Pen & Paper - Rollenspiel > Pen & Paper - Spielberichte

[Darc] Wendungen und Wirrungen

(1/2) > >>

Pilger:
Wendungen und Wirrungen
Ein Abenteuer-Spielbericht der Betabande


Dramatis Personae
~ Spielercharaktere ~

Esto (waldelfischer Drescher, ehemaliger Zisternenwächter in Baerenburg)
Franz Kreuzberg (menschlicher Gesegneter, ehemals Mönch, danach Lumpenpfaffe)
Karl-Heinz Wunderlich (menschlicher Hexer, Werdegang: Hexerlehrling)
Tholas (elfischer Aschestreuner, arbeitete vornehmlich als Aschereiter)
Hagen Heilehand (menschlicher Medikus, ehemals Leibflicker)


~ Wichtige Nicht-Spielercharaktere ~

Manfred von Wirrungen – rechtmäßiger Vormund des geistesgestörten Erben von Braunau (Walter von Wirrungen)
Herbert von Wirrungen – Walters Onkel, der derzeitige Freiherr von Braunau, welcher hinterhältiges Spiel treibt

*
Worum es geht
Hier wird ausführlich geschildert, wie es zu allem kam, ansonsten eine kurze Zusammenfassung:
Walter von Wirrungen, der geistesgestörte Erbe von Braunau, ist wieder in den "Fängen" seines Onkels Herbert, welcher in den letzten Wochen wiederholt versucht hat, seinen Neffen umzubringen. Jetzt gab es etwas Trara und Herbert von Wirrungen, übrigens der BösewichtTM unserer Geschichte, muss etwas vorsichtig sein und Gras über die Sache wachsen lassen, bevor er seinen Neffen Walter "aus Versehen" einen neuen Unfall erleiden lassen kann.
Die Spielercharaktere, welche im Laufe der letzten Wochen eine gewisse Verantwortung für das sabbernde Riesenbaby Walter entwickelt haben,wollen nun, nachdem ihnen Walter entglitten und wieder bei seinem fiesen Onkel in Braunau weilt, schleunigst nach Geizig im Kurfürstentum Saxen, um dort einen gewissen Manfred von Wirrungen aufzusuchen.

Dieser Manfred ist nämlich - rein der Erblinie nach - Walters Vormund, nicht, wie man bislang annahm, der pöse Herbert (weshalb man auch erst lange Zeit Herberts Mordabsichten Walter gegenüber nicht nachvollziehen konnte).
Würde Walter heute sterben, ginge Braunau weiter an Herbert (wie so das so verworren ist bei den von Wirrungens entnehme man der Vorgeschite oder schlucke es), nicht an Manfred. Solange aber Walter noch lebt, hat Manfred eigentlich die Vormundschaft über den geisteskranken Erben und somit auch die Macht über Braunau.

Kurz: Um Walter vor dem bösen Herbert zu retten und selbigen kräftig in den Arsch zu treten, will man nun zu diesem Manfred reisen und ihn für die eigene Sache gewinnen.

Zusatzinfo: Wie vielleicht jmd. aufgefallen ist, befindet sich nicht der "Mönch" Gustav auf der Darstellerliste. Warum? Nun. der Spieler von "Mönch" Gustav Dreckstecken konnte an diesem Spieltag nicht anwesend sein, was jedoch gut ins Konzept passte, da Gustav - eigentlich ein Ersatzcharakter für den gefallenen Totengräber Matze (siehe Engel des Todes) - mit dieser ganzen Walterstory nicht fiel am Hut hatte, also sowieso in Baerenburg bleiben würde und eh durch einen anderen Charakter ersetzt werden sollte.

Nun denn...


*
Laut polternd schoß die dunkle Kutsche über die matschige, verschlegnete Pfahlstraße und zerriss mit ihrem rumpelndem Lärm die Stille des wolkenverhangenen, kalten Vormittags.

Mit ratternden Rädern fegte das Gefährt den gewundenen Weg entlang, dabei graue Schlegenpfützen zerschneidend, welche in hohen Fontänen zu beiden Seiten aufspritzten. Die vier schnaubenden, schwitzenden Rösser rissen mit wirbelnden Hufen ihre schwere Last, während über ihnen die Peitsche der Kutscher knallend die Luft zerfetzte.
Die Kutsche donnerte schwankend vorbei an kahlen, staubverschmierten Landstrichen, verlassenen Gehöften und brachliegenden Feldern, immer wieder unterbrochen von spitzen, nadelartigen, verschwommenen Waldwänden, die am Wegesrand plötzlich hochschossen, vorbei rauschten und die Sicht auf das umliegende Land versperrten.

Die Kutsche schoß gerade aus einem dieser Wäldchen hinaus und fegte über eine Anhöhe, als die beiden Kutscher auf dem rumpelndem Bock den umgekippten, langen Pfahl erblickten, der vor ihnen auf der Straße lag und der eiligen Kutschfahrt ein jähes Ende bereiten würde.

"Hooooooooooooooooh..!"

Schnaubend, mit angezogenen Zügeln, kamen die vor Schweiß dampfenden Rösser nur wenige Meter vor dem umgestürzten Pfahl tänzelden Schrittes zum Stehen, begleitet vom ungesunden Knacken des Bremshebels, den der Nebenkutscher mit aller Kraft nach unten gedrückt hielt.

Stille.
Irgendwo hinter ihnen schreckte irgendetwas ein paar Krähen auf, die sich laut meckernd prasselnd in die Luft erhoben.

