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[WFRSP2] - Enemy within - Kampagne ABGESCHLOSSEN
Drantos:
Und weiter gehts...
3. Väterchen Nurgle und seine Kinder
Albrecht Oldenhalder war sehr beeindruckt von unserer schnellen und sauberen Arbeit und zahlte erwartungsgemäß anstandslos die Belohnung an uns aus. Wegen der Nurglepest, die unseren armen Bernhard ereilt hatte, wusste er jedoch auch nur den Rat, der uns schon selber gekommen war; ein Besuch im Tempel Shallyas der barmherzigen Heilerin stand dementsprechend als nächstes auf unserem Tagesplan. Hier wurde durch die Priesterinnen festgestellt, dass sich auch Richard die Krankheit eingefangen hatte. Eine Heilung wurde umgehend durchgeführt, jedoch mussten die beiden im Gegenzug versprechen, den Nurglemagier sowie seinen Tentakeldämon zu vernichten.
Zudem hatten wir nun das Problem, dass sowohl die Nurglespinner wegen dem Juwel als auch die Valentiner, die uns mit den Mord an Emiliano in Verbindung brachten, in der ganzen Stadt suchten. Hier kam uns die Hilfe der dankbaren Schmugglerbande Dirk Hudermanns, die wir gerettet hatten, gerade recht. Mir wäre eine Passage nach Marienburg am liebsten gewesen, doch meine neuen Kameraden entschieden sich dagegen. So konnten wir uns stattdessen eine Woche lang in einem ihrer Unterschlupfe verstecken. In dieser Zeit gewannen die Schmuggler wichtige Informationen für uns. Zum einen munkelte man von einem Überfall auf das Anwesen den alten Oldenhalders durch Chaoskultisten, welcher allerdings durch dessen Wachen abgewehrt werden konnte. Zum anderen fanden die Ganoven heraus, dass sich die fraglichen Kultisten zurzeit bei dem Eisenwarenhändler Mathias Brunner verstecken sollten.
Dieser Mann, so stellte sich heraus, war ein fetter Ekelbrocken, der jeden Abend sein Haus in Begleitung einer Leibwache verließ, um im versifftesten Puff Nulns ein widerliches Nümmerchen zu schieben. In jedem anderen Etablissement der Stadt hätten ihn selbst die verzweifeltsten Nutten abgewiesen, denn trotz seiner dicken Schminke und der beinahe sichtbaren Parfümwolke, die ihn umgab, konnte man die „Geschenke“ des Nurgle erahnen. Ein Wunder, dass ihn die Stadtwachen noch nicht erwischt und auf einen Scheiterhaufen gestellt hatten!
Als der Fettsack des Abends wieder seiner Gewohnheit nachging, brachen wir schließlich in sein Haus ein. Im Erdgeschoß fanden wir seinen Laden, die Gesindequartiere und eine Kellertür. Bernhard, der ein wahrlich scharfes Gehör haben muss, vernahm im Keller merkwürdige Kultgesänge. Doch zunächst untersuchten wir die beiden oberen Stockwerke, wo wir ein paar Gästezimmer, eine verrammelte Metalltür und das stinkende, verdreckte Nachtlager des Händlers fanden. Answald erkundete derweil den Keller. Ohne Licht schaffte er es, sich dort unten sicher zu bewegen, und kam wieder mit der Kunde, dass er eine Tür gefunden hatte, hinter der fünf Personen im flackernden Fackelschein scheinbar unheilige Rituale vollführten. Da die Zeit des Herumschleichens nun vorbei zu sein schien, stürmten wir gemeinsam mit gezückten Waffen in den Kellerraum.
Hier erwartete uns der personifizierte Ekel: Vier Roben tragende Kultisten und ein widerlicher Magier, allesamt die Pustel übersäten und mit Geschwüren verunstalteten Gestalten aus den Tunneln des Asylums, stellten sich uns in den Weg. Ihr Anblick und Gestank waren so fürchterlich, dass unsere Augen zu tränen begannen und unsere Hälse sich zusammenschnürten, so dass uns das Kämpfen nur sehr schlecht von der Hand ging. Zu allem Überfluss schleuderte uns der Nurglemagier einen widerlichen Zauber entgegen, der Maden, Fliegen und anderes schmutziges Getier plötzlich über unsere Leiber und Gesichter kriechen ließ. Trotz dieses Handicaps gelang es uns, die Kultisten einen nach dem anderen niederzuringen. Insbesondere die Axt Answalds hinterließ tiefe Wunden in den Körpern unserer Feinde, und auch der grobschlächtige Richard ließ gnadenlos seine starken Hiebe auf die Nurglianer niederprasseln. Das stinkende Blut der verseuchten Gestalten spritzte alles im Raum voll, und zuletzt stand nur noch der Magier vor uns. Bevor es ihm gelingen konnte, wieder sein Tentakelmonster zu beschwören, umringten wir ihn und ließen unsere Waffen auch dann noch auf ihn niederkrachen, als sein Leib schon reglos und zerschmettert auf dem Boden lag.
Sicher ist sicher!
Da der Kampf auch an uns nicht völlig spurlos vorübergegangen und das Versprechen an die Shallya-Priesterinnen erfüllt war, verzichteten wir darauf, den fetten Brunner und seinen Leibwächter zu erschlagen. Ein anonymer Brief an den hiesigen Sigmar-Tempel hatte einen mindestens ebenso wirkungsvollen Effekt. Das Haus des Eisenwarenhändlers wurde nur deshalb nicht durch die Vertreter Sigmars in Brand gesetzt, weil dann eventuell der gesamte Stadtteil mit abgefackelt wäre. So gab es „nur“ eine Scheiterhaufen-Verbrennung von Mathias Brunner, seinen Leibwächtern, Mägden und Knechten, der gesamten Verwandtschaft, den Stammkunden sowie jedem anderen Menschen, der irgendwie mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte. Wären das Haus und das Viertel verbrannt worden, hätte es weniger Tote gegeben, aber so war man eben auf Nummer sicher gegangen (s.o.) und konnte dem johlenden Pöbel auch noch eine der allseits beliebten öffentlichen Hinrichtungen bieten.
Bleiben nach Ausrottung dieses Nurglekultes als potentielle Bedrohung nur noch Martas Söhne und ein paar hundert Mitglieder der Valentinerbande... Die Zukunft sieht doch gar nicht so schlecht aus!
Drantos:
Im nächsten Kapitel mussten sich die tapferen Streiter mit fiesen Kindesentführern auseinandersetzen und schafften sich dabei noch einige alte Feinde vom Hals...
Warnung ! Der kommende Spielbericht behandelt das Abenteuer "With a little help from my friends" von Carl Sargent und ist voller Spoiler.
4. Das Problem ist eine andere Lösung
Auf dem Rückweg zum Geschlachteten Lamm humpelte auf einmal der einbeinige Jonas auf mich zu. Für einen Schoppen wollte er mir unheimlich wichtige Neuigkeiten mitteilen. Da ich es mir im Moment leisten konnte, lud ich ihn auf einen Humpen von der widerlichen Pisse ein, die im Lamm als Bier durchgeht.
Jonas erzählte, dass die Valentiner das Kopfgeld, welches sie auf mich und die anderen ausgesetzt hatten, zurückgezogen haben. In einem Anflug von Größenwahn hatten sie das gesamte Asylum okkupiert und dadurch einen kleinen, aber feinen Bandenkrieg mit unseren Schmugglerfreunden angezettelt. Daher fehlen nun wohl die Ressourcen, so ein paar unwichtige Gestalten wie uns zu jagen. Als Dank für diese mäßig wichtige Information bekam der Jonas noch ein Bier und ein paar Schilling. Der gierige kleine Stinker war damit natürlich nicht zufrieden. Nun ja, schließlich hat er mir nur erzählt, dass mir KEINE Gefahr droht; wenn er mir wichtige Neuigkeiten erzählen würde, zum Beispiel DASS mir Gefahr droht, dann wäre sein Lohn dafür auch höher.
Noch während der Einbeinige an der Theke stand und vor lauter Schimpfen und Krakeelen die Hälfte von seinem Bier verschüttete, kam Bernhard in die Kneipe gewackelt. Doktor Herzeleid hatte wohl wieder einen Auftrag für uns an Land gezogen, wieder beim alten Oldenhaller. Da für den Tag nichts Besonderes anstand, warf ich Magnus und Richard aus ihren Furzmulden und auf ging es zum Anwesen unseres Auftraggebers. Answald hatte anscheinend besseres zu tun, er ließ sich jedenfalls nicht blicken. Beim Oldenhaller angekommen, wurden wir von ihm direkt in den Salon durch gewunken. Dort wartete ein extrem kleiner, dürrer Halbling mit Wasserkopf und Schnauzbart, allerdings nicht aus dem Mootland, sondern dem Akzent nach aus Bretonia. Nach einer Weile erkannte ich ihn: Das war der berühmte Detektiv Alfons Hercule de Gaascoigne, der Einfachheit halber einfach nur Culot genannt!
