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"Gottheit" vs. "Gott" u. a.

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nobody@home:

--- Zitat von: Haukrinn am  4.05.2025 | 15:17 ---Sie sind nicht vergleichbar, aber die mächtigsten bekannten Wesen? Und die Kultur hat sich keine kategorisierende Bezeichnung für diese Wesen einfallen lassen? Warum? Religiöse Verbote? Tabus? Falls ja, dann gibt es vielleicht so ein Wort, aber es darf nicht verwendet werden?
--- Ende Zitat ---

Nach "Eigentlich gäbe es ja mindestens ein Wort, aber da hat die theokratische Zensurbehörde den dicken Daumen drauf" klingt die beschriebene Situation für mich im Moment allerdings auch. Denn "Diese Leute sind einfach zu doof, als daß ihnen jemals ein Begriff einfallen würde oder man ihnen die Idee auch nur erklären könnte" kann's ja eigentlich nicht sein.

(Letzteres wäre vielleicht noch halbwegs glaubhaft, wenn sie einfach erst so gar keine Religion hätten, weil das vielleicht ein Konzept ist, das für sie schon an sich keinen Sinn ergibt. Aber wenn sie grundsätzlich auch nur "ganz normal" Götter verehren genau wie andere Leute und dann bloß das Wort "Götter" nicht in den Mund nehmen, tja...)

manbehind:

--- Zitat von: nobody@home am  4.05.2025 | 15:37 ---Nach "Eigentlich gäbe es ja mindestens ein Wort, aber da hat die theokratische Zensurbehörde den dicken Daumen drauf" klingt die beschriebene Situation für mich im Moment allerdings auch. Denn "Diese Leute sind einfach zu doof, als daß ihnen jemals ein Begriff einfallen würde oder man ihnen die Idee auch nur erklären könnte" kann's ja eigentlich nicht sein.

--- Ende Zitat ---
Um sich über solche Sachen Gedanken zu machen, braucht es auch Zeit und Muße. Die hat nicht jeder.

Auch sind allgemeine Begriffe ein Kulturgut, das nicht selbstverständlich ist. Mir ist das aufgefallen, als ich verschieden Sachen über den Shogun-Autor James Clavel gelesen haben; ich zitiere hier mal aus einem Interview:


--- Zitat von: www.washingtonpost.com ---What is the Japanese word, Clavell is asked, for "power?"

"I can find out," he says. He picks up the telephone and calls his bilingual Japanese secretary in the next office.

"What is Japanese for 'power?'" Clavell asks. "Chikara ? What sort of power is chikara ? Does a Shogun have chikara ?" Pause. "No, it's kenryoku , right?" Pause. "Okay. Does he have kenryoku? His wife? It might be physical or mental. shilariryoku ? Um, in this office, right, what do I have? What's the word for my power?"

Pause.

"Kenryoku ? What sort of power does your mama have over you? Don't tell me none. What's that word? That's kengan . And what power does your mother have over your father?"

Pause.

"That's a very difficult idea? Okay. The power your father has over your mother is shihairyoku , but your mother doesn't have shihairyoku over him...."

Cavell thanks his secretary and hangs up. "That gives you an idea," he says, "of how difficult it is to be specific in Japanese."

Source

--- Ende Zitat ---

Der Gedanke, um das kurz weiterzuspinnen, dass eine Kultur unterschiedlich Formen von Macht und unterschiedliche Begriffe für diese unterschiedlichen Formen von Macht kennt, ist für mich nicht soweit weg. Und umgekehrt: Warum gibt es im Deutschen anders als im Japanischen keine Worte für diese unterschiedlichen Arten von Macht? Vermutlich, weil wir keinen Mangel fühlen und auch nicht wissen, was wir davon hätten, wenn es so wäre. Und warum sollte es dann in einer Fantasywelt nicht so sein, dass eine Kultur keinen Begriff für "Gottheit" hat?

nobody@home:

--- Zitat von: manbehind am  4.05.2025 | 16:01 ---Und warum sollte es dann in einer Fantasywelt nicht so sein, dass eine Kultur keinen Begriff für "Gottheit" hat?
--- Ende Zitat ---

Oh, das ist, wie oben noch vor deiner Antwort ergänzt, nicht das eigentliche Problem. Eine Fantasywelt könnte ja beispielsweise an sich einfach komplett götter- und religionsfrei sein (ist ja Fantasie, da geht das... ;)) und hätte dann vermutlich auch keinen großen Bedarf an Begriffen aus dem religiösen Themenbereich. Aber eine Fantasykultur, die "stinknormale" Götter hat und anbetet und sich bloß strikt weigert, einen gemeinsamen Begriff für die zu prägen? Wo sollte das herkommen?

