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[Hard SF] Weltraum-Habitate und Nahrungsproduktion

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Feuersänger:
Nunja, das ist nicht ganz einfach zu beantworten.
Beim Fusionsbrennstoff betrachte ich schon quasi nur das Helium-3, weil das Deuterium im Vergleich dazu wirklich trivial ist. Aber 3He wird es halt nicht umsonst geben. Bei der Förderung aus der Saturnatmosphäre hängt da eine riesige Infrastruktur dran -- habe ich iirc in einem der anderen Threads etwas näher erläutert. Man braucht Förderplattformen, eine Raffinerie zur Isotopentrennung, einen Rotovator um das Zeug aus der Saturnatmosphäre ins All zu bringen - und dann je nachdem eben noch zusätzliche Energiekosten um es im Sonnensystem zu verteilen. Kurz, 3He hat zwar eine 1A Energiedichte, aber umsonst wird es halt niemals sein. So ganz grob visiere ich einen effektiven Preis pro Energieeinheit wie für Erdöl 1970 an. Das waren damals $1,35 pro Barrel (also ca 1 Cent pro Liter!) und inflationsbereinigt ca $10 pro Barrel in heutigem Geld. (Wohingegen der heutige Ölpreis ca $66 beträgt, und historisch war er auch schon über $100.)

Praktisch daran: 1 Barrel Öl enthält 5,86GJ.
1kg 3He enthält ca 588TJ.
--> 1 kg 3He enthält (brutto) so viel Energie wie 100.000 Barrel Öl. Zufall oder Chiffre?  ;)

--> Um den Energiepreis wieder auf das Niveau von 1970 zu drücken, muss man es schaffen, das kg 3He für 1 Million Dollar (oder weniger) anzubieten. Das sollte als "Upper Limit" gut machbar sein. Vielleicht kriegt man den Preis sogar bis auf 1/10 davon gedrückt.

Das ist natürlich jetzt immer noch super simplifiziert weil ich die Baukosten für Reaktoren etc noch gar nicht mit berücksichtige. Diese dürften wiederum stark an den Produktionskosten für Supraleiter hängen usw. Da tiefer ins Detail zu gehen ist dann freilich reines Ratespiel. Naja und dann halt eben noch die ganzen Strukturen die man drumherum braucht. Das hatten wir ja iirc schon weiter oben -- für den gleichen Ertrag, den ein paar 1000t Gewächshausstruktur auf dem Mars erzeugen, muss man im Orbit ein zig Millionen Tonnen großes Ringhabitat bauen.

Also kurz: die künstliche Beleuchtung frisst jetzt nicht sooo viel Energie wenn man in kg 3He rechnet. Das dürfte vielleicht so ungefähr 1 Gramm pro Hektar und Jahr sein (bei 24/365 spektral optimierter Beleuchtung, also ein Vielfaches von dem was ein Acker auf der Erde abkriegt). Wenn dieses Gramm umgerechnet $1000 kostet, und dafür zB 30t Nahrungsmittel erzeugt werden, sind das freilich nur 3 Cent pro kg.

Viel Energie kostet halt der Transport von irgendwas quer durchs Sonnensystem, selbst wenn man die extrem langsamen aber energieeffizienten Hohmann-Bahnen nimmt. Das ist freilich noch ein Punkt der langfristig eher dafür spricht, die Nahrung möglichst nahe bei da zu produzieren, wo sie benötigt wird, weil man dann auch die Stoffwechselprodukte leichter recyceln kann.

Aber wie gesagt -- in manchen Kolonien ist es halt politisch überhaupt nicht gewollt, dass diese sich autark versorgen kann, sondern die herrschende Macht _will_ sie in Abhängigkeit halten um sie gefügig zu halten und besser ausbeuten zu können, und hat deshalb einen Dreieckshandel eingerichtet, v.a. Erde - Mars - Hauptgürtel. Aber selbst ohne solche imperialistischen Allüren lohnt sich das Rechnen mit dem spitzen Bleistift.

Taktikus:
Mit dem spitzen Bleistift rechnen lohnt sich im Weltraum immer, lohnt sich ja schon hier unten.

