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[Forge, aber allgemeingültig] Versuch "Wozu Theorie?" für Einsteiger
Gast:
Von der rollenspieltheoretischen Warte aus besehen ist der Artikel ein grauenhafter Fehlgebrauch von Terminologie -- was er das als die "Theorie" bezeichnet was jeder hat, ist die Creative Agenda. Aber Theoretikerinnen wie ich sind wohl auch nicht das Zielpublikum dieses Textes...
Nein, ernsthaft -- gut geschrieben.
Fredi der Elch:
--- Zitat von: Gelasma am 2.08.2005 | 18:56 ---Von der rollenspieltheoretischen Warte aus besehen ist der Artikel ein grauenhafter Fehlgebrauch von Terminologie -- was er das als die "Theorie" bezeichnet was jeder hat, ist die Creative Agenda.
--- Ende Zitat ---
Aaaaaahhhhhh!! ;)
1. Jasper meint schon "implizite Theorie". Die hat nämlich jeder.
2. CA ist nicht individuell. Ne, echt nicht. Niemals. Naja, wenigstens im Moment nicht. ;) Guckst du: http://tanelorn.net/index.php?topic=20470.0 Deswegen hat auch nicht jeder eine CA.
Äähhh... zurück zum Thema.
Medizinmann:
Wieso fühl ich mich gerade wie ein Shadowrun Schamane dem ein Hermetiker versucht zu erklären wie Magie funktioniert?
mit Totemtanz
Medizinmann
Lord Verminaard:
Man könnte übrigens noch einen weiteren Aspekt der Rollenspieltheorie hinzufügen. Rollenspieltheorie hilft nämlich nicht nur, zu erkennen und auszudrücken, was wir wollen. Sie hilft auch, zu erkennen und auszudrücken, was wir machen.
Was meint er jetzt damit??
Stell dir vor, du willst ein Floß bauen. Du hast keine Ahnung von handwerklichen Techniken, von Kontruktionstechnik und Physik mal ganz zu schweigen. Aber du hast schon mal gesehen, wie andere Leute ein Floß bauen. Also baust du es so nach, wie die anderen Leute es auch gebaut haben. Wenn du Glück hast, haben die anderen Leute ein gutes Floß gebaut, dann baust du vielleicht auch ein gutes Floß. Vielleicht hast du aber auch nicht richtig aufgepasst und denkst nur, du baust es genauso wie die anderen, und in Wirklichkeit machst du irgendwas falsch. Jetzt schwimmt dein Floß nicht mehr so gut wie das, das du gesehen hast.
Vielleicht haben die Leute, die du beobachstet hast, auch ein schlechtes Floß gebaut. Dann ist dein Floß ebenso kacke. Das merkst du, und du fängst an, rumzuprobieren, wie man das Floß vielleicht verbessern könnte. Aber vielleicht kommst du auf manche Ideen gar nicht, weil du dich zu sehr an dem orientierst, was du schon gesehen hast. Oder vielleicht ziehst du die falschen Schlüsse, weil du nicht weißt, welche Materialien leichter sind als Wasser und welche nicht, weil du keine handwerklichen Vorkenntnisse hast und nicht einschätzen kannst, welche Verbindungstechniken halten und welche nicht.
Und jetzt haben wir nur über den Floßbau geredet. Darüber, wie man mit einer Mannschaft von fünf Leuten auf einem Floß ein schwieriges Gewässer befährt und dabei trocken und schnell ans andere Ziel kommt, ist noch mal eine ganz andere Geschichte.
Rollenspieltheorie ist wie eine Berufsschule für Handwerker oder eine Fachhochschule für Ingenieure. Wer sie besucht hat, baut noch nicht unbedingt ein gutes Floß. Aber er weiß die Dinge, die er wissen muss, um ein gutes Floß zu bauen, also behaupte ich mal, seine Chancen stehen nicht schlecht, solange er sich nicht blöd anstellt. Damit ist noch nichts darüber ausgesagt, wie sein Floß aussehen wird. Aber du kannst hoffen, dass es keine überflüssigen Fehler hat und für die Aufgabe, für die es gedacht ist, auch geeignet ist. Bei jemandem, der es "nur" über Nachahmung und Ausprobieren angeht, ist die Wahrscheinlichkeit groß, das er sich eine Menge unnötige Mühe macht und am Ende ein Produkt hat, das vielleicht seinen Zweck erfüllt, aber immer noch ein paar Schönheitsfehler, oder schlimmstenfalls sogar gravierende Konstruktionsfehler, aufweist.
Ich gebe zu, das Beispiel hinkt etwas. Schon deshalb, weil die forgianische Rollenspieltheorie geringfügig jünger und weniger erprobt ist als die Handwerkskunst und das Ingenieurwesen. Was ich nur sagen will: Wer versteht, wie Rollenspiel funktioniert, kann auch viel präziser einzelne Parameter ändern. Er kann Kollisionen verschiedener Erwartungen oder Verhaltensweisen genauer identifizieren und ggf. beheben. Er kann sein eigenes Spielverhalten bewuster steuern.
Ich gebe zu, man wird dadurch auf Dauer verdammt anspruchsvoll. Vielleicht auch intolerant gegenüber Spielern, die sich destruktiv verhalten, ohne es zu merken. Ein gelernter Tischler hätte ja auch keine Lust, mit jemandem zusammen einen Tisch zu zimmern, wenn dieser jemand ein Brett nach dem anderen verschneidet und es noch nicht mal merkt. Das ist wohl der Preis, den man zahlt: Ein Stück Unschuld geht verloren. ;)
Boba Fett:
Ich danke für dieses tolle Thema!
Um auf Vermis Floßbau-Beispiel einzugehen:
Ich finde das Beispiel sehr schön, aber eines (wichtiges) wurde im Beispiel vergessen:
Die Menschen haben schon seit Jahrtausenden erstklassige Flöße gebaut und es sich bei anderen abgeguckt und gezeigt bekommen, wie die anderen es machen, und das ohne jahrtausend-alte Berufsschulen oder Fachhochschulen.
Und genau das trifft auch im Rollenspiel zu, wird aber oft vergessen:
Die Leuts haben auch ohne Rollenspieltheorie jahrelang tolles Rollenspiel gemacht. Man kann auch ohne.
Aber (und hier kommt das hüpfende Komma ...äh, der springende Punkt):
Genau wie früher die Flöße immer mal wieder abgesoffen sind, geht es in Rollenspielen immer mal wieder schief.
Rollenspieltheorie garantiert zwar nicht die Ozeanüberquerung per Floß, also Problemloses Rollenspiel, aber sie hilft zu verstehen. Sie hilft zu erkennen, was schief gelaufen ist. Sie hilft zu begreifen, was man vermeiden muss, um wieder Schiffbrüchig zu werden.
Die (graue) Theorie ist nicht notwendig, um schönes Rollenspiel zu machen, aber sie erleichtert das Ganze sehr.
Einfach, weil man sich bewusst macht, was man will, was Systeme, Settings, Spieler leisten, und was man vermeiden muss, um die Dinge nicht zu bekommen, die man nicht möchte.
Ohne Theorie ist es Try-and-Error mit intuitiver Navigation. Und genauso, wie viele trotzdem irgendwie ankommen (so wie die Welt ja auch jahrtausende lang per "Floß" besiedelt wurde), ist es einfacher mit Kenntnis über die Mechanik des Spiels voranzukommen.
Und genau das ist eines der größten Probleme der Theorie: Die Nicht-Theoretiker fühlen sich blöd, wenn sie damit in Berührung kommen und die "Akademiker" verhalten sich oft auch so, dass die Nicht-Theoretiker sich blöd (herabgesetzt) fühlen müssen. Daraus entsteht Minderwertigkeitsgefühl (oder anders herum: Elitär-Gefühl) und daraus letztendlich Ablehnung.
Und deswegen finde ich diesen Thread klasse, denn hier werden die Otto-Normal-Rollenspieler endlich mal dahin gebracht, dass sie wissen, worum es geht. Und dass sie auch wissen, dass sie eben nicht blöd sind, oder schlechtes Rollenspiel machen, nur weil sie GNS für einen Soap Serie im TV gehalten haben. ;)
Ich danke für dieses tolle Thema!
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