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Anatomie des Rückschlags
ArneBab:
--- Zitat von: Isegrim am 21.12.2020 | 14:15 ---Vielleicht versteh ich dich miss, aber für mich ist das nichts. Wenn ich als Spieler raffe, dass die Gruppe in die Irre geht, oder einem Verräter aufsitzt, oder statt dem McGuffin dem red hering nachjagt, muss es schon gute Gründe geben, dass mein SC das nicht auch rafft. So "herausforderungsorientiert" will ich es dann doch haben.
--- Ende Zitat ---
Wenn z.B. bei der Charaktererschaffung schon angelegt wird, dass jemand andere Gründe hat, in der Gruppe zu sein, und alle anderen das auch wissen, dann hast du diese Situation. Wenn das alle am Tisch wissen, die SCs aber nicht, dann entsteht eine darunter liegende Spannung. Funktioniert allerdings nur, wenn sich alle drauf einlassen können und wollen. Wenn ein SC von Anfang an jede kleinste Spur als Grund für sofortige Anschuldigungen nimmt, funktioniert es nicht.
(allgemein: Ich mag Verräterplots nicht mehr wirklich, die waren schon zu oft nervig. Die einzigen, die ich noch interessant finde, sind die, bei denen der Verrat am Spieltisch offen gehandhabt wird, und nur die SCs nichts davon wissen.)
Alexander Kalinowski:
Naja, es muss vor allem halt eine Veränderung in der Story bewirken, wenn man den Rückschlag durchkreuzt. Dabei darf das Endergebnis ruhig im Kern (nicht aber am Rande) das gleiche sein.
Beispiel: Ich hatte bei einer Außenmission mal den direkten Vorgesetzten in Verdacht. Gab keine konkreten Hinweise dafür, aber mein SC war nicht risikoavers und hatte sich bereit erklärt, den Vorgesetzten für dienstuntauglich zu befinden (er war der einzige mit medizinischen Kenntnissen) und dann wurde vom SL signalisiert, dass dies nicht funktionieren und praktisch kollektiven Selbstmord bedeuten würde (nach Einsatzende). Dabei spielten simulationistische Erwägungen nicht wirklich eine Rolle, man wollte einfach zum geplanten Ende kommen (der verdächtigte Vorgesetzte war nämlich wirklich ein Verräter).
Dabei wäre es doch mit einem Kontingenzplan des Abenteuers/SLs ganz einfach gewesen: angenommen wir hätten es durchgezogen, dann hätte der Verräter noch einen Komplizen haben können, der einfach noch nicht in Erscheinung getreten war. Dann hätte halt der am Ende den Dämon beschwören können und das große Finale hätte trotzdem stattfinden können. Wir hätten aber schon einmal einen Teilerfolg gehabt, weil wir den einen Schurken schon aus dem Gefecht gezogen hätten und der Assistent (nicht aber der Dämon) vielleicht einfacher zu besiegen wäre. Plus ein paar Bonus-XP und die Sache wäre geritzt gewesen.
Warum sonst sollte man sich Mühe geben, vorausschauend zu agieren?
[EDIT] Ich sehe es also vor allem aus gamistischen Erwägungen, die bei genre-simulationistischen/narrativen Erwägungen nicht völlig auf der Strecke bleiben dürfen.
nobody@home:
Na ja, ein Abenteuer, das schon auseinanderfällt, wenn der falsche Schurke einfach nur "zu früh" enttarnt wird, kann eigentlich von vornherein nicht viel getaugt haben. ;)
Für Komplizen läßt sich in so einem Fall nebenbei tatsächlich auch ein Stück weit mit der schlichten Spielweltplausibilität argumentieren: ein einzelner feindlicher Agent ist zwangsläufig in seinem Schadenspotential eher beschränkt, weil er nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein kann und je nach dem offiziellen Status seiner Tarnung an manchen für einen Agenten durchaus interessanten auch leicht überhaupt nicht erst herankommt. So jemand wird also nach Möglichkeit Helfer haben wollen -- fast egal, ob er sich die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen beschafft, ins Vertrauen zieht und "ehrlich" anwirbt, oder ob sie vielleicht auch nur von vornherein schon Kollegen waren, die zusammen losgeschickt worden sind -- und entsprechend kann man auch nicht einfach davon ausgehen, daß er schon keine gehabt haben wird, und gleich wieder zur Tagesordnung zurückkehren. (Wenn das doch einmal der Fall gewesen sein sollte, auch gut; dann haben die SC die Gefahr eben zumindest so weit tatsächlich schon gebannt und müssen sich also "nur noch" um die Hintermänner kümmern, die nicht mit direkt vor Ort sitzen...)
