.
Tag 2, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
Habe mit dem Auswahl- und Verräumprozess begonnen. In der ägyptologischen Abteilung fand ich eine Art merkwürdigen Fetisch: ein mit Schriftzeichen versehener Knochen mit daran befestigter toter Ratte. Sah so aus, als würde er schon länger dort hängen. Habe ihn eingepackt. Man weiß nie, wofür man Dinge noch brauchen könnte.
Anschließend Stunden mit dem Herumrücken der antiken Steintafeln von Etaschneraki-Man verbracht. Schade, dass ich die Übersetzung dazu nicht finden kann. Wird spätere Generationen wohl erneut beschäftigen müssen. Ob der Ersteller des Rattenfetischs sie mitgenommen hat? Wenn ja, warum? Und ist er noch hier? Bin etwas besorgt, will mich aber auch nicht ablenken lassen. Viel zu tun. Falls sich jemand hier versteckt, kann er mich vermutlich blind an meinem Geruch und dem Knuspern der Flöhe erkennen. All das zählt nicht mehr. Der Gedanke daran, wie in vielen Jahren Menschen diese Bibliothek entdecken und erforschen, hält mich am Laufen und bei Verstand … glaube ich.
Das Ungeziefer ist überall. Büchermaden haben fast das komplette Werk von Frikkade Insumo gefressen. Habe die betreffenden Bereiche isoliert. Lange werde ich der Maden nicht mehr Herr.
Kurz vor der Abenddämmerung krachte noch ein riesiger Felsblock in die Kinderbuchabteilung. Raben kommen herein. Sie sehen so hungrig aus wie ich.
Tag 3, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
Bin heute einer Spur gefolgt. Habe die Buchbinderei gefunden. Habe die Originalmanuskripte von *unleserlicher Tintenklecks* entdeckt! Die Vorlagen ihrer modernen Klassiker, die lange als verschollen galten. Dummerweise ist mir Tinte darüber gelaufen.
Lediglich ein Exemplar des Meisterwerkes „Sturm im Sandgeschäft“ habe ich retten können. Habe es memoriert und verbrannt. Nur Vergänglichkeit ist ewig! Hätte möglicherweise weniger Wein trinken sollen. Aber nach all dem fauligen Fleisch war mein Magen anders nicht mehr zu beruhigen. Als nächstes lese ich die Vorlagenmanuskripte des „Gewächshauses“ vom Jon Doe sr. und jr. Vielleicht verbrenne ich das als nächstes. Hätte die Ewigkeit verdient, der Schmöker.
Fuck, der Wein ist leer …
Tag 4, Tagebuch der Assistenzkröte Huhn.
Hätte weniger trinken sollen. Was habe ich getan? Habe ich wirklich Originalmanuskripte verbrannt? Finde nur Asche. Bin spazieren gegangen, um mich zu sammeln. Und hatte plötzlich eine Eingebung! Der Knochen! Die Ratte! Asche! Es ist alles so klar! Ich kann den Tresor nun öffnen. Muss die wichtigsten Werke dort sammeln.
Beginne mit dem Zettelkatalog der Bibliothek. Die Schränke zu verräumen, wird schwer – aber was könnte mehr Informationen bieten als eine Übersicht dessen, was sich hier einst befand?!
Tag 5, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
Glaubt mans? Habe heute einen voll ausgestatteten Arbeitsplatz gefunden – komplett mit Studentenfutter, Crossaints und Pott Kaffee! Daneben ein Haufen unwichtiger Englischlehrbücher. Satt und wach habe ich mich tiefer in den Keller gewagt als je zuvor. Hinter dem Tresor befindet sich ein Bereich der Bibliothek, den ich noch nie gesehen habe. Alles voll magischer Zauberbücher. Heilkunde, Rituallehre … Packe wahllos die Bücher zusammen, die am wertvollsten aussehen. Mögen die nach mir Kommenden mir meine Unwissenheit in diesen Dingen nachsehen. Wäre noch tiefer gegangen, wurde aber von einer Ratte gebissen. Fühle mich furchtbar. Muss schlafen. Hoffentlich entzündet sich der Biss nicht. Übertragen Ratten Tollwut? Und warum riecht es hier so verbrannt?
