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Taktische Ressourcen und soziale Konflikte

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ChristophDolge:
Bis mir ein besserer Titel einfällt, hier mal ein paar Gedanken zu Lebenspunkten und Sozialkonflikten.

Warum sind Kämpfe so spannend? Klar, es steht etwas auf dem Spiel - das Leben beziehungsweise die Unversehrtheit meines Charakters. Wenn ich einen Kampf verliere, dann bin ich verletzt oder tot und erhalte mitunter drastische Mali auf kommende Aktionen.
Dass dies nicht für alle Rollenspiele gilt, macht schonmal stutzig: In D&D (keine Ahnung, wie es bei der neuesten Edition aussieht), hat mein Charakter keine Einbußen an Trefferchance oder potentiellem Schaden bei einem Schlag, egal, wie wenig Trefferpunkte er noch übrig hat. Dort ist also die Verwundbarkeit des Charakters recht schlecht aufgelöst, die Trefferpunkte sind eine rein taktische Ressource, die klarmachen: Wenn wir alle sind, bist du alle (tot oder zumindest kampfunfähig). Deswegen ist es auch nicht schlimm, wenn man verletzt wird - bis zu eben diesem Punkt. In anderen Rollenspielen erhält man ab bestimmten Schwellen oder sogar mit jedem Punkt Schaden, den man genommen hat, Mali auf kommende Aktionen: Hier kann man nicht mehr so einfach mit der taktischen Ressource arbeiten, da die negativen Folgen mitunter unmittelbar eintreten - beim nächsten Schlag kann man nicht mehr so gut treffen oder richtet weniger Schaden an.
Während man also das D&D-System so interpretieren kann, dass man den Gegner so lange in die Enge treibt, bis man einen vernichtenden Schlag landet, wird der Kontrahent in anderen Systemen Stück für Stück demontiert und verliert damit auch stückchenweise Kompetenz.

Oben habe ich Sozialkonflikte angesprochen, also versuche ich mal diese Kurve zu nehmen. Jeder kennt Systeme, in denen es auch "geistigen" Schaden gibt, der sich nicht nur auf körperliche Aktionen auswirkt, sondern auf alles, was man tut. In B&B gibt es sogar drei Arten von Schadensmarkern. Also kann man auch in Diskussionen oder ähnlichem so beeinflusst werden, dass zukünftige Aktionen beeinträchtigt sind - hier kann man interpretatorisch z.B. Motivation oder Selbstvertrauen anführen. Wenn ich eine Diskussion verloren habe, werde ich die nächste eher abbrechen oder mit weniger Feuer führen, weil ich von mir selbst nicht mehr so überzeugt bin.

Oft wird gefordert, dass auch Sozialkonflikte so spannend sein sollen wie z.B. Kämpfe. Dann bricht man dies auf die Variante herunter, dass die Folgen auch einfach die gleichen sein sollen - es wird einfach mehr aufs Spiel gesetzt. Aber geht das denn immer auf - ich kann mir Situationen vorstellen, in denen ein Charakter vor einer Diskussion neuen Mut schöpft oder nach einem verlorenen Wettkampf mit noch mehr Elan in den nächsten geht und mit noch mehr Feuer streitet. Körperliche Verletzungen dagegen können nicht so einfach glaubwürdig "spontan" geheilt werden.

Es muss also noch irgendeine Möglichkeit geben, die Spannung zu erzeugen. Interpretiert man die D&D-Trefferpunkte wie oben erläutert, so ergibt sich eine interessante Möglichkeit - man kann so ein System auch auf andere Konflikte übertragen. Dabei erhält jeder Kontrahent zu Beginn je nach Ausgangspunkt einen taktischen Puffer, der zuerst vernichtet werden muss, ehe ein finaler Schlag den Konflikt entscheidet. Erst danach treten permanente Folgen auf - Erniedrigung in einem sozialen Konflikt, schwere Verletzungen in einem Kampf.
Auch hat man so die Möglichkeit, sehr direkt Einfluss auf die Dauer eines solchen Konfliktes zu nehmen. In einem Nemesis-Kampf wird der Puffer erhöht, in einer Feldschlacht, wo man mit jedem Hieb einen Gegner fällt, ist der Puffer entsprechend niedriger.

Bleibt noch die Frage der realistischen Folgen dieser Art von Konflikten: Hier seid ihr gefragt. Wie kann man die negativen Auswirkungen von sozialen Konflikten genauso spannend regeln wie von kämpferischen Auseinandersetzungen - ohne ins reine Interpretieren und auf erzählerische Ebene zu verfallen?

[EDIT]: Was ich hier nicht diskutieren möchte, ist die Frage des Realismus solcher Ansätze und die Frage, ob man soziale Konflikte nicht lieber durch bloßes Ausspielen handhaben sollte.

sir_paul:

--- Zitat von: ChristophDolge am 11.12.2008 | 16:00 ---Auch hat man so die Möglichkeit, sehr direkt Einfluss auf die Dauer eines solchen Konfliktes zu nehmen. In einem Nemesis-Kampf wird der Puffer erhöht, in einer Feldschlacht, wo man mit jedem Hieb einen Gegner fällt, ist der Puffer entsprechend niedriger.
--- Ende Zitat ---

Ich hoffe mal hier meinst du nur den Puffer des Gegners, oder?

Die taktischen Resourcen der Charaktere anzupassen hat so seine Probleme. Zum ersten fällt es mir schwer eine Erklärung zu finden warum die Charaktere in unterschiedlichen Kämpfen über unterschiedliche Resourcen verfügen sollte. Zum anderen entfällt dann die Möglichkeit die taktischen Resourcen über mehrere Begegnungen zu reduzieren wenn sie für jeden Kampf neue bestimmt werden.


--- Zitat von: ChristophDolge am 11.12.2008 | 16:00 ---Wie kann man die negativen Auswirkungen von sozialen Konflikten genauso spannend regeln wie von kämpferischen Auseinandersetzungen
--- Ende Zitat ---

Ideen

Bei öffentlichen sozilen Konflikten (Diskussion in der Kneipe, mit dem Stadtrat, etc.) könnte der Ruf des Charakters angeschlagen werden, so das er (zumindestens im nahen Umfeld) gemieden wird. Keiner Redet mehr mit ihm, eventuell reagiert man sogar aggressiv sobald man ihn sieht.

Bei gescheiterten Versuchen jemanden zu bestechen kann man von diesem Jemand der Obrigkeit gemeldet werden!

Nach einem misslungenden Versuch eine Aufstand gegen den bösen König zu organiesieren wird man direkt zum Staatsfeind Nr. 1.

Eine andere Möglichkeit wären eine wirklich gebrochenes Selbstbewußtsein mit satten Mali auf weitere Aktionen. Dieser muß sich nicht nur auf soziale Aktionen auswirken.

Später vielleicht mehr.

Gruß
sir_paul

ChristophDolge:

--- Zitat von: sir_paul ---Die taktischen Resourcen der Charaktere anzupassen hat so seine Probleme. Zum ersten fällt es mir schwer eine Erklärung zu finden warum die Charaktere in unterschiedlichen Kämpfen über unterschiedliche Resourcen verfügen sollte. Zum anderen entfällt dann die Möglichkeit die taktischen Resourcen über mehrere Begegnungen zu reduzieren wenn sie für jeden Kampf neue bestimmt werden.
--- Ende Zitat ---

Wenn du die taktischen Ressourcen den Gegebenheiten anpasst - warum ist es dann schwer zu erklären, warum je nach Gegebenheit mehr oder weniger Ressourcen zur Verfügung stehen? Wenn du überrascht wirst, fällt es deinem Gegner einfacher, dich zu erwischen, als wenn du ihn überraschst. Damit haben sogar z.B. eher schwache Gegner durch Anwendung von Hinterhalten die Möglichkeit, trotzdem zu einer echten Bedrohung zu werden - einfach, weil sie dich leichter ausmanövrieren können.

Im Prinzip dachte ich daran, die Ressource zu Anfang jedes Konfliktes neu aufzufüllen. Was sich ändert und was du in den nächsten Konflikt mitnimmst, sind gesammelte Mali. Die kannst du dann durch Rasten (1of3 sprach dabei vor kurzem von "Zwischenspiel") o.ä. zwischen den Konflikten auffüllen.

Auch kann man z.B. für gute taktische Operation den Puffer im Verlauf des Kampfes modifizieren - statt einen Gegner nur niederzuwürfeln, kann man durch geschicktes Taktieren seinen Puffer reduzieren und ihn so auch schneller in die Enge treiben.

Maarzan:
Das Problem, das ich sehe ist, dass es deutlich schwieriger sein dürfte mit einem so abstrakten Modell entsprechend den Hitpoints in einem sozialen System durch zu kommne. Selbst im Kampf, den die meisten nur aus Sport oder gar dem Fernsehen kennen, gibt es ellenlange Diskussionen und Proteste.
Mit soziale Interaktionen hat jeder eine Mnge mehr Erfahrung ( auch wenn vielleicht nicht immer erfolgreiche) und so steigt diese "Wie bitte ?!?" Potential deutlich.

Der Umfang sozialer Prozesse und seiner Einflussfaktoren erscheint mir auch gleichzeitig deutlich breiter als die eines Kampfes - und auf Grund der eigenen Erfahrungen, aber auch auf Grund der sich aus der Spielsituation ergebenden Details werden diese feineren Facetten eben auch erkannt und im Spiel eingesetzt werden wollen.
Die Details feiner Fußarbeit ist wohl nur Kennern wirklich ein Begriff, aber eine sich anbahnende Eifersuchtsszene erkennt man ggf. auf Grund natürlicher Lebenserfahrung und erwartet, das Argumente in dieser Richtung irgendwelche Wirkungen haben, die nicht beleibig austauschbar mit Ergebnissen anderer Mittel ist.

Eine mechanische Erfassung von sozialen Interaktionen würde ich eher über eine Beziehungsmatrix versuchen, welche diesen Beziehungen verschiedene in Werte gefasste Attribute zuweist, z.B. Vertrauen - Mißtrauen, Liebe - Haß, welche verändert werden könenn und je nach Situation dann unterschiedlich leicht manipulierbar sind, bzw. unterschiedliche Effekte in der Verhaltensänderung zeigen.
Das im Detail wäre natürlich eine erhebliche Entwicklungsarbeit.

reinecke:
Ich finde der Thread-Titel passt überhaupt nicht mit der Fragestellung zusammen.  :q

Das Problem, was ich an sozialen Konflikten sehe, ist dass sie selten so zeitlich knapp sind, wie kämpferische Konflikte. Gerade so etwas wie "Verführung", "Eifersucht", "Ehekrach", "Debatte" sind selten nach dem ersten "Schlagabtausch" entschieden. Ein verlorener "Flirt" hingegen, wird kaum dauerhaften Schaden hinterlassen, ebenso eine verlorene Podiumsdiskussion.

Es tut sich der Vergleich zu einzelnen Schlachten eines Krieges auf, aber der deckt sich nicht mit den Kämpfen, wie man es gerne hätte. Die Kämpfe, die im Rollenspiel stattfinden, sind selten einzelne Etappen und Manöver eines größeren Plans.

Hier sehe ich also das Hauptproblem.
Aber es gibt doch durchaus "klassische" Systeme, mit "funktionierenden" sozialen Konfliktsystemen, oder?

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