Culot erklärte uns zunächst, dass er im Auftrage des Kaufmanns Ludwig Otelli handelt. Aha. Von Herzeleid über Oldenhaller über Culot zu Otelli. Irgendwie war es einfacher und übersichtlicher, als ich meine Leichen direkt zum Doktor geschleift habe. Aber wie dem auch sei, der Sohn Sigesmund Otelli war einführt worden, und der Vater konnte die horrende Lösegeldforderung nicht erfüllen. Culot konnte die Entführer bis zu ihrem Aufenthaltsort verfolgen, wagte es aber nicht, die Stadtwache einzuschalten, um das Leben des Kindes nicht zu gefährden. Wir sollten das Versteck zunächst auskundschaften und bei einer günstigen Gelegenheit auch das Kind befreien. Das hörte sich nach leicht verdientem Geld an, und wir sagten zu, diesen Auftrag zu übernehmen.
Das Versteck der Entführer war ein Haus in der Nähe des Neuen Marktes. Culot hatte ein Haus schräg gegenüber gemietet. Dort nisteten sich Richard und Bernhard ein und beobachteten das Versteck mit einem Fernrohr, während Magnus und ich uns auf die Rückseite des Hauses schlichen und es aus einem Schuppen heraus überwachten. So konnten wir mehrere Zimmer einsehen (nicht alle wegen der Fensterläden). E war uns möglich festzustellen, dass sich mindestens fünf Entführer im Haus aufhielten: Die beiden ewig Karten spielenden Knut und Mikael, der braunhaarige Bruno sowie der hünenhafte Axel, welcher in einer nahegelegenen Taverne regelmäßig Essen holte. Außerdem konnte Richard durch die (sehr stabile) Haustür einen schwarzhaarigen Hünen sehen, zudem wurde des Öfteren ein fies aussehender Hund zum Kacken aus dem Hause geführt. Das Klopfritual an der Tür hatten wir schnell raus, wirklich weiterhelfen tat es uns aber auch nicht. Alle paar Stunden führten die Jungs so eine Art Wachwechsel durch.
Diesen langweiligen Job betrieben wir bis zum nächsten Abend. Dann erschien Culot wieder und machte uns darauf aufmerksam, dass die gesetzte Frist bis zur Lösegeldzahlung bald verstreichen werde – es wurde also langsam Zeit, dass wir den Knaben den Fängen seiner Häscher entrissen! Einen wirklich sinnigen Plan hatte so spontan allerdings niemand parat. Schließlich hatte Bernhard die Idee, dass man ein paar Störenfriede anheuern und bezahlen könne, die die Entführer ablenken und uns so die Möglichkeit verschaffen könnten, ins Haus zu gelangen.
Da fiel mir etwas viel besseres ein. Das Problem an solch bezahlten Unruhestiftern war zum einen schon mal die Bezahlung an sich sowie die Tatsache, dass solche Leute bei dem geringsten Anzeichen für Ärger (und Ärger würde es auf jeden Fall geben) einen flinken Schuh machen würden. Aber ich hatte für dieses Problem die perfekte Lösung: Hunold und seine Brüder würden garantiert völlig ohne Bezahlung einen gehörigen Zirkus an der Tür veranstalten, sollte ihnen zu Ohren kommen, dass ich mich darin aufhalte. Zudem würden sie drohendem Ärger nicht aus dem Wege gehen, zum einen weil sie dafür zu blöd sind, und zum anderen weil sie alle mit zweitem Vornamen selber Ärger heißen. Culot versprach, alles Nötige im Hause der Witwe Martha in die Wege zu leiten, und zog von dannen, um die vier Schläger auf die falsche Fährte zu locken.
Wir nutzten die Zeit, um auf das Dach des Entführerhauses zu kraxeln und am Dachfenster Stellung zu beziehen. Es dauerte auch nicht allzu lange, und schon kamen die schimpfenden Brüder die Straße herunterlaufen, in den Händen schwere Vorschlaghämmer! Vor der Eingangstüre bauten sie sich auf, brüllten laut meinen Namen und fingen an, die Türe mit ihren Hämmern zu bearbeiten (wäre ich tatsächlich in dem Haus gewesen und zur Hintertüre hinaus verduftet, hätten die Superhirne das überhaupt nicht mitbekommen...). Die Ablenkung funktionierte jedenfalls ausgezeichnet und es gelang uns, unbemerkt über den Dachboden ins obere Stockwerk zu klettern.
Noch während wir überlegten, wie nun weiter zu verfahren sei, erklang von unten ein ohrenbetäubender Knall: Die Entführer hatten eine Donnerbüchse und diese soeben durch die geschlossene Haustür abgefeuert! Auch wenn mich die Tatsache, dass unsere Gegner über eine derartige Bewaffnung verfügten, nicht wirklich beruhigte, genoss ich das Jammern und Wehklagen von Hunold und seinen Brüdern, die ihre Schrapnell gespickten Gammelkörper von der Straße hievten und sich in Richtung Heimat vertrollten. Die Stadtwache, welche durch den Lärm auf den Plan gerufen worden war, gab sich mit der Begründung „Selbstverteidigung“ (sowie einigen deutlich hörbar klimpernden Argumenten) zufrieden und zog wieder von dannen.
Während des Tumultes konnten wir kurz ein weinendes Kind hören – im Keller! Wie sollten wir an allen Entführern vorbeikommen und gleichzeitig darauf achten, dass dem Kind nichts zustieß? Nach während wir leise beratschlagten, kamen zwei der Verbrecher die Treppe hinauf, um sich zur Ruhe zu begeben. Wir verbargen uns solange, bis wir ein zweistimmiges Schnarchkonzert aus dem Schlafraum vernehmen konnten. Sodann schlichen wir zu den beiden Pennern – es waren Bruno und Axel – und droschen auf die Halunken ein, bis sie sich nicht mehr rührten. Als ein paar Stunden später zum Wachwechsel Knut und Mikael hinaufkamen, lauerten wir auch ihnen auf und schlugen ihnen ihre hässlichen Visagen ein.
Da nun nicht mehr mit viel Widerstand zu rechnen war, stürmten wir die Treppe hinunter in die Stube – und sahen uns zwei Hünen der Valentinerbande, Claudio und Paolo, gegenüber! Zum Glück schliefen Paolo und sein Kampfhund auf beziehungsweise neben einem Sofa in der Ecke. Aber die Donnerbüchse, die den Hunoldbrüdern so schön den Pelz verbrannt hat, lehnte griffbereit daneben. Ich stürzte rasch dorthin, schnappte die Büchse und warf sie erst einmal außer Reichweite - zum Glück ging das Ding bei der Landung nicht los! Im gleichen Moment schnappte die Töle nach meinem Hals, und es gelang mir nur mit Mühe, den schnappenden Kiefern auszuweichen und das dichte Hundefell mit meinem Dolch zu durchdringen. Glücklicherweise hatte ich meinen Arm mit meinem Streitkolben verstärkt, so dass die Hundebisse mir nicht viel anhaben konnten.
Meine Kameraden stürzten sich derweil auf Claudio. Selbst zu dritt hatten sie sichtlich Mühe, dem für seine Größe recht flinken Hünen Herr zu werden. Endlich, Paolo war mittlerweile wach und hatte sich schon ins Kampfgetümmel gestürzt, gelang es Richard, den riesigen Valentiner zur Strecke zu bringen. Dies bereute er jedoch kurz darauf bitter, denn Paolo schien beim Anblick des Gefallenen in eine Berserkerwut zu verfallen und schlug unseren Richard mit einem mächtigen Hieb nieder. Jedoch gelang es uns schließlich doch, auch ihn zu überwältigen und letztlich auch noch den Hund auszuschalten.
Während Magnus in den Keller eilte und den Jungen befreite, versorgte Bernhard die tiefen Wunden Richards. Derweil schlitzte ich einer Eingebung folgend allen Getöteten das Kinn auf und zog ihre Zungen durch den Schnitt nach unten heraus. Nachdem wir die Habe der Verbrecher an uns genommen hatten, ging plötzlich die Türe auf, und ein mit unserer Arbeit sehr zufriedener Culot betrachtete die sich ihm bietende Szenerie anerkennend. Der kleine Sigesmund wurde samt seinem Teddy unversehrt zu seiner Familie zurückgebracht.
Hunold und seine Brüder würden nach ihrem kleinen nächtlichen Erlebnis noch schlechter auf mich zu sprechen sein. Um dieses lose Ende endgültig zu verknüpfen, streute ich das Gerücht, dass sie aus Rache die Männer in dem Haus umgebracht hatten. Entweder die Stadtwache kassierte sie dafür ein, oder die Valentiner würden ihre gar schröckliche Vergeltung verüben! So war zumindest der Plan... Wie sich herausstellte, waren die beiden Valentinerhünen gesuchte Verbrecher, auf deren Kopf eine Belohnung ausgesetzt war. So kassierten die Tunichtgute ganze einhundert Goldkronen von der Stadtwache, anstatt im Turm zu vergammeln! Und auch die Valentiner tauchten erst in der Färbergasse auf, als die Witwe Martha und ihre Söhne bereits ihre Koffer gepackt und fort in ein besseres Leben gezogen waren... aber egal, so oder so bin ich zumindest dieses Problem los.
Die Donnerbüchse und den übrigen Kram der toten Entführer konnten wir dann auch noch zu einem hübschen Sümmchen verkaufen [sorry Answald ], so dass sich der Aufwand letztlich doch sehr gelohnt hat. Allerdings haben wir nun im Allgemeinen und ich im Besonderen gar keine Feinde mehr – wo bleibt denn da der Spaß? Oder sollte der einbeinige Jonas wegen der vermeintlich knausrigen Belohnung neulich nunmehr versuchen, mich mit seiner Krücke zu erschlagen?
Drantos:
Nun gilt es fackelschwingenden Hexenjägern zu entkommen und einen armen Mann von einer seltenen und tödlichen Krankheit zu heilen. (Dumm nur, dass der Spieler des Arztes kurzfristig abgesagt hatte ;D )
5. Der Arzt, den keiner braucht
Wieder einmal saßen Magnus, Richard, Answald und ich morgens im Geschlachteten Lamm und bereiteten uns schon mal auf den zweifelhaften Genuss eines hiesigen Frühstücks vor. Gerade wollte ich den Kameraden vorschlagen, uns in einem etwas gehobeneren Etablissement einzuquartieren, als uns die Entscheidung schon aus der Hand genommen wurde.
Krachend fiel die Eingangstüre aus den Angeln, und selbst dem Wirt, der für die (eigentlich schon seit Jahren kaputte) Tür in der Regel eine Entschädigung einfordert, wusste ob der Gestalt, welche in die Taverne stürzte, nichts zu sagen: Es war einer der Hausdiener Herzeleids, der schwitzend und mit gehetztem Blick im Türrahmen stand; sein Dienerfrack passte zur Umgebung in etwa so gut wie edles Geschmeide an den Hals eines borstigen Warzenschweines.
Er erkannte uns und tat sehr heimlich, erst nachdem wir uns auf unsere Stube zurückgezogen hatten, wagte er zu sprechen. Nun war es an uns, zu schwitzen und mit gehetztem Blick umherzustarren: Irgendwie müssen Informationen über die „besonderen Studien“ Herzeleids in die falschen Hände geraten sein. Nun sei der berüchtigte Hexenjäger Anton Krüger mit Schwert und Fackel am Toben, und nur dem Einfluss des alten Oldenhallers schien es zu verdanken, dass der Doktor und sein Haus noch nicht in Flammen standen.
Der Auftrag Herzeleid an uns war nun, wichtige Forschungsergebnisse in Sicherheit zu bringen. Per Schiff sollte es aus Nuln heraus und schließlich nach Grünburg gehen, wo wir in der Marktstraße den alten Freund Herzeleids, den Doktor Grobeisen, treffen sollten.
Noch während der Diener unsere Instruktionen herunterrasselte, erklang auf der Gasse vor dem Geschlachteten Lamm bereits das Trampeln schwerer Stiefel und das Klirren von Waffen. Scheinbar schien Oldenhallers Schutzschild uns nicht mit einzuschließen!
So rasch es ging, verließen wir die Taverne zum Hinterausgang und rannten zur Anlegestelle am Reiksufer. Wie vom Diener beschrieben, wartete dort das Fluss schiff „Emma Luisa“ des Kapitäns Ralf Ohnemut auf uns. Kaum war der letzte von uns an Bord gesprungen, da wurden schon die Leinen gekappt und auf ging die sechs Tage lange Reise reikabwärts.
Der Kapitän scheuchte uns sofort unter Deck, wo bereits der zitternde und bibbernde Bernard auf uns wartete. Er war völlig durch den Wind, klammerte sich an das Kästchen, in dem sich die Aufzeichnungen des Doktors befanden, und sprach die nächsten Tage nicht ein einziges Wort.
Nach einer recht ereignislosen Fahrt, während der wir uns nur nachts auf Deck trauten, erreichten wir schließlich die Stelle, an der der Stir in den Reik mündet. Von hier ging es nur mit der Kutsche weiter in Richtung Grünburg. Wir zahlten für unsere Überfahrtscheine, verbrachten eine ereignislose Nacht in einer Herberge und waren am nächsten Morgen früh genug am Kutschstand, um die Fahrt im vergleichsweise luxuriösen Kutscheninneren sitzen zu können anstatt auf dem Dach.
In Grünburg angekommen, war das Haus des Doktor Grobeisen rasch gefunden. Jedoch erwartete uns hier keine frohe Kunde. Nachdem der Diener uns hineingelassen hatte, mussten wir feststellen, dass der arme Doktor schwer erkrankt war, und zwar am Leichenfieber! Bernard, der sich immer noch an Herzeleids Unterlagen festklammerte wie ein kleines verängstigtes Mädchen an seinem Püppchen, sah sich nicht imstande, dem Kranken zu helfen.
Da braucht man einmal dringend einen Heiler, und dann ist er zu nichts zu gebrauchen!
Die Krankheit befand sich augenscheinlich bereits im Endstadium, denn schwarzer Eiter troff in zähflüssigen Strömen aus sämtlichen Körperöffnungen des armen Doktors! Mit schwacher Stimme röchelte er uns zu, dass sein Assistent Jörg Trautstein bereits seit drei Tagen unterwegs sei, um die Zutaten für eine Medizin zu suchen. Er hätte schon längst zurück sein müssen. Bevor Grobeisen das Bewusstsein verlor, krächzte er noch das Wort „Schlingenkraut“. Anscheinend handelte es sich um die Medizin, die er benötigte!
Wir liefen rasch in den Keller, um im Labor nach dem genannten Kraut zu suchen. Doch hier mussten wir feststellen, dass die Labortür aufgebrochen und die gesamte Einrichtung zerstört war! Flugs rannten Richard und ich zum Apotheker und klopften ihn aus dem Schlaf. Er gab an, dass er seine ganzen Vorräte an Schlingenkraut vor drei Tagen an des Doktors Assistenten verkauft habe. Eine schlimme Ahnung beschlich mich. Beim Kräutersammler Kasimir bestätigte sich der Verdacht: Der kupferne Geruch von geronnenem Blut überdeckte den Gestank der benachbarten Gerberei, als wir die Tür zu dessen Behausung aufstießen. Die Leiche des alten Mannes lag in einer großen Blutlache, der Hals war mit einem sehr scharfen Werkzeug aufgeschlitzt worden – einem Skalpell? Im gesamten Raum waren die Kräutervorräte verstreut und zertrampelt, also unbrauchbar.
Immer diese Arztlehrlinge – man kann ihnen nicht trauen!
Unter einem Lumpen fand ich schließlich ein kleines Büchlein. Dieses steckte ich ein und Richard und ich gingen zurück zu Grobeisens Haus. Hier berichteten wir den Kameraden von unserem Verdacht. Richard und Ansgard brachen kurzerhand die Tür zu Trautsteins Zimmer auf – und fanden es ausgeräumt und verlassen vor. Trübsal machte sich breit, aber Magnus konnte im Büchlein des Kräutersammlers eine Zeichnung vom Schlingenkraut finden sowie den Ort, an dem es wächst: im alten Steinbruch! Der Diener wurde bleich, als wir ihn nach dem Weg dorthin fragten; der Steinbruch befand sich einige Stunden außerhalb der schützenden Stadtmauern, und zudem würde es dort spuken!
Wir versammelten uns am Bett des Doktors und berieten uns, was zu tun sei. Es konnte keiner von uns mit Bestimmtheit sagen, wie lange Grobeisen noch zu leben hatte. Doch, einer hätte es gekonnt.