Nachtrag: Brandgeruch kam ausgerechnet aus der Kochbuchabteilung. Jemand hat den kompletten linken Teil des Ostflügels in Brand gesteckt. Konnte löschen, aber die Kochbuchabteilung ist hin.
Tag 6, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
Möchte noch einmal Studentenfutter finden *lechz*. Habe heute festgestellt, dass das letzte Brot schimmelt. Nach dem Mist mit dem Fleisch neulich habe ich den Schimmel lieber großzügig weggeschnitten. Aber jetzt ist fast kein Brot mehr da und der kümmerliche Rest schmeckt irgendwie verdächtig.
Immerhin – um auch etwas Positives zu berichten – habe ich die Chronik der Bibliothek aufstöbern und in den Tresor bringen können. Der letzte Wissensspeicher füllt sich!
Habe in den Überresten des Brandes gestern die Spitzen von Brandpfeilen entdeckt! Sie werden immer aggressiver und sie kommen näher … Lange werden die Barrikaden sie nicht mehr aufhalten. Habe mir auf Stuhlbeinen einige behelfsmäßige Speere geschnitzt. Ich werde nicht kampflos zugrunde gehen!
Tag 7, Tagebuch des Assistenzhungerhakens Huhn.
Langsam wird die Nahrung knapp! Weitere Lebensmittel verderben, Mäuse fressen mir den Rest vor der Nase weg. Muss strikter rationieren. Werde schwächer. Muss mit mehr Bedacht meiner Aufgabe nachgehen. Noch so viel zu retten! Draußen trommeln sie an die Türen. Ich dachte die ganze Zeit, sie wären dumm, instinktgetrieben. Aber sie lernen schnell. Bald werden sie mich überlisten. Habe solchen Hunger. Nachts träume ich schlecht. Habe im Traum die Atlanten bereist, auf der Suche nach meinem Einhorn. Molly Grue bedauerte mich. Ihr Einhorn kam spät – meines hingegen hat mich verlassen.
Tag 8, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
SIE KOMMEN NÄHER! Der erste schaffte es heute durch die Barrikaden! Konnte ihn mit einem Regal erschlagen, doch er hat mich schwer am Bein verwundet. Ich will nicht sterben. Ich habe Angst. Ich muss meine Aufgabe erfüllen, sonst war alles umsonst! Sie dürfen den Tresor nicht betreten! Habe Werkzeug gefunden und die Barrikaden erneut verstärkt. Doch mir läuft die Zeit davon. Meine Kräfte schwinden.
Tag 9, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
Heute haben sie das große Buntglasfenster über dem Haupteingang mit Steinen zerschmettert. Jahrhundertalte Kunst – in Scherben. Paradox, dass es ausgerechnet das Bild der Bibliothek von Alexandria zuerst traf. Werde ich hier verbrennen müssen, wie Alexandria brannte? Habe den Haupteingang notdürftig mit dem Regal mit den Neuerscheinungen verstellt. Die braucht jetzt sowieso niemand mehr. Ist es nicht merkwürdig? Früher sollte das Regal neue Leser anziehen. Jetzt hält es andere vom Eintritt ab.
Immerhin scheint jetzt die warme Sonne in die Vorhalle und ich habe Herrn Pistorius‘ geheimen Vorrat an Räucherspeck gefunden. Man, ging der uns früher mit diesem geräucherten Stinkezeug in der Mittagspause auf den Sack. Ich leiste bei jedem Bissen stumme Abbitte. Danke, Herr Pistorius! Wo er wohl jetzt ist? Ob er mit den anderen draußen am Holz kratzt? Ich hoffe, er ist tot.
