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Deutschsprachige Pulpliteratur?
Falcon:
volle Zustimmung.
Wobei es die Billig produzierten Heftchen ja immer noch gibt. Auch wenn die Autoren vielleicht nicht mehr ganz so ausgebeutet werden. ;)
Bitpicker:
Ein gewisser Unterscheid besteht da schon: die heute üblichen Heftromanreihen sind ja keine Sammlungen von Kurzgeschichten. Ein Heftroman mit 64 Seiten könnte locker ein Dutzend der üblichen Pulp-Geschichten aufnehmen. Ich habe ein Taschenbuch 'Best of Weird Tales 1924', und die darin enthaltenen Geschichten würden teilweise vielleicht gerade mal drei, vier Seiten eines Heftromans füllen.
Typisch war auch z.B. die Vorgehensweise, dass zuerst eine Titelseiten-Illustration entworfen wurde, die dann einem Autor gezeigt wurde mit der Auflage, eine Story zu diesem Bild zu schreiben. Man sieht da schon, wo die Prioritäten liegen.
Robin
Yerho:
--- Zitat von: Falcon am 17.08.2007 | 12:36 ---Wobei es die Billig produzierten Heftchen ja immer noch gibt. Auch wenn die Autoren vielleicht nicht mehr ganz so ausgebeutet werden. ;)
--- Ende Zitat ---
Anders herum wird ein Schuh daraus: Die Heftchen werden nicht mehr billig produziert, aber die Autoren kommen immer noch auf keinen grünen Zweig, weil sie nach wie vor unter den Bedingungen arbeiten, die schon für die Pulp-Heftchen der 30er Jahre galten. Fluffige, in kurzer Zeit geschriebene Masse sichert die Einkünfte. Durchschnittlich ein Heftroman pro Woche ist für Autoren das Minimum.
Pulp als Publikationsform, als "billig produzierte und verkaufte Heftchen" zu verstehen, funktioniert übrigens prinzipiell nicht:
Ein Romanheft kostet (Beispiel: "Perry Rhodan", also eine vergleichsweise hohe Auflage) 2,60 Euro für 64 Seiten, macht rund 0,04 Euro pro Seite. Ein Taschenbuch hat geringere Auflagenhöhen, ist aber dafür nicht auf Klopapier gedruckt und kostet bei 400 Seiten ungefähr 8,50 Euro, das macht rund 0,02 Euro pro Seite. Eine Romanheft-Seite entspricht knapp zwei Taschenbuchseiten, also vergleichen wir den Seitenpreis für Romanhefte von 0,041/2 = 0,02 Euro mit 0,021 Euro für Taschenbücher.
Merkt ihr was? Heftromane sind aus den Groschenromanen hervorgegangen, entsprechen aber heute dem Preis/Leistungs-Verhältnis gängiger Taschenbücher, die Publikationsform für jede Form von Literatur sind.
Selbst wenn ich Pulp-Hefte im Hardcover mit Ledereinband und Blattgoldprägung neu auflegen würde, bliebe es trotzdem Pulp. Und wenn ich Kurzgeschichten von Kafka in ein wenige Seiten starkes Heft drucken und als Titelbild ein kafkaeskes (und damit durchaus potentiell lockendes) Motiv verwenden würde, wäre es damit immer noch kein Pulp. Das hat also absolut gar nichts mit der Publikationsform zu tun.
Was richtig ist: Pulp ist kein Genre, sondern eine Gattung im Sinne einer Textsorte, die sich durch ihre inhaltliche und stilistische Merkmale von anderen unterscheidet. Das Genre definiert allenfalls die Kulisse, und wer sich mit Pulp beschäftigt hat, der weiß dass dies grundsätzlich austauschbar ist. Typische Plots der Pulp-Literatur können problemlos im Wilden Westen, im Weltraum, in der Großstadt oder in jedem anderen Milieu spielen. Die Arche- und Stereotypen sowie die Abläufe lassen sich problemlos von einer in die andere Kulisse verfrachten.
Pulp als Bezeichnung für die Textsorte ist zwar ein Produkt des ersten Drittels des vorherigen Jahrhunderts, aber die Gattung gibt es noch immer, nur dass sich eben die Publikationsform geändert hat - was vermutlich Ursache für den weit verbreiteten Fehlschluss ist, Pulp wäre mit dem Untergang einer bestimmten Publikationsform verschwunden. Ebenso wäre Wasser verschwunden, weil man es heute nicht mehr in Lederschläuchen, sondern in PET-Flaschen an den Mann bringt.
Übrigens gab es Pulp so gesehen auch schon früher, denn Leseblättchen mit seichten, unterhaltsamen und anregenden Inhalten sind deutlich älter als die Heftchen mit Kurzgeschichten. Es hieß da nur noch nicht Pulp.
Falcon:
@Publikationsform: du musst aber den Entstehungsprozeß mit einbeziehen und der war geprägt durch billig und schnell. Da gebe ich Bitpicker völlig Recht. Kant hat die Kritik der reinen Vernunft sicher nicht in einer Woche geschrieben wie früher die Autoren der Pulp Heftchen.
Wie man das Material heute aufzieht tut doch gar nix zur Sache.
Ich bin mit dem Begriff heute immer vorsichtig und sehe das Gros nicht mehr als Pulp im früheren Sinne an. Du hast bei deiner Rechnung natürlich Recht das man so auch die heutigen Heftromane rausnehmen kann.
Bitpicker traf es insgesamt mit Pastiche imho schon sehr gut.
Bitpicker:
Pulp heißt Pulp, weil sich der Begriff auf das billige, säuregetränkte Papier bezieht, aus dem diese Magazine im Gegensatz zu den glossy magazines für die ganze Familie gefertigt wurden. Die glossy magazines waren überdies deutlich teurer. Niemand hat sich damals hingesetzt und gesagt 'lasst uns ein neues Genre begründen'; man hat lediglich versucht, so günstig wie möglich einen schnellen Thrill für zwischendurch zu produzieren.
Damals sind einige Romane als Fortsetzungsgeschichten geschrieben worden, die heute, in Buchform veröffentlicht, kein Mensch mehr als Pulp bezeichnen würde.
Vergleiche mit den Druckkosten von heute sind sinnlos. Die kann man nur machen, wenn man den Begriff mit aller Gewalt ins 21. Jahrhundert zerren will. Anfang desselben sind tatsächlich 'Pulp'-Magazine erschienen, die sich aber wirklich als Hommage oder Pastiche verstanden. Und sie sind schnell wieder verschwunden.
Details unter 'Pulp Magazine' in der englischen Wikipedia.
Robin
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