Pen & Paper - Spielsysteme > Savage Worlds Archiv
Savage Worlds Nachteile
Prisma:
Savage Worlds hat Vorteile aber auch krasse Nachteile, die dafür sorgen dass es nur in ganz bestimmten Settings gut funktioniert. Die gröbsten Nachteile möchte ich beleuchten.
Als Universalsystem taugt das Spiel meiner Ansicht nach nur bedingt, obwohl es viele Conversions zu Savage Worlds hin gibt. Tja, können dann so viele Spieler irren? Ja, denn sie sind das Opfer eines fanatischen „Überhypes” welches sich durch die Internetlandschaft zieht. Ich muss zugeben, dass sich Savage Worlds beim Lesen auch sehr interessant liest. Doch wenn es zum tatsächlichen Einsatz kommt....
Savage Worlds hat ein extrem grobkörniges System. Als „simpel” will ich es nicht unbedingt bezeichnen. Tatsächlich wirkt es auf mich so als hätte man einer Plastiksoldaten-Kinderschlacht im Sandkasten einfach irgendwelche Spielwerte gegeben.
Leider ist SW so grobkörnig, dass es ziemlich einheitliche Charaktere produziert. Diese Figuren grenzen sich nur gering von einander ab. Kein Wunder, man hat ein paar Skills, die alle mehr oder minder wichtig für jeden Charakter sind. Der Rest läuft über die Platzhalter-Fertigkeit „Knowledge”.
Abgrenzung geschieht hauptsächlich durch Edges und Hindrances, aber diese bekommt man zu Beginn kaum, jedenfalls sind es so wenige, dass es fast keine Auswirkungen hat. Im Spiel selber akkumuliert man Edges dermaßen langsam (wenn man sich denn an die Regeln hält), dass das Argument „Diversität der Charaktere durch Edges” zum Witz verkommt. Die Witzhaftigkeit steigt um so mehr, wenn man andere Rollenspiele kennt/betrachtet.
Savage Worlds soll „Fast!” sein. Damit will man die Grobkörnigkeit rechtfertigen. Besonders gerne (vor allem im Netz) wird auch mit „Das RPG für Leute mit wenig Zeit.” geworben.
Ich behaupte das es nicht stimmt, oder zumindest nur sehr begrenzt.
Erstens: SW ist ein Miniaturenspiel (wie z.B. D&D). Das heißt man braucht Minis/Pappfiguren, Karten oder Geländestücke und Maßband. Regelkonformes Rumschieben kostet Zeit. Das Kleben/Falten/Bemalen von Minis/Pappfiguren frisst ohnehin meist mehr Zeit und Mühe als der Spaß der in der Sitzung dabei herauskommt. So etwas ist kein Spaß sondern lästige Vorbereitung, und schon gar nicht ein kreativer Akt, wie etwa das Szenario schreiben.
Zweitens: Die großen Gefechte, für die Savage Worlds ja so geeignet sein soll. Das will ich zwar nicht abstreiten, denn jedes grobe System ist für große Gefechte besser geeignet als ein komplexeres. Aber da es sich um ein Miniaturenspiel handelt, muss man da schon einiges hin- und her bewegen. Was Zeit frisst.
Drittens: Der Grundmechanismus ist zwar recht grob, aber man versinkt (gerade auch bei größeren Gefechten) in eine plötzliche Tiefe der Regeln. Das ist paradox, weil Savage Worlds doch im Grunde so grobkörnig ist. Beispiel: Edges, die man nachschlagen muss. Shaken-Orgien bei denen man sich mit Markierungen oder mit Miniatur-hinleg/aufsteh-Aktionen behelfen muss. Und das in Massen. Da stellt sich die Frage warum der Hersteller seinem System keine klare Linie vorgegeben hat (wie etwa beim 1PG System, welches ebenfalls ein knappes, aber sehr viel stimmigeres System ist)?
Kampf ist übrigens ein gutes Stichwort. Denn SW ist hauptsächlich ein „Kampfrollenspiel”. Der meiste Inhalt bezieht sich immer wieder auf Kampf. Zwar nimmt der Kampf in vielen Systemen eine große Bedeutung ein, aber SW ist eindeutig actionorientiert. Das ist an sich nichts schlimmes, wenn man im Hinterkopf behält, dass SW dadurch weniger Immersion, dafür mehr Action schafft. Meiner Ansicht nach, ist das ein – für ein Rollenspiel – ziemlich schlechter Tausch. Es wirkt wie ein Tabletopsystem mit RPG-Elementen und schneidet dabei schlechter ab als D&D/d20.
(Außerdem: Prinzipiell empfinde ich es als ziemlich schlecht, wenn ein „RPG” die Spieler zum Tabletop erziehen will.)