Das hiesse aber auch zu untersuchen, ob sich Deuterium wg. der besseren Verfügbarkeit unterm Strich vielleicht doch mehr lohnt als mühsam zu bekommendes 3HE. Dann könnte ein Reaktor auch im Leerraum seine Dienste verrichten genau wie das Habitat, daß sein Schwerkraft-Ersatz in diesem per Rotation erzeugt.

Der leichte Transport des beliebigen nicht aufbereiteten Wasserstoffs könnte über die lange Strecke passieren, welche das auch immer ist, und das fertige teure Produkt im teuren Transport von der Raffinerie zum Habitat um die Ecke.

Feuersänger:
Leider hat D-D Fusion mehrere sehr große Haken. Die wichtigsten:
1. ist das Lawson-Criterion nochmal doppelt so hoch wie bei D-3He.
2. entstehen dabei wesentlich mehr Neutronen und mehr Bremsstrahlung, was alles wieder abgeschirmt werden müsste.

Zu letzterem trägt auch noch bei, dass durch D-D auch Tritium erzeugt wird, welches dann bei hinreichender Konfinierung mit Deuterium fusionieren kann, und nochmal mehr Neutronen produziert. Unterm Strich landen hier ca 40% der Energie in Neutronen.

Zur Bremsstrahlung lese ich wiedersprüchliche Angaben, die einen reden von grob 15-20% (was ähnlich wie bei D-3He wäre), andere geben bis zu 50% der Gesamtenergie an, die sich quasi ausschließlich aus der Energieausbeute der geladenen Teilchen speist. Das macht auch iwie Sinn, da das höhere Lawson Kriterium auch höhere Plasmadichten beinhaltet, was der Verursacher von Bremsstrahlung ist. Wenn also das so stimmt, wäre die Gesamtausbeute pro kg Deuterium:

- 10,5TJ nutzbare Energie in geladenen Teilchen
- 34TJ in Neutronen
- 44TJ Bremsstrahlung

Im Vergleich dazu D-3He, pro kg Brennstoff (also 0,6kg 3He und 0,4kg D):
- 264TJ geladene Teilchen (75%)
- 17TJ in Neutronen (5%, aus D-D Nebenreaktionen)
- 70TJ Bremsstrahlung (20%)

--> selbst wenn man die D-D Fusion ans Laufen kriegt - wie gesagt mit doppeltem Aufwand ggü D-3He - frisst sie sich fast komplett selber auf, und mit Glück hat man am Ende 12% Wirkungsgrad. Und da ist die zusätzliche Heizleistung, um die Fusion in Gang zu halten, noch gar nicht abgezogen.
Das könnte für planetare Kraftwerke _vielleicht_ noch irgendwo interessant sein, wo man dann halt die durch Neutronen und Bremsstrahlung erzeugte Wärme wieder auf altmodischem Wege über Wärmekraftmaschinen in Strom umwandeln kann. Aber auch nur dann, wenn man wirklich lieber den ca 33fachen Aufwand gegenüber D-T-Fusion in Kauf nehmen will, nur um sich das Erbrüten von Tritium aus Lithium zu ersparen.

Also für Raumschiffantrieb würde ich das schonmal komplett streichen. Selbst wenn man es mit Open Lattice / Magnetic Bottle schafft, 80% der Verlustleistung kontaktfrei ins All entweichen zu lassen (wovon ich auch bei D-3He ausgehe), bekommt man trotzdem für jedes MW Antriebsleistung ca 2MW Abwärme ins System, die man managen muss. Damit kommt man also nicht besonders schnell vorwärts.

Für Kraftwerke von Raumstationen wäre es vielleicht wieder was anderes. Da käme dann zwar noch die elektrische Konversion dazu, aber hier wären schlechte Wirkungsgrade vielleicht eher tolerierbar, wenn dafür der Brennstoff praktisch kostenlos und überall verfügbar ist. Also kurz gesagt, hier ist das Problem nicht die Brennstoffverfügbarkeit, sondern das Abwärmemanagement.