Die beiden Kutscher blickten sich mißtrauisch um. Bei dem Regen der letzten Tage werden sich so einige Stämme am Wegesrand der Pfahlstrassen gelöst haben und umgestürzt sein. Hin und wieder kam es jedoch vor, dass jemand absichtlich diese Pfähle umkippte.
Einer der beiden Männer zog hinter sich langsam seine mit Rostnägeln gefüllte Schrottschleuder hervor und stieg langsam und vorsichtig vom knarrenden Kutschbock. Leise schlich er an den unruhigen Pferden vorbei und starrte gespannt auf die umliegende Ebene vor der grauen Wolkenwand des Horizonts.

Nichts...

"Was ist los? Gibt es ein Problem?", hallte es von der Kutsche herüber.
Der Kutscher drehte sich knirschend um.

"Nein, Herr heilehand, kein Problem", antwortete er. "Nur ein umgestürzter Pfahl. Mein Kollege und ich räumen den kurz beiseite und dann geht es auch schon weiter. Noch heute werdet Ihr mit Euren Gefährten wie vereinbart Geizig erreichen."

Keine fünf Minuten später donnerte die Kutsche schon wieder über die schmale Straße Richtung Saxen, als wäre ihre rasende Fahrt nie unterbrochen worden.

*
Am Abend hatte die Kutsche Geizig erreicht und die Charaktere mieteten sich in einer Herberge am Freimarkt ein. Dort brachte man in Erafhrung, dass der gesuchte Manfred von Wirrungen über die beiden Dörfer Wachauf und Makaberg herschte, beide keine 5 Meilen entfernt von Geizig. Vom Südtor aus könne man am Tage gar den Makaberg samt darauf befindlicher Burg erblicken, wurde den Charakteren erklärt und zuversichtlich begab man sich schließlich ins Bett.

*
Früh am nächsten Morgen öffnete sich im weiter nördlich gelegenen Braunau knarrend das schwere Burgtor der Festung und sieben Reiter, allen voran Herbert von Wirrung, preschten die staubige, breite Rampe hinab ins Dorf, wo man der Hauptstrasse folgte.
"Auf, Männer", rief Herbert den Söldnern zu. "Damit wir noch heute Abend Makaberg erreichen und Wein auf Blut fliesse!"
Dann rammte er seinem weißen Hengst die Sporen in die Seiten und der Troß galloppierte polternd los Richtung Geizig, staubige Aschewolken nach sich ziehend...

*
Am späten Vormittag erreichten Lumpenpfaffe Franz, der humpelnde Herr Heilehand, der Hexer Karl-Heinz Wunderlich und die beiden Elfen Tholas und Esto die kleine Siedlung Makaberg, gelegen am Fuße des gleichnamigen, etwa 100m hohen "Berges". Man folgte der schlammigen Hauptstrasse durch die Ortschaft, eine Sammlung von gerade mal einem Dutzend windschiefer, staubgrauer Holzhütten, umgeben von kahlen, verlassenen Feldern. Ein armes Dorf, trist und grau und ohne Hoffnung. Weiter abseits stand stumm eine alte Frau, ihr hageres, faltiges Gesicht von einem schwarzen Kopftuch umrahmt, den Fremden mit ausdrucksloser Miene hinterher starrend.

"Reizender Ort", bemerkte Tholas und blickte hinauf zum Makaberg, auf dem die kleine "Burg" des Manfred von Wirrungen schäbig und zerbrechlich trohnte.
"Wirklich reizend..."

*
Als man gegen Mittag in einem Krüppelwäldchen an einem kleinen Bach die Pferde tränkte, ergriff Herbert von Wirrungen das Wort:"Wir werden in Geizig kurz Halt machen, wo wir Ludwig treffen."

Ludwig.
Einige der Söldner tauschten stumme Blicke miteinander.
Sie kannten Ludwig.

"Ludwig ist bereits gestern nach Geizig gereist und wird inzwischen einiges über Manfred und die Besatzung der Burg in Erfahrung gebracht haben. Manfred wird mit mir früher oder später gerechnet haben, wenn er nicht völlig dämlich ist."

"Also weiter, Pack. Ich bezahl Euch schließlich nicht fürs Rasten", schloß Herbert, während er sich auf den Rücken seines Hengstes schwang.

Keine Minute später waren sie fort.

*
Der unscheinbare, schmalschultrige Manfred von Wirrungen entpuppte sich als neugieriger, leicht verschroben wirkender Mann, welcher mit theatralischen Gesten und versnoppter Körperhaltung die Charakter/Spieler belustigte Blicke untereinander austauschen liess ("Der sieht aus wie Jim Carrey mit schulterlangen Haaren", höre ich mich noch sagen).

Die Charaktere standen im "Rittersaal" von Burg Makaberg, einer kahlen, ärmlich ausgestatteten Halle, und gebannt lauschten Jim Carrey..äh...Manfred von Wirrungen sowie einige seiner Wachmänner (die Burg war echt klein, heruntergekommen wie das Dorf, aber 'ne Menge Wachen stolzierten dafür da herum) den Ausführungen der Charaktere, immer wieder unterbrochen vom gelegentlichen "Prost!" des Burgherren, woraufhin die Charaktere sich ordentlich am eingeschenkten Wein bedienten.

Und sie erzählten die gaaaanze Geschichte.
Von Anfang an.
Wie sie Herbert kennen gelernt hatten und er sie beauftragte, den verblödeten Walter ins Kloster Wehihm zu bringen. Dann der Verrat, Herberts Lüge und die Mordbeschuldigungen gegen sie, schließlich wie man Baerenburg erreichte und für den Preis der Unschuld den verrückten Walter in die Arme Herberts schließlich geben musste, ohne eine Wahl zu haben.
Und dann erklärte man Manfred, dass er der legitime Vormund von Walter ist, dem rechtmäßigen Erben von Braunau. Manfred müsste also nur seine "tolle" Burg verlassen, nach Braunau reisen, Herbert den Weg zur Tür weisen und er und Walter könnten fortan auf Braunau glücklich sein.
Offenbar gefiel das Manfred.
Zumindest grinste er und sagte einige Zeit lang nichts.