Verbrachte den Rest des Tages im Kartenraum bei den Atlanten. Ob hier der Eingang ins Wunderland liegt, wie in meinem Traum?
Tag 10, Tagebuch des Assistenzglückspilzes Huhn.
Heute ist mein Glückstag! Erotikromane und ein wirklich interessantes Schachbuch, ein weiterer geheimer Vorrat an Studentenfutter und ein nur auf den ersten Blick ärgerlicher Wassereinbruch auf der Flussseite versüßen mein Elend! Schade um die abgesoffene Kalligrafie – aber ich habe meine Wunden reinigen und etwas trinken können. Jetzt speise ich wie ein König! Danach eine anregende Runde Schachaufgaben. Und nachher … mache ich es mir mit den Romanen im Wunderland bequem. :)
Tag 11, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
Habe ein weiteres Ritual entdeckt gestern Nacht. Das grüne Gewürz im Studentenfutter war in der Tat ein Tor ins Wunderland! Und dieser Kreis aus Salz könnte die gesamte Bibliothek dorthin bringen! Ich bräuchte die Werke nicht in den Tresor schaffen, wenn es mir gelingen könnte, die ganze Bibliothek in Sicherheit zu bringen! Muss nur noch die richtigen Zeichen entschlüsseln. Mahlzeiten fallen heute aus. Muss recherchieren.
Habe morgens die Leiche eines weiteren Eindringlings im Keller entdeckt. Wo kam er herein? Warum ist er tot? Und warum fressen ihn die Ratten nicht? Ob er absichtlich dort platziert wurde, um mir Angst zu machen?
Tag 12, Tagebuch der Assistenzbibliothekarin Huhn.
Bin heute Morgen mit einem mordsmäßigen Hunger erwacht und habe das gesamte restliche Brot vertilgt. War dumm – aber sooo gut! Jetzt muss ich mich entscheiden, welche Regale ich als nächstes zu Barrikaden verarbeite. Denke, auf die Kinderbücher muss die nächste Generation dann wohl verzichten. Melde mich morgen wieder.
Tag 13, Tagebuch der Assistenzbibiothekarin Huhn.
Schreibe diesen Zeilen auf den radierten Kassenbüchern der Bibliothek. Mein Papier ging zur Neige. Bald werde ich wichtigere Werke als nur die Verwaltung dieser Institution schänden müssen.
Habe heute die klassischen Philosophen gesichtet. Müsste ich sie nicht alle sichern? Ein lautes Klopfen direkt über mir im Dachstuhl ließ mir keine Zeit zum Nachdenken. Lediglich einen Arm voll wahlloser Bücher nahm ich mit, ehe ich auch diese Abteilung verloren geben und verbarrikadieren musste.
Abends habe ich durch die zerbrochene Bibliothek von Alexandria den Sonnenuntergang beobachtet. Der Staub auf den Straßen legte sich, die Dächer glühten im Abendrot. Ich frage mich, ob das Haus meiner Kindheit auch noch im letzten Licht erstrahlt oder ob es längst unter Asche begraben liegt.
Tag 14, Tagebuch der Assistenztotengräberin Huhn.
Heute war Tag der Toten in dieser Gruft von Bibliothek. Habe bei den Schauerromanen einen Schädel gefunden. Auf einem kleinen Sockel montiert. Ein Schädel mit einem beschissenen Monokel. Einem kleinen, goldgerahmten Monokel mit roter Uhrkette, wie Herr Pistorius es trug! Der Sockel trug am Boden eine Beschriftung. Ich wagte es nicht, sie zu lesen.
Bin zu Pistorius‘ Schreibtisch gegangen. Das Buch zur Thaumaturgie, seine tägliche Mittagslektüre. Wollte seiner gedenken und einen Abschnitt daraus lesen – aber das Buch war hohl und anstelle von Gebeten habe ihm dann Hochgeistiges zu verdanken gehabt. Schreibe wirr. Hätte die Flasche nicht leeren dürfen.
