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proaktives Rollenspiel - nur ein neuer Begriff für eine alte Thematik?(Sandbox)
Namo:
--- Zitat von: nobody@home am 6.08.2024 | 10:16 ---Auf der anderen Seite gibt's natürlich den klassischen Topos "Die Bösen sind proaktiv und machen Ärger, die Guten reagieren nur"
--- Ende Zitat ---
Da das gut passt ein Beispiel wie der "Böse" da rein kommt bzw. in die reaktive Rolle gepresst wird. Der Böse hat selbst ja auch sein Ziel. Z.B. ich will den einen Ring bekommen. Und er sucht ihn vor sich hin, hat keine Ahnung von den Charakteren, bis er eben von einem beeinflussten Zauberer erfährt, dass der Ring gefunden wurde und der Träger ihn vernichten möchte. Hier kreuzen sich also die Ziele des Charakters mit dem Ziel des Antagonisten und letzterer wird zum Reagieren gezwungen. Immer wieder durch die Taten der Helden. Er schickt die Nazgul die von Gönnern der Charaktere mit ähnlichen Zielen (verhindere dass der Böse wieder an die Macht kommt) vertrieben werden bis hin zu einem Angriff auf Minas Tirith bzw. dem verzweifelten Hilferuf der Nazgul zum Schicksalsberg. Dabei hat der Antagonist selbst natürlich Leutnants die eigene Ziele haben, die sich aber auch mit denen des Antagonisten streifen (Rohan soll mir sein). Natürlich ist Herr der Ringe irgendwann auch kein gutes Beispiel mehr, da hier die Helden natürlich irgendwann auch zum Reagieren gezwungen sind. Aber viele Passagen passen da schon ganz gut zur Veranschaulichung.
Z.B. auch Encounter/Dungeons. Im Buch fragt Gandalf Frodo welchen Weg er nehmen möchte Moria oder Rohan an Sarumans Turm vorbei. Übersetzt würde der Spielleiter fragen, wo sie denn als nächstes lang gehen möchten und der oder die Spieler entscheiden und entsprechend wird der nächste Encounter mit allem vom SL vorbereitet. Und auch hier würde dann wieder geschaut werden wie die Story um die Geschichte des Spielers gewoben wird. Der Balrog hätte selbst gerne den Ring und ist hinter Frode her etc. Vielleicht hatte Gimlis Spieler auch eine Geschichte wegen derer er nach Moria wollte und hat mit Frodos Spieler das entschieden und er findet in Moria weitere Hinweise zu seinem Spiel etc.
So gesehen findet eigentlich eine Spiegelung des normalen Hergangs eines Abenteuers statt. Nicht der SL gibt es vor, sondern die Spieler. Allerdings ist es dann doch wieder der SL, der es entsprechend ausbaut und kann dabei zu einem ähnlichen Ergebnis kommen wie wenn es gerailroaded wäre. Allerdings hat der Spieler volle Kontrolle über das was sein Charakter macht und ist so viel mehr involviert und hoffentlich emotionalisiert. Ich würde das wirklich mal gerne in Reinkultur bei einer Gruppe erleben die so tickt. Geht schon ein stückweit ab von dem was ich bisher spiele und ist umgekehrt gefühlt aber doch so nah.
Irian:
--- Zitat von: Namo am 6.08.2024 | 18:49 ---Finde Herr der Ringe als Beispiel da ganz gut. Variante reaktives RPG: SL "Dein Charakter hat einen Ring, den er in einem Vulkan vernichten muss. Wenn du ihn anziehst kann es sein, dass dein Charakter dauerhaft böse wird bis hin zum NSC. Wenn du ihn anhast bist du unsichtbar und mächtig. Nach und nach schwächt dich der Ring. Was machst du als erstes?" In der Variante des proaktiven Spiels hat sich der Spieler ausgedacht: "Ich habe da so ein komisches Erbstück einen Ring. Der hat meinen Onkel schon ganz verrückt gemacht. Irgendetwas böses ist da im Ring, ein Fluch gar wenn man ihn benutzt. Und ich habe durch einen Magier erfahren, dass dieser Ring zerstört werden muss, sonst vernichtet er die Welt. Vielleicht!". Theoretisch kann der SL die ganze Geschichte wie oben benannt daraus machen. In Variante 1 bekommt ein Spieler die Sache aufgetragen und kann die toll oder nervig finden. In Variante 2 hat er halt Bock auf die Geschichte.
--- Ende Zitat ---
Ich finde das Beispiel weniger gut, um ehrlich zu sein. Der Eine Ring ist schon ein arger Vorschlaghammer, der quasi automatisch ist, was dem Charakter PASSIERT, aber nichts, was der Charakter wirklich aus sich heraus plant. Es ist keine eigene Motivation des Charakters erstmal, sondern eine Reaktion (egal welche) auf etwas, das ihm passiert. Wenn ich also ein Rollenspiel so anfange, dann gebe ich quasi die Richtung schon vor - es warten Sauron, Nazgul, Menschen die den Ring wollen, etc. auf den Charakter.
Dementsprechend würde ich solche "riesigen" Dinge in so nem Spiel nicht am Anfang einwerfen, sondern sehen, was die Leute wollen. Der Charakter will Abenteuer erleben. Oder seine Ruhe haben. Oder sonstwas. Irgendwas, das aus ihm selbst wichtig ist. In nem Roman würde man ihn dann aus der Bahn werfen, z.B. indem der eine Ring wichtig wird, klassisch. Der Held wird, vielleicht zögernd, in eine völlig neue Richtung gedrängt. ABER das klappt halt in nem Roman, weil der halt eine fixe Geschichte erzählen will - in nem Rollenspiel, wo man Player Empowerment betreiben will und die Charaktere mehr agieren lassen will, ist das imho nicht ideal. Im Rollenspiel würde ich das aber, um ehrlich zu sein, gerade wenn der Fokus auf Charakterzielen liegen soll, nicht mit einem so drastischen Mittel wie dem einen Ring machen.
Dementsprechend: Sowas wie den einen Ring setzt du ein, wenn du eine "HdR" Kampagne planst. Wenn du willst, dass die SCs echte, eigene(!) Ziele haben, ist das aber vermutlich nicht völlig das wahre.
Namo:
Das war natürlich mit dem Vorschlaghammer. Niemand würde einem Spieler so ein Artefakt in die Hand geben. Denke ich. Glaube ich >;D
Aber es ging ja um die Verdeutlichung wie die Idee dahinter ist. Es sind mehr oder weniger die selben Gegenstände involviert, aber es gibt zwei gänzlich andere Herangehensweisen. Einmal knallt der SL dir die Geschichte hin und du sollst darauf reagieren und einmal ist es Teil der Hintergrundgeschichte des Spielers mit der dieser ankommt. Darin würde der Spieler ja vermutlich erstmal mit einem Ring ankommen oder dunklen Schwert dessen Hintergrund er heraus finden will. Gegen Ende seiner Abenteurerlaufbahn finder er dann heraus dass er den einen Ring oder Sturmbringer in Händen hält. Auf DnD Stufe 15 kann man sowas dann schon unter bringen und ggflls episch abschließen. Die Möglichkeiten sind ja unbegrenzt. Aber der Spieler ist hier derjenige der es angestoßen hat. In mir als SL weckt sowas gleich jede Menge Kreativität. Merke ich hier schon gedanklich beim schreiben. Ist auf jeden Fall leichter als sich etwas auf einem Blatt Papier von Grundauf neu zu überlegen und du weißt gleich, dass mindestens einer der Spieler schonmal an Bord ist wenn diesbezüglich etwas passiert
Murphy:
Ich sehe es so: Die SL sollte zwar jederzeit bereit sein, die Handlung über Bord zu werfen, wenn die Spielenden keine Lust auf den Plothook haben. Warum sich jetzt aber alles nur noch um Player Empowerment und zufällige Improvisierte Szenen drehen soll, erschliesst sich mir überhaupt nicht.
Ein "on the spot" ausgedachtes Ereignis (im Fachjargon auch "random shit", also RS, genannt) kann doch unter keinen Umständen so gut sein, wie eine sorgfältig "gecraftete" Dramaturgie? Ich sage nicht, dass RS nicht genauso viel Spass machen kann. Das ist Ansichts- und Geschmacksache. Wenn die Gruppe das lieber mag, ist das natürlich okay.
Aber wenn man einen Schritt heraus macht und sich das möglichst "objektiv" anschaut, kann eine auf der Stelle improvisierte doch unmöglich eine gleich gute Geschichte geben. Oder nur ganz selten und per glücklichem Zufall. Auch Beschreibungen von zuvor ausgedachten Szenen mit der passenden Musik sind doch viel "perfekter" als generische Beschreibungen, weil ich jetzt grad was liefern muss und ein Standard-Audioteppich dazu.
Das Paradebeispiel ist der immerwährende Tavernenbetreiber, der zu jeder Tages- und Nachtzeit Gläser, Humpen und Becher mit einem schmutzigen Lappen poliert.
Irian:
--- Zitat von: Murphy am 6.08.2024 | 20:57 ---Ich sehe es so: Die SL sollte zwar jederzeit bereit sein, die Handlung über Bord zu werfen, wenn die Spielenden keine Lust auf den Plothook haben. Warum sich jetzt aber alles nur noch um Player Empowerment und zufällige Improvisierte Szenen drehen soll, erschliesst sich mir überhaupt nicht.
--- Ende Zitat ---
Ich pers.(!) mische das auch eher. Die Ziele der Charaktere sind wichtig und ggf. auch wichtiger als irgendein anderer Plot, wenn die Spieler das wollen, aber Angebote für Plot gibt es durchaus. Welches davon sie annehmen, ist natürlich ihre Sache und das wird dann auch weiter ausgearbeitet, während andere Sachen evtl. nur im Hintergrund nebenher "fließen". Die Welt existiert halt einfach auch außerhalb der SC-Bubble.
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