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Wann entstehen für euch Spielfakten am Beispiel Murder Mistery

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chad vader:
Moin!

ich denke jeder kennt das Setup: Die SCs sollen/möchten einen Mord aufklären, es gibt unterschiedlich sichtbare Verdächtige mit ebenfalls mehr oder weniger offensichtlichen Motiven, Indizien, Beweisen, Zeugen und Alibis.

Wir alle kennen die Klischees und dramaturgischen Konventionen dieses Genres in Romanen und Filmen:
- Offensichtliche Motive sind in der Regel falsch.
- Spuren weisen zunächst auf falsche Verdächtige.
- Erst zum Abschluss nach einer Reihe von falschen Verdächtigen wird eine zu Beginn eher überraschende Tatperson überführt.

Neulich hatte ich ein Abenteuer in der Hand, das diese dramatische Struktur im Rollenspiel folgendermaßen sicherstellt:

Die Tatperson ist im Abenteuer nicht festgelegt. Stattdessen werden zu einer Reihe von Verdächtigen Motive, Beweise und Albis angeboten, die die Spielleitung je nach Handlungsverlauf nutzen kann. Jeder könnte die Tatperson sein, wenn die SL nur das Alibi auslässt. Das macht die SL einfach bei der zuletzt und final verdächtigten Person.

Mir haben sich beim Lesen fast die Zehnägel nach oben gekräusel. Das fand ich so furchtbar. Wenn ich ein Verbrechen als Mittelpunkt der Spielhandlung etabliere, dann müssen für mich wesentliche Fakten wie die Tatperson feststehen. -  Und ja, wenn die Spielenden schneller auf die richtige Spur finden, dann machen sie mMn genau das, was den Spaß des Genres ausmacht: Sie versuchen den Fall aufzulösen, bevor es ein Kommissar in einem gelesenen Roman getan hätte, nur dass sie eben keine Leser sind, sondern den Kommissar selbst verkörpern.

So, wie das Abenteuer das löst, ist in meinen Augen die maximale Entwertung jeglichen Spielerhandelns.

Ich habe leider den Titel des Abenteuers vergessen (ich glaube es war ein DSA- oder D&D-Fanprodukt), aber mit hat das nochmal sehr verdeutlicht, dass für mich Spielfakten nicht erst in dem Moment entstehen, in welchen ich sie während der Handlung den Spielern präsentiere. Mindestens Teile meiner SL-Vorbereitung sind bereits vor der Spielhandlung Fakten des Spiels. Anders kann ich keine konsistente Spielwelt anbieten, in welchen Spielende ihre Figuren eigenständig entscheiden und handeln lassen.

Was denkt ihr?

bobibob bobsen:
Ich finde die Idee sehr charmant wenn auch nicht neu (siehe Gumshoe).

JollyOrc:
ich stelle eine Gegenthese zu der Spaßquelle "versuchen den Fall aufzulösen, bevor es ein Kommissar in einem gelesenen Roman getan hätte" auf:

Der Spaß an Krimis, insbesondere solchen mit überraschenden Wendungen, falschen Spuren und falschen Verdächtigen entsteht für viele nicht daraus, dass sie den Fall schneller als die Kommissare lösen, sondern aus der eigenen Verblüffung und der Kunstfertigkeit, wie sie abgelenkt wurden, und wie sich hinterher alles zusammenfügt.

Man will vom Twist überrascht werden. Also Zaubershow statt Rätselwettbewerb sozusagen.

Wenn ich für solche Leute leite, dann finde ich das Vorgehen, selbst die Lösung des Falls noch nicht zu kenne völlig legitim.

Und kurz zum Handwerklichen:


--- Zitat von: chad vader am 29.04.2025 | 09:19 ---Mindestens Teile meiner SL-Vorbereitung sind bereits vor der Spielhandlung Fakten des Spiels. Anders kann ich keine konsistente Spielwelt anbieten [...]

--- Ende Zitat ---
:Ironie:
Dann bist Du eben ein Schlechter Spielleiter[tm], weil Du nicht schnell genug improvisieren und Deine Improvisation im Kopf halten kannst!  ~;D

Nein, bist Du natürlich nicht! [Narrenkappe absetzend]

Aber mein SL-Stil ist tatsächlich 50% Vorbereitung und 50% Improvisation bzw. mich selbst durch Würfelergebnisse überraschen lassen. Dabei kann ich die Welt und die Figuren konsistent halten, wenn ich mir die wichtigen Eckdaten schnell notiere, Plausibilitätsprüfungen schnell abhandeln kann, und darauf achte gesetzten Fakten nicht zu widersprechen.

NSC Behauptungen können sich aber im Nachhinein als Lügen oder Irrtümer herausstellen. Wenn ich darauf zurückgreife, muss ich aber auch gleichzeitig für mich logisch begründet festlegen, warum die Person gelogen oder sich geirrt hat. Und ich darf es nicht zu häufig machen, denn sonst glaubt die Gruppe niemanden mehr :)

ghoul:
Ich sehe es wie chad.

Derius:

--- Zitat von: JollyOrc am 29.04.2025 | 09:51 ---und darauf achte gesetzten Fakten nicht zu widersprechen.

--- Ende Zitat ---

Selbst das halte ich manchmal für legitim. Ich habe nur begrenzt Zeit für das SL-Dasein (die ich gerne dafür aufwende, nur irgendwann ist die Kapazität halt ausgeschöpft) und kann nicht alles im Voraus durchplanen. Es ist schon vorgekommen, dass sich die Story entwickelt habe und ich dann irgendwann Zeit für das Planen einen Abschnitts/Elements hatte, um dann festzustellen zu müssen, dass bestimmte Ereignisse/Aussagen davor nicht zu meinem Planen passten (obwohl sie nach innenweltlicher Logik gemusst hätten). Dann habe ich meinen Spielern erklärt, dass diese Ereignisse doch anders passiert sind und das war dann auch für alle ok.

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