Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte
Ein PDF-Gruppenabenteuer mit ChatGPT als Spielleiter
Gerrit:
Da ich gerade ChatGPT Plus abonniert habe und Wege suche, die 20€ zu rechtfertigen, habe ich mal versucht ChatGPT ein PDF-Abenteuer für mich leiten zu lassen.
Ich bin sicher nicht der erste, der auf diese Idee gekommen ist, aber hier sind meine Eindrücke:
Ich hatte ChatGPT auf meinem Handy und Bluetooth Kopfhörer auf. So konnte ich frei mich mit der KI beim Arbeiten unterhalten. Ich lud ein Fantasy-Abenteuer als PDF in ChatGPT hoch (das ich schon kannte und das ich demnächst leiten wollte) und bat ChatGPT, es für mich noch einmal zusammenzufassen um zu prüfen, ob der Inhalt "verstanden" (besser: erfasst) wurde.
Dann bat ich die KI darum, das Abenteuer für mich als Spielleiter zu leiten. Es kamen Rückfragen nach Spieleranzahl, Charakterwahl, Spielstil (kampforientiert, taktisch, erzählerisch) und ob ich selbst würfeln würde.
Ich entschied mich für: Ein Charakter aus dem Anhang des Heftes, erzählerischer Spielstil und dass für mich gewürfelt wird.
Dann ging es erstaunlich akkurat los. ChatGPT erzählt einen Teil der Geschichte und gibt mir dann Handlungsmöglichkeiten zur Auswahl, so ähnlich wie in einem Choose-your-your-wo-Abenteuerheft. An die muss man sich aber dann so gar nicht halten, was ja die Stärke dieser Art von KIs ist.
Ich fand sehr organisch einen NPC, ein Zwerg, der als Sidekick an meiner Seite ab da war (die KI arbeitete für mein Gefühl etwas darauf hin). Gemeinsam sind wir nach mehreren NPC-Gesprächen losgezogen, das Quest zu erfüllen. Die Story wurde insgesamt sehr kompetent vorgetragen.
Auf der Reise zu unserem Zielort wurden zwei von vier optionalen Begegnungen ausgespielt, wie sie im PDF stehen. Allerdings, was wohl am erzählerischen Spielstil liegt, gibt es immer die Möglichkeit, Kämpfe zu umgehen. Diese Lösungsansätze wurden mir hier regelrecht aufgedrängt.
ChatGPT behaupter öfter, dass man eine Probe ablegen muss, ich habe aber nie eine vermasselt (ich habe ja die KI würfeln lassen). Und die Fertigkeiten waren teilweise erfunden, auf die "geprobt" wurde.
Nach einer Pause habe ich dann weitergespielt. Leider hat die KI ab einem gewissen Punkt angefangen, ein wenig zu haluzinieren. So sollten die Höhlen am Ende eigentlich fast leer sein, weil sich alle Bösen irgendwo anders sammeln. Aber da waren ganze Horden von Gegnern und die Motivation der Oberschurken war für die KI leider auch nicht ganz klar. Allerdings, wenn ich das Abenteuer nicht gekannt hätte, hätte ich mir darüber kaum Gedanken gemacht.
Schön war auch, dass ein Encounter, der im PDF als ziemlich mysteriös beschrieben wurde (also die Kreatur), auch genau so im Spiel blieb (also mysteriös). Ein weiteres Highlight war, dass die KI einen Goblinspäher wie einen (Klischee-)Goblin sprechen ließ.
Insgesamt also eine sehr befriedigende Erfahrung. Ich konnte im Grunde ein Gruppenabenteuer mit Abstrichen als Soloabenteuer spielen, ohne dass alles komplett generisch von der KI erfunden wurde.
Ich habe dann gleich ein zweites PDF (für ein anderes System) hochgeladen und erklärt, dass die Startstadt des 2. Abenteuers die Startstadt des ersten Abenteuers ist. An meiner Seite waren dann sofort der Zwerg und die Frau, die wir im ersten Abenteuer befreit hatten.
Allerdings war dieses zweite Abenteuer schnell enttäuschend: Zwar war die Prämisse richtig, aber von da an wurden keine Handlungspunkte und Verwicklungen mehr wirklich beachtet. Der Drache am Ende lebte auch nicht in einer alten Burg (was Original-Plot mal wichtig war), sondern in einer klassischen Drachenhöhle.