Dann begann das Gift in dem Wein endlich zu wirken.

*
"Der weiß, dass Du kommst", grinste Ludwig, nahm einen kräftigen Schluck seines Humpen Dünnbieres und stellte das Gefäß lautstark auf den fleckigen Tisch, wobei er Herbert von Wirrungen durch seinen kurzen, nun bierverschäumten Bart angrinste.

"Ach Manfred weiß, dass ich komme, ja? Ist das jetzt eine Vermutung von Dir, alter Freund, oder hast Du ihn auf Makaberg etwa besucht und persönlich gefragt?", entgegnete Herbert spöttisch, während er sich in der Saufhalle umblickte. Der Siff von Geizig war nun überhaupt nicht sein Ding, aber Ludwig wurde hier gesucht und eine "sichere" Herberge am Freimarkt stand als Treffpunkt somit nicht zur Diskussion.

"Klar gehe ich zu diesem durchgeknallten Verrückten", sagte Ludwing und wischte sich dabei den Schaum vom Bart.  "Es wird schon seine Gründe haben, warum es dem Dorf so schlecht geht. Aber um auf Deine Frage zurück zu kommen: Ich habe herausgefunden, dass Manfred in den letzten Wochen - seit Hermanns Tod, mit dem alles begann - vermehrt Söldner in seine Dienste gestellt hat. Unverhältnismässig viele Wachen tummeln sich jetzt wohl auf seiner stinkigen Burg und Manfred lauert auf ein Zeichen von Euch, einen Hinweis, eine Falle. Kurz - ich denke, sobald wir oder irgendwer, der mit der Geschichte irgendwie in Verbindung stehen könnte, da aufkreuzt, wird Blut fliessen."
Dann nahm Ludwig abermals seinen Krug und trank einen kräftigen Schluck von dem dünnen Bier.

Pilger:
Es hatte mit einem kurzen, krampfartigen Zucken bei Herrn Heilehand angefangen.
Während der alte Mann zusammenbrach, dabei immer mehr verkrampfte und schließlich still liegen blieb, begann dass Gift, welches die Charaktere über den großzügig angeboteten Wein mehr als ordentlich zu sich genommen hatten, auch bei den anderen zu wirken und einige Zuckungen und verzweifelte Würflproben später lag jeder von ihnen steif und starr auf dem rauen Boden des Rittersaals von Manfred von Wirrungen.

Schwere Soldatenstiefel schritten auf sie zu, Kettenbrünne klirrten, irgendwo hörten sie Manfred kichern.
Während behandschute Wachmannenhände sie grob packten und hoch hieften, bückte sich Manfred zu ihnen hinab, verspottete sie: "Herbert hat wirklich gedacht, mit solchen Anfängern wie Euch mich reinlegen zu können? Anfängern, die auf Starrleib reinfallen, wie?"
Offenbar lag hier ein Mißverständnis vor.

Die Wachen trugen ihre erstarrten Leiber hinaus aus dem Saal, Manfred auf den Fersen, der mit erhobenem Zeigefinger weiter quasselte: "Ich habe Euren Herren überschätzt. Aber das dürfte Euch eh nicht mehr lange interessieren, ihr bekommt jetzt einen Vorgeschmack auf dass, was Herbert blüht."

Sie wurden in einen Nebenraum gebracht, Esto konnte kurz den Blick auf eine breite Abdeckung im Boden erspähen.

„Herbert denkt also, ich falle auf so eine erlogene Geschichte rein und reite mit Euch Halsabschneidern einfach mal so eben nach Braunau, in die Höhle des Löwen, ja?", Manfred klang wütend.
Riegel wurden beiseite geschoben, eine große Luke wurde knarrend geöffnet.

"Das ist lächerlich. Was hat er wirklich bezweckt? Letztendlich will er mich doch nur wegen der möglichen Vormundschaft töten, habe ich Recht, habe ich Recht? Naja – ihr werdet schon reden – sofern ihr bis dahin noch eine Zunge habt."

Und dann warf man unsere steifen Helden in die Dunkelheit. Ein steifer Flug ins Ungewisse.
Zumindest für knapp 5m.

Dann schlugen sie hart nacheinander auf dem harten Verliesboden und aufeinander auf - ohne Chance, sich abzurollen oder den Sturz irgendwie abzufangen. Man fiel einfach in die Schwärze und schlug hart, ungebremst und gnadenlos auf. Der Hexer Karl-Heinz lag wie benommen da, Blut pumpte aus einer Platzwunde an seiner Stirn.

Schmerzen.
Dunkelheit.
Der Geruch von Kot und Urin und...
Eine leuchtende Lukenöffnung über ihnen inmitten der Schwärze.
Ein Seil wurde von den Wachen hinuntergelassen.
Ein dicker, folterknechtsähnlicher Typ kam zu ihnen herunter.
Und Manfred.
Die Luke schließt sich.
Wieder ist alles stockdunkel.
Dann..

"Dirk hier stammt aus Rayern."
Es war Manfreds Stimme, die aus der Dunkelheit des Verlieses zu ihnen  sprach, nun wieder ruhig und freundlich.
"Er ist dort auf einem Gestüt aufgewachsen und hat später in Mönchen als  Kadaverknecht gearbeitet."

Ein Lichtfunke flackerte auf - Dirk entzündete eine Fackel irgendwo im Raum.
Tholas, dessen Blick die ganze Zeit starr zur Decke gerichtet war, erkannte endlich genau, was dort über ihm im Halbdunkeln baumelte:
Schädel.
Menschliche Schädel.
Skellettiert, halbverwest - so oder so im letzten Schrei erstarrt und nun an ihren muffigen, langen Haarresten von der Decke baumelnd. Was, um Himmels Willen, war das für ein Ort?