Alexander Kalinowski:
--- Zitat von: nobody@home am 13.01.2021 | 22:54 ---Na ja, ein Abenteuer, das schon auseinanderfällt, wenn der falsche Schurke einfach nur "zu früh" enttarnt wird, kann eigentlich von vornherein nicht viel getaugt haben. ;)
--- Ende Zitat ---
Das Einführungsabenteuer aus Dark Heresy 1. ;)
Das Wichtige ist für mich eben die gamistische Seite hier, wie erwähnt, und speziell der Verlauf des Rückschlags. Noch spezieller: häufig die Szene unmittelbar vor dem Rückschlag. Sagen wir, der Rückschlag ist gesetzt. Fest geskriptet, außer es gibt eine absolut geniale Idee der Spieler. Vielleicht. Was steht dann im Vorlauf noch auf dem Spiel? Was können die Spieler überhaupt erreichen?
Beispiel: Es gibt einen epischen 3 Stunden langen Kampf und egal wie es ausgeht, die SCs werden gefangengenommen. Wozu dann die Mühe vorher? Dann kann man auch gleich alles skripten, ansonsten fühlt man sich auf den Arm genommen. Wenn man das nicht will, müssen die Spieler in dem Kampf einen Teilerfolg erzielen können, vielleicht ohne es zu wissen. Vielleicht können sie die rechte Hand des Schurken zumindest ausschalten. Oder etwas wichtiges zerstören, was auch immer.
Es reicht eben nicht nur wie in einem Hollywood-Skript epische Plot-Twists zu haben - man muss in jeder Szenen auch die spielerische Seite berücksichtigen. Da kommt ein Aspekt hinzu, der berücksichtigt werden will. (Ich plädiere ja schon länger für herausforderungs-orientiertes Abenteuer-Design, ob mit oder ohne Gummipunkte.)
nobody@home:
--- Zitat von: Alexander Kalinowski am 14.01.2021 | 00:06 ---Das Wichtige ist für mich eben die gamistische Seite hier, wie erwähnt, und speziell der Verlauf des Rückschlags. Noch spezieller: häufig die Szene unmittelbar vor dem Rückschlag. Sagen wir, der Rückschlag ist gesetzt. Fest geskriptet, außer es gibt eine absolut geniale Idee der Spieler. Vielleicht. Was steht dann im Vorlauf noch auf dem Spiel? Was können die Spieler überhaupt erreichen?
--- Ende Zitat ---
Genau das "fest geskriptet" halte ich persönlich auch aus SL-Perspektive eh generell für einen Designfehler. Zum einen ist es gar nicht so einfach, ein garantiert unabwendbares Scheitern ohne Ausweg welcher Art auch immer glaubhaft genug so zu begründen, daß es nicht doch drei Meilen gegen den Wind nach Railroading riecht, wie es sich manche Abenteuerdesigner vielleicht vorstellen mögen. Und zum anderen will ich ja vielleicht gar keine "Garantien", sondern mich selbst im Spiel auch ein Stück weit überraschen lassen...da steht dieser Brachialansatz dann aber auch mir selbst im Weg. (Upps.)
Szenen, in denen zumindest eine gute Chance besteht, daß die Spieler und ihre Charaktere etwas gründlich versemmeln werden, kann ich ja auch ohne diese Methode immer noch einbauen -- insofern verzichte ich also ohne "unausweichliche" Rückschläge gar nicht mal auf sooo viel.
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