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[Forge?] Nochmal S und N

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Bad Horse:
Ich versuch´s immer noch zu verstehen... bitte unterstützt mich. Ich führe das ganze auch etwas länger aus, und ihr dürft mich dann korrigieren und mit Prämissen bewerfen...  ;)

Als ich noch jung war und keine Ahnung von Theorie hatte, kam Fredi der Elch daher und erzählte etwas von Gamismus, Simulationismus und Narrativismus. Ich hörte ihm zu, nickte dann und dachte: "Klar, das hab ich verstanden." Dann las ich ein paar Posts weiter und stellte fest, daß ich das ganze völlig falsch verstanden hatte. Oder auch nicht. Oder auch doch. Ich verstand mehr, dann verstand ich wieder weniger. Daran hat sich bis heute auch nichts geändert.

Gamismus ist einfach. Den versteht man, denke ich, relativ leicht. Leute wollen Beute.

Aber es fällt mir schwer, Simulationismus und Narrativismus voneinander abzugrenzen. Zuerst dachte ich ja, es ginge dem Simulationisten einfach nur darum, seinen Char zu spielen und sich vollständig hineinzuversenken, während ein Narrativist hauptsächlich die Story im Auge hat und eine gute und plausible Geschichte erzählen will. Aber dann kamen mir Prämissen und Hartwurst dazwischen, und seither dachte ich, Narrativismus heißt, eine Prämisse zu haben. Die wird als Frage formuliert, und die Spieler versuchen, auf diese Frage durch das Verhalten ihrer Charaktere eine Antwort zu finden.

So weit, so gut. Leider konnte ich mir den Prämissenkram nicht vorstellen. Wie funktioniert das konkrekt? Hätte ich vielleicht mal gleich fragen sollen. Aber ich dachte mir, hey, der Fredi, der uns die GNS gebracht hat, der weiß, wie das geht, also spiele ich mal ein narrativistisches Dingens mit ihm und schau, wie das funktioniert.

Gut. Also hab ich DitV gespielt. Mit Fredi. War gar nicht so anders als das, was wir normal machen. Hmmm. Nach dem Spiel hab ich Fredi nach der Prämisse gefragt, und er hat erstmal verwirrt gelacht. Gemeinsam haben wir dann eine Prämisse gefunden - kein Problem. Nur kann man ja in jeder guten Story hinterher eine Prämisse finden. (Die klassische Geschichte mit dem Drachen und der Prinzessin, die befreit wird - Gier nach Prinzessinnen führt zu Tod durch Ritterschwert, oder vereinfacht: Gier führt zum Tod)

Wieder war ich verwirrt: Wenn Simulationisten auch Prämissen haben dürfen, wo war jetzt noch gleich der Unterschied? Diesmal hab ich gefragt, und die Antwort war folgende: Beim Simulationismus legt der SL die Prämisse vorher fest (und soweit ich das beurteilen kann, trifft das auf mich als SL durchaus zu), beim Narrativismus ist sie offen und die Spieler entscheiden, wie das ausgeht. In der Drachen-Geschichte: Führt Gier wirklich zum Tod? Oder freunden sich die Ritter mit dem Drachen an und gehen gemeinsam mit ihm auf Prinzessinnenklau?

Okay... und dann hab ich wieder nachgedacht. Moment mal, wir haben DitV gespielt, das war doch narrativistisch, oder? Aber ist die Prämisse von DitV nicht "Abnormales Verhalten führt zum Unglück"? War es bei uns auf jeden Fall. Und dadurch, wie die Charaktere gestaltet sind, ist die Chance, daß auf die Frage "Wohin führt abnormales Verhalten?" eine andere Antwort als "Zum Unglück" gegeben wird, doch ziemlich gering. Ungefähr genauso hoch wie die Chance, daß die Frage "Wohin führt Machtgeilheit?" im klassischen Rollenspiel mit "Zu Erfolg" beantwortet wird (ich gehe hier von dem Fall eines machtgeilen NSCs aus - der böse Zauberer zum Beispiel, den die Chars aufhalten müssen).

Und jetzt bin ich wieder verwirrt. Ist DitV einfach nicht narrativistisch? Hab ich wieder alles falsch verstanden? Oder ist der Unterschied einfach, daß Simulationisten nicht an der Prämisse interessiert sind und Narrativisten doch? Aber auch Sims mögen gute Geschichten, und gute Geschichten haben im Normalfall eine Prämisse...  :o



Lord Verminaard:
Sehr schöner Post! :d Hier ein paar Hüftschüsse:

Zu Gamism: Leute wollen Beute ist nett, aber zu eng. Es geht dabei im Wesentlichen um Leistung und Anerkennung. Wenn wir WuShu spielen und uns gegenseitig mit coolen Beschreibungen übertrumpfen, ist das z.B. auch total G, weil wir performen und dafür die Anerkennung der Mitspieler bekommen. Das ist „Step On Up“ in Reinkultur.

Zu Narrativism: Vergiss die Prämisse. Im Ernst. Vergiss sie. Prämisse taugt nicht zur Abgrenzung. Sie war mal ein wohlgemeinter Ansatz, aber sie ist einfach völlig ungeeignet, um N von irgendwas anderem abzugrenzen. Funzt nicht.

Nimm statt dessen diese Umschreibung von Fredi:


--- Zitat ---Zentrale Menschliche Konflikte, die was über die Charaktere aussagen und den Spielern was bedeuten
+
Willen und Möglichkeit der Spieler, auf diese Konflikte und ihren Ausgang auch einen Einfluss zu üben
--- Ende Zitat ---

Damit kann man in der Praxis viel besser etwas anfangen. Es soll angeblich dasselbe sein wie „addressing premise“. Also bitte, vergiss die Prämisse. Ein für alle Mal.

Am besten erkennst du N an den „Bangs“. Das ist die narrativistische Technik überhaupt. Ein Bang ist eine ganz bestimmte Art von Situation im Spiel, die dich als Spielerin zwingt, eine Entscheidung für deinen Charakter zu treffen. Und zwar nicht, ob er das Schwert oder die Axt nimmt, sondern eine Entscheidung darüber, was für eine Art Mensche (Elf, Zwerg) er ist.

Zu Simulationismus: Das große S ist sozusagen ein Auffangtatbestand. Alles, was nicht N oder G ist, ist S. Daher lässt sich S auch am besten negativ abgrenzen. Wenn du unbedingt eine positive Definition willst, konzentriere dich nicht zu sehr auf den Charakter. S heißt „exploration“ um ihrer selbst willen. Also das Erleben des gemeinsamen Vorstellungsraums. Dieses Erleben hat fünf Elemente: Charakter, Setting, Situation, System und Color. Jede davon kann im Fokus der S-Agenda stehen.

Bitpicker:
Ich bin sicher kein Super-GNS-Kenner oder gar Freund, aber die meisten Reibereien zwischen Fredi dem Narrativisten und mir dem Simulationisten beruhen darauf, dass eine Sache für den einen oder anderen Spielstil adoptiert wird und der andere dann sagt 'mach ich doch auch'. Es nutzt auch nichts, an der Definition eines Begriffes wie 'Prämisse' so lange herumzufeilen, bis nur noch einer von uns das Wort gebrauchen kann. Ich glaube, der Unterschied ist viel fundamentaler.

Ich verweise mal auf die umfangreiche Beschreibung der deutsch-rumänisch-nochwas PtA-Kampagne (wenn ich das überhaupt so nennen darf) in den Diaries of Sessions. Fredi ist immer wieder unheimlich begeistert von dem, was da passiert und vor allem, wie es passiert; ich selbst bin vom Spielstil her eher abgestoßen (womit ich jetzt niemandem zu nahe treten will, ist halt Geschmackssache). Jetzt aber der Punkt: die Handlung als solche, wie sie sich am Ende nach dem Spiel darstellt (wenn man davon absieht, das PtA das Ganze andauernd als Fernsehserie beschreibt), kann ohne Abstriche auch das Ergebnis eines SIM-Spiels sein. Ich habe da bisher nicht eine Szene oder Situation gesehen, die nicht auch in einem meiner Spiele hätte auftreten können. Aber der Weg zu diesem Ergebnis ist ein anderer.

Der Unterschied liegt darin, wie das Ziel erreicht wird. Im narrativen Spiel scheint es immer wieder notwendig zu sein, sich auf eine Meta-Ebene zu begeben, an die Story zu denken, vorab Höhepunkte für bestimmte Charaktere einzuplanen, Dinge so zu drehen, dass sie für die Handlung am vorteilhaftesten passen, usw. Das sind alles Sachen, die mir sauer aufstoßen; in meinen Spielen gilt es, möglichst wenig Zeit auf der Meta-Ebene zu verbringen, wenn Charaktere eine Möglichkeit für einen eigenen Moment of Fame verpassen, ist das Pech, wenn etwas nur für die Story geschieht und ansonsten unmotiviert ist, ist das schlecht, und nichts wird so gedreht, dass es am besten passt. Das gefällt wiederum dem Narrativisten nicht.

Bei den Prämissen gibt es vielleicht einen Unterschied: der narrativistische Spieler ist anscheinend bei der Auswahl der Prämisse stärker beteiligt, sofern diese eine moralische Komponente hat. Der narrativistische Spieler setzt sich vielleicht die Prämisse 'wenn ich in der Situation wäre, zwischen Leben und Tod eines Freundes zu entscheiden, wie würde ich reagieren?'. Für den Simulationisten ist das schon zu einschränkend, er setzt lieber Prämissen wie 'wenn ich in einer Realität leben würde, in der Magie existiert und ich sie ausüben könnte, wie wäre das?'. Es stellt sich dabei nicht von vonrherein ein moralisches Problem; es kann sich eines stellen, aber es muss nicht so kommen. Das finde ich persönlich auch viel besser, denn im wahren Leben (und den Bezug kann ein Simulationist womöglich nicht verlieren) kommen moralische Probleme auch nicht dann, wenn man darauf vorbereitet ist. Die narrativistische Haltung 'ich bastel mir einen Charakter und ein Problem und führe sie dann im Spiel zusammen' ist für mich vergleichbar mit 'vielleicht stirbt ja meine Oma nächste Woche, dann kann ich ausprobieren, wie ich so als Trauernder drauf bin'.

Natürlich hat Fredi mit seiner von mir hiermit antizipierten Antwort, ich hätte noch nie ein narrativistisches Spiel gespielt und wüsste nicht, wovon ich rede, auch Recht, es handelt sich hierbei nur um die Beobachtungen eines Simulationisten, der das Ergebnis und die Entstehungsweise eines spezifischen narrativistischen Spiels betrachtet. Es gibt sicher genau so viele möglicherweise unzutreffende Beobachtungen über SIM-Spiele seitens der NARren.

@ Lord V.:

--- Zitat ---Am besten erkennst du N an den „Bangs“. Das ist die narrativistische Technik überhaupt. Ein Bang ist eine ganz bestimmte Art von Situation im Spiel, die dich als Spielerin zwingt, eine Entscheidung für deinen Charakter zu treffen. Und zwar nicht, ob er das Schwert oder die Axt nimmt, sondern eine Entscheidung darüber, was für eine Art Mensche (Elf, Zwerg) er ist.

--- Ende Zitat ---

Nun, ein konkretes Beispiel von mir: ich plane eine Kult-Kampagne, in der ich als SL den SC im Rahmen der Handlung den absoluten Beweis liefere, dass Gott tot ist. Mein Ziel ist es, zu sehen, was die SC mit diesem Wissen machen; zerbrechen sie daran? Nutzen sie es für irgend etwas, wenn ja, dann wofür? Der einzige Unterschied zu einer narrativen Prämisse ist m.E. der, dass die Spieler nicht wissen, was auf sie zu kommt, die Prämisse stammt allein von mir. Für mich als SIM ist das der essentielle Unterschied, der den Wert erst ausmacht: die Spieler können eben nicht vorplanen und auf ein bestimmtes Ziel hinsteuern, was sie in einem NAR-Ansatz vermutlich machen könnten und würden. Aber eine Entscheidung, was für eine Art Mensch der SC ist, steht hier definitiv genau so an.

Robin

Preacher:
Also mir ist damit so einiges deutlicher geworden - danke für die Erklärung, Vermi.

Wobei zumindest der erste Punkt aus deinem Zitat ("Zentrale Menschliche Konflikte, die was über die Charaktere aussagen und den Spielern was bedeuten") inzwischen obligatorisch für meine Chars ist - auch in NICHT narrativistischen Systemen.

Und zum zweiten Punkt: Der ist wohl selbstverständlich, oder? Aber einen Einfluss auf den Ausgang übe ich doch auch aus, indem ich das mit dem Rest der Runde ganz Hardcore IC ausspiele - oder nicht? Da fände ich würfeln kontraproduktiv - wenn es um die Entscheidung meines Chars geht "falle ich jetzt vom Glauben ab, oder schwinge ich mich in ungeahnte Höhen der Moral auf?", dann sollte sowas nicht von Würfeln abhängig sein.
Aber eben das scheint ja wie ich das bislang mitbekommen habe bei den meisten N-Spielen ein wichtiger Punkt zu sein.

Bitpicker:

--- Zitat von: Preacher am 17.08.2005 | 14:54 ---Aber einen Einfluss auf den Ausgang übe ich doch auch aus, indem ich das mit dem Rest der Runde ganz Hardcore IC ausspiele - oder nicht? Da fände ich würfeln kontraproduktiv - wenn es um die Entscheidung meines Chars geht "falle ich jetzt vom Glauben ab, oder schwinge ich mich in ungeahnte Höhen der Moral auf?", dann sollte sowas nicht von Würfeln abhängig sein.
Aber eben das scheint ja wie ich das bislang mitbekommen habe bei den meisten N-Spielen ein wichtiger Punkt zu sein.

--- Ende Zitat ---

Da sagst du noch was Wichtiges: an so einer Stelle finde ich einen Zufallsentscheid auch vollkommen unpassend.

Robin

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