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[Sammelthread] Über die Notwendigkeit von Rollenspieltheorie

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Hector:

--- Zitat ---@Großkommtur


--- Zitat ---In dem Moment, in dem ich mir z.B. Gedanken darüber mache, was ich als Spielleiter tue, wie ich es tue und warum ich es tue, öffne ich bereits das Tor zu einer neuen Dimension des Spielleitens für mich und somit auch für meine Mitspieler. Wenn das noch nicht reicht... was dann?
--- Ende Zitat ---

Hm, ich kaue grad auf der Aussage herum.
Ich kann mir doch wunderbar Gedanken über meinen Leitstil und wie ich etwas verbessern / ändern kann, ohne mich mit Formalismen aus der Rollenspieltheorie auseinanderzusetzen.
--- Ende Zitat ---

Sobald Du Dir wunderbar Gedanken über Deinen Leitstil und wie Du etwas verbessern/ändern kannst machst, hast Du schon den ersten Schritt in Richtung Rollenspieltheorie gemacht. Das eine schließt das andere nämlich nicht aus. ;)


Beral:

--- Zitat von: Tourist am  2.12.2009 | 19:34 ---Ich kann mir doch wunderbar Gedanken über meinen Leitstil und wie ich etwas verbessern / ändern kann, ohne mich mit Formalismen aus der Rollenspieltheorie auseinanderzusetzen.
--- Ende Zitat ---
Damit unterscheidest du dich von den Theoretikern nur im Grad der verwendeten Formalismen. Letztere sind für die Theoretiker aber auch nicht das Ziel, sondern nur sprachliche Werkzeuge, um miteinander kommunizieren zu können. So wie wir beide gerade Formalismen verwenden, um unsere Meinungen auszutauschen.


--- Zitat von: Tourist am  2.12.2009 | 19:34 ---Cool wäre eines das nicht auf die zwischenmenschlichen Differenzen eingeht. Denn da wäre ich (zu unrecht ?) schnell mit dem Argument bei der Hand dass man dafür keine Rollenspieltheorie sondern Sozialkompetenz braucht.

--- Ende Zitat ---
Zwischenmenschliche Differenzen sind eines der wichtigsten Felder der Rollenspieltheorie überhaupt. Sozialkompetenz ist dagegen kein Allheilmittel. (Außerdem ist Sozialkompetenz nicht angeboren, sondern muss trainiert werden, was mit theoretischer Fundierung effektiver ist.) In meiner Stammrunde, die aus sozial kompetenten Menschen besteht, konnten wir die gruppeninternen Konflikte nie lokalisieren und lösen. Wir spürten die unangenehmen Auswirkungen von divergierenden Interessen, aber sahen nicht die Ursachen. Hätte ich damals schon das theoretische Wissen von heute, so wäre es uns möglich, die Spielweise oder die Erwartungen an das Spiel zu ändern, um für alle Beteiligte mehr Spaß und Zufriedenheit zu erreichen.

Es müssen aber auch nicht zwischenmenschliche Differenzen sein. Du kannst dich mit ganz grundsätzlichen Rollenspielfragen befassen. Wie wirken sich Regeln auf das Spielerlebnis aus? Welche Regelarten unterstützen welche Spielstile? Können bestimmte Regelarten bestimmte Spielstile hemmen? Wodurch zeichnen sich Spielstile überhaupt aus? Was macht Rollenspiel attraktiv und wie können wir das fördern? Kann Rollenspiel über den reinen Spaß hinaus sinnvoll und nützlich sein?

An einigen Fragen sieht man, dass Theorie sich gar nicht zwingend mit der Lösung bestimmter Probleme befassen muss. Für die bisherige Entwicklung der Rollenspieltheorie sehe ich jedoch Problemlösungen als treibende Komponente an. Extrem subjektiv, aber so empfinde ich das.

La Cipolla:
Als SL oder Spieler sehe ich die Theorie als lustige Ansammlung von wirklich interessanten Ideen. Hin und wieder ist dann etwas dabei, das mir gefällt, und dann übernehme ich es (teilweise), leite daraus irgendwas ab oder ändere es für meine Interessen um. Den Rest toleriere ich wohlwollend -- andere könnten ja was davon haben. :P

Als Spieldesigner nehme ich eigentlich jeden Ansatz ernst (gerade auch die verschrienen und tabuisierten, wie bspw. Railroading und Co.), einfach durch die Herangehensweise dass sie irgendjemandem irgendwann ja mal irgendwas gebracht haben müssen. Wenn ich dann was bastle, scheiße ich aber auf gut und schlecht (und erst recht auf "besser"), sondern orientiere mich allen voran an dem, was für das aktuelle Projekt und damit für die Zielgruppe am passendsten erscheint, und worauf ich im Kontext des GESAMTBILDES Bock habe.

Als Theoretiker stelle ich regelmäßig fest, dass Theorie langweiliges, uninteressantes BLABLA ist, mit dem ich nix zu tun haben möchte, weil es zu 80% Leuten zuzuordnen ist, die sich damit in den Mittelpunkt zu stellen, sich profilieren oder einfach einen gediegenen Klugschiss absetzen.


Ergo, ich habe zwei große Kritiken an dem Großteil der Rollenspieltheorie:
1. Sie versucht nicht, Ideen zu finden und brainzustormen (was sie eigentlich echt gut kann!), sondern sie versucht meistens, Leuten zu sagen, was kacke oder weniger kacke oder gerade der SHIT schlechthin ist.
2. Sie ignoriert mit ziemlicher Regelmäßigkeit das Feeling eines Spiels. Auch wenn die meisten Designer sich inzwischen darüber hinwegsetzen können (D&D Next hat Gott sei Dank immer noch diese idiotischen Attribute+Mods, DSA hat Gott sei Dank immer noch diese riesige, unhandliche und unausbalancierte Skill-Liste).

Menzel Straub:
Hierzu mag ich auch was sagen.

Viele Kommentare hier werten die Theorie immer nur als praxisfern, abstrakt usf. ab.
Dabei bedeutet "Theorie" nix anderes, als "der Standpunkt von dem aus geschaut wird". (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Theorie) Die zentrale Aufgabe einer Theorie hinter dem täglichen Handeln (in diesem Fall der Akt des Spielens) ist es, diese alltäglichen Abläufe zu dokumentieren und gegebenfalls daraus Schlüsse zu ziehen. Was heute als normal wahrgenommen wird (also nach der Norm sich orientierend) ist alles andere als normal, da es keine allgemein gültige Norm gibt (Kritik der Heteronormativität bei Judith Butler beispielsweise).

Die Theorie hat unmittelbar NIX mit dem eigentlichen Spielabend zu tun. Umsetzung, Spiel, Zugang, Zweck ... bauen allerdings immer irgendwo auf einer Theorie (auf dem Standpunkt des Betrachtenden) auf. Also sehe ich als SL die Aufgabe des Spielabends darin, möglichst viele Erfolgserlebnisse mittels Austeilen von EP anzubieten, oder stelle ich das Rollenspiel selbst in den Mittelpunkt, wo`s um Charakterentwicklung geht? (Das würde beispielsweise auch zulassen, dass es enorme Ungleichgewichte zwischen Spielerfiguren geben kann --> der eine is halt der Adlige und der andere bloß der letzte Pöbel --> ob diese 2 Figuren gleichviel EPs in den Helden investiert haben ist für das Spiel selbst unerheblich; die Rolle sollte verkörpert werden) Ähnliches in der Pädagogik: Mein Standpunkt, wie ich auf die Aufgabe von Erziehung schaue, beeinflusst mein Handeln - allerdings bietet mein bloßes Betrachten keine perfekten Handlungsanweisungen. Die Handlung folgt dem Denken (und Betrachten) wie der Wagen dem Esel.

Dass sich so viel bezügl. der Theorie in Rollenspielen tut, zeigt für mich bloß an, dass das Genre des PnP mittlerweile im Diskurs des westlichen Rationalismus angekommen ist und entsprechend ernst genommen wird.

Eine bloße Denunziation der Theoretisierung halte ich für eine äußerst unreflektierte, rückschrittliche Betrachtungsweise, die sich selbstgefällig auf irgendwelchen Binsenweisheiten ausruht und meint, mit zwei Sätzen diesen Diskurs zu einem Abschluss bringen zu können.

mfg

Ralmnjir:
Hallo,

ich bin zwar neu hier, aber ich interessiere mich sehr für Meta-Rollenspielgedanken. Ich empfinde sie auf keinen Fall als langweilig, Bla Bla und dekonstruktivistisch. Ganz im Gegenteil. Rollenspieltheorie ist ein essentieller Part zur schrittweisen Verbesserung und Neugestaltung von RPG-Methoden und Spielkonzeptionen. Oder anders:
Wer zufrieden mit seinem Spiel ist, braucht sie nicht. Warum auch? Wieso etwas neu probieren, was bisher reibungslos funktioniert?
Wer sich dagegen wundert, warum sein Spiel nicht so funktioniert oder so viel Spaß macht, wie er es erwartet oder neue Konzepte ausprobieren will, für denjenigen ist sie sinnvoll.

Fragen wie, warum, wenn alle Wikinger toll finden, das Wikingerspiel trotzdem nicht funktioniert, können beantwortet werden. Oder wie neue, konstruktivistische Ansätze von Rollenspiel (sowas wie Western City oder Fiasko) umgesetzt werden können. Oder wenn das eigene Spiel analysiert und verschiedene Elemente (Karten, Musiksuggestion, NSC-Spieler...) ausprobiert werden, wird eine Rollenspieltheorie notwendig.

Fazit: Es gehört schon etwas Mut, Experimentierfreude oder ein starker Verbesserungswillen zur Anwendung einer Rollenspieltheorie. Wer sich jedoch darauf einlässt, und das bedeutet analytisch und reflexiv Rollenspiel zu bewerten, der kann auf neue, interessante Denkansätze stoßen, die sein Spiel bereichern könnten.

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