(Okay, theoretisch könnten die wohl "schlicht" eine Sprache haben, die einfach gar keine allgemeinen Kategorien zuläßt -- die hätte dann vielleicht je ein Wort für "meine Axt" und "deine Axt" und andere Spielarten, aber eben keins für "Axt" generell. Sich mit diesen Leuten zu verständigen, wäre dann allerdings auch allgemein schwieriger, nicht bloß im religiösen Bereich, und sollte dann auch entsprechend beschrieben sein. :))

Haukrinn:
Klar ist das denkbar. Wenn sie keine Götter hat.

Aber der Gedanke, dass Religion ein Element dieser kultur ist, es dann dafür aber kein Vokabular gibt, mit dem
die verehrten Entitäten bezeichnet werden können, ist in meinen Augen schon ziemlich abwegig.

Ich sehe auch den Schutzeffekt nicht. Wenn Bwurz die Menschen mit seinem
Heiligen Feuer beschützt, dann kann Gnarz der Feuergott aus dem Nachbarland das vielleicht auch? Und der hat dann vielleicht auch noch den Vorteil, dass man ihn als Gott bezeichnen kann? Wenn ein Gnarzpriester jetzt in der Kultur demonstriert, wie mächtig sein Gott ist, dann kann Bwurz gleichziehen oder irgendwann einpacken.

manbehind:

--- Zitat von: Haukrinn am  4.05.2025 | 16:16 ---Klar ist das denkbar. Wenn sie keine Götter hat.

Aber der Gedanke, dass Religion ein Element dieser kultur ist, es dann dafür aber kein Vokabular gibt, mit dem
die verehrten Entitäten bezeichnet werden können, ist in meinen Augen schon ziemlich abwegig.

Ich sehe auch den Schutzeffekt nicht. Wenn Bwurz die Menschen mit seinem
Heiligen Feuer beschützt, dann kann Gnarz der Feuergott aus dem Nachbarland das vielleicht auch? Und der hat dann vielleicht auch noch den Vorteil, dass man ihn als Gott bezeichnen kann? Wenn ein Gnarzpriester jetzt in der Kultur demonstriert, wie mächtig sein Gott ist, dann kann Bwurz gleichziehen oder irgendwann einpacken.

--- Ende Zitat ---
Das wesentliche Element der Kultur ist nicht Religion, sondern Herrschaft. Die Götter haben diese Welt unterworfen. Sie herrschen durch ihre Priester. Die herrschenden Götter wollen nicht verehrt werden; sie erwarten die Unterwerfung unter und Befolgung ihrer Gebote, die durch ihre Priester verbreitet und durchgesetzt werden.

Von daher ist es nicht "Religion" in dem Sinne, dass in der Welt Götter sind, die über die Welt wachen und dafür eben hier und da Dankbarkeit und Verehrung erfahren. Und was sie überhaupt nicht wollen, sind andere Götter, die mitherrschen.

Zum Schutzeffekt:

Wenn in der Kultur ein abstrakter Begriff "Gottheit" existiert, dessen Bedeutung auch jedem bekannt ist, dann kann ein Außenstehender sehr leicht den Gedanken vermitteln: Eure Götter sind nicht die einzigen Götter auf der Welt, es gibt neben ihnen auch noch andere. Ohne Kenntnis dieses Begriffes und seiner Bedeutung ist das bedeutend schwieriger, finde ich.

D. h. wenn nun ein Gnarzpriester in der Kultur demonstriert, wie mächtig sein Gott ist, dann müsste er erstmal beweisen, dass er ein Gnarzpriester und kein abtrünniger oder wahnsinniger Bwurzpriester ist. Denn das wäre möglichweise das, was die Bwurzpriester (und auch alle anderen) einfach behaupten könnten und was auch innerweltlich plausibler wäre als dass es da nun den Gnarz gibt, der das gleiche können soll, wie Bwurz.

Abgesehen davon müsste der Gnarzpriester natürlich gucken, dass er nicht verbrannt, geköpft oder sonstwie daran gehindert wird, die Vorteile seiner Gottheit zu propagieren.

Aber: wenn er auf grundsätzlich aufgeschlossene Bewohner trifft, dann wäre "Überzeugung durch göttliche Wunder" natürlich ein Weg.

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