Mit dem zweiten Abenteuer (ein Splittermond-Abenteuer) habe ich dann einen zweiten Versuch gestartet.
Diesmal wählte ich den taktischen Ansatz als Spielstil und lies mir einen Charakter generieren. Diesmal schien es zu klappen: Der Anfang wurde absolut korrekt dargestellt und der erste Kampf wurde gleich mit Tickleiste geführt und toll beschrieben (ob das mit den Ticks dann genau so stimmte, weiß ich jetzt nicht, vermutlich nein, da die KI auch immer nur mit einem W10 würfelte.)
Allerdings ist der Kampf im Abenteuer stark gerailroaded und die KI schafft es nicht (auch nicht beim nächsten Versuch), das so umzusetzen, so dass die Voraussetzung für den Rest des Abenteuers gegeben ist (der Gegner sollte mit einem McGuffin fliehen, was er leider nicht tat). Allerdings hatte ich hier endlich auch mal "Würfelpech" und starb sogar im Kampf.
Da ich an mein Limit mit den ChatGPT-Anfragen gekommen bin, war es das dann auch erstmal für mich.
Ich wüsste gerne, wie die KI bei einem sandboxigen Abenteuer funktioniert (das waren bisher zwei Einstiegsabenteuer mit klarer Story). Ich habe den Verdacht, dass es ähnlich abläuft: Der Anfang wird als Prämisse gut umgesetzt und ab einem gewissen Punkt wird es immer mehr zum Freestyle der Spielleiter-KI.
Vielleicht hat jemand Erfahrungen und kann kurz etwas dazu schreiben.
Meine Hoffnung im Moment wäre, dass man in ein paar Jahren so weit ist, dass man eine große Kampagne originalgetreu nachspielen kann und sich das Ganze weniger (wenn auch zunächst im positiven Sinne) nach dem Mythic-Gamemaster-Emulator-Abenteuer anfühlt, der ja ganz bewusst ständig neue Assoziationen und Anknüpfungspunkte generieren will. Allerdings mag ich die Idee, der KI einen Startpunkt zu geben und ein paar Ideen (ich finde Abenteuerideen der KI fast immer furchtbar generisch).
ghoul:
--- Zitat ---Allerdings ist der Kampf im Abenteuer stark gerailroaded und die KI schafft es nicht (auch nicht beim nächsten Versuch), das so umzusetzen, so dass die Voraussetzung für den Rest des Abenteuers gegeben ist (der Gegner sollte mit einem McGuffin fliehen, was er leider nicht tat). Allerdings hatte ich hier endlich auch mal "Würfelpech" und starb sogar im Kampf.
--- Ende Zitat ---
Das heißt also, die KI war besser als der Autor des SpliMo-Abenteuers.
Gerrit:
--- Zitat von: ghoul am 29.01.2025 | 19:23 ---Das heißt also, die KI war besser als der Autor des SpliMo-Abenteuers.
--- Ende Zitat ---
;) Könnte man jetzt bös so auslegen. Aber das ist ein Abenteuer, das Anfänger voll an die Hand nehmen soll und ist wohl intendiert (hat imho hier auch seine Berechtigung).
Was ich mich aber Frage ist, ob man durch geschicktes Prompting die KI dazu bekommen könnte, solche Plotlinien hinzubiegen oder wenigstens sie dazu bekommt, ein Abenteuer so zu lenken, das gewisse Punkte erreicht werden im Verlauf, so dass eine verwinkelte Geschichte erzählt werden kann.
Megavolt:
Sau cooles Experiment, bitte dranbleiben und uns auf dem Laufenden halten. Magst du verraten, welches SpliMo Abenteuer das war?
sma:
Ein paar Random Comments zum OP Beitrag:
* Cool! Mehr davon :)
* Vor sieben Monaten hatte ich mal dies probiert. Ihr seht den minimalen Prompt. Daher mäanderte die Geschichte auch so dahin, dafür waren wir auch mehrere Spieler.
* Neulich sah ich auf HN auch eine Master-Arbeit zu dem Thema. Ich habe mir aber immer noch nicht die Zeit genommen, das zu lesen.
* Kann man auch als Bezahlkunde an ein Limit kommen? Das habe ich bislang noch nie geschafft. Ich nutze das offenbar noch nicht intensiv genug :)
* Das einzige Gedächtnis, das eine ChatGPT-Session hat, ist das sogenannte Kontextfenster, das ca. 100.000 Token (100k) umfasst, was so ungefähr 66.000 Wörtern entspricht. Davon geht dann der Inhalt des PDFs ab und der Rest ist dann die Diskussion. Damit die Diskussion nicht abbricht, vergisst ChatGPT dann die ältesten Punkte, meine ich.
Das wird sich auch in Zukunft nicht groß ändern, da LLM um so teurer zu betreiben sind, je größer das Kontextfenster ist.
Aktuell wäre eine Alternative, Claude 3.5 zu benutzen, dessen Kontextfenster bis zu 200k beträgt, allerdings bekommt man auch als zahlender Kunde immer nur so viel, wie sie bei aktueller Server-Auslastung anbieten wollen und wenn man das Ende erreicht, stoppt die Diskussion einfach. Sehr frustrierend.
Google gibt damit an, für sehr viel Geld auch eine Gemini-Version mit 1M Kontextfenster anzubieten, aber da kann eine Antwort dann schon mal 1-2 Minuten dauern und man kann das weniger als Diskussion sehen. Die akzeptable Zeit, die eine Antwort dauert beschränkt also auch die Größe.
* Dedizierte Systeme könnten sich selbst Zusammenfassungen der Gesprächshistorie merken und so nur partiell vergessen, und dann wieder selektiv erinnern, indem man mit so einem Erinnerungsfetzen als Schlüssel in einer externen Datenbank die Details nachschlägt und wieder in das Gespräch einfließen lässt, aber das müsste man bauen und läuft natürlich allen Komfort-Funktionen der etablierten Tools hinterher.
* Zu beachten ist, dass ChatGPT meines Wissen keinen echten Zufall kann. Manchmal kann man beobachten (wenn man Code Interpreter aktiviert hat) dass sich die KI ein kleines Python-Programm schreibt um damit etwas Zufälliges zu tun. Anthrophic (die Macher von Claude) haben ein Protokoll erdacht, mit dem man (auch lokal) die KI um Agenten erweitern kann, die dann im Antwortprozess aufgerufen werden können, z.B. um zu würfeln.
* Was Sandboxes angeht, würde ich vorschlagen, entweder Zufallstabellen bereitzustellen oder erst explzit erstellen zu lassen, idealerweise mit echtem Zufall von extern. Man muss auch bedenken, dass LLMs nicht planen oder im Voraus denken können, sondern aus dem Augenblick heraus Sätze bilden. O1 von openAI oder R1 von Deepseek können nachdenken. Diese könnte man zunächst einmal einen Plan für die Sandbox und jeden interessanten Schauplatz machen lassen und dann im zweiten Schritt verbindungen herstellen lassen und die Konsistenz prüfen und dann ggf. nochmal alles anpassen lassen. Das passiert aber natürlich sichtbar im Chat. Auch hier würde ein dediziertes Tool helfen, was hier den Spieler nicht mitlesen lässt. Und wenn man das hat, kann man natürlich wieder den Ansatz fahren, das die KI nur grob Bescheid weiß und Details zu einem Schauplatz nur bei Bedarf nachschaut. Statt einer langen Diskussion hat man damit quasi immer nur einzelne Anfragen, für die dann extern ein Gedächtnis mitgeführt wird – ein bisschen so, wie aktuell die Agenten für die Software-Entwicklung funktionieren, die sich auch heraus suchen, welche Dateien eines Projekts sie sich anschauen müssen, um gerade genug informiert zu sein, um die gewünschte Aufgabe zu lösen (was so gefühlt in 50% der Fälle klappt).
* Ich würde sagen, mit ChatGPT (oder dem Chat eines anderen LLMs) wird es auch in Zukunft nicht möglich sein, eine Kampagne (und dann auch noch eine große, sprich eine, die viel Erinnerung braucht) nachzuspielen. Ich denke, ein Dungeon-Crawl ist da realistischer, einfach weil der Kontext stärker eingeschränkt ist.
Ich würde aber auch sagen, dass wir dedizierte Tools bekommen werden, die in diese Richtung gehen. Wenn es mich nicht eh schon verwundern würde, wie schwer sich WotC damit tut, endlich ihren Deluxe-VTT fertig zu stellen, würde ich sagen, der KI-DM kommt als nächstes. Wahrscheinlicher kommt das aber von Roll20 – wenn die mit einer Idee und einem Prototypen einige Millionen VC-Geld auftreiben – oder von Foundry, denn beide Plattformen würden massiv von einem KI-DM profitieren.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln