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Deutschsprachige Pulpliteratur?

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Yerho:
Pulp ist heutzutage gefühlsmäßig mit Retro verbunden, was damit zu tun hat, dass Inhalte und der Stil der Ursprung-Epoche des Pulp absichtlich oder unabsichtlich Verwendung finden.

Der Heftroman hierzulande war und ist beispielsweise definitiv Pulp, sowohl von der Machart als auch den Inhalten her. Es geht darum, seichte Inhalte mit hohem Unterhaltungswert zu vermitteln. Unterscheiden wird nicht zwischen guter und schlechter Literatur, sondern zwischen gutem und schlechtem Pulp, was wiederum am Unterhaltungswert festzumachen ist.

Und wenn ich "seicht" schreibe, heißt da noch nicht einmal, dass Pulp nicht mit originellen Ideen aufwarten kann, oder dass ein - wie auch immer gearteter - Mehrwert grundsätzlich fehlen muss. Vielmehr liegt die handwerkliche (durchaus literarische) Geschicklichkeit darin, die Formen der Gattung zu beherrschen. Das ist, hinsichtlich des Zwecks betrachtet, das Erzielen von Bekömmlichkeit, selbst wenn die Fähigkeiten zur Rezeption durch die Leser aufgrund einer harten Arbeitswoche temporär abgesunken sind.

Prinzipiell ist und war Pulp nie die Literaturgattung der Menschen mit geringem Bildungsstand, auch wenn dies die ursprüngliche Zielgruppe gewesen sein mag. Damals wie heute sind stammen die Leser aus allen erdenklichen Schichten, und auffälligerweise haben einige der aktivsten Leser einen akademischen Hintergrund. Es scheint da so eine Art Bedarf an geistiger Katharsis zu bestehen - bevor man polieren kann, muss man erst einmal durchspülen.

Es ist auch ein Gerücht, dass Pulp grundsätzlich formal-stilistisch einfach oder sogar "schlecht" sein muss. Klar, der Stil ist geradlinig, unchiffriert, manchmal grob und zuweilen tatsächlich übel ... Aber man muss sich vor Augen führen, dass die AutorInnen das genau so konzipieren. Sich selbstverliebt in Sprache zu suhlen, ist eine Berufskrankheit von Schriftstellern, die sich ihr (häufig undankbares) Metier schließlich ausgesucht haben. Dann gibt es die Möglichkeit, diese Krankheit zu kultivieren, die Konkurrenz darin zu übertreffen und etwas zu schreiben, dass sich abhebt - oder sie zu unterdrücken, und zweckgebunden den marktorientierten Teil des Literaturbetriebs zu bedienen.

Beides erfordert schriftstellerisches Können, und innerhalb des Pulp herrscht der gleiche Druck wie in allen anderen Sparten: Sowohl die Leser als auch die Autorenkollegen sind sehr, sehr strenge Richter - strenger noch als Außenstehende, die sich einfach damit begnügen, Pulp pauschal abzulehnen, ohne sich damit befasst zu haben. Diese Leute sind jedoch für die Gattung sowohl marktwirtschaftlich als auch literaturwissenschaftlich vollkommen uninteressant und somit zu vernachlässigen.

Wodisch:
"Pulp" als Begriff hat ja nun gar nichts mit der Qualität oder Originaltät zu tun!
Howards "Conan" ist zum Beispiel explizit "Pulp", aber für *schlecht* wird den hier wohl keiner halten.
Legt Euch erstmal auf eine gemeinsame Definition fest, bevor hier weiter aneinander vorbei diskutiert wird...

Der Nârr:
Die deutschen Übersetzungen von Conan - zu den Originalen kann ich nichts sagen - finde ich schon ziemlich schlecht. Ich finde die etwa auf einem Niveau mit John Sinclair. Davon kann ich 2, 3 Romane lesen, dann habe ich aber genug davon und greife wieder zu etwas mit ein wenig mehr Anspruch.

Letzten Endes gibt es verschiedene Auffassungen von Pulp, ich glaube aber, dass was in der Rollenspielszene heutzutage gerne als Pulp bezeichnet wird, nicht wirklich den Pulp "von damals" bezeichnet. Falcon befindet sich da wahrscheinlich schon eher auf dem richtigen Weg. Im Grunde handelt es sich um ein neuartiges Genre, dass aber - Retro - auf alte Elemente des "eigentlichen Pulp" (die Groschenromane, Weird Tales usw.) zurückgreift und sich auf diese beruft. Da muss man sich wohl mal angucken, was dabei im Vordergrund steht. Und das sind in der Regel relativ einfach gestrickte Storys, die aber auch keine Angst vor plötzlichen Plotwendungen haben - insbesondere durch das Einbringen von neuen Informationen, die dem Leser bisher vorenthalten waren ("Ich bin dein Papa, Luke!" ist demnach Pulp!). Zum Pulp gehört wohl auch, dass die Helden im Großen und Ganzen siegreich sind. Eine hohe Charakterdichte sucht man dann wohl ebenfalls vergeblich, es geht eher um das arbeiten (und spielen!) mit Klischees.

Falcon:
bloss weil gerade HIER die Leute (fantasyfans) Conan für Qualitativ gut befinden muss das auch noch lange nichts heissen ;)

die Pulpstories von damals hatten (und wollten) sicher keinen Anspruch auf Qualität (muss gerade an Tarzan denken :) ) auch wenn ich es heute sicher nicht mehr rein auf Qualität festmachen würde, dafür gibt es zu viel Sch***.
wie Narr meinte, die Kriterien von Pulp haben sich verändert, weil das ganze Genre völlig explodiert ist (mMn das größte Genre heutzutage überhaupt) gibts jetzt Unterkategorien. Und darunter befinden sich natürlich auch noch die "originale" wie Conan. 
Wenn ich neumodisch sage "ich hab heute ne gute Pulpstory/nen Pulpfilm gesehen" kann alles möglich gemeint sein, gleichzeitig auch die Originalstories, deswegen taugt der Begriff imho nur noch historisch etwas.
Er ist ja nicht falsch aber ähnlich aussagekräftig wie "ich höre Musik", mit Seitenblick auf die Zeit als es unter Geräuschen nur 3Lieder gab.


Bitpicker:
Ich denke, es hat keinen Sinn, 'Pulp' als Genre zu verstehen. Der Begriff bezeichnet zunächst einmal eine Publikationsform, eben billig produzierte und verkaufte Heftchen. Pulp Magazine haben alle erdenklichen Genres verwurstet, nicht bloß die üblichen Verdächtigen Fantasy, Krimi, SF und Horror.

Um billig sein zu können, durften die Autoren nicht teuer sein. Um als Autor davon leben zu können oder wenigstens genug dazuzuverdienen, musste ein Autor also viel schreiben. Deshalb ging Quantität leicht vor Qualität, weshalb Pulp oft trivial oder kunstlos erscheint, was aber eine Folge der Arbeitsweise und keine Voraussetzung war. Viele Autoren haben gleich mehrere Pseudonyme benutzt, um im selben Heft mehrere Stories unterbringen zu können. Wenn nun so ein Autor viel Material rausrotzt, sieht er erfolgreich aus und stiftet Nachahmer an (siehe Lovecraft, den nachzuahmen ja geradezu wie ein Volkssport aussieht), wodurch sich dann so etwas wie ein 'Pulp-Stil' zu manifestieren scheint, aber den gibt es erst in der Rückschau auf das Phänomen, nicht als Vogabe.

Da die Gegebenheiten so nicht mehr existieren, hat es auch keinen Sinn, heute nach neuer Pulp-Literatur zu suchen. Wenn heute etwas den in der Rückschau beobachteten 'Kriterien' für Pulp entspricht, dann ist es eine Pastiche, aber kein echtes Pulp.

Robin

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