Aber halt wie gesagt: D-D ist doppelt so schwer zu erreichen wie D-3He und liefert dafür pro Abwärmeeinheit nur ca 4,5% der nutzbaren Leistung. Ich glaube, für diesen gewaltigen Unterschied lohnt sich der Aufwand mit dem 3He-Abbau dann schon. ^^

Quaint:
Ja aber wär das für planetare Anlagen nicht ne Überlegung dann tatsächlich rotzfrech D-T Fusionskraftwerke für Billigstrom zu bauen? Oder muss ja nichtmal planetar sein, so nen Asteroid könnte auch nen D-T Kraftwerk tragen ab ner gewissen Größe.
Dann brauchst du das teure He3 halt vielleicht für Raumschiffe und so "öko"-Lösungen (aus *sauberer* Fusion, jawohl) aber es gäbe Alternativen.

Und da weder Deuterium noch Lithium arg teuer ist bzw. sein sollte kriegt man da doch vielleicht Strom für die Gewächshäuser.

Feuersänger:
Dazu ein entschiedenes Vielleicht. Prinzipiell sollte es freilich technisch kein Problem sein -- wer D-3He im Griff hat, sollte D-T auch ziemlich aus dem Ärmel schütteln können. Brennstoff wäre natürlich auch vergleichsweise unkompliziert. Platz- und Kühlbedarf sind auf Planeten (und evtl größeren Asteroiden) freilich kein großes Problem.

Das Kernproblem, das ich bei D-T sehe, ist halt die enorme Neutronenbelastung; auch wenn die Abschirmung nach außen handhabbar ist, hat man halt im Inneren des Reaktors ständig die Roten Khmer unter den Strahlungsarten am wüten, was ständig eine gewaltige Neutronenversprödung und entsprechenden Verschleiss bedeutet, und somit wiederum Wartungsaufwand, begrenzte Lebensdauer und Atommüll. Wenn auch letzterer vielleicht nicht so eklig wie bei Fissionsreaktoren. Aber unterm Strich dürfte halt der Betrieb eines D-T-Reaktors eben doch nicht gar so billig sein, nur weil man keinen Brennstoff aus dem äußeren Sonnensystem rankarren muss.

Mal im Direktvergleich:
1kg D-T bringt brutto 340TJ. Davon 80% Neutronen. Nehmen wir mal an, die restlichen 20% können wir direkt wieder ins Plasma stecken. Dann haben wir also 272TJ an Neutronen, die wir in Wärme umwandeln und dann diese Wärme wiederum mittels Wärmekraftmaschine in Strom umwandeln müssen. Nehmen wir dafür mal eher optimistische 40% Wirkungsgrad an, kommen am Schluss 108TJe raus.

1kg D-3He bringt brutto 353TJ, davon 75% in geladenen Teilchen, 5% Neutronen. Die geladenen Teilchen können wir mit viel höherem Wirkungsgrad direkt umwandeln; sagen wir mal konservativ 60% (manchmal werden auch 80% genannt). Wir bekommen also 158TJe auf jeweils 18TJ Neutronen raus.

Setzen wir nun den Neutronenflux gleich, kommt also pro TJ Neutronenstrahlung heraus:
D-T: 0,4TJe
D-3He: 8,77TJe
--> Verhältnis ist 22:1; also für die gleiche Neutronenbelastung liefert D-3He 22x mehr Strom.
Anders gesagt, die kWh D-T Strom verursacht die 22fachen Abschirmungs-, Instandhaltungs- und Entsorgungskosten wie D-3He.

Und das sind ja jetzt nur 0,6kg 3He im Brennstoffgemisch. 1kg 3He liefert also 263TJ = 73GWh, aber das nur am Rande.

Was sich da nun unterm Strich rein finanziell mehr lohnen würde, wenn man die Wahl hätte, das ist wohl eine Frage, die wir mit unserem Laienwissen nicht belastbar beantworten können. Aus politischen Gründen wäre es aber sicherlich denkbar, wenn zB die Mars-Kolonialmacht sich absolut nicht von Saturn-Importen abhängig machen will. Die Entscheidung fiele natürlich viel leichter, wenn man die massiven Teiles eines D-T-Reaktos in situ aus Mars-Rohstoffen herstellen könnte.

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