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Anatomie des Rückschlags

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Lord Verminaard:
Hallo liebes Tanelorn, ich hörte heute früh Rillenmanni im Zock-Bock-Radio über seine Erfahrungen mit den Sieben Gezeichneten sprechen, und das brachte mich auf das Thema Rückschläge. Ich habe die G7 nicht gespielt, aber offensichtlich gibt es dabei immer wieder diese unausweichlichen, gerailroadeten Rückschläge, wo alles Streben der Charaktere umsonst gewesen ist oder gar nur den Bösen in die Hände gespielt hat. Rillenmanni fand das sehr störend und mir ginge es ganz genauso.

Ich habe das jüngst auch selber mal wieder in einer meiner Runden erlebt, wo ein NSC, dem die SCs vertraut haben, sich als Verräter herausstellte, und die SCs hatten ihm unwissentlich sogar das Artefakt, das er zur Weltzerstörung brauchte, in die Hände gespielt. War alles ganz elegant eingefädelt, die Hinweise waren von Anfang an da, aber so subtil, dass es erst im Nachhinein klar wurde. Der SL war bestimmt sehr stolz auf sich. In dem Falle war es nicht mal im engeren Sinne gerailroadet, aber es war erkennbar genau das, was der SL geplant und bezweckt hatte. Ich fand es doof. Was mich zu dem Schluss führt, dass das Problem nicht nur das Railroading an sich ist.

Ich denke, man sollte differenzieren zwischen dem Rückschlag als Teil der Handlung, einerseits, und den Spieltechniken, mit denen der Rückschlag herbeigeführt wird, andererseits. Am Spieltisch: Geht es da um Macht, um Entwertung von Spielerbeiträgen, um Täuschung, Railroading? Und ist es eigentlich wirklich ein großer Unterschied, ob der Spielleiter im engeren Sinne railroadet, oder ob das Szenario einfach von Anfang an so angelegt ist, dass ein Scheitern vorprogrammiert ist, ohne dass dies im Ausgangspunkt für die Spieler erkennbar ist? Letzteres ist vielleicht eleganter, aber meines Erachtens im Ergebnis gleichwertig.

Braucht man das alles überhaupt? Wenn man ergebnisoffen spielt, sowieso nicht. Aber selbst wenn man dramaturgisch spielt, kann man überlegen, ob es bessere Techniken, kooperative Techniken gibt, um Rückschläge ins Spiel zu bringen. Oder ob man auch im dramaturgischen Spiel vielleicht besser daran tut, sich ganz altmodisch auf die Spielregeln zu verlassen und Rückschläge nur dann einzubauen, wenn die Spielregeln solche eben ausspucken, sodass die Spieler nicht dieses Gefühl haben, sich umsonst angestrengt zu haben.

Und in der Fiktion: Was für eine Funktion haben Rückschläge dramaturgisch und welche Art von Rückschlag stellt eigentlich einen Gewinn dar? Die meisten gängigen Plot-Modelle werden dir sagen, dass eine Geschichte, in der der Protagonist in jeder Szene bekommt, was er will, eine dumme und langweilige Geschichte ist. Aber genauso werden sie dir sagen, dass eine Geschichte, deren Ausgang durch die Entscheidungen und Handlungen des Protagonisten gar nicht beeinflusst wird, eine dumme und frustrierende Geschichte ist.

Fairerweise gibt es ja schon solche Romane und Filme, wo die Protagonisten eigentlich die ganze Zeit einen Nackenschlag nach dem anderen bekommen und dann auch noch selber alles falsch machen, bis sich dann ganz am Ende alles wendet. Ich kann sowas nicht ertragen, andere scheinen sich da aber weniger dran zu stören. Das sind dann vielleicht auch die, die mit so was wie den G7 besser leben können?

Issi:

--- Zitat ---Fairerweise gibt es ja schon solche Romane und Filme, wo die Protagonisten eigentlich die ganze Zeit einen Nackenschlag nach dem anderen bekommen und dann auch noch selber alles falsch machen, bis sich dann ganz am Ende alles wendet. Ich kann sowas nicht ertragen, andere scheinen sich da aber weniger dran zu stören. Das sind dann vielleicht auch die, die mit so was wie den G7 besser leben können?
--- Ende Zitat ---
Was mich daran stört, ist, wenn es nicht organisch nachvollziehbar wirkt, sondern geskriptet.
(Was im schlimmsten Fall zum Identifikations Bruch mit dem Protagonisten führt).


--- Zitat ---Und in der Fiktion: Was für eine Funktion haben Rückschläge dramaturgisch und welche Art von Rückschlag stellt eigentlich einen Gewinn dar? Die meisten gängigen Plot-Modelle werden dir sagen, dass eine Geschichte, in der der Protagonist in jeder Szene bekommt, was er will, eine dumme und langweilige Geschichte ist. Aber genauso werden sie dir sagen, dass eine Geschichte, deren Ausgang durch die Entscheidungen und Handlungen des Protagonisten gar nicht beeinflusst wird, eine dumme und frustrierende Geschichte ist.