Habe beschlossen, das Ritual zur Versetzung der Bibliothek fortzusetzen. Alles, was ich dafür brauche, ist hier! Ich muss es nur entschlüsseln.
Weitere Eindringlinge im Keller. Musste flüchten, wurde erneut verwundet. Denke, ich habe auf der Flucht den Weg in den düsteren Teil des Wunderlandes gefunden und sitze nun fest, denn er war eine Einbahnstraße. Seltsame leuchtende Pilze. Ungute Sporen. Krampfhafter Husten. Ist das Blut? Muss schlafen. Brauche morgen all meine Kraft für das letzte Ritual. Ich bin müde.
„The Sealed Library“ ist ein Spiel für eine Person. Dabei spielt man den (Assistenz-)Bibliothekar oder die Bibliothekarin einer Bibliothek, die als letzte Bastion nach einer Apokalypse noch steht. Ziel ist es, die wichtigsten Werke zu retten, sodass das Wissen der Menschheit der kommenden Generation zur Verfügung steht. Dabei muss man sich entscheiden, was man retten will und dabei gegen die ständige Bedrohung von außen und in Form von Ressourcenknappheit ankommen.
Die Regeln sind recht einfach. Jeder Tag besteht aus zwei Phasen: Handlungen und Führen des Tagebuchs. In der Handlungsphase wird mit einem w6 gewürfelt, wie viele Handlungen man durchführt. Entsprechend viele Spielkarten werden gezogen. Wie bei „Ein ruhiges Jahr“ wird dann auf einer Tabelle geschaut, welche Herausforderungen die einzelnen Karten bringen. Gelegentlich muss von einem Jenga-Turm gezogen werden. Kippt der Turm um, wird die Bibliothek überrannt. Man kann auch anderweitig versterben, wenn die Karten einem das mitteilen (etwa durch Verhungern, schwere Verletzungen etc.). In der Tagebuchphase schreibt man dann die Erlebnisse des Tages in beliebiger Länge auf.
In meinem Fall habe ich tatsächlich 14 Runden gespielt, ehe mein Charakter leider an ungesunden Pilzsporen verstarb.
Grundsätzlich war das Spiel ein netter Zeitvertreib, allerdings hatte ich einige Probleme damit:
* Es gibt hinten im Buch einen Abschnitt „Debriefing“ – den darf man AUF KEINEN FALL vor dem Spiel lesen, denn er spoilert ziemlich. Leider sagt einem das Spiel nirgendwo, dass man den nicht vorab lesen darf. :( So habe ich mir versehentlich ziemlich viel Spielspaß geraubt, einfach nur weil ich wie gewohnt die Regeln lesen wollte, ehe ich losspiele.
* Das Spiel geht implizit von einem fäntelalterlichen Setting aus, ohne einem das aber zu Beginn deutlich mitzuteilen. Ich habe mir eine typische, moderne Uni- oder Stadtbibliothek vorgestellt und erst mitten im Spiel festgestellt, dass das nicht so recht passen will. Plötzlich schießen Leute mit Pfeilen. Und warum ich mir, als das Papier meines Tagebuchs alle war, überlegen sollte, welche Bücher ich ausradieren will, ergab sich vor einem modernen Setting auch nicht – die heutige Welt fabriziert so viel Papiermüll, dass ich so viel Tagebuch gar nicht hätte schreiben können, dass ich die Schrift aus nem Shakespeare kratzen müsste, nur um mein Buch zu schreiben.
* Der Jenga-Turm kann quasi nicht umfallen – ich habe fast das komplette Kartendeck durchgespielt und man muss schon wirklich schlecht in Jenga sein, damit auch nur vage Spannung aufkommt bei der Anzahl an gezogenen Steinen.