Danach kommt das ziemlich unübliche (zurecht unüblich, weil eher unsinnig) Designsystem von Attributen und Fertigkeiten. Wie die meisten hier wissen, sind Attribute bei SW weniger von Belang. Ja, sie sind nicht unwichtig, aber auch ein Gröbstmotoriker kann in SW immer noch ein Legolas-Ninja sein, wenn er nur die entsprechenden Skills wählt.
Das ist eine Designschwäche, die sich SW immerhin auch mit anderen Rollenspielen teilt, etwa mit Cthulhu (interessanterweise aber nicht mit BRP auf das Cthulhu aufbaut).
Hinzu kommen die sog. Freakrolls für die SW ziemlich berüchtigt ist. Es kommen eben auch absurdeste Ergebnisse vor, weil der Mechanismus zu zufallsbedingt ist. Mit dem Taschenmesser einen Drachen erledigen? Ist möglich.
Doch vorsicht! Das gilt im Umkehrschluss auch für den Spielercharater. Ein kleines Kind mit einem Taschenmesser ist also auch für den Cyberritter mit dem Lichtschwert ein potentiell tödlicher Gegner! Also Sauron, bloß nicht übermütig werden und lieber abhauen, wenn der Kindergarten kommt. ::)
Damit geht das „Fun!” in F! F! F! (F)löten. :(
Besonders übel aufgestoßen ist mir die Bennievergabe. Bennies für besonders coole Aktionen zu vergeben ist okay (solche Regelungen gibt es bei vielen RPGs). Aber Bennies für das Ausspielen des Charakters (!) ? Das gehört zum Rollenspiel seit je her dazu und ist selbstverständlich! Das muss und soll nicht belohnt werden! Die Belohnung ist die Immersion die (auch) durch das Ausspielen entsteht.
Aber Bennies sind im Freakroll-System von SW sehr wichtig, quasi überlebenswichtig, sie müssen im Fluß bleiben und da Spieler typischerweise nicht am laufenden Band besonders coole Aktionen reißen, muss der Savage Worlds SL Bennies eben für jede Selbstverständlichkeit verschenken. :(
So etwas verstärkt bei mir den Eindruck, dass es eben doch nur ein Tabletopsystem mit RPG-Elementen ist, dass Tabletoper zum Ausspielen bewegen will.
Das man Tabletoper zum Ausspielen der Charaktere in einem RPG bringen will, mag ja nichts schlechtes sein, doch auf der anderen Seite will man Rollenspieler zum Tabletop erziehen. Da stellt sich wieder die Frage nach der fehlenden klaren Linie im (Hybrid-)Spiel.
Die Karteninitiative hat Vor- und Nachteile. Sie ist gleichzeitig ein netter Vorteil (kein Stechen bei der Initiative), gleichzeitig kann aber auch eine stupid-langsame Figur (Stichwort: Zombie) die Initiative gegen einen Spielercharakter, natürlich auch gegen fixe Charaktere wie den „Legolas-Ninja”, gewinnen. Savage Worlds sorgt selbst dafür, dass man sich immer mehr vom Spiel entfremdet fühlt. :(
Offizielle Settings:
Da kann ich leider nur wenig wirklich innovatives entdecken. Vielleicht Slipstream, Solomon Kane (aber nur weil etwas aktuelles dieser Art bisher fehlte), Rippers (unter Vorbehalt) oder Low Life. Aber gerade Low Life dürfte ein eher kurzweiliges Vergnügen für die meisten Spieler sein, da es einfach zu bizarr ist.
Ziemlich enttäuscht bin ich von Necessary Evil. Es bietet zwar, mehr oder weniger gute, Superhelden-Regeln für Savage Worlds, ist als Setting aber ein Etikettenschwindel.
„Schurke” ist der Charakter in dem Spiel nur, weil er sich Schurke nennt. Das war es auch schon. Zwar ist das Aliens-haben-die-Macht-übernommen-und-unterdrücken-die-Menschheit-Setting interessant (wenn auch leider gar nicht neu), aber sonst vertreibt man sich die Zeit mit Heldenaktionen, nicht mit Schurkenaktionen. Und die Abenteuer hauen auch nicht gerade mit „awesomeness” um.
Extrem enttäuschend. :(
Savage Worlds Explorers Edition:
Die Explorers Edition ist zwar ziemlich billig, dafür ist aber auch kaum etwas enthalten. Die Funktion des Baukastens, die in der Revised Edition gegeben war, ist arg beschnitten, bzw. gar nicht mehr vorhanden. Dazu kommt, es sind nicht mal Charakterblätter und Templates drin – für das Spiel essentielle Bestandteile. Es ist prinzipiell egal ob man das downloaden kann, diese sehr wichtigen Sachen fehlen nun mal im Buch!
