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The Green Knight
ghoul:
--- Zitat von: Huhn am 18.01.2022 | 09:23 ---Er versagt aber doch am Ende gar nicht? Haben wir denselben Film gesehen?
--- Ende Zitat ---
In dieser Deutung gelingt ihm dann die persönliche Queste vom Totalversager zum Ritter.
Aber was ist vorher? [Spoiler-Warnung]
- Hexerische Übermutter, königlicher Überonkel, lebende Legenden an der Tafelrunde (oder Greise, die sich auf ihren Lorbeeren ausruhen?) - er weiß, dass er nicht mithalten kann.
- Hurt und säuft nur.
- Kann keine Gefühle zu seiner Gespielin formulieren, weil er nicht mal weiß, ob er welche hat. Er wird sie niemals zu seiner Gemahlin machen.
- Sein Versuch, mit der Tafelrunde mitzuhalten, besteht aus zu großen Schritten in zu großen Schuhen. Daher der Fehler, dass er statt einen beliebig leichten Streich auszuführen, den Grünen Ritter gleich köpft. Niemand tadelt ihn dafür, aber der Ausdruck in Artus' Gesicht ist eindeutig.
- Er hat keinen Kampfgeist! Nicht einmal mit Muttis Zaubergürtel! Er wird von Räuberinnen (!) demütigend leicht überwältigt.
- Gefesselt kapituliert er innerlich (wieder kein Kampfgeist). Er liegt die ganze Nacht ohne Hoffnung rum und träumt vom Tod, statt sich gleich zu befreien!
- Bei der Geisterfrau weiß er sich nicht zu benehmen und löst ihre Queste erst nach vielem Zureden.
Ein Totalversager, anders ist es nicht auszudrücken.
Als er dann bei dem freundlichen Gastgeber und seiner verführerischen Frau aufkreuzt, wo die Prüfung des Grünen in Ritters bereits beginnt, ist er chancenlos. Dass er später wegrennen wird ist festgeschrieben.
Zur Klarstellung: Das macht den Film für mich keineswegs schlecht! Er erzählt nur eine andere Geschichte als der Artusstoff, in dem es um das Versagen der Besten geht.
Jiba:
--- Zitat ---- Gefesselt kapituliert er innerlich (wieder kein Kampfgeist). Er liegt die ganze Nacht ohne Hoffnung rum und träumt vom Tod, statt sich gleich zu befreien!
--- Ende Zitat ---
Völlig andere Deutung als meine. Er könnte aufgeben und sich dem Tod hingeben (die Sequenz bildet ja nicht eine einzelne Nacht ab, sondern den Ablauf mehrerer Jahreszeiten), aber das tut er nicht, sondern er befreit sich.
Gleiches tut er ganz am Ende, wenn er nach seiner Zukunftssequenz vor dem Grünen Ritter Wort hält, nachdem er akzeptiert hat, dass ein gelebtes Leben nicht unbedingt besser ist als ein ungelebtes.
Huhn:
Ich hab den Film wie Jiba verstanden. Es gibt mehrfach solche "So hätte es weitergehen können, aber Gawain entschied sich anders"-Szenen. Er lässt sich von der Räubertruppe übertölpeln, bekommt seinen Gürtel aber zurück, nachdem er Winifred geholfen hat. (Im Übrigen stellen diese beiden Szenen zwei Facetten von Nächstenliebe gegenüber: Der Räuber lockt Gawain in die Falle, indem er ihn an seiner vermeintlichen Ritterlichkeit packt und entlarvt dabei, dass hinter dem abgespulten Verhalten eigentlich Hochmut steckt. Winifred hingegen braucht kein Mitleid, sie braucht einfach tatkräftige Unterstützung, die Gawain ihr dann auch gewährt. Von dem Räuber erwartet er unterbewusst Dankbarkeit für die Spende, von Winifred hingegen erwartet er keine Belohnung, sondern hilft ihr einfach, weil es richtig ist, ihr zu helfen. Deswegen bekommt er seinen Gürtel auch zurück, den ihm die Räuberbande gestohlen hat. Da hat Gawain ordentlich was dazugelernt durch sein vorübergehendes Scheitern.)
Das erste Ende, in dem er wegläuft, ist eben ein solches Alternativende. Gawain denkt darüber nach, wegzulaufen, entscheidet sich dann aber anders und beweist dadurch, dass er doch ein würdiger Ritter ist. Für mich ist der Film-Gawain überhaupt kein Versager, sondern im Gegenteil jemand, der sich seine Ritterlichkeit verdienen muss, indem er seine Fehler erkennt und überwindet. Er wächst über sich hinaus und merkt, dass in ihm mehr steckt, als er sich selbst zugetraut hätte.
ghoul:
Ja, kann man durchaus so sehen. Jedenfalls hatte der Film viel von Edge of Tomorrow durch seine Struktur.
Uebelator:
--- Zitat von: Jiba am 18.01.2022 | 11:45 ---Gleiches tut er ganz am Ende, wenn er nach seiner Zukunftssequenz vor dem Grünen Ritter Wort hält, nachdem er akzeptiert hat, dass ein gelebtes Leben nicht unbedingt besser ist als ein ungelebtes.
--- Ende Zitat ---
Sich für den Tod zu entscheiden, weil man festegestellt hat, das ein - ob nun fantasiertes, geträumtes oder tatsächlich "erlebtes" Leben auch nur mehr Scheitern mit sich bringen würde, ist jetzt für mich nicht direkt der Inbegriff von Erfolg. Vielleicht ist es ritterlich, weil er damit Wort hält. Vielleicht ists aber auch einfach ein weiteres "davonlaufen".
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