"Dirk wird Euch jetzt zeigen, was er bei seinen früheren Herren gelernt hat“, raunte Manfred ihnen leidenschaftlich in die Ohren, tauchte grinsend und verschwitzt vor ihren Blickfeldern auf und frohlockte schließlich: "Willkommen, in der Hölle..."

*
Anmerkung:
Was nun folgt, sollte ein SL eigentlich nie tun.
Ich weiss das, meine Spieler wissen das und sie wissen, dass ich es auch weiss.

Gerade deshalb entschied ich mich zu folgendem Schnitt...äh...Schritt. Mir war es wichtig, eine SAWähnliche Ausweglosigkeit und Verzweiflung bei den Spielern zu erzeugen, um ein Fundament dafür zu haben, was danach nämlich noch folgen sollte. Die Ereignisse werden hier nur kurz und oberflächlich nacherzählt, was der eigentlichen Stimmung am Spieltisch nicht gerecht wird, doch sei 's drum.
Der Fokus der Spieler mußte von Herbert genommen werden und außerdem benötigte ich ein Hilfebedürfniss seitens der Spieler. So kam es zu folgenden NotToDos. Dass ich durch meine "unfaire" Vorgehensweise zusätzlich noch Frust und leichte Wut bei den Spielern erzeugen könnte, musste ich akzeptieren, wußte aber, dass ich meiner Gruppe das zutrauen könnte, ohne SL-Vertrauen zu verlieren. Nun denn...

*
Noch immer waren sie starr und wie gelähmt.
Während sie der arg behaarte Folterknecht Dirk nacheinander aufgehoben und fein säuberlich in Reih und Glied nebeneinander im hinteren Teil des Verlieses auf den Boden gelegt hatte, war es jedem mehr oder weniger möglich gewesen, etwas von dem -  nun von Fackelschein erhellten - kreisrunden Gewölbe zu erkennen, in dem sie sich befanden.
Ratten lauerten hier in den Schatten zwischen Stroh und Knochen, allerlei Folterwerkzeug inklusive einer kantigen Streckbank stand herum.
Wie ein Ort, wo man Gefangene über Jahre einsperrt und sich selbst überlässt, sah es hier nicht gerade aus. Schädel - bestimmt über Hundert an der Zahl - baumelten im stummen Todesschrei von der Decke, wie die modernde, anonyme Trophäensammlung eines Widerlichen.

Doch was jeden von ihnen am meisten beunruhigte, waren die mit einer dunklen Tinte überall an die Verlieswand geschmierten und gepinselten Symbole. Dunkle Symbole.
Runen der Dunkelheit, unheilige Zeichen, umgedrehte Kreuze und das umkreiste D des Vollkommenen.

Manfred von Wirrungen, vor einer Stunde noch ihrer aller Hoffnung, war ein Diener des Teufels, ein Darcanist.
Und er hatte sie am Arsch.

*
"Wisst ihr Euer Herbert wäre ein nützlicher Diener des Vollkommenen, doch er hat keinen Mumm in den Knochen und buckelt vor der Kreuzkirche wie die Ratten im Siff. Es wird ein Fest werden, ihn zu verspeisen."

Manfred stolzierte vor ihnen auf und ab, immer und immer wieder die fünf nebeneinander aufgebahrten "Helden" von Kopf bis Fuß musternd. Er genoss offenbar jeden Moment ihrer Hilflosigkeit, gefangen in der Starre des Gifts. Und noch immer glaubte er, sie seien eine "Falle" von Herbert. Ironie des Schicksals.

"Und nach Herbert freue ich mich schon auf diesen schwachsinnigen Walter. Als sein Vormund werde ich dafür sorgen, dass niemand dieser unschuldigen Seele zu nahe kommt, während ich mich mit ihr amüsieren werde. Und Braunaus Felder sind durchaus ertragreicher als dieser tote Boden hier, der Vollkommene meint es gut mit mir. Und noch so viele Staubbauern. So viele Seelen..."

Plötzlich hielt Manfred inne, seine Schwärmerei verstummte, wie ein Kind, dass aus Versehen etwas verraten hatte. Er hatte scheinbar genug gesagt und nun blickte er wieder langsam und verstohlen zu den Charakteren und begann flüsternd:"Ene, mene, miste..."

*
Unpersönliche Würfel rollten zielstrebig und  ohne ein Zögern...

*
Ausgerechnet den alten Herrn Heilehand hatte sich Manfred als Ersten auserkoren. Der stumme Dirk hiefte den alten, verkrüppelten Mann, noch immer steif vor Starrleib, auf die Streckbank, während Manfred majestätischen Schrittes die Szenerie umkreiste, wie ein Geier das Aas.

"Wir fangen mit Euren Augen an, würde ich vorschlagen."

Jetzt brach so langsam endgültig Panik bei den Charakteren aus. War der Kerl total krank? Was sollte das werden hier? Ein Schlachtfest auf ihre Kosten?

"Obwohl", fuhr Manfred nachdenklich fort: "...dass hatten wir erst mit der Bauersmaid neulich. Nein, Dirk. Zuerst will ich sehen, wie man sauber Ohren abtrennt..."

Und so kam es, dass der Darcanist Dirk sich an dem alten - mittels Gift gelähmten - Krüppel Hagen Heilehand mit leibflickerischem Geschick zu schaffen machte...

*
Ludwig band sein Pferd unter einer dunklen Trauertanne fest, dann kletterte er wieder die von braungrauen Kahlbüschen bewachsene Anhöhe hinauf. Von hier hatte er einen guten Blick sowohl auf die Strasse nach Geizig als auch auf die Rampe von Burg Makaberg selbst. In der Ferne sah er Herbert und sein halbes Dutzend Söldner, wie sie sich dem Dorf näherten.
Ludwig zweifelte daran, dass Herberts Plan aufgehen würde. Sich bei Manfred heuchlerisch einnisten, um ihn in der Nacht in seiner eigenen Burg zu erschlagen? Diese von Wirrungens...

Ludwig drehte sich auf den Rücken, machte die Beine lang, gähnte gelangweilt und blickte entspannt gen Himmel, wo die Asche sich mehrte...

*
Ich bitte die Verzögerung zu entschuldigen, irgendwie fehlte mir Zeit und Motivation in den letzten Tagen. Inzwischen ist am Tisch viel geschehen, 3 oder 4 Sessions weiter sind wir schon.
Nun aber erstmal zurück zu diesem Plot und wieder ins Verlies von Makaberg, wo ich zu unfairen Meistermethoden griff, welche sich - im Nachhinein betrachtet - jedoch mehr als auszahlten, führten die nun geschilderten Ereignisse u.a. zu einer interessanten SC-NSC-Konstellation, welche die letzten Sitzungen mehr als einmal bereicherte und ihnen eine besondere Würze verlieh, während das Bild von GutistGut und BöseistBöse schön durchrüttelt wurde.
Nun aber, wie es dazu kam...




Unheilvolle Stille lag über der Szenerie im Verlies von Makaberg, nur gestört von einem plitschigen Tröpfeln, welches von dem Blut stammte, dass von der Folterbank auf den kargen Steinboden suppte.
Während Herr Heilehand - völlig vom Starrleib abgstumpft - nur ahnen konnte, was soeben geschehen war, konnte jeder der anderen Charaktere geschockt und verzweifelt sehen, was Manfred von Wirrungen da in seiner blutverschmierten Hand hielt - das rechte Ohr des alten Medikus!

"Näh die offene Wunde doch bitte zu, Dirk", raunte der staksige Adlige mit einem leichten Anflug von unterdrückter Lust dem Folterknecht zu, bevor er sich zu ihnen hinunter beugte:
"Dirk hat viele Talente, wisst ihr? Er kann zerstören, aber auch heilen. So haben wir schön viel Zeit füreinander und ihr sterbt mir nicht weg, bevor der Spaß vorbei ist."

Dirk nahm mit mechanischer Gleichgültigkeit Nadel und Faden und begann sein schauriges Werk, was unsere "Helden" nur erahnen konnten, waren sie doch noch immer durch das Gift wie gelähmt und starrten nur zur runenbekritzelten Decke, zwischen denen die Schädel von Manfreds vorherigen Opfern gespenstisch im flackernden Fackellicht baumelten und höhnisch auf sie hinabzugrinsen schienen.

*
Plötzlich bummerten die Wachen von oben gegen die Luke, Manfred und Dirk blickten sich verwirrt ob dieser unvereinbarten Störungen misstrauisch an.

„Herr von Wirrungen! Da kommen Reiter.“, hallte schließlich dumpf eine Stimme durch die geschlossene Luke.
Manfred nickte kurz zu Dirk und wie tausendmal geübt begannen diese sofort damit, die Fackeln nach und nach zu erlöschen und Dunkelheit senkte sich über die ketzerische Szenerie und verschluckte alles.
Erst dann rief Manfred: "Öffnet und lasst das Seil herunter, wir kommen rauf!"

Kurz darauf waren die Charaktere allein mit sich, ihrer Gelähmtheit, ihrer Angst und der Schwärze um sie herum.

Die Zeit strich dahin...

Plitsch.
Plitsch...

*
Etwa eine halbe Stunde lagen sie nun schon in der Dunkelheit, als Bruder Franz plötzlich feststellte, dass er seinen Hals wieder bewegen konnte - der Griff des "Starrleib" lockerte sich, das Gift ließ nach...

In diesem Moment hörten sie plötzlich von oben gedämpfte Schreie - vermengt mit Waffengeklirre und Kampfeslärm - durch die Luke zu ihnen hinunter hallen.
Dann - ehe es begonnen hatte - war alles wieder still.

Plitsch.

Quietschend öffnete sich abermals die Luke in der Decke und Fackellicht erhellte wieder die baumelnden Schädel über ihnen.
Lumpenpfaffe Franz merkte, wie er seinen rechte Schulter schon wieder anspannen konnte.

Dann fiel etwas Starres hinab durch die Luke und schlug außerhalb ihres Blickwinkes irgendwo dumpf auf dem Boden auf. Ein zweites, steifes Bündel folgte und von oben hörten sie Manfred brüllen: „So ein Mist! Passt mir auf die ganze Bande auf! Ich muss nach Braunau, wissen was da los ist. Bis zu meiner Rückkehr bleibt die Luke geschlossen, kein Essen, kein Wasser. Nichts!“

Dann schloß sich abermals rummsend die Luke über ihnen und alles war wieder still...
Fast.

Plitsch...

Pilger:
Sie waren nicht allein...

Deutlich konnten sie hören, wie jemand atmete.
Mehrere Personen.

Es gab nur eine Erklärung - die hinabgeworfenen, starren Bündel waren ebenfalls Gefangene.
Und anscheinend konnten auch sie sich nicht bewegen. Weitere Bauern aus dem Dorf unten? Was hatte Manfred gemeint, als er von "die ganze Bande" sprach.

Plitsch...

Die Zeit verstrich...
Tropfen um Tropfen, Minute um Minute...

Wähend seine Gefährten noch völlig im lähmenden Griff des Starrleibs gefangen waren, spürte Lumpenpfaffe Franz immer mehr, wie die Taubheit aus seinem Leib wich. Er konnte jetzt schon seinen Kopf und seine Schultern frei bewegen.
Dennoch blieb er still, schwieg, lauschte nur auf die Atemgeräusche der neuen, unbekannten Gefangenen.

