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PbtA und das Gefühl des Versagens

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aikar:
Ich liebe PbtA-Spiele, ich finde sie elegant, flott und super in der Art, wie sie die Erzählung unterstützen statt zu unterbrechen.

Aber ich habe jetzt schon mehrfach von Spieler:innen verschiedener PbtA-Systeme die etwas frustrierte Rückmeldung erhalten, dass sie "das Gefühl haben, kaum etwas zu schaffen".

PbtA-Systeme bauen ja auf dem Prinzip Fail Forward auf. Wenn eine Probe kein voller Erfolg ist, geht es trotzdem weiter, aber mit einem Haken.
Der Sinn ist es, die Geschichte interessant und spannend zu halten und ständig neue Aufhänger zu liefern.

Da vollständige Erfolge aber recht selten sind, ergibt sich für viele Spieler:innen aber offenbar ein fast ständiges Gefühl des Versagen.

Natürlich versuche ich das durch Formulierung und Umsetzung in der Szene abzumildern, aber der Kern des Problems steckt schon in der Formulierung der 7-9-Ergebnisse der Spielzüge und der schlichten Tatsache, dass diese eben kein voller Erfolg sind. Das lässt sich leider kaum "wegerzählen"  :(

Das Ergebnis ist, dass ich Spieler:innen zwar ganz gut zu PbtA-Oneshots kriege, aber kaum jemand, geschweige denn eine ganze Gruppe, Lust hat sich das für eine Kampagne "anzutun".

Wie geht ihr damit um? Kann man PbtA wirklich nur mit Storytellern spielen, denen die Geschichte wichtiger ist als der persönliche Erfolg bzw. mit Spieler:innen, die Spaß am Scheitern haben?

Haukrinn:
Ich habe schon oft Ähnliches gehört. Aber eigentlich ausschließlich von Leuten mit Rollenspielerfahrung, nie von Personen, die neu zum Hobby dazugestossen sind.

Proben schaffen zu müssen ist ein anerzogenes Verhalten. Schlimmer noch, bei pbta gibt es ja eigentlich keine Proben, aber Rollenspieler sehen die Würfe als solche an. Obwohl Moves, die am Zufall hängen, eigentlich eher so etwas wie die Antwort auf eine „was passiert wenn“ (vgl. Sesamstrasse) Frage sind.

Ein weiterer Faktor ist mit Sicherheit, dass viele Rollenspiele bei Proben nur Fail/Pass kennen. Ein Erfolg mit Konsequenzen, das findet sich selten. Bei pbta ist er aber das häufigste Ergebnis. Mechanisch. In anderen Spielen ist das eher vom Spielstil abhängig - ich als SL bläue meinen Mitspielenden auch bei klassischen Systemen immer ein, dass bei mir nix umsonst ist und Entscheidungen natürlich immer auch Konsequenzen haben. Vielleicht haben meine Leute deshalb auch kein Problem, wenn wir mal pbta spielen.

nobody@home:
Klingt für mich, mit Verlaub gesagt, wie eine hypothetische Gruppe von D&D-Spielern, die unglücklich sind, weil sie nicht am laufenden Meter natürliche 20er würfeln. Mit anderen Worten, der Denkfehler liegt darin, nur das allerbeste überhaupt jemals mögliche Ergebnis als "richtigen" Erfolg zu werten und alles andere mehr oder weniger als Fehlschlag.

Betrachte ich dagegen gleich die 7 bis 9 als mein "normales Erfolgserlebnis", dann kriege ich zwar nicht immer alles perfekt auf einem Silbertablett serviert und muß mich ggf. auf vorhersehbare Nebenwirkungen einstellen, aber die kann ich auf 2W6 (plus eventuelle Boni) auch wesentlich leichter erwürfeln.

Marduk:
Ich sehe die 7-9 auch eher als Erfolg mit Komplikationen, als als Teilerfolg. Die 10+ sind dann schon besonders gut. Kleiner Unterschied, der bei mir aber im Kopf viel ändert.

bolverk:

--- Zitat von: aikar am 28.11.2023 | 08:21 ---Natürlich versuche ich das durch Formulierung und Umsetzung in der Szene abzumildern, aber der Kern des Problems steckt schon in der Formulierung der 7-9-Ergebnisse der Spielzüge und der schlichten Tatsache, dass diese eben kein voller Erfolg sind. Das lässt sich leider kaum "wegerzählen"  :(

--- Ende Zitat ---
Ich habe, nachdem ich das kapiert habe, meinen Spielern in den ersten Spielrunden das Mantra eingeimpft "Success at a cost ist ein ERFOLG". Mittlerweile wird das 10+ Ergebnis bei uns eher als eine kritischer Erfolg gesehen, die 7-9 als Erfolg und die 6- eben als Mißerfolg. Meine Spieler haben mit D&D angefangen, dem binären System schlechthin, haben ihr Mindset aber erfolgreich auf PbtA umgestellt, so dass es da bisher keine Probleme gab. Manchmal, wenn nicht ganz klar ist, wie es mit einem Teilerfolg weitergeht, wiederholt jemand aus der Gruppe das obige Mantra als Aufruf, zunächst den Erfolgsteil der Probe zu betrachten. Die Konsequenz folgt dann erst, nachdem der jeweilige Charakter seinen Moment gehabt hat. Ich glaube, bisher hatte da noch niemand das Gefühl, man könne kaum etwas schaffen.

Das ist bei uns auch nie so wirklich durchdiskutiert worden, sondern hat nach wenigen Runden einfach funktioniert. Vielleicht habe ich da schlicht Glück mit meinen Spielern.

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