--- Ende Zitat ---
Ohne jetzt länger darüber nachgedacht zu haben:
Glaube ein guter Rückschlag ist entweder ein Hindernis, das den Weg zum Erfolg/Ziel für die SC/SPL spannender macht.
Oder einer, den sich die SC/SPL selbst "verdient" haben, indem sie trotz anderer Möglichkeiten unkluge Entscheidungen getroffen haben.
(Ist beides auch bei ergebnisoffenem Spiel so)

ErikErikson:
Die G7 ist insofern eine epische Kampagne ,als dass sie sich klassischen fantasygeschichten orientiert, bsp. dem Herrn der Ringe.

Der herr der Ringe funktioniert ja grob nach dem Schema: "Unbedeutender niemand bekommt große Macht, wird daher vom Bösen gejagt, sucht und trifft verbündete, macht sich auf den bösen Feind zu konfrontieren, erleidet dabei diverse herbe Rückschäge, bleibt beharrlich, arbeitet sich zum Feind vor, aber der ist übermächtig, alles sieht verloren aus, am Ende triumphiert das Gute, weil das Schicksal bzw. Gott eingreift. 

Genauso funktioniert auch die G7. Daher ist der Rückschlag ein notwendiges Element, wenn man an diesem Schema festhalten will. ich würde sagen, mindestens 50% aller fantasy funktioniert nach diesem Schema F. Warum? Weil es sich bewährt hat. Es gefällt den Leuten. irgendwann hat man es satt, aber im grunde ist das die Goldformel.

ich würde als sagen, der Rückschlag ist-wenn man diesem Schema folgen will, notwendig. Gut ist der Rückschlag dann, wenn er der Formel folgt, also zur zeit kommt (irgendwann gegen Mitte/Ende) und von einer triumphalen Umkehr gefolgt ist, wo dann das Gute sich aufrappelt und doch siegt.

Das problem sehe ich beim Aufrappeln. Der fantasyHeld tut das. Weil er ein held ist, und gelernt hat, das man beharrlichkeit braucht, um dem Guten zum Sieg zu verhelfen. Das Böse ist leicht und verführerisch, das gute schwer und nur durch täglichen Kampf zu erreichen. Das ist die christliche Botschaft hinter dem Rückschlag. Der Rückschlag trifft nicht nur die SC, sondern auch die Spieler.
Die Spieler sind keine Helden. Die Spieler haben gegebenenfalls die Schauze voll, und geben auf, oder verfallen gar dem Bösen (nutzen den Ring selbst, bzw. fagen an, moralisch fragwürdige aber effektive methoden zur Zielerreichung einzusetzen, und werden damit dem Bösen gleich).

Sinnvoll ist es daher IMO, das man die zwei botschaften "das gute kann nur durch Mühsal und beharrlichkeit erreicht werden" und "helden sind die die das Gute nicht aufgeben, auch wenn es schwer wird" vorher richtig mit dem Holzhammer reinhaut, damit es auch der letzte kapiert. 
 

Rorschachhamster:

--- Zitat von: Issi am 21.12.2020 | 12:19 ---Ohne jetzt länger darüber nachgedacht zu haben:
Glaube ein guter Rückschlag ist entweder ein Hindernis, das den Weg zum Erfolg für die SC/SPL spannender macht.
Oder einer, den sich die SC/SPL selbst "verdient" haben, indem sie trotz anderer Möglichkeiten unkluge Entscheidungen getroffen haben.

--- Ende Zitat ---
Unkluge Entscheidungen wie die Hinweise wegen Vertrauens in den NSC ignorieren?  :D

Die Frage ist da eher die Balance, wie subtil waren die Hinweise im Gegensatz zu anderen Hinweisen? Wenn die Spieler gewöhnt sind, das der SL mit der Hinweiskeule kommt, sobald sie irgendwo stecken bleiben, ist das wirklich irgendwo... naja.  :-\

Aber: Wenn die Spieler sowas vorher aufdecken, ist die Gratifikation dafür umso höher.  :d

Das Problem an sich sehe ich eher in der Existenz eines Weltzerstörungsdingens sowieso.
Außerdem: Wenn ich von der durchschnittlichen Fantasywelt ausgehe, würden vielleicht ja auch spätestens im Endgame deutliche Hinweise von anderen Akteuren kommen, und wenn es Götter sind.  :think:

Issi:

--- Zitat von: Rorschachhamster am 21.12.2020 | 12:30 ---Unkluge Entscheidungen wie die Hinweise wegen Vertrauens in den NSC ignorieren?  :D

Die Frage ist da eher die Balance, wie subtil waren die Hinweise im Gegensatz zu anderen Hinweisen? Wenn die Spieler gewöhnt sind, das der SL mit der Hinweiskeule kommt, sobald sie irgendwo stecken bleiben, ist das wirklich irgendwo... naja.  :-\

--- Ende Zitat ---
Yepp.
Wobei man einen Verräter auch einfach nicht zu überzeugend spielen darf.
Die Möglichkeit, dass mit dem etwas nicht stimmen könnte, darf von Anfang an durchblicken.
- Nur haben die SC/SPL halt noch keine Beweise, die das bestätigen.

Es sollte sich nicht wie "Spieler reinreiten" anfühlen.

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