Und, oh die Augenwischerei! Wie gesagt: Mit der Explorers Edition an sich, kann man nur wenig machen, da muss man schon jede Menge downloaden und/oder offizielle Settings kaufen, die dann plötzlich ( ;) ) nicht mehr so billig sind.
Es bleibt zu erkennen: Die Explorers Edition ist kein günstig zu erwerbendes Spiel, sondern ein Spielfragment, das als cleveres Marketing Instrument vom Hersteller genutzt wird!
Meine Beobachtug der (deutschen) Savage-Szene:
Besonders Savage-Worlds-abtörnend wirken die Fans auf mich. Liest sich komisch, ist aber leider so. :(
Ihr habt gedacht Midgard- oder Arcane Codex-Fans wären fanatisch? Wenn ja, dann nicht im Vergleich zu SWlern. Wenn ich so manche Texte lese oder Aussagen höre, dann ekelt es mich manchmal vor dieser extremen Penetranz des angeblichen Allheilmittels, das aber seine Versprechungen vorn und hinten nicht einhält. Hinzu kommen noch die Internet-Sonderfälle, die jeden zornig verhauen der Savage Worlds nicht mag, und setzen dem Ganzen noch den i-Punkt auf.
(Wie kann ich denn so ein Spiel z.B. auf Cons spielen, wenn ich im Zweifel mit solchen Leuten zu tun habe? Aber gut... ich benutze SW mittlerweile auch nur bei ganz speziell ausgesuchten Settings, wo ich Miniaturenkämpfe für sehr hilfreich halte und nur mit Spielern die ich kenne.)
Savage Worlds kommt auf deutsch...
Bleibt abzuwarten, wie das fertige Produkt aussieht. Möglich das es eher in Richtung Revised Ed. zielt (was dem Spiel gut tun würde). Allerdings schreibt Prometheus Games auf seiner Website:
--- Zitat ---Wie schon sehr richtig von Verlegerseite bemerkt wurde, ist die Gentleman's Edition vom Umfang her eher mit der Revised als mit der Explorer's Edition zu vergleichen. Es ist also das in der Explorer's Edition entfallene Material, und damit nicht genug, auch noch fünf sofort spielbare Archetypen und ein einführendes Abenteuer enthalten. Die Abbildung unten, zeigt übrigens einen der besagten Archetypen. Das Buch ist ein überformatiges DIN A5 (also wenige Zentimeter größer als A5) und bei 272 Seiten als Hardcover gebunden. Erscheinen wird das Buch für 24,95 EUR.
--- Ende Zitat ---
Und was ist mit dem erweiterten Material aus der Revised Ed.? Kommt das nun in die Gentleman's Edition oder nicht? Da steht nur was von SW-EX + Archetypen und Abenteuer. Und 160 Seiten hat die SW-EX eh schon.
Mal sehen wie das Buch letztlich aussehen wird.
Allerdings finde ich das es würdigere Kandidaten gibt - anstelle des mittelmäßigen Savage Worlds, welches Interesse nur durch dauerrauschenhaftes Overhypen, anstatt durch echte Qualität geschaffen hat – die eine Übersetzung verdient hätten.
Schade. Die echten Perlen gehen wieder einmal den Bach runter. :(
Waldviech:
Da ist schon viel Wahres dran. Einer der zentralsten Punkte dürfte imho folgender sein:
--- Zitat ---Als Universalsystem taugt das Spiel meiner Ansicht nach nur bedingt
--- Ende Zitat ---
denn genau da liegt der Hase im Pfeffer. SW ist kein wirkliches Universalsystem, da es einen ganz bestimmten Spieltypus (actionhaltig) unterstützt, und daher für einige Settings prädestiniert ist und für andere wiederum überhaupt nicht. Von daher kann bei SW von einem "Allheilmittel" natürlich keine Rede sein.
6:
Deswegen wird ja auch von einem generischen System und nicht von einem Universalsystem geredet. ;)
Waldviech:
Schon - nur gibt´s nicht wenige, die beide Begriffe gleichsetzen (was ein Fehler ist) ;). Der Punkt bleibt jedoch: SW kann garantiert nicht alles, und soll auch nicht alles können.
Boni:
--- Zitat von: Waldviech am 22.03.2009 | 12:37 ---Der Punkt bleibt jedoch: SW kann garantiert nicht alles, und soll auch nicht alles können.
--- Ende Zitat ---
Wobei man SW zugestehen muß, auf seinem gewählten Gebiet mit dem entsprechenden Spielstil extrem gut zu funktionieren.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln