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[DSA und]Freies Spiel - warum überhaupt?
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Achamanian:

--- Zitat von: Jasper am 29.01.2010 | 12:00 ---Das Spiel funktioniert im Gegenteil nur dann, wenn man die zu treffenden Entscheidungen keinesfalls im Licht einer Geschichte fällt, sondern als Spieler je nach Charaktermotivation und Situation entscheidet, als Spielleitung aber nach dem hinreichenden Weltmodell. Hier gleichen sich übrigens ARS-Spiele und Forgekram, auch wenn die jeweiligen Apologten sich spinnefeind sind. Bei beiden Varianten darf den Moment der Entscheidung nicht auf eine gedachte Story hin ausführen. Es gibt erstmal einen kreativen Prozess des Austausches, die Geschichte gibt es nur im Rückblick.  

--- Ende Zitat ---

Ich finde das alles sehr überzeugend, teile diesen Punkt aber eigentlich nicht so (und finde, dass die Abschweifung danach eigentlich eher den Kern der Sache trifft): Störend ist es vielleicht, wenn Entscheidungen im Hinblick auf einen bestimmten zu erzielenden Ausgang getroffen werden ("Ach ne, den Priester des Krakengottes lassen wir mal besser laufen, der ist bestimmt später noch wichtig"). Aber die Entscheidungen sollte man durchaus auch von Spielerseite [EDIT: VÖLLIG SINNENTSTELLENDEN TIPPFEHLER KORRIGIERT] ruhig im Sinne einer Geschichte denken. In unserer Simyala-Runde habe ich z.B. damals ganz spontan beschlossen, dass mein Thorwaler, der allen Elfen misstraut, irgendwie total hin und weg von der einen Elfe in Punin ist, die alle anderen völlig blöd fanden. Das kam ja nicht aus der Eigengesetzlichkeit der Situation oder so. Ich dachte einfach "He, das wäre amüsant, und vielleicht wird da ja eine Geschichte draus - und ich weiß auch einen guten Grund dafür, denn diese Elfe verhält sich irgendwie anders als das restliche Elfengesocks". Die erste Überlegung war aber nicht: Was würde mein Charakter machen, sondern: Was würde jetzt irgendwie rocken und dabei noch Sinn ergeben? Und das ist für mich schon eine Frage der im Entstehen befindlichen Geschichte.
Ein bisschen Willkür muss dabei sein, d.h. als Spieler muss man sich so frei fühlen, auch mal die etwas unwahrscheinlichere einer Reihe denkbarer Handlungsweisen zu wählen, einfach, weil man sich erhofft, damit etwas Spaßiges oder Aufregendes anzustoßen. Andererseits: (als Spieler oder SL) einfach nur zu fragen: "Was würde jetzt voll abgefahren cool sein?" und das dann ganz willkürlich zu machen, wird ganz schnell schal, weil Handlungen und Ereignisse keine planbaren Konsequenzen mehr haben, wenn nur noch Willkür und die "Rule of Cool" herrschen. Und damit gibt es auch keine Spannung und keine Überraschung im Sinne einer unerwarteten Wendung der Ereignisse mehr, sondern nur noch eine Aneinanderreihung von Beliebigkeiten - keine Geschichte jedenfalls.
Worauf ich hinaus will: Ich glaube, gerade beim ergebnisoffenen Spiel ist es wichtig, dass Spieler und SL auch immer in der sich entwickelnden Geschichte denken, als Autor. D.h. sie müssen sich einerseits der Integrität von Welt und Figuren verpflichtet sehen und andererseits immer nach den interessanten Wendungen Ausschau halten, die sie unter den Bedingungen dieser Integrität herbeiführen können. Der Punkt ist, dass man dabei nicht versuchen sollte, drei Züge im voraus zu denken, sondern sich immer nur fragen: was wäre genau jetzt, unter Berücksichtigung des Geschehenen und der Gesetze der Welt schlüssig, überraschend, spannend, dramatisch?
Naga:

--- Zitat von: Jasper am 29.01.2010 | 12:00 ---Für ergebnisoffenes Spiel braucht man einfach eine hinreichend genaue Weltmodellierung - die sollte es zu kaufen geben. Man braucht Techniken, wie man die Interaktion zwischen Spielern und Welt hinreichend objektiv entscheidet - die sollte es auch zu kaufen geben.

--- Ende Zitat ---

Hervorhebungen von mir. Warum braucht man das für ergebnisoffenes Spiel? Warum reicht eine herkömmliche Weltbeschreibung und ein improvisierender Spielleiter nicht aus?
Weil der dann "willkürlich" Dinge entscheiden könnte? Wo beißt sich das mit ergebnisoffenem Spiel?


--- Zitat von: Jasper am 29.01.2010 | 12:00 ---Man braucht als Spieler die Lust und die Chuzpe, sich in Situationen zu werfen und mit dem Unbekannten umzugehen, auf den Zehen zu denken.

--- Ende Zitat ---

Ich glaub, manche Spieler bräuchten eher dier Chuzpe, den Spielleiter als gleichberechtigten Mitspieler, mit dem gleichen Anrecht auf das Anstossen von Wendungen und Überraschungen, zu sehen. Und nicht nur als "hinreichend objektive" Weltmaschine, die das "das Ergebnis ganz den im Vorhinein modellierten Weltgesetzen" überläßt.
Achamanian:

--- Zitat von: Naga am 29.01.2010 | 12:41 ---
Und wenn man sich die klassischen "Helden-Abenteuer" anschaut, dann sind diese Geschichten eben oft Variationen von unter anderem Detektiv-Geschichten, Schatzsuchen, Kommando-Unternehmen zum Ausschalten des Bösen, (Entdeckungs-)Reisen. Das sind Abenteuer, bei denen der Spielleiter im voraus abschätzen kann, was wahrscheinlich relevant werden wird, und die er entsprechend auch in die Tiefe vorbereiten kann. Auch wenn das hier aus ner bestimmten Ecke immer wieder behauptet wird: Das hat ertstmal nichts mit "unfreiem Spiel" zu tun und benötigt auch kein Railroading.

--- Ende Zitat ---

Jasper hat doch auch nichts gegen eine sorgfältige Vorbereitung gesagt, im Gegenteil. Ich weiß nicht genau, was du mit "Tiefe" meinst, wenn nicht die Vorbereitung der Schauplätze, der von den SC unabhängigen Ereignisse und der Mittel und Motivationen der NSC.


--- Zitat von: Naga am 29.01.2010 | 12:41 ---
Zu behaupten, nur bei einer Mover-und-Shaker-Kampagne wären die Spieler wirklich frei, seh ich da eher als Indiz ideologischer Scheuklappen.  ;D
Von der Warte her wird das mit dem Missionieren erfahrungsgemäß auch eher schwer...

--- Ende Zitat ---

Hat das wer behauptet?
Es geht doch nicht darum, dass bestimmte Kampagnentypen prinzipiell freier wären. Du kannst eine Mover-and-Shaker-Kampagne genausogut durchrailroaden wie jeden anderne Plot, den du als SL kaufst oder  dir ausdenkst (du musst dafür nur evtl. etwas subtilere techniken Einsetzen, weil die SC nominell mehr Mittel an der Hand haben, um wirklich etwas zu ändern).


--- Zitat von: Naga am 29.01.2010 | 12:41 ---
Die beiden Kernprobleme beim ungeplanten Kampagnenspiel sprichst du übrigens gar nicht an:
- Wo soll die Tiefe in der Ausarbeitung herkommen (Farbe, Details, Nuancen und komplexere Zusammenhänge), wenn der Spielleiter nur in die Breite vorbereiten kann/darf?

--- Ende Zitat ---

Die Farben und Details kommen aus der hinreichenden Erarbeitung der Umgebung oder wie Jasper das genau genannt hat.
Die komplexen Zusammenhänge werden zum Teil in Form von Figurenbeziehungen zwischen NSC vorbereitet, entstehen aber vor allem im Spiel. Die interessanten komplexen Zusammenhänge sind ja logischerweise die, in die  die SC unmittelbar verwickelt sind, sie können also nur um Spiel (und evtl. bei der Gestaltung der SC-Vorgeschichten) entwickelt werden.


--- Zitat von: Naga am 29.01.2010 | 12:41 ---- Welche Mechanismen gibt es um Leerlauf zu vermeiden, wenn der Spielleiter nicht "Regie führen" oder dem Geschehen eine Richtung geben darf?

--- Ende Zitat ---

Erstens darf der Spielleiter doch sehr wohl etwas vorgeben (da hat Jasper doch auch drauf hingewiesen), nämlich Ereignisse, auf die die SC reagieren müssen, sollten, können ... oder auch nicht. Egal ob sie reagieren oder ignorieren, das hat jedenfalls Konsequenzen, mit denen sie sich wiederum herumschlagen müssen.
Natürlich kannst du mit Zombie-Spielern geschlagen sein, die einfach nichts tun, bis du ihnen sagst: "Da lang! und keine Angst, das wird alles ein gutes Ende nehmen!" Dann funktioniert das nicht. Aber das, was Jasper darlegt, ist ja keine Anleitung dafür, wie der SL als Alleinunterhalter jede Gruppe mit jedem Bedürfnis perfekt bespaßt kriegt, sondern ein Vorschlag, wie man als Gruppe spielen kann - und das bedeutet, dass auch die Spieler sich als Gestalter des Geschehens begreifen.

Ich finde, du solltest das Eingangspost echt nochmal aufmerksam lesen, Naga ...
carthinius:

--- Zitat von: Naga am 29.01.2010 | 12:41 ---Die beiden Kernprobleme beim ungeplanten Kampagnenspiel sprichst du übrigens gar nicht an:
- Wo soll die Tiefe in der Ausarbeitung herkommen (Farbe, Details, Nuancen und komplexere Zusammenhänge), wenn der Spielleiter nur in die Breite vorbereiten kann/darf?
- Welche Mechanismen gibt es um Leerlauf zu vermeiden, wenn der Spielleiter nicht "Regie führen" oder dem Geschehen eine Richtung geben darf?

--- Ende Zitat ---
Nur kurz, da wenig Zeit.
Erstens: Die angebliche "Tiefe" von Kaufabenteuern müsste auch erstmal bewiesen werden. Da wird auch nur mit Wasser gekocht und in vielen Fällen glaube ich, dass diese Tiefe auch nur durch die geschickte Verschleierung im Plot entsteht. Denn: Die Motivation der beteiligten Personen kann ja in beiden Fällen gleich sein; wenn du moralische Herausforderungen einplanst, vielleicht sogar im "freien Spiel" noch stärker, da die NSC ja nicht geskriptet arbeiten und das Abenteuer keinen Ausgang klar präferiert. Also wo siehst du da die "Breite" und nicht die "Tiefe"? Allein darin, dass eventuell Sachen gegeben sind, die die Spieler nie erfahren werden, weil sie es nie anspielen?
Des weiteren kommen durch ausgearbeitete (Vorlese-)Texte keineswegs automatisch mehr Farbe oder Details ins Spiel, das liegt nunmal zu einem großen Teil am SL, der sowas einstreuen sollte. Auch hier gilt: Nach Bedarf und nicht, weil im Abenteuer gerade steht.

Zum anderen schließt "freies Spiel" ja das "Regie führen" nicht aus. Der SL darf durchaus Schnitte setzen, Ereignisse einstreuen etc. Du bist immer noch an dem von Jasper genannten "Es ist der 30. Ingerimm. Was tut ihr?" Natürlich darf der SL weiterhin Hooks einstreuen, Bomben platzen lassen etc., nur eben nicht, weil er auf ein bestimmtes Ziel hinwill. Einen Serienmörder zu jagen führt halt zu weiteren Morden, nur passieren die halt nicht trotzdem, wenn die Spieler etwas verhindern könnten, weil der Plot es so will, sondern die Aktionen der Spieler haben eine unmittelbare Wirkung auf das Verhalten des Mörders (so sie ihm denn auf den Spuren sind).


--- Zitat von: Achamanian am 29.01.2010 | 12:50 ---Worauf ich hinaus will: Ich glaube, gerade beim ergebnisoffenen Spiel ist es wichtig, dass Spieler und SL auch immer in der sich entwickelnden Geschichte denken, als Autor. D.h. sie müssen sich einerseits der Integrität von Welt und Figuren verpflichtet sehen und andererseits immer nach den interessanten Wendungen Ausschau halten, die sie unter den Bedingungen dieser Integrität herbeiführen können. Der Punkt ist, dass man dabei nicht versuchen sollte, drei Züge im voraus zu denken, sondern sich immer nur fragen: was wäre genau jetzt, unter Berücksichtigung des Geschehenen und der Gesetze der Welt schlüssig, überraschend, spannend, dramatisch?

--- Ende Zitat ---
Sicherlich sollten die Spieler nicht bewusst vor dem Abenteuer wegrennen. Das ist aber vermutlich bei allen Spielarten so. Ich finde den Gedanken, dass SL und Spieler eben genauso Autoren des zu Erlebenden sind, sehr gut und wichtig: Sie sind sich selbst halt verpflichtet, das Abenteuer spannend zu gestalten und sich nicht auf das zu verlassen, dass ihnen von einer anderen Person häppchenweise vorbereitet hat und präsentiert. DAS ist vermutlich das, was Spielern vorher klar sein muss.

Man kann natürlich auch sagen "Das kenn ich nich, das ess ich nich".
WitzeClown:

--- Zitat von: Naga am 29.01.2010 | 13:03 ---Hervorhebungen von mir. Warum braucht man das für ergebnisoffenes Spiel? Warum reicht eine herkömmliche Weltbeschreibung und ein improvisierender Spielleiter nicht aus?
Weil der dann "willkürlich" Dinge entscheiden könnte? Wo beißt sich das mit ergebnisoffenem Spiel?
--- Ende Zitat ---

Wenn der Spielleiter willkürlich entscheidet ist für für die Spieler nicht oder kaum mehr ersichtlich welche Folgen bestimmte Aktionen in der Spielwelt haben werden. Die Ereignisse die sich durch solche Entscheidungen ergeben sind dann nicht mehr wirklich Ergebnis der Spieleraktionen. Also kann man das ganze vielleicht noch als offen bezeichnen, nicht aber als ergebnisoffen.
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