* Manchmal wird eine Frage gestellt, etwa: „Isst du das schimmelige Brot“, und dann soll man einen Stein aus dem Jenga-Turm ziehen. Es wird aber nirgendwo gesagt, was der Steinzug für eine Auswirkung hat. Teilt er mir mit, ob ich das Brot esse oder kann ich mich dennoch frei entscheiden? Da ein umfallender Jengaturm ja den Sturz der Barrikaden bedeutet – was hat mein Brot mit der Stärke der Barrikaden zu tun?
* Das Spiel ist durchweg für mein Empfinden etwas konfus gewesen, wenn es um sein Kernthema ging. Der Klappentext vermittelte mir, dass es vor allem um die Frage gehen würde, was mir persönlich wichtig ist, was ich bewahren möchte. Tatsächlich kommen solche Fragen aber erstaunlich selten vor. Viel öfter habe ich mich ganz praktisch mit Nahrungsmitteln, der Bibliothek als solcher und diesen mystischen vielleicht-magischen Gegenständen beschäftigt. Und im Debriefing wird nochmal ein ganz anderer Fokus genannt, den das Spiel angeblich hätte haben sollen (und bei mir dann logischerweise nicht hatte, weil ichs mir ja gespoilert hatte).
* Die gestellten Fragen und Herausforderungen waren irgendwie zu eng formuliert und nicht so richtig „inspirierend“. Das hängt auch mit dem konfusen Kernthema zusammen, bei dem Philosophen plötzlich neben der Frage standen, ob ich beim Brot den Schimmel wegschneide oder nicht. Ich wusste oft nicht so recht, was das Spiel von mir will. Wenn doch mal danach gefragt wurde, was mir wichtig ist, dann waren es beispielsweise „antike Philosophen“. Ich kenne mich nicht mit antiker Philosophie aus – ergo konnte ich auch keinen hochgeistigen Monolog darüber führen, ob ich nun Platon oder Aristoteles wichtiger finde und warum. Stattdessen saß ich da und musste mir irgendwie was ausdenken, was jetzt dieses Ereignis erfüllt, ohne tatsächlich über diese Philosophen zu sprechen. War irgendwie frustrierend. Lieber wären mir offenere Fragen zu bestimmten Themenbereichen gewesen. Etwa „Du willst auch die philosophischen Überlegungen der Menschheit bewahren. Welche müssen unbedingt gesichert werden?“ Ähnlich mit gefundenen Gegenständen oder Bedrohungen. Statt mir vorzugeben, dass ich einen Knochen mit toter Ratte dran finde (was eins der ersten Ereignisse im Spiel war und überhaupt nicht passen wollte), wäre es schöner gewesen, mir zu sagen, dass ich etwas Überraschendes finde und mich entscheiden zu lassen, was es ist. Das hätte die Fragen für mich viel interessanter gemacht.
* Das Phasenmodell hatte so seine Tücken – die in der Tabelle aufgeworfenen Fragen können recht lange Denkprozesse auslösen. Wenn ich viele Ereignisse an einem Tag hatte, hab ich oft am Ende schon wieder vergessen, was ich am Anfang gemacht habe – insbesondere, wenn die Ereignisse sich nicht logisch aufeinander bezogen. Hab mehr als nur einmal in der Tagebuchphase nochmal die Karten einzeln durchgehen und mich selbst an den Tag erinnern müssen. Wäre schon sinnvoll gewesen, das Tagebuch parallel zu schreiben.
* Insgesamt war mir der Material- und Zeitaufwand für den Spielspaß, den ich am Ende rausgezogen habe, einfach zu groß. Kartenspiel, Jengaturm, Würfel, Marker, Notizbuch … all das, bloß um am Ende ein semi-zufälliges Tagebuch zu generieren. Ein Spielelement weniger hätte dem Ganzen gutgetan. Die Spielvariante ohne Jengaturm ist vermutlich die sinnvollere.
Das ganze Spiel wirkt schnell zusammengeschustert und weder so wirklich getestet, noch konsequent zu Ende gedacht. Es will fürchterlich tiefgründig sein, weiß aber selbst nicht genau, wovon es eigentlich handeln möchte – postapokalyptischer Survival, magische Entdeckungen oder doch lieber Selbsterkenntnis? Ich mein ok – dafür, dass ich das Teil aus diesem gewaltigen Spendenbundle hatte, hab ich definitiv meinen Geldwert wiederbekommen und hatte auch durchaus Spaß dabei, das Tagebuch einer etwas verwirrten Bibliothekarin zu schreiben. Aber irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass es deutlich besser hätte sein können.
Weltengeist:
Wow, machst du dir immer eine Arbeit... beeindruckend!
Der Läuterer:
Interessant aber auch ziemlich verrückt. Wenn man sich vorher bereits spoilern kann, geht der Wiederspielwert gegen Null? Wie wäre das Ganze als Szenario für eine Gruppe? Z.B. auf einem Con? Allerdings dann ohne Tagebucheinträge, sondern als Erzählspiel.
Danke für die Rezension.
Huhn:
--- Zitat von: Der Läuterer am 3.12.2020 | 21:25 ---Wenn man sich vorher bereits spoilern kann, geht der Wiederspielwert gegen Null?
--- Ende Zitat ---
Jein. Ich habe es ja trotz Spoiler gespielt und es bietet trotzdem noch ein Spielerlebnis. Bloß die Enthüllung, die eigentlich am Ende gestanden hätte, fiel halt weg. So gewaltig ist sie auch nicht, dass man ohne sie das Spiel nicht spielen könnte. Es ist allerdings schon so, dass sich durch die zum Teil sehr spezifischen Fragen und Ereignisse und den implizit festgelegten Hintergrund die Spielrunden, wenn man denn mehrere spielt, auf Dauer so sehr ähneln dürften, dass ich nicht glaube, dass sich mehr als zwei oder höchstens drei Durchläufe lohnen. Zwei Runden dürften aber normalerweise auf jeden Fall drin sein, wenn man Lust drauf hat - eine mit Reveal und dann nochmal eine mit "offenen Karten".
--- Zitat von: Der Läuterer am 3.12.2020 | 21:25 ---Wie wäre das Ganze als Szenario für eine Gruppe? Z.B. auf einem Con? Allerdings dann ohne Tagebucheinträge, sondern als Erzählspiel.
--- Ende Zitat ---
Ich glaube, da müsste man so viel an dem Spiel rumbasteln, dass sich das eher nicht lohnt. Der Clou ist ja, dass man es alleine spielt und sich ohne Feedback von anderen entscheiden muss, wie man mit bestimmten Situationen umgehen möchte. Isolation ist ein wichtiges Spielelement. Und das Tagebuch wegzulassen, würde ja quasi bedeuten, die Hälfte vom Spiel außen vor zu lassen. Ich habe gerade das Tagebuch auch als hilfeich empfunden, um nach den vielen einzelnen Erlebnissen nochmal gesammelt und sortiert den Tag zu reflektieren.
Was ich mir eher vorstellen könnte, wäre, das Setting - abgeschlossene Bibliothek und eine Gruppe, die sich ihrer wenigstens teilweisen Rettung verschrieben hat - als Ausgangspunkt für eine Runde "Ein ruhiges Jahr" zu nutzen. Man müsste nur sicherstellen, dass die Bibliothek beliebig erweiterbar ist, weil "Ein ruhiges Jahr" laut Regelbuch in engen, geschlossenen Räumen nicht so gut funktioniert. Man hätte so aber den Vorteil, das durchaus schöne Setting mit auf Gruppenspiel ausgerichteten Regeln spielen zu können. Das Thema der Isolation und Selbsterfahrung wird dann ersetzt durch die Grundthemen von "Ein ruhiges Jahr", das sich ja eher mit Gruppendynamiken befasst.
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