Aber immer, wenn man dringend einen Heiler bräuchte, ist keiner verfügbar!
Jedoch schien es unseren Laienaugen, dass dem Doktor wohl eher Stunden als Tage blieben. Würden wir bis zum Morgengrauen warten, wäre es bestimmt um ihn geschehen. Da Herzeleid mich mehrmals durch seine Aufträge vor dem Verhungern gerettet hatte und dieser Mann ein Freund Herzeleids war, entschloss ich mich, zum Steinbruch zu laufen und nach dem Schlingenkraut zu suchen. Nach kurzem Überlegen erklärten sich meine Kameraden mit diesem Plan einverstanden. Der Wachmann am Tor staunte nicht schlecht, als wir darum baten, aus der Stadt herausgelassen zu werden. Kopfschüttelnd öffnete er schließlich die Luke und sah uns hinterher, wohl in dem Glauben, uns niemals wiederzusehen.
Die Nacht war stockfinster, und hätte ich nicht meine Laterne gehabt, hätten wir nicht einmal unsere Hand vorm Auge gesehen. Ausgenommen Magnus, der wohl ein sehr gutes Sehvermögen hat; er schritt voran in die dunkle Nacht und führte uns durch den Wald, aus dem unangenehm viele Knack- und Kratzgeräusche sowie Schreie erschollen, und nicht alle schienen von Tieren verursacht.
Umso unheimlicher wurde es, als sich ein gutturaler Gesang zu den Geräuschen hinzugesellte. Vor uns mündete der Weg in den alten Steinbruch – und dort unten bot sich uns ein Anblick, der den Atem stocken ließ: Neben einem großen Gesteinsblock loderte ein Feuer, und auf diesem Stein lag ein gefesseltes kleines Mädchen.
Neben ihr tanzten und sangen brüllend zwei bepelzte Gestalten, die wie eine Mischung aus Mensch, Kuh und Ziegenbock aussahen – Tiermenschen! Hin und wieder war das Wort „Khorne“ in den wilden Gesängen zu vernehmen. Einer der beiden hielt drohend einen gezackten Opferdolch in die Luft, scheinbar auf den richtigen Moment in ihrem Ritual wartend, um ihn dann dem Kind ins Herz zu stoßen!
Answald und Richard waren drauf und dran, die abscheulichen Gestalten anzugreifen, aber Magnus hielt sie zurück. Er wollte sie ablenken und so unsere Chancen verbessern. Nachdem er ein wenig in seinem Beutel herumgewühlt hatte, brachte er ein Glas mit Glühwürmchen zum Vorschein. Fragend sahen wir anderen uns an. Magnus begann, die Würmchen einzeln freizulassen, wobei er ihnen leise Worte zuflüsterte.
Wir zweifelten schon an seinem Verstand, als jedoch die letzten beiden Glühwürmchen nicht in der Nacht verschwanden, sondern vor ihm in der Luft schwebten und schließlich seinen Gesten folgten: Magnus hatte die kleinen Tierchen dressiert! So einen Trick hatte noch keiner von uns gesehen. Die Würmchen flogen schließlich auf die beiden Tiermenschen zu und neckten sie. Dabei leuchteten sie heller, als ich je einen Glühwurm habe leuchten sehen. Eines der Monster ließ sich tatsächlich von den Insekten ablenken, folgte ihnen, laut brüllend und wild seine Keule schwingend, in den Wald und ward nicht mehr gesehen.
Der zurückgebliebene Tiermensch – der mit dem Dolch – sah sich misstrauisch um. Aber noch bevor er uns wittern konnte, sprangen Answald und Richard auf und schlugen mit ihren Waffen auf den Unhold ein. Mit einem satten Schmatzen fuhr Answalds Axt hernieder und spaltete das Monster von der gehörnten Stirn bis zum Brustkasten. Schwarzes Blut bespritzte uns von Kopf bis Fuß. Der Körper des Tiermenschen sackte reglos zu Boden, und stinkende Eingeweide quollen aus dem tiefen Spalt im Körper des Wesens heraus. Das kleine Mädchen schrie wie am Spieß und war offensichtlich – wer sollte es ihr verdenken bei dem, was sie mitgemacht hatte – schwer traumatisiert.
Aber immer, wenn man dringend einen Heiler bräuchte, ist keiner verfügbar!
Schnell stopften wir unsere Taschen mit dem Schlingenkraut, das überall wucherte, voll und machten uns auf den Rückweg. Wider Erwarten wurden wir nicht von weiteren Horden der Tiermenschen angefallen und erreichten schließlich das Stadttor. Doch so leicht wie wir hinausgekommen waren, schien der Weg hinein nicht zu sein – der Wachmann beharrte auf seinem Befehl, des Nachts niemanden einzulassen. Erst unser Hinweis, dass wie ein Kind im Wald gerettet und bei uns hatten, ließ sein Herz erweichen und er öffnete die Tür (die beiden Goldkronen, die ihm Magnus über die Mauer zuschnippte, könnten auch zu seinem Sinneswandel beigetragen haben, man weiß es nicht). Nachdem das Mädchen bei der Shallyapriesterin abgegeben wurde, begaben wir uns direkt zum Doktor Grobeisen.
Dieser war dem Tode mittlerweile nicht mehr fern. Die geeignetste Darreichungsform des Krautes schien ein Sud zu sein, aber wer könnte das schon wissen? Einer hätte gekonnt. Aber der konnte andererseits auch wieder nicht.
Immer, wenn man dringend einen Heiler bräuchte, ist keiner verfügbar!
Nachdem wir die komplette Küche des Doktors beim Brauen des übelriechenden Suds verunreinigt hatten, verabreichten wir ihm die Medizin. Gespannt beobachteten wir den Kranken. Entgegen unserer Befürchtungen wurde er weder von Krämpfen geschüttelt, noch quoll ihm blutiger Schleim aus dem Mund. Im Gegenteil: Sein Zustand schien sich von Minute zu Minute zu verbessern!
Als er aus seinem Koma erwachte, zeigte sich seine Enttäuschung über den Verrat seines Lehrlings Trautstein. Nach ein paar Stunden war Grobeisen wieder auf den Beinen und musste feststellen, dass Jörg ihn nicht nur fast umgebracht, sondern auch ausgeraubt hatte. Somit fiel auch meine Hoffnung auf eine üppige Belohnung für die Lebensrettung in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Die eigenen Aufzeichnungen des Doktors jedoch, versteckt in seinem Bettpfosten, waren noch vor Ort, und begierig fügte Grobeisen die Dokumente Herzeleids, die Bernard nur widerwillig herausrückte, seinen Forschungsergebnissen hinzu.
Den Verräter beschrieb uns der Doktor ausführlich. Er habe zudem einen Altdorfer Akzent gehabt und eine auffällige Tätowierung (rote Krone) auf der Schulter. Nachforschungen ergaben, dass er mit der Kutsche nach Altdorf gereist war. Um unsere Spuren weiter zu verwischen und den Fängen Anton Krügers auch sicher zu entkommen, entschlossen wir uns, dem Übeltäter nach Altdorf zu folgen; Grobeisen würde eine saftige Belohnung springen lassen, wenn wir seine Besitztümer dem Halunken abnahmen und zurückbrächten.
Die Reise per Kutsche endete nach einem Tag zunächst am Gasthof „Zum Kutschpferd“. Hier mussten wir eine Anschlusskutsche auftreiben. Noch während unsere Kutsche abgespannt wurde, preschte aus dem Stall heraus ein anderes Gefährt und holperte hinaus in die Monsterverseuchten nächtlichen Wälder. Nur Verrückte konnten des Nachts reisen!
Der Wirt Gustav war ein freundlicher und redseliger Kerl. Von ihm erfuhren wir viele Dinge, die wir wissen wollten, und noch mehr Dinge, für die dies nicht zutraf. Er konnte uns berichten, dass der Verräter Jörg vor einigen Tagen ebenfalls hier Zwischenstation gemacht hatte und sodann gen Altdorf weitergereist war. Außerdem wurde auf einem benachbarten Bauernhof unlängst ein Kind mit Hufen anstelle von Beinen geboren (und selbstverständlich mitsamt Nabelschnur und Mutter verbrannt). Verbrannt wurde auch ein komplettes Dorf in der Nähe, auf Geheiß des Hexenjägers Fabergus Heinzdorg, welcher Gerüchten zufolge lieber zehnmal zu viel als einmal zu wenig die Fackel schwingt.
Zwei Kutscher saßen an der Theke. Diese waren dermaßen voll, dass es ein leichtes war, ihnen eine Passage nach Altdorf zu einem Spottpreis aus den Rippen zu leiern (den Erlös setzten sie auch umgehend in der Taverne wieder um). Die übrigen Gäste – ein Student, ein Falschspieler sowie eine hochnäsige Adelige samt Zofe und muffeliger Leibwächterin – werden ab morgen unsere Reisegefährten sein. Kurz bevor unsere Ohren aufgrund des nimmerstoppenden Gelabers des Wirtes zu bluten begannen, zogen wir uns auf unser Vierbettzimmer zurück. Bernard, noch immer ganz der willen- und sprachlose Zombie, hätte ein warmes und weiches Bett ohnehin nicht zu schätzen gewusst, und erwartungsgemäß akzeptierte er klaglos sein Nachtlager auf dem blanken Fußboden...
Drantos:
Weiter gehts, die "tapferen Helden" stolpern über Mutanten, eine ausgeraubte Kutsche und schaffen es schließlich in Altdorf als Mörder gesucht zu werden...
Warnung ! Der kommende Spielbericht behandelt das Abenteuer "Mistaken Identity" aus der "Enemy wthin" Kampagne und ist voller Spoiler.
6. Für einen Mund voll Pferdemist
Nach einer erholsamen Nacht begaben wir uns ausgeruht in die Schankstube. Nur Bernard schien ein wenig steif in den Gelenken. Nach einem Frühstück, während dessen Verlauf der ohne Pause lamentierende Wirt die gerade verheilten Wunden in unseren Trommelfellen wieder zum Bluten brachte, waren eigentlich alle zur Abreise bereit. Es fehlte jedoch ein entscheidendes Element an der Kutsche: Die Kutscher! Aus dem Spalt unter der Tür von ihrem Zimmer drang (neben einer übelriechenden Wolke aus Schweiß, Alkoholdunst und Verdauungsgasen) lautes Schnarchen. Wir hätten ihnen das Geld für unsere Passage wohl lieber erst bei Fahrtantritt geben sollen, dann hätten sie es erst beim nächsten Halt in geistreiche Getränke umsetzen können.
Kurz entschlossen pochte ich laut mit meinem Knüppel gegen die Tür. Als nach einigen Schlägen unwilliges Murren und Rülpsen dahinter erklang, verduftete ich wieder rasch nach unten. Einige Zeit später wankten auch die beiden Kutscher die Treppe hinunter. Da beide scheinbar nicht in der Verfassung waren, feste Nahrung zu sich zu nehmen, hofften wir auf eine baldige Abreise. Alle nahmen ihre Plätze ein; mit Ausnahme von Magnus mussten wir alle auf dem Dach Platz nehmen. Nach einem halbstündigen Bierschiss waren unsere Fahrer dann auch schon so weit, und los ging die wilde Fahrt.
Im Schritttempo.
Wir waren uns uneins darüber, ob wir froh sein sollten oder nicht; einerseits war die Wahrscheinlichkeit, dass der immer noch volltrunkene Kutscher uns bei dieser Reisegeschwindigkeit ins Verderben steuern würde, recht gering. Andererseits würden wir unser Ziel schneller erreichen, wenn wir absteigen und neben der Kutsche herlaufen würden. Als unser Fahrer dann plötzlich zurücksackte und schnarchend rückwärts zwischen uns fiel, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopfe, die Zügel mit den Händen und nahm auf dem Kutschbock Platz. Fortan ging die Reise schneller voran. Allerdings bedeutete dies auch, dass wir nur umso schneller von dem einsetzenden Dauerregen durchnässt wurden; selbst Answald, der sich cleverer weise (hätte man ihm gar nicht zugetraut) in eine Pferdedecke gehüllt hatte, blieb nur wenige Augenblicke länger geschützt als der Rest.
Nach einigen Stunden ließ das Unwetter nach. Die Straße folgte einer langgezogenen Rechtskurve. Einige Meter voraus sah ich einen regungslosen Körper in dem Livree eines Kutschers am Wegesrand liegen; eine zerzauste Gestalt beugte sich über den Körper des Mannes. Vom Hufgetrappel unserer Pferde aufgeschreckt, drehte sich die Gestalt plötzlich um und rannte brüllend auf uns zu. Entsetzen breitete sich wie Eis in meinen Eingeweiden aus: Zerfetzte Haut hing von Gesicht und Armen des Angreifers, und der abgerissene Unterarm des armen Kutschers, an dem sich die Kreatur offenbar sattzufressen gedachte, baumelte aus ihrem Mundwinkel heraus und schlug im Laufen immer wieder gegen ihren vereiterten Hals. Ich versuchte, die Pferde zum Galopp anzutreiben und das Monster zu überfahren, doch die Tiere bäumten sich laut wiehernd auf, rissen die Aufhängung zur Kutsche los und brachen durch die Büsche in den Wald. Vor lauter Schreck umklammerte ich die Zügel und wurde mit fortgerissen, bis ich auf dem harten Boden aufschlug und benommen ins Gebüsch kullerte.
Die Kutsche kippte glücklicherweise nicht um, sondern rollte auf dem Seitenstreifen aus. Answald und Richard sprangen sofort vom Dach hinab und stellten sich dem heranrasenden Mutanten in den Weg. Answald holte mit seiner mächtigen Axt aus, um den Gegner wie üblich vom Scheitel bis zur Sohle zu spalten, doch plötzlich froren seine Bewegungen ein. Richard sprang beherzt dazwischen und hieb auf den Gegner ein, bis dieser sich nicht mehr rührte. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, hörte ich gerade noch, wie Answald stotterte, dass er das Monster kenne; es sehe genauso aus wie ein befreundeter Waldarbeiter, der vor einem Jahr unter mysteriösen Umständen verschwunden war. Somit war sein Schicksal nunmehr wohl aufgeklärt.
Plötzlich erklang ein Knurren ein Stück weiter die Straße voraus. Die Tatsache, dass die zu dem toten Kutscher dazugehörige Kutsche fehlte und das erschlagene Monster keine Armbrust dabei hatte, die den Bolzen im Kopf des Toten erklären würde, ließ schlimmes ahnen. Bernard war derweil vorausgeschlichen und kam kurz darauf schreckensbleich und mit zwar befürchteter, aber dennoch beunruhigender Kunde zurück: Am Ende der Kurve lag die Kutsche des Unglücklichen umgekippt mitten auf dem Weg und blockierte diesen; doch damit nicht genug, weitere fünf muskelbepackte Mutanten vergnügten sich gerade damit, die Zugpferde mit ihren Waffen zu Brei zu schlagen und sich an den Körpern der Kutscheninsassen sattzufressen, wobei sie hier auch nicht vor Kindern haltmachten!
Hitzige Diskussionen entbrannten, was denn nun zu tun sei; während einige den Toten zur Hilfe eilen (was soll das für einen Sinn machen?) und die Mutanten frontal angreifen wollten, waren andere dafür sich im Schutze der Kutsche zu verschanzen. Richard und ich eilten zunächst den entflohenen Pferden nach, denn ohne sie wären wir ohnehin verloren. Auf einer Lichtung konnten wir sie schließlich finden und einfangen.
Als wir zur Kutsche zurückkehrten, war die Entscheidungsfindung noch nicht wirklich vorangeschritten. Es hatten sich lediglich ein paar Fakten herauskristallisiert: So litt die adelige Zimtzicke samt ihrem Gefolge offenbar unter Größenwahn, wollte sie uns doch befehlen, dass wir die Gegner erschlagen, das Hindernis beseitigen und die Reise fortsetzen sollten. Das schallende Gelächter von meinen Kameraden und mir ließ ihre Gesichtszüge derart entgleisen, dass ich eine ganze Goldkrone dafür zahlen würde, es noch einmal sehen zu können. Zudem stellte sich heraus, dass der bretonische Falschspieler zwar über zwei imposant aussehende Pistolen verfügte, jedoch offenbar nicht den Mut besaß, sich einem Gegner direkt zu stellen, sondern vorgab, die Kutsche samt der hochwohlgeborenen Insassin (die ihm abgesehen von der doch sehr theoretischen Möglichkeit einer heißen Romanze scheißegal war) beschützen zu wollen. Auch die beiden Kutscher ließen wenig von der Abgebrühtheit und Kampfbereitschaft erkennen, die den Männern ihres Gewerbes nachgesagt wird.
Die Entscheidung bezüglich des weiteren Vorgehens wurde uns allerdings abgenommen, als ein Bolzen aus dem Gebüsch herauszischte und mir mit einem schmatzenden Geräusch einen neuen und sehr schmerzhaften Scheitel zog. Scheinbar hatten die Mutanten uns gewittert und waren kurz entschlossen zum Angriff übergegangen; während ein wie ein Reptil geschuppter Unhold Armbrustbolzen aus den Büschen heraus verschoss, stürmten weitere Missgeburten auf uns zu. Der erste hatte einen nur apfelgroßen Kopf auf seinem muskulösen Gewichtheberkörper. Auf laut klappernden Hufen trabte sein Genosse auf uns zu, und der Kopf des dritten Angreifers lief nach oben hin spitz zu, fast so wie eine Kirchturmspitze. Answald rannte brüllend und Axt schwingend auf die Feinde zu, und der Rest von uns folgte ihm wohl oder übel.
So furchterregend die Mutanten auch aussahen, im nun folgenden Gemetzel hatten sie keine Chance. Zwar mussten auch wir gehörig einstecken, doch schon bald brach der erste Feind unter Answalds wütenden Axthieben zu Boden. Mit meinem Streitkolben klopfte ich Spitzkopf die Kopfspitze platt, und Magnus brachte das Kunststück fertig, die winzige Denkmurmel von dem kleinköpfigen Mutanten mit seinem Stab aufzuspießen. Der geschuppte Schütze im Gebüsch floh und wurde vom übermotivierten Answald und dem etwas unglücklich hinterher laufenden Bernard ins Unterholz verfolgt.
Nachdem die Kutsche wieder angespannt war, fuhren wir vor bis zum Wrack, das den Weg versperrte. Hier trafen wir wieder auf Answald und Bernard, die neben einer der Leichen standen und zu Salzsäulen erstarrt waren. Als ich sie fragte, ob sie einen Geist gesehen hätten fuhren sie erschrocken herum und wurden noch bleicher. Ein Blick in das Gesicht des Toten offenbarte den Grund für ihren Schrecken: Der Mann sah mir zum verwechseln ähnlich! Folglich war es auch meine Pflicht, ihn seiner Besitztümer zu erleichtern, welche leider nur aus zwei Briefen bestanden. Diese steckte ich ein, um sie mir später von Magnus vorlesen zu lassen.
Nachdem wir die zerstörte Kutsche zur Seite gewuchtet hatten, ging unsere Reise störungsfrei weiter zum Gasthaus „Zu den sieben Sprichwörtern“, welches wir gegen Abend erreichten. Hier ergab sich glücklicherweise die Gelegenheit für unsere Mitreisenden, eine andere Kutsche nach Altdorf zu buchen; offenbar waren sie unsere Gesellschaft leid, und man kann wohl mit Recht sagen, dass dies auf Gegenseitigkeit beruhte.
Nach dem Abendessen gab ich Magnus auf unserer Stube die Briefe zum Lesen. Der Name meines Doppelgängers war Kastor Lieberung, und den Schreiben zufolge war er auf dem Weg nach Bögenhafen, um dort ein nicht unwesentliches (um nicht zu sagen sehr umfangreiches) Erbe anzutreten! Magnus und ich teilten ein Grinsen, welches unsere Köpfe gespalten hätte, wäre es nicht von den Ohren aufgehalten worden. Der Aufruf des Kronprinzen von Tassenik zu seinem Unternehmen in den Grey Mountains war ja ohnehin nicht sonderlich anziehend, und auch die Spur von dem Verräter Jörg Trautstein war eigentlich schon zu kalt, um ihr zu folgen. Diese Erbschaft, die ich mit ein wenig schauspielerischem Geschick bestimmt einheimsen konnte, versprach einen viel größeren Lohn bei gleichzeitig geringerem Aufwand und weniger Gefahr (so hoffte ich wenigstens...). Die übrigen Kameraden waren mit uns einer Meinung, und so setzten wir unsere Reise nach Altdorf am nächsten Morgen mit frohem Mute (und auf den freigewordenen Sitzplätzen im Kutscheninneren erheblich komfortabler) fort.
Gegen Abend kamen wir an unserem Ziel an. Wir stiegen aus der Kutsche, doch noch bevor wir die Hauptstadt mit all ihren Sehenswürdigkeiten wie dem Imperialen Palast oder den Magierakademien bewundern konnten, fielen uns zwei zwielichtige Gestalten auf, die man aufgrund ihrer Statur am besten als Dick und Doof beschreiben konnte. Sie starrten mich unverhohlen an und machten scheinbar irgendwelche Geheimzeichen, die ich jedoch nicht deuten konnte. Ob sie mich mit meinem Doppelgänger verwechselten? Magnus trat forsch vor und sprach die Männer an; sie drucksten ein wenig herum und folgten dann schließlich einer finster aussehenden Gestalt mit Mantel und Schlapphut in ein nahegelegenes Gebäude.
Magnus, der ja schon mal in Altdorf war, führte uns schließlich zu einer seiner Lieblingsspelunken. Doch noch auf halbem Wege dorthin wurde er von einem alten Flussschiffer erkannt und freudig begrüßt; es war der alte Josef Quartjen, ein Freund von Magnus' Vater. Mit ihm gingen wir in eine Hafenkneipe. Auf dem Weg erzählte er uns, dass er – wie es der Zufall will – eine Weinlieferung nach Bögenhafen habe, und so heuerten wir für den nächsten Tag an.
In der Kneipe ging es hoch her, und wir becherten ordentlich. Plötzlich flog die Tür auf, und ein narbengesichtiger Schlägertyp kam herein. Sofort wurden die Gespräche leiser, und alle versuchten tapfer, den Hünen zu ignorieren. Es handelte sich um den berüchtigten Schläger Max Ernst, und alle waren froh, als er sich an einen abgelegenen Tisch setzte und mit einer Flasche Schnaps beschäftigte.
Nach einer Weile kehrte wieder Normalität ein, und Josef gab ein paar (eigentlich nur für den Betroffenen) peinliche Details aus Magnus' Kindheit preis. Schallend lachten wir auf Kosten unseres Glühwürmchenbändigers, bis zu dem Punkt, an dem Josef die magische Ausbildung von Magnus bei dem Zauberer Blitzen ansprach. Noch bevor die Bedeutung dieser Worte in unsere vom Alkohol vernebelten Hirne einsinken konnte, flog die Tür erneut auf. Diesmal torkelten zwei adelige Jünglinge herein. Sie begannen, die Anwesenden zu provozieren und zu drangsalieren. Eigentlich hätten sie furchtbar den Frack vollgehauen bekommen – wären da nicht ihre vier schwer gepanzerten und bewaffneten Leibwächter gewesen! So ließen alle die Pöbeleien über sich ergehen. Selbst Answald gelang es sich zu beherrschen – bis die beiden Kröten Mist bringen ließen und versuchten, Answald zum Essen desselben zu überreden. Als er sich weigerte, sprang Max Ernst von seinem Stuhl auf, da er offenbar Gefallen an der Idee des Scheiße fressenden Holzfällers gefunden hatte. Answald rammte ihm die Donnerbüchse, die er tags zuvor den schlaffen Fingern des toten Kutschers entnommen hatte, in den Leib und betätigte den Abzug. Ich drehte meinen Kopf weg, um nicht allzu viel Blut und Eingeweide ins Gesicht zu bekommen, doch außer einem lauten „Klick!“, gefolgt von absoluter Stille, geschah nichts.
Allzu lange hielt die Stille freilich nicht an; ein dumpfer Schlag, gefolgt vom Plumpsen eines fallenden Körpers und dem Japsen Answalds, ließen mich meinen Kopf wieder dem Schauspiel zuwenden. Mit einem Leberhaken hatte Max den armen Answald gefällt, und nun schob er ihm mit der Stiefelspitze Pferdemist in den Mund! Wenigstens trollte sich der Schläger anschließend aus der Kneipe, und auch die beiden feinen Pinkel verabschiedeten sich nach einer Weile mitsamt ihren Gorillas. Ich folgte ihnen ein kleines Stück und bewarf sie schließlich aus der Deckung heraus mit ein paar Pferdeäpfeln, doch konnte sie leider nicht treffen.
Als ich in die Kneipe zurückkehrte, spülte Answald gerade die letzten Brocken mit Schnaps aus seinem Mund, und die Feier ging weiter, als sei nichts gewesen. Schließlich hatten alle genug, und wir folgten Josef hinaus und zu seinem Boot, auf dem wir die Nacht verbringen wollten. Bernard, der sich mit Trinken zurückgehalten hatte, bemerkte schließlich Verfolger. Er blieb zurück, um zu sehen, wer uns dort hinterherschlich. Als wir aus der Entfernung das zweifache Schnalzen einer Armbrustsehne hörten, eilten wir zurück – und fanden Bernard neben den Leichen von Dick und Doof vom Marktplatz stehend wieder. Beiden Toten ragte ein Bolzen aus den hässlichen Visagen. Bernard hatte den Schützen nicht gesehen. Leider fanden sich keine Hinweise auf ihre Identität bei der Durchsuchung der Leichen, und so entsorgten wir sie im Kanal, bevor wir den Weg zu Josefs Schiff fortsetzten. Hier wurden wir kurz mit Josefs Besatzung, dem Paar Wolma und Gilda samt ihrem Säugling, bekannt gemacht, und fielen sodann erschöpft in unsere Hängematten.
Früh am nächsten Morgen weckte uns Josef mit der Kunde, dass wir von den Stadtwachen gesucht werden. Einer der feinen Pinkel vom gestrigen Abend war wohl im Rahmen seiner Pöbeltour in einen Hinterhalt geraten und getötet worden, und die letzten bekannten Opfer des jungen Adeligen, die auf Rache aus sein könnten, waren nun mal wir. Also machten wir sofort die Leinen los, verbargen uns unter Deck und schipperten los. Erst als wir durch die Schleuse hindurch und im Weißbruckkanal waren, welcher uns zum Bögenfluß führen sollte, machte sich langsam Entspannung breit.
Die erste Nacht rasteten wir an der Anlegestelle beim Gasthof „Jürgens Weiler“. Sicherheitshalber schliefen wir an Bord und stellten Nachtwachen auf. Während Answalds Wache brach auf Deck plötzlich ein Tumult aus. Als wir aus dem Laderaum hinaufstürzten, hörten wir nur noch ein lautes Platschen. Answald stand selbstzufrieden an der Reling, seine mit frischem Blut besudelte Axt in der Hand. Er hatte eine Gestalt bemerkt, die über das Ankertau an Bord klettern wollte, und diese kurzerhand mit einem beherzten Axthieb wieder ins Wasser befördert. Der Rest der Nacht verlief ereignislos.
Am nächsten Tage verlief die Reise ruhig weiter. Josef erzählte uns, dass wir bereits weit genug von Altdorf weg seien, niemand würde uns mehr suchen. Trotzdem stellten wir in der Nacht Wachen auf, doch niemand bemerkte etwas Außergewöhnliches.
Auch der dritte Tag verlief zunächst ereignislos. Jedoch wurde Bernard nach dem Mittagessen plötzlich kreidebleich und hielt sich, vor Schmerzen zusammengekrümmt, seinen Leib. Er erkannte seine Symptome als die einer Vergiftung, und nur das Gegengift, welches Answald in seinem Bündel hatte, rettete ihm das Leben. Nach etwas Überlegung fiel uns auf, dass Bernard als einziger von der Fischsoße gegessen hatte. Diese musste vergiftet worden sein, doch von wem? Ein Verdacht bezüglich der Täterschaft drängte sich am Abend auf, als wir die Stadt Weißbruck erreichten und an der Schleuse in den Bögen anlegten: An der Wand des dortigen Gasthofes „Zum Schwarzen Gold“ lehnte eine Gestalt: Der finstere Begleiter von den (mehr oder weniger) seligen Dick und Doof, den wir an der Kutschstation gesehen hatten! Seine Armbrust locker geschultert, starrte er uns unverhohlen an und ging schließlich ins Innere der Gaststätte.
So langsam beschlich mich der Verdacht, dass die Sache mit der Erbschaft doch nicht so unkompliziert vonstattengehen würde, wie wir zunächst gehofft hatten...
Drantos:
Auf dem Weg nach Bögenhafen werden unsere Protagonisten von Kopfgeldjägern, geheimnisvollen Meuchelmördern und ihrem eigenen Ungeschick behindert. Zudem stellt sich heraus, dass erben schwieriger ist, als man denkt.
Warnung ! Der kommende Spielbericht behandelt das Abenteuer "Shadows over Bögenhafen" aus der "Enemy within" Kampagne und ist voller Spoiler.
7. Sterben statt Erben!
Es bestand kein Zweifel, dass es sich bei der dunkel gekleideten Gestalt um den Kerl handelte, den wir am Platz in Altdorf sahen: Die Strangnarbe an seinem Hals identifizierte ihn eindeutig! Wir folgten ihm in die Taverne „Zum Schwarzen Gold“. Als wir jedoch den Schankraum betraten, war von dem Mann weit und breit nichts zu sehen. So setzten wir uns erst mal und bestellten Trank, Speise und ein Zimmer für die Nacht. Die Bedienung konnte uns verraten, dass es sich bei der finsteren Gestalt um den Kopfgeldjäger Adolphus Kuftu handele, welcher seit gestern in der Stadt herumlungere.
Nach einer kleinen Shoppingtour bezogen wir unsere Zimmer. Magnus hatte dann einen cleveren Vorschlag: Nun, wo jeder dachte, wir würden im Gasthaus nächtigen, könnten wir ja zurück aufs Schiff schleichen und dort schlafen. Zum einen würden dann nächtliche Besucher dumm aus der Wäsche schauen, wenn sie unsere leeren Betten vorfänden; zum anderen waren da ja noch Josef und seine Besatzung, die bei einem Angriff auf das Boot nicht viel Gegenwehr leisten konnten.
Wir kletterten im Dunkeln aus dem Fenster hinaus und schlichen zum Hafenvorplatz. Plötzlich hielt Magnus uns zurück: Seine unglaublich sensiblen Augen hatte schon wieder etwas wahrgenommen, das sonst keiner sah: An einer Hauswand zu unserer Rechten lehnte eine bullige Gestalt und beobachtete das (nicht mehr vorhandene) Treiben auf der Straße. Nach einigen Diskussionen konnten Richard und ich in dem Mann keine Bedrohung erkennen; schließlich war es ja nicht verboten, abends ein wenig draußen zu sitzen, und so gingen wir rasch hinüber zum Boot. Eine Fehleinschätzung, wie ich zu meinem Bedauern leider zugeben muss.
Auf halbem Wege erklang ein lautes Scheppern, gefolgt von unbändigen Flüchen, die selbst den abgebrühtesten Halunken vor Scham hätten erblassen lassen: Answald hatte versucht, sich an den Unbekannten anzuschleichen. Jedoch verlor er scheinbar den Überblick über seine beiden Füße und warf beim nun folgenden Sturz unerklärlicherweise die Arme nach hinten, anstatt sich vorne abzustützen. Jedenfalls bekam der Pflasterstein, auf dem Answald die Wucht seines Sturzes mit dem Schneidezahn abfing, einen tiefen Sprung, und auch das Gebiss unseres Holzfällers überstand den Moment nicht unbeschadet. Schon nach kurzer Zeit waren seine wilden Flüche zum Glück aufgrund der rasch einsetzenden Schwellung nur noch zur Hälfte verständlich. Trotzdem rannte der Unbekannte, der vor Schreck wie von der Tarantel gestochen aufgesprungen war, den Kanal entlang hinfort, als sei er ein Dreiarmiger auf der Flucht vor einem Rudel Hexenjäger.
Richard und ich verbargen uns abwechselnd an Deck, um Wache zu halten. Magnus und Bernard beobachteten das Boot weiterhin aus den Schatten der Hafengebäude heraus. Der stark übellaunige Answald verzog sich mürrisch, nachdem er sein geschundenes Gesicht im Wasser notdürftig gereinigt hatte, unter Deck und verkroch sich in seiner Hängematte.
Während Richards Wache erscholl plötzlich ein Klirren auf Deck, und plötzlich stand das Führerhaus des Bootes in Flammen – jemand hatte eine Brandbombe geworfen! Ich eilte an Deck und sah drei Angreifer auf unser Boot klettern. Richard konnte die Männer – unter denen sich der Kerl von eben befand – nur mit Mühe zurückhalten. Erst als vom Ufer her Magnus und Bernard in den Kampf eingriffen und auch ich meinen Streitkolben auf einen der Angreifer hinab sausen ließ, begann der Kampf zu unseren Gunsten zu verlaufen. Nachdem Bernard und Magnus einen der Männer erschlagen und auch Richard und ich unseren Gegner niedergerungen hatten, erschien endlich Answald, zornig über die Störung seiner Nachtruhe laut brüllend, im brennenden Eingang zur Kajüte. Der Anblick war scheinbar so furchterregend, dass der letzte verbleibende Angreifer seine Waffe fallen ließ und mit einem Satz in den schwarzen Fluten des Weißbruckkanals verschwand.