Dann...

„Es.. ..geht.. ..wieder... ", stöhnte eine männliche Stimme ächzend.
"Ich... ...kann mich wieder bewegen... ...Herr.... "

Etwas scharrte neben ihnen in der Dunkelheit auf dem Boden und erhob sich schwerfällig, während Lumpenpfaffe Franz spürte, wie das Leben zurück in seine Oberarme kehrte - nur noch ein paar Minuten, und er würde sich wieder frei bewegen können...

"Dieser Mistkerl, alle tot. In dem Wein muß Gift gewesen sein", hörten sie abermals die Stimme des Mannes aus der Dunkelheit. "Hatte eh nicht geschmeckt..."
Offenbar hatte der mann keinen Schimmer, dass die Charaktere ebenfalls hier waren.
"Zum Glück habt ihr Ludwig draußen warten lassen. Er wird bestimmt eine Lösung finden. Gibt es denn hier kein Licht?!“

Sie alle hörten nun, wie der Mann sich durch die Dunkelheit tastete. Zum Glück kam er nicht in ihre Richtung.
"Hier hängt eine Fackel, Herr!" - plumpe Schritte kamen zurück. Stoff wurde durchwühlt. "Verzeiht, aber ihr habt doch diesen Feuerstein. Moment..."

Lumpenpfaffe Franz konnte sich nun aufrichten - zwar waren seine Beine noch taub, doch zumindest konnte er sich - leise - wieder in eine angenehmere Sitzposition begeben.

"Ah, da ist er ja. Wartet, ich mach schnell Licht..!"

Kurz darauf hörte man das klackernde Geräusch von aufeinander schlagenden Steinen, Funken erhellten stakatohaft das Verlies und in kurzen, blitzhaften Augenblicken konnte Lumpenpfaffe Franz nun an der gegenüberliegenden Wand einen wahren Riesen von Mann sehen, der einen Funken schlug und schließlich das Pech der Fackel abermals entzündete. Noch jemand lag im Schatten am Boden, ein zweiter Mann.
Dann drehte der Riese sich um.

"Seid gegrüßt", lächelte Lumpenpfaffe Franz ihn an, so gut es ihm in seiner noch verkrampften Haltung möglich war.

*
Die vierzehn Reiter ritten, eine riesige Staubsäule hinter sich herziehend, gen Geizig.
Offenbar hatten sie es eilig.

Als sie weit genug außer Sicht waren, richtete sich Ludwig hinter dem kahlen Baumstamm, von wo aus er sie beobachtet hatte, wieder auf.
Vierzehn Reiter..?
Was war da los?
Warum schickte Manfred ausgerechnet jetzt die angeheuerten Söldner aus, wo Herbert sich bei ihm eingenistet hatte? Hatte Manfred die Söldner nicht extra dafür angeworben, ihn vor Herbert zu beschützen? Und jetzt schickte er sie weg? Ludwig beschlich eine leise Vorahnung...

War Herbert etwa keine Gefahr mehr für Manfred?

Grimmig blickte er zur Makaburg in der Ferne und Asche begann vom Himmel zu nieseln...

*
"Der Kerl hat keinen blassen Schimmer, wer wir sind", dachte Lumpenpfaffe Franz.

Harald, so der Name des Riesen, schien ein halbwegs aufgeweckter, freundlicher Kerl zu sein, der sich erstmal bekreuzigt hatte, nachdem er erkannt hatte, in was für einem Darcanistenloch sie da steckten. Als er den starren Herrn Heilehand samt blutender Wunde, Nadel und Faden noch immer von dem rohen Fleisch hinab baumelnd, entdeckt hatte, machte er sich sofort daran, dem alten Krüppel zu helfen.

Und während auch die anderen allmählich merkten, wie der klammernde Griff des Starrleibs sich langsam lockerte, verarzteten dieser Harald und Lumpenpfaffe Franz unter den baumelnden Schädeln, umleckt von flackernden Schatten, den alten Medikus. Dabei versuchten sie ganz unbedarft, dass abgetrennte Ohr, welches Manfred achtlos auf der Folterbank hatte liegen lassen, wieder an den Schädel zu nähen.

Doch Franz ging dabei etwas ganz anderes durch den Kopf.
Immer wieder blickte er unauffällig auf die zweite Gestalt, die da noch am Boden lag und die langsam ebenfalls begann, sich wieder zu regen.
Er kannte den Mann, hatte ihn schon einmal gesehen und schon vielfach seinen Namen genannt.
Und der Mann starrte ihn an - wissend.
Und Franz war sich nicht sicher, was er tun sollte...

Die schrecklichen Geschehnisse der letzten Stunden, die Ausweglosigkeit ihrer Lage, der sanfte Riese neben sich, der ihn aber vermutlich wie eine Fliege zerdrücken konnte, wenn es drauf ankam, der jedoch offenbar ein anständiger Kerl war - all das blockierte den Lumpenpfaffen Franz. Also hoffte er, dass seine Gefährten sich endlich regen würden und er sich mit ihnen beraten konnte.

Doch der Starrleib lockerte erst seinen Griff von dem Mann, den der Hüne Harald als "Herr" bezeichnete, und der sich schließlich mit noch leicht betäubten Gliedern schwankend erhob und erstmal nach seinem befederten, breitkrempigen Hut griff, den er beim Sturz hinab ins Verlies verloren hatte.
Dann blickte er sich besorgt in ihrer aller Gefängnis um, bis sein Blick auf den von Lumpenpfaffe Franz traf.
Was hatte er ihnen schon alles eingebrockt...

"Harald - zu mir", sprach Haralds Herr schließlich mit ruhiger, beherrschter Stimme und ein Anflug von Belustigung schlich sich in sein Gesicht:
"Sieh an, sieh an. Wer hätte das gedacht - so trifft man sich also wieder", grinste Herbert von Wirrungen.

Pilger:
"Hört endlich auf zu streiten", stöhnte der alte Herr Heilehand, als er sich - von Harald gestützt - langsam wieder aufrichtete, die Hand an den behelfsmässigen, blutdurchtränkten Verband gedrückt, den die anderen ihm um den Kopf gewickelt hatten.
Es war lächerlich - die Charakter, inzwischen alle wieder Herr über ihre Körper, diskutierten und stritten mit Herbert von Wirrungen, welcher ganz plump - obwohl er wußte, dass man ihm nicht glauben konnte - alle Schuld auf Daniel schob:
"Der Mistkerl, wollte er meinen Neffen und Euch gleich mit dazu umbringen - also wirklich", spottete er, und mehr als einmal töhnte er Dinge wie: "Das war alles doch nur ein Versehen." - "Wir haben jetzt ja wohl ganz andere Sorgen, meine Herren, lasst uns solch unnötiges Gewäsch später klären."

Letztendlich kam man so nicht weiter - wenigstens hatte man es geschafft, sich nicht gegenseitig an die Gurgel zu gehen (was wohl auch nicht ganz fair gewesen wäre, da die Charaktere erst nach und nach vom Starrleib befreit wurden, und Herbert samt seinem Riesen Harald sie schließlich längst hätte umbringen lassen können). Doch offenbar waren die Charaktere lebend Herbert plötzlich mehr wert.

Sie alle saßen in der Patsche, soviel stand fest und nach allem, was Herbert abließ, war er wohl ein skrupelloser Mann ohne Gewissen, nicht aber ohne Frömmigkeit. Das sie in einem Darcanistenloch steckten und sein Verwandter Manfred dem Teufel huldigte, hatte ihn genauso unerwartet getroffen wie die Charaktere.

Und so saß man gemeinsam im Loch, aus dem es zu entfliehen galt.

*
Die vierzehn Pferde kamen schnaubend auf einer grauen Anhöhe zum Stehen. Vor ihnen lag Baerenburg, das Herz der Brandmark, Sitz der beiden Markgrafen. Manfred, der ebenso unauffällig gekleidet war wie die anderen Reiter, drehte sich zu seinen Söldnern um:
"Ich werde jetzt in Baerenburg ein paar Formalitäten regeln, morgen geht es dann weiter nach Braunau. Es wird Euch gefallen, gepriesen sei der Herr!"

*
Es wurde dunkel.
Irgendwo hinter den bleiernden Staubwolken versank die Sonne in einem orangen Schimmer hinter dem brennenden Weltenrand.

Ludwig schulterte seinen Ranzen, knotete sein knapp schulterlanges Haar zu einem kurzen Zopf zusammen und zog sich die Kapuze tief ins Gesicht.
Dann steig er auf seine Stute und flüsterte ihr ins Ohr: "Auf, meine Teure. Ich muss wieder an die Arbeit."

Pilger:
Die kleine Ratte huschte über den staubigen Boden des Burgsaals, schnupperte an einem grauen, undefinierbaren Bröckchen, packte es gierig mit den Krallen und knabberte kurz darauf herum. Es war still um diese Zeit auf Makaburg, bis auf die Ratte war der Saal wie ausgestorben.
Mit kratzigen Getappse flitze die Ratte weiter in einem Nebenraum, wo sie auf einer großen, verriegelten Bodenluke zum Stehen kam.
Neugierig schnupperte sie an dem dicken Holz.

"Höher. Haltet mich höher, ich muss die Luke berühren, damit es gelingt", hörte sie dumpf die Stimme eines dieser großen Zweibeiner, ohne sich der Bedeutung der Worte bewußt zu sein. Mit zuckender Nase arbeitete die Ratte sich weiter zur Kante der Luke vor, wo sie zwischen den beiden rostigen Riegeln stehen blieb.
"Ja, so ist 's gut. Noch ein Stück", drang es durch den Schlitz zu ihr hinauf. "Ja, jetzt: Im Namen des Herrn, öffne Dich!"

Mit einem kratzigen Ratschen klackten beide Riegel neben der Ratte auf und der verschreckte Nager schoß sofort in eine dunkle Ecke, zwischen zwei staubigen Fässern und eilte weiter.
"Es ist offen. Lasst mich runter. Jetzt seid ihr dran", hätte sie Lumpenpfaffe Franz noch sagen hören können, doch sie war bereits fort und krabbelte verängstigt durch den verlassenen Burgsaal Richtung Speisekammer.

*
Ludwig kam im Schatten der bröckeligen Mauern von Makaburg zum Stehen. Offenbar hatte ihn bisher niemand entdeckt. Wieviel Getreue Manfreds würden wohl überhaupt noch auf der Burg weilen?
Leise zog Ludwig einen seiner langen Wurfdolche aus seinem Stiefel, nahm die Klinge zwischen die Zähne und begann mit bloßen Händen an der hohen Mauer sich empor zu ziehen. Griff um Griff, Meter um Meter.
Ludwig verstand sein Handwerk.

Plötzlich hielt er inne.
Da war ein Geräusch.
Schritte. Jemand lief über ihm den Wehrgang entlang. Würde derjenige über die Zinnen direkt hinab auf Ludwig starren, hätte er ein Problem.

Doch dazu sollte es nicht kommen.