Noch während wir uns umwandten, um Josef und der Crew beim Löschen zu helfen, drang endlich das schon einige Male erklungene Schnalzen einer Armbrustsehne zu uns durch: Schon während des gesamten Kampfes waren wir aus dem Hinterhalt heraus beschossen worden; es war nur unserem Glück zu verdanken, dass noch keiner der Bolzen ein Ziel gefunden hatte! Doch zumindest für Bernard endete dieses Glück vorerst: Hart schlug er auf dem Pflaster auf, als ein Bolzen in seine Brust einschlug. Kurz darauf traf ein zweites Geschoß den Kopf des Hilflosen. Fassungslos starrten wir den nun reglosen Körper an. Magnus stürmte zornig brüllend voraus in die Richtung, in der er den Schützen vermutete, und der Rest von uns folgte ihm kurz darauf.
Die Vermutung war richtig: Vom Dach der Spelunke „Schwarze Katze“ sprang Adolphus, die Armbrust auf dem Rücken und sein Schwert in der Hand. Er teilte kräftig aus, und wir mussten so manchen Hieb einstecken, bis es mal wieder Answald war, der dem Gegner mit zornigem Brüllen die Axt in den Unterleib schmetterte. Noch während der Körper des Kopfgeldjägers leblos zu Boden fiel, riss er seine Waffe mit einem wütenden Ruck aus dem Bauch heraus, und ein Schauerregen aus Blut, Gedärm und Eingeweiden regnete auf uns herab. Bernard, wie durch ein Wunder doch nicht so schlimm verletzt wie es zunächst den Anschein hatte, torkelte benommen zu uns herüber und nuschelte mit einem Blick auf den zerstörten Leib Adolphus', dass er bei solchen Verletzungen aber auch nichts mehr machen könne.
Rasch durchsuchte ich den Mann. Außer ein wenig Kleingeld und ein paar Handschellen fand ich einen Brief. Magnus las uns später vor, dass darin ein gewisser Q.F. Adolphus mitteilte, dass mein Doppelgänger Lieberung auf dem Weg nach Altdorf sei. Rasch ließ ich Geld und Brief unter meinem Hemd verschwinden als pünktlich zur Beendigung der Feindseligkeiten die Wache angetrabt kam. Nach einigem Hin und Her konnten wir sie schließlich davon überzeugen, dass wir uns nur gegen die Angreifer gewehrt hatten; der Hauptmann der Wache identifizierte die Kumpane Adolphus' auch prompt als lokale Kriminelle, denen niemand nachweinen würde. Murrend schafften die Soldaten die Leichen zum Morrtempel, und wir versuchten es mit ein wenig Nachtruhe auf dem mittlerweile gelöschten Schiff.
Es war schon wieder Richards Wache, als von oben ein gedämpftes Poltern erklang. Noch während ich schlaftrunken blinzelte, bewegte sich eine schwarz gekleidete und vermummte Gestalt lautlos in unseren Schlafraum – in der Hand einen Dolch, von dessen geschwärzter Klinge dunkelgrünes Gift und frisches rotes Blut troff! Reflexartig hieb ich mit meinem Streitkolben in Richtung des Angreifers. Der Schock Muss mir ungeahnte Kräfte verliehen haben, jedenfalls richtete meine Waffe eine Verwüstung mit dem Schädel der Gestalt an, wie wir sie bislang nur von der Axt Answalds kannten, und sie brach ohne einen Laut von sich zu geben zusammen. Unter der Maske verbarg sich das Gesicht einer (vor dem Kontakt zu meinem Streitkolben) recht hübschen jungen Frau. Den Giftdolch im Blick, rannten meine Kameraden hoch zu Richard – er lag leblos an Deck, ein kleiner Schnitt an der Wange die einzige Verletzung, die ihm die Meuchelmörderin beigebracht hatte. Zum Glück konnten wir im Bündel der Frau eine Phiole mit dem Gegengift entdecken, nach dessen Verabreichung sich Richard auch rasch erholte. Wie auch ihre Verbündeten hatte die Angreiferin keinen Hinweis auf ihre Identität oder Auftraggeber bei sich. Nur die Tätowierung einer purpurnen Hand zierte ihre Hüfte.
Josef kam die Vielzahl der Konfliktsituationen, die sich in unserer unmittelbaren Nähe ereigneten, langsam verdächtig vor. Folgerichtig verbrachte er die nächste Nacht (nach einer ereignislosen Tagesreise durch die Schleuse und den Bögen) nicht an Bord seines Schiffes, sondern bei einem befreundeten Bauern. Seine Besatzung folgte seinem Beispiel, und so hatten wir das Schiff für uns allein. Wir hielten doppelte Wachen, doch nichts geschah. Scheinbar hatte sich die Zahl unserer Feinde nach den Todesfällen am Vorabend derart reduziert, dass zunächst keine weiteren Angriffe zu befürchten waren. Dies wurde bestätigt, als auch am nächsten Tag nichts Ungewöhnliches vorfiel.
Am Tage drei nach der Weißbruck'schen Nacht des Blutes erreichten wir um die Mittagszeit Bögenhafen. Hier löschte Josef seine Ladung (diesmal im seemännischen Sinne), während wir loszogen, um sowohl in Sachen Erbschaft weiterzukommen als auch uns auf dem großen Fest zu vergnügen. Jedoch scheiterte unser erstes Vorhaben schon an einem ganz banalen Problem: Keiner konnte uns sagen, wo wir die Notare finden konnten. Weder ihre Namen noch die Anschrift waren den Befragten geläufig. Bei der Stadtwache empfahl man uns, den Ratsherrn Richter zu fragen. Dieser sei auf dem Festplatz zu finden. Also ging es nun über den großen Festplatz vor den Stadtmauern, wo der Viehmarkt gerade in vollem Gange war. Am Zelt mit dem Wappen der Stadt angekommen, versperrten uns zunächst die Wachen den Weg. Jedoch wurden der „Gelehrte Magnus Domus und sein Gefolge“ eingelassen, nachdem wir das bei allen Jahrmarktsattraktionen übliche Eintrittsgeld entrichtet hatten. Jedoch brachte uns dieser Aufwand keinen Schritt weiter. Doch, etwas war nun gewiss: Da auch der Ratsherr die Namen der Anwälte noch nie gehört hatte und es die im Briefkopf genannte Adresse definitiv nicht gab, konnten wir nun sicher sein, dass der Brief meines Doppelgängers eine Fälschung war und irgendjemand auf Kosten des verblichenen Kastor Lieberung... ja, was nur erreichen wollte? Das war hier die Frage.
Doch einen Hinweis hatten wir noch: die Druckerei Schulz & Friedman, die den gedruckten Briefkopf hergestellt hatte! Es handelte sich um einen Betrieb in einem besseren Stadtviertel in der Fuhrlohnstraße. Magnus und Richard gingen in das Gebäude hinein und fragten sich zu einem der Firmeninhaber durch. Unter dem Vorwand, einen größeren Auftrag zu haben, gelang es Magnus dann auch, dem Inhaber ein paar Informationen aus der Nase zu ziehen: Der Briefkopf war von unserem Freund Adolphus, möge seine stinkende Seele im hintersten Winkel der Hölle verrotten, vor einigen Wochen in Auftrag gegeben und abgeholt worden.
So hatte sich der Kreis zwar zum Teil geschlossen, aber wirklich schlauer waren wir trotzdem nicht.
Warum nahm ein Kopfgeldjäger die Mühe auf sich, meinen Doppelgänger durch das halbe Imperium nach Bögenhafen zu locken?
Und warum erfolgten auf halbem Wege (und nicht etwa schon in Altdorf oder erst hier am Zielort) Anschläge auf unsere Gruppe?
Waren wir etwa alle nur Teil eines großen Spieles, welches uns unser Handeln nach den durch einen mächtigen Gott festgelegten Abfolgen aufzwang?
Waren wir überhaupt freien Willens, oder wurden all unsere Handlungen durch mächtige Wesen gesteuert, die lachend und Chips fressend auf einem Dachboden um einen Tisch herum saßen und sich über uns kleine Wichte amüsierten?
Da wir von all diesen quälenden Fragen ohnehin schon Kopfschmerzen bekommen hatten, kam es nun auch nicht mehr drauf an; wir mischten uns unter das Volk und feierten mit Wein, Weib und Gesang bis weit in die Nacht hinein. Dafür reichte unser Vermögen nämlich auch ohne die doofe Erbschaft, die keine war!
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