Er vernahm von über sich ein dumpfes Aufprallgeräusch und im selben Moment wirbelte ein dunkler Schatten oben zwischen den Zinnen hindurch und stürzte, sich stumm überschlagend, hinab, Ludwig nur um Haaresbreite verfehlend. Mit ein stumpfen Batsch schlug die Gestalt einige Meter unterhalb von Ludwig auf, welcher verunsichert wieder leise hinabkletterte.
Als er auf festem Boden neben dem regungslosen Körper zum Stehen kam, erkannte er, dass es sich um einen Wachmann Makaburgs handelte.

Ein einzelner Pfeil elfischer Machart steckte tief im rechten Auge des Mannes.
Verwirrt blickte Ludiwg nach oben. "Elfen..?"

*
Es lief wie ein Kinderspiel.
Nachdem Lumpenpfaffe Franz mit seiner Gabe der kleinen Wunder die Deckenluke geöffnet hatte, war Esto vorsichtig hinauf und hinaus geklettert, um dann die anderen just an dem Seil, welches tagsüber noch Manfred und sein darcanistischer Folterknecht Dirk benutzt hatten, aus dem Verlies zu holen. Makaburg wirkte in der Stille der Nacht wie ausgestorben und es dauerte nicht lange, bis sie ihr konfisziertes Hab und Gut in einem verschnürten Leinenbeutel achtlos hingelegt neben dem schiefen Thron im Burgsaal fanden.

Wieder in Besitz ihrer Waffen tastete sich die siebenköpfige Schar vorsichtig zum Ausgang des Burgfrieds vor, von wo aus die Staubelfen Tholas und Esto in der Dunkelheit des Burghofs nur zwei Wachposten ausmachen konnten. Mit ihren elfischen Bögen erlegten sie lautlos erst den einen Wachmann, kurz darauf schossen sie auch schon auf den zweiten, welchen Esto zwar verfehlte, doch Tholas traf den Mann direkt ins rechte Auge, welcher daraufhin über die Brüstung der Burgmauer außer Sicht segelte.

"Der Rest wird oben schlafen, vermute ich mal", flüsterte Herbert von Wirrungen und fügte in sachlichem Tonfall hinzu: "Wir sollten sie im Schlaf zum Herrn schicken."
Kurze Blicke wurden getauscht, schließlich schaute man auf den verletzten Herrn Heilehand und nickte zustimmend. Dieser Tag hatte alle irgendwie verändert.

Gerade als man wieder kehrt machen und hinauf ins obere Stockwerk der baufälligen Burg sich begeben wollte, gab Tholas ein zischendes "Still!" von sich und alle verharrten gebannt in ihrer Bewegung. "Ich sehe jemanden. Er klettert von außen in den Burghof. Mensch. Bogen. Dolch in der Rechten."
Auch Esto konnte mit ihrer volkseignen Nachtsicht die Gestalt erblicken, welche nun vorsichtig über den dunklen Hof schlich. Der elfische Drescher legte einen weiteren Pfeil auf die Sehne, Tholas zielte bereits...

*
Ludwig schlich durch die Dunkelheit der Nacht über den Burghof. Es war stockdunkel, kein Laut war zu hören.
Oder Moment..?
War da was?
Kurz hielt er inne, lauschte gebannt, sein Blick dabei starr in die Schatten des Portals vor sich gerichtet, welches den Eingang zum Burgfried bildete. Er wartete ein paar Augenblicke, da wurde ihm plötzlich klar, dass es wohl besser wäre, sich aus dem offenen Hof zu entfernen. Wenn tatsächlich Elfen hier wären, müsste er für sie ein perfektes Ziel abgeben, kam es ihm viel zu spät in den Sinn und kurz ließ er es zu, dass er sich über die eigene Dummheit ärgerte.

"Steht still, Dolch runter - je ein Pfeil richtet sich auf eines Eurer Aug", hörte Ludwig plötzlich eine leise, klare Stimme aus der Dunkelheit vor sich.
Verdammt. Mit einem viel zu lautem Plank ließ er den Dolch aus seiner Rechten zu Boden fallen.
Vorsichtig hob er die Hände, ganz langsam und friedlich, dazu bereit, mit beiden Händen blitzschnell in die gegenüberliegenden Ärmel nach den dort verborgenen Dolchen zu greifen.
"Komm her, Darcanistendiener", forderte eine zweite Elfenstimme heiser.

"Darcanisten...-was?", Ludwig konnte sich die Worte auf diese absurde Anschuldigung hin nicht verkneifen.

"Verdammt, das ist Ludwig. Nehmt die Waffen runter", hörte er plötzlich die vertraute Stimme seines alten Kumpanen Herbert von Wirrungen.
Was - verdammt nochmal - war hier los?

*
Die sechs Männer hatten keine Chance. Im Schlaf wurden sie nacheinadner gerichtet und obwohl einige gar vom Todesschlag eines Kameraden geweckt aufschreckten, fanden doch auch sie schon im selben Augenblick den Tod, durch eine aus der Dunkelheit hinabsausende Klinge. Somit war auch die letzte Handvoll von Manfreds Söldnern erlegt, welche noch auf der Makaburg weilten.

Da standen sie nun - der elfische Aschereiter Tholas, der Elfendrescher Esto, ein mehr als blasser Herr Heilehand, Lumpenpfaffe Franz, der Hexer Karl-Heinz Wunderlich, ihr alter Widersacher Herbert von Wirrungen, sein Soldat Harald und der aus der Dunkelheit aufgetauchte Fremde namens Ludwig.

"Jetzt können wir reden", erklärte Herbert und nahm Ludwig zu Seite, während die anderen sich aufmachten, die karge, schäbige Burg zu durchforsten.
"Dass ihr nichts einsteckt, das gehört alles den von Wirrungens", rief Herbert ihnen nach, dann wendete er sich wieder Ludwig zu und die beiden alten Freunde beratschlagten verstohlen, was als Nächstes zu tun sei...

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln