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[Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")

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Bad Horse:
Aaaaaaah!  >;D

Timberwere:
Jahaa. :D Ein gewöhnliches "Mierda" schien mir in diesem Falle einfach etwas unter-angemessen. :P

Timberwere:
Hier erstmal ein wenig "Zwischengeplänkel", ehe es mit dem eigentlichen "Side Job" losgeht.

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Ricardos Tagebuch: Something Borrowed 1

07. April. Das war ein grüblerisches Ostern diesmal.

Ich bin zu den Jungs mit dem Problem. Natürlich bin ich zu den Jungs mit dem Problem; alleine schaffe ich das nicht. Und, bless them, sie haben versprochen, dass sie darüber nachdenken werden, ob sie nicht vielleicht den einen oder anderen passenden Kandidaten kennen, den man mal vorsichtig ansprechen könnte.

Außerdem war ich beim Coral Castle – wohlweislich ohne Totilas – und sprach mit den Guardians. Die gepanzerten Geister versicherten mir, dass es durchaus über die Jahrhunderte etliche Freiwillige in ihren Reihen gegeben habe und dass ein solches freiwilliges Opfer die Wirksamkeit des Rituals tatsächlich auf 7 Jahre ausdehnte. Nicht, dass ich Eileen nicht geglaubt hätte, aber das von den Guardians selbst zu hören, war mir doch auch enorm wichtig.

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09. April

Mir ist jemand eingefallen, cielo perdoname.

Ich stehe seit einiger Zeit in lockerem Kontakt mit einem jungen Mann. Wobei der so jung eigentlich gar nicht mehr ist, wenn man es genau nimmt. Anfang, Mitte Dreißig vielleicht, so ungefähr mein eigenes Alter. Ein bisschen älter.
Kennengelernt habe ich ihn über ein Forum, wo er unter dem Nickname „Megafan37“ postete und sich tatsächlich als überaus interessiert an und sachkundig in bezug auf meine Bücher herausstellte. Irgendwann, nachdem er mitbekommen hatte, dass der Autor der Eric-Albarn-Romane selbst in dem Forum mitpostete, kamen wir ins Gespräch – erst in den Threads selbst, dann per privater Nachricht. Und so pflegen wir seit einer ganzen Weile eine lockere, freundliche Korrespondenz, inzwischen auch per echter Briefpost.

Duane heißt dieser Brieffreund, und der arme Kerl hat es im Leben ziemlich übel getroffen. Ich will jetzt nicht sagen, dass meine Bücher das einzige sind, das ihn aufrecht erhält, das wäre gar zu pathetisch, aber er ist schwer krank und Lesen ganz allgemein eine der wenigen Vergnügungen, die er hat. Dass die Eric-Albarn-Reihe zu seinen absoluten Lieblingsbüchern gehört, war mir anfangs beinahe ein wenig peinlich, freut mich aber natürlich sehr.

Jedenfalls. Duane. Ich traue mich kaum, den Gedanken zuende zu denken, denn auch wenn er schon öfter gesagt hat, dass er eigentlich nicht mehr leben möchte, dass er sogar schon erste Erkundigungen eingezogen hat, wie das in Belgien oder der Schweiz mit entsprechenden Programmen zum begleiteten Sterben aussieht, wäre es doch etwas ganz anderes, wenn so ein Vorschlag von mir kommt.

Ich meine, auch wenn Duane in unserer Korrespondenz trotz seines Forums-Nickname jetzt nicht gerade den Eindruck des durchgeknallten Fans à la Misery auf mich macht, kann ich doch nicht ganz ausschließen, dass er nicht in einem Anfall von für-meinen-Lieblingsautor-würde-ich-alles-tun eine Schnellschussentscheidung treffen würde.

Oh, Madre. Ich werde ihn ansprechen, natürlich werde ich das, er ist – cielo, wie das klingt – im Prinzip ein idealer Kandidat, aber... puh.

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10. April

Ich werde Duane treffen. Wir haben vorhin telefoniert. Er selbst kann nur schwer reisen, aber dann fahre ich eben zu ihm nach Virginia. Das ist nichts, was man einfach mal so schnell über das Internet – oder auch über einen geschriebenen Brief – klärt. Und auch nichts, was man einfach mal so über das Knie bricht. Bis Mittsommer ist, dem Himmel sei Dank, ja noch über zwei Monate Zeit.

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13. April

Puh. Ich weiß echt nicht, was ich ohne die Jungs machen würde. Die haben nämlich auch passende Kandidaten gefunden.

Alex kennt einen traumatisierten Veteranen des Irak-Kriegs, der nach eigener Aussage glaubt, nicht mehr lange durchhalten zu können, bis er austickt und Amok läuft oder „Suicide by Cop“ begeht, wie Steve McNeill es damals vorhatte. Alex hat den Mann angesprochen, und der klang geradezu dankbar dafür, seinem Land noch einen letzten Dienst erweisen zu können.

Eine alte Dame aus Robertos Bekanntschaft, die nie verheiratet war, keine Kinder hat und der im Leben nicht mehr viel geblieben ist, außer im Seniorenzentrum an den wöchentlichen Bingo-Abenden teilzunehmen, äußerte sich ganz ähnlich, wenn auch nicht in ganz so patriotischer Ausdrucksweise.

Und Totilas weiß um eine junge Frau, die dem White Court seit einigen Jahren als Futter dient. Sie ist noch im Besitz ihrer geistigen Kräfte, ist noch nicht so willenlos, dass ihr völlig egal ist, was mit ihr passiert, aber sie weiß, dass es irgendwann soweit kommen wird. Vor einiger Zeit hatte sie die Entourage der Raith‘ mal für eine Weile verlassen, sich selbst auf Entzug gesetzt, sozusagen, aber auch wenn Gerald Raith niemanden zwingt, kam sie doch von selbst zurück, weil sie es ohne die Zuwendungen des White Court nicht aushielt. Und hasst sich selbst dafür und für ihre Schwäche.

Mit dieser Jenny werde aber ich selbst sprechen, nicht Totilas. Es hätte zu sehr den Geschmack von White Court-Überredung, wenn der Anstoß von einem Raith käme.

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19. April

Ich bin aus Virginia zurück. Ich bin zu geschlaucht für einen langen Eintrag; nur so viel: Duane hat sich einverstanden erklärt. Er wird seine Angelegenheiten regeln und einige Tage vor Mittsommer nach Miami kommen. Vielleicht fahre ich auch nochmal hin und hole ihn ab, damit er Gesellschaft hat.

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22. Juni. 03:43 Uhr.

Es ist getan.
Und dass ich jetzt 30 Jahre alt bin, ist mir um Mitternacht zwar kurz durch den Kopf geflogen, war mir aber da – und ist es mir immer noch – gerade mal sowas von vollkommen egal.

Natürlich musste ich als Pans Erster Ritter beim Ritual der Elemente anwesend sein. Es gibt nicht viel, das ich weniger gern getan hätte, aber ich war es nicht nur meiner Ritterspflicht, sondern vor allem mir selbst schuldig. Wie hätte ich je wieder in den Spiegel schauen können, wenn ich diese vier Menschen, die sich auf meine Bitte hin freien Willens in den Tod begeben, nicht auf eben diesem Weg begleitet hätte?

Es war – vielleicht, weil es sich diesmal um Freiwillige handelte und nicht um Mordopfer – erstaunlich würdevoll. Das machte das Ganze nicht viel besser, aber ein klein wenig wohl doch, zumindest, wenn ich mir überlege, wie das die letzten Jahre ausgesehen haben muss. Was ich nach Kräften vermeide. Darüber nachdenken, wie es die letzten Jahre ausgesehen haben muss, meine ich.

Bin ich ein Weichei, wenn ich gestehe, dass ich einen Kloß im Hals hatte und die Sicht vor meinen Augen verdächtig verschwamm? Vermutlich. Aber auch das ist mir gerade ziemlich egal.

Das einzig Gute an der ganzen Sache ist, dass alle vier fest in ihrem Entschluss blieben und das Opfer tatsächlich vollkommen freiwillig erbrachten. Und das wiederum heißt, dass das Coral Castle jetzt tatsächlich für die nächsten sieben Jahre keine weiteren Guardians benötigen wird. Zumindest nicht vom Sommer. Was den Winter angeht…  Oh, Dios, perdoname. Auf Seiten des Winters wird die Praxis mit den Zwangsopfern vermutlich unverändert so weitergehen. Es sei denn… es sei denn, es gelingt mir, die Winterritterin zu kontaktieren und sie dazu zu bringen, dass sie für das Winterritual ebenfalls  Freiwillige sucht.

Ich habe das dringende Bedürfnis, zur Beichte zu gehen. Denn Freiwillige hin oder her, ich habe Menschen in den Tod geschickt, und das lastet auf mir. Aber ich weiß nicht so recht, zu wem. Vor dem Spring Break hätte ich sofort gesagt, Pater Donovan, aber seit wir den Verdacht haben, dass er vielleicht der Mittelsmann zwischen Colin und dem Red Court gewesen sein könnte, und seit Jeff sagte, dass er den Pater von irgendwoher kennt und er ihm unheimlich ist, bin ich dem Priester über nicht mehr so unvoreingenommen eingestellt, wie ich das vorher war.

Vielleicht tue ich ihm unrecht. Ich hoffe sehr, ich irre mich. Vielleicht sollte ich einfach wirklich die Gelegenheit ergreifen, mal mit ihm zu reden. Oder tatsächlich zu beichten. Dass das Sommerritual stattgefunden hat, dürfte er mit seinen Kontakten zum Paranormalen so oder so wissen, und selbst wenn er nicht zu den Guten gehören sollte, kann ich ihm damit eigentlich nichts Wesentliches verraten. Dieses Misstrauen tut mir in der Seele weh. Er ist ein Priester, ein Mann des HErrn; ihm gegenüber misstrauisch zu sein, fühlt sich einfach so falsch an.

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22. Juni, abends.

Die Jungs waren da, um mir zu gratulieren. Und sie haben mich schon vorgewarnt, dass ich zu meinem Dreißigsten nicht ohne Party davonkommen werde. Ich hingegen habe zurückgewarnt, dass ich zwar momentan gerade nicht in Feierstimmung bin, dass sich das bis nächsten Samstag aber hoffentlich geändert haben wird – solange sie nicht auf die Idee kommen, mich in irgendwelche Szeneclubs schleppen zu wollen, jedenfalls. Auf Paparazzi oder ähnliche Begegnungen dieser Art kann ich nämlich herzlich gerne verzichten.

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27. Juni

Keine Szeneclubs, keine Paparazzi. Stattdessen haben wir bei mir zuhause gefeiert. Und das war einfach rundum nett und harmonisch und vollkommen harmlos – vielleicht, weil Mittsommer jetzt doch schon wieder einige Tage her ist. Die Jungs waren da. Alejandra und Yolanda, Mamá und Papá. Jack White Eagle. Ximena. Ximena brachte Monica mit, weil die ja auch Alejandras beste Freundin ist, und da deren Mutter ihr Töchterchen verständlicherweise nicht unbegleitet auf eine Erwachsenenfeier  lassen wollte, war diese ebenfalls eingeladen. Was bitteschön kein Date mit Mrs Salcedo darstellte, wohlgemerkt. Selbst wenn ich ein derart gelagertes Interesse an Lidia hätte, was ich nicht tue: Es war schon seltsam genug, bei der Gelegenheit Dee wiederzutreffen, die Roberto als sein Date mitgebracht hatte. Das gab mir nämlich, bei aller Geburtstags- und Feierlaune, dann irgendwie doch einen gehörigen Stich.

Ansonsten zu erwähnen wäre da allerdings vielleicht noch der kleine Zwischenfall mit den Kerzen auf der Geburtstagstorte, ähem.  Mamá und Papá hatten sich schon verabschiedet, und alle anderen Anwesenden wollten uuunbedingt, dass ich die zuvor bereits ausgeblasenen Kerzen jetzt mit meinen neuen Sommerkräften nochmal entzündete. Seufz. Na gut. Die sind zwar eigentlich nicht zum Spaß da, und eigentlich setze ich sie auch so wenig wie möglich – sprich im Alltag gar nicht – ein, aber, naja, es war an dem Abend schon ein wenig Bier geflossen. Ähem, ja.  Ximena, Alejandra und Monica fanden es jedenfalls toll, wie die Flammen auf einmal emporschossen.

Ich selbst ja nun weniger, aber da die Wohnung nicht abbrannte und alles schnell gelöscht war, sehe ich das jetzt einfach als etwas Lehrgeld in Sachen „nicht mit der Sommer-Power herumspielen, Alcazár“.

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30. Juni

Heute ist mir bei unserem wöchentlichen Spielabend etwas Seltsames untergekommen. Cole aus unserer Runde hatte ein neues Regelwerk dabei, das er sich vor ein paar Tagen gekauft hat, und von dem er sehr angetan ist. Es ist eines von diesen „Indie-Spielen“ aus kleinen, unabhängigen Verlagen und mit wenig oder alternativen Regeln im Vergleich mit den Schwergewichten wie Arcanos, das wir sonst immer spielen.

„Faurelia“ hieß das Buch, das Cole dabeihatte, in der zweiten und verbesserten Edition, wie er sagte: Erweiterte Hintergrundbeschreibung, neue Nichtspielercharaktere, neues und hübscheres Artwork.

Bei dem Namen „Faurelia“ klingelten bei mir schon mal gleich sämtliche Glocken, und ich bat darum, mir das Buch etwas genauer ansehen zu dürfen. Und tatsächlich: Es handelt sich um genau das „Faurelia“, von dem ich damals geträumt habe und dessen Bewohnern wir im März erst im Nevernever begegnet sind. Und was das Aller-Interessanteste war: Eines der Bilder zeigte ein uns nur allzu bekanntes Segelschiff, und ein NSC in dem Buch hörte auf den Namen „Fritz von Wille“.

Ich glaube, jetzt wissen wir, wohin Vandermeers erster Maat sich damals abgesetzt hat… Die „Titania“ ist mit den Luftschiffen der Faurelier zurück in deren Traumwelt, und jetzt scheint er permanent dort festzusitzen. Was das für unseren holländischen Freund jetzt genau heißt, vermag ich nicht zu sagen.  Vielleicht ist der ja sogar froh darum, wenn er es erfährt – denn bescheid sagen will und werde ich ihm.

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02. Juli

Ich kann es ja nicht lassen. Ich bin heute tatsächlich hingegangen und habe mir so ein „Faurelia“-Regelwerk gekauft. Einmal, um es Hans zu zeigen, und einmal, weil es irgendwie ein schräges Andenken an die ganze Jugend-Geschichte ist.

Und ich habe in dem Forum, das der Autor hinten bei den „Inspirationen“ erwähnt hat, mal Kontakt mit dem Autor aufgenommen. Ich bin doch neugierig.

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06. Juli

Habe in dem Forum ein paar IMs mit dem Autor von „Faurelia“ ausgetauscht. Natürlich wollte bzw. konnte er nicht mehr sagen, wo genau er die Idee für das Spiel herhatte, aber als ich dann ein wenig nachhakte, kam doch heraus, dass unterem auch ein Traum die Basis für seine Ideen war – vor der ersten Edition bereits, und jetzt, kurz vor der Herausgabe der zweiten Edition, wieder. Nicht, dass ich daran gezweifelt hätte, aber nochmal diese Bestätigung zu bekommen, ist schon nicht schlecht.

Timberwere:
Anbei das Ende des Zwischengeplänkels und der Anfang des echten Side Jobs.

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Ricardos Tagebuch: Something Borrowed 2

9. Juli

Heh. Edward hat ein Aufklärungsgespräch mit mir geführt. Nicht über die Bienchen und die Blümchen, logischerweise, sondern über die Gesetze der Magie. Nicht dass ich nicht schon mitbekommen hätte, worum es dabei geht, nachdem Edward sich darüber informiert hatte, aber jetzt, wo ich selbst plötzlich mit Magie um mich werfen kann, fand er es doch wichtig, mir nochmal ganz genau und eindrücklich klar zu machen, was die Gesetze der Magie sind und was ich um Himmels willen keinesfalls tun darf. Nicht nur, weil die Todesstrafe darauf steht. Sondern auch weil, wie ich ja am Crater Lake schmerzlich lernen musste, das Brechen der Gesetze einen selbst verändert und langsam aber sicher zu einem Monstrum werden lässt.


* Einen Menschen mit Magie töten.
* Die Gestalt eines anderen Wesens verändern.
* Den Geist eines anderen Menschen beeinflussen. (Schüttel. Oh ja.)
* Einem anderen Menschen seinen Willen aufzwingen.
* Nekromantie an nicht-willigen Geistern praktizieren. (Hörst du das, Joseph Adlene?)
* Gegen den Strom der Zeit schwimmen. (Was auch immer das genau heißen mag. Zeitreisen, denke ich mal, falls das überhaupt geht. Und das Vorhersagen der Zukunft, solange es nicht sehr allgemein bleibt, erklärte Edward noch.)
* Das Erforschen von oder Eingehen eines Handels mit Wesen von jenseits der Äußeren Grenzen. (Hörst du auch das, Joseph Adlene? Ich meine, die Ober-Oneirophaga kam ja vom äußeren Rand des Nevernever, aber sie gehörte wenigstens noch zu unserer Welt, so fremdartig sie auch gewesen sein mag. Aber diese Lady der Verschlingenden Wege und der böse Jack, mit denen Adlene sich eingelassen hat... Brrrrrr.)
Wie dem auch sei. Edward konnte es gar nicht ernst genug darstellen, und ich glaube ihm jedes einzelne Wort. Ich weiß, wie wichtig das ist, und der Himmel stehe mir bei, dass ich nie eines dieser Gesetze breche, solange ich diese Magie in mir habe.

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10. Juli

Ich war bei Hurricane, nach Tanits Erster Ritterin fragen. Der gab sich ziemlich einsilbig, wollte mir nicht mal sagen, wie die Dame heißt. Immerhin versprach er mir, er werde ihr ausrichten, dass ich nach ihr gefragt habe, wenn er sie mal wieder sehen sollte. Wann auch immer das ist. Mierda.

An Pans Hof wussten sie naturgemäß auch nicht viel über mein Pendant auf Winterseiten. Der Herzog selbst fand die Ritterin vollkommen uninteressant – sie hatte offensichtlich nicht mit ihm feiern wollen –, aber Sir Anders wusste immerhin mal ihren Namen. Yahaira Montero. Schon mal etwas.

Puh. Jetzt heißt es warten und hoffen, dass Ms. Montero Hurricane irgendwann in nächster Zeit über den Weg läuft.
Das, oder... Hm. Ich könnte ihr auch schreiben. Genau. Das mache ich.

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11. Juli

Ich habe Hurricane nochmal kontaktiert und ihm den Brief an Ms. Montero übergeben. Er sagte, er werde ihn ihr zukommen lassen. Mehr kann ich nicht verlangen. Mal sehen, wann sie sich meldet.

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28. Juli

Ich bin mit Totem Rise ein gutes Stück weitergekommen. Nicht nur habe ich mich endlich auf den Titel festgelegt, sondern ich habe in letzter Zeit etliche Kapitel geschafft. Wenn es in dem Tempo weitergeht, dann steht bald die erste Rohfassung, und ich kann ans Überarbeiten gehen.

Alejandra ist auch schon ganz aufgeregt. Ein Monat noch, dann kommt sie in die Schule! Da muss ich auch noch diverse Vorbereitungen tr--

Es klopft. Am Fenster? Ich wohne im dritten Stock!

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Es war unser missgelaunter Freund, der Sturmvogel von der Insel. Wenn ich Yahaira sprechen wolle, solle ich meinen müden Arsch, äh, meine müden Knochen bewegen und mitkommen. Bitte. Na das ließ ich mir doch nicht zweimal sagen.

Der Vogel führte mich zu einer Bushaltestelle in der Nähe, wo eine eher kleine, aber sehr kompakte, Latina von Anfang bis Mitte Vierzig auf mich wartete. Was denn so dringend sei. Ich schlug vor, das vielleicht irgendwo im Sitzen zu besprechen, aber das wollte sie nicht. Also gut. Dann halt direkt dort.

Zuerst stellte ich mich mal vor, auch wenn ich das in dem Brief schon getan hatte. Höflich ist höflich. Dann erklärte ich, dass es um das Ritual der Elemente gehe. Dass ich den Job ja erst seit ganz kurzer Zeit innehabe und erfahren hätte, dass Freiwillige das Ritual wirksamer machten. Dass ich wisse, dass es im Sommer zumindest unter meinen letzten beiden Vorgängern, vielleicht auch noch länger, nicht mit Freiwilligen durchgeführt worden sei. Und dass ich – hier drückte ich mich so vorsichtig und diplomatisch aus, wie ich nur überhaupt konnte – anregen wollte, dass der Winter eventuell vielleicht auch an Freiwillige denken könne... falls das im Winter nicht ohnehin schon längst gängige Praxis sei.

Dummerweise brachte die vorsichtige Ausdrucksweise nicht sonderlich viel. Ms. Montero bügelte mich sehr brüsk und sehr ungeduldig ab, dass der Winter sich schon um sein Ritual kümmere. Das „herzlichen Dank“ musste sie nicht dazusagen, das wurde auch so deutlich. Ebenso wie klar erkennbare Unterton: Halt dich da raus, Sommertrottel. Sommertrottel, der noch völlig grün hinter den Ohren ist, dazu.

Oha. Mit Skepsis hatte ich ja gerechnet, aber, wenn ich ehrlich bin, nicht mit ganz so viel offener Verachtung. Mierda.

Irgendwie gelang es mir dann aber doch, sie ein wenig milder zu stimmen. Das brachte sie dann dazu, dass sie mir etwas freundlicher erklärte, dass sie nicht aus dem Winter-Nähkästchen plaudern könne und wolle, was irgendwelche Rituale angehe, weil, naja. Sie Winter. Ich Sommer. Verfeindete Höfe und so.

Gegen diese Argumentation konnte ich natürlich nichts einwenden – außer eben, diesen ganzen Ritterblödsinn mal beiseite zu lassen. Dass mir nichts ferner liege, als dem Winter aufdrücken zu wollen, wie er seine Rituale durchzuführen habe. Aber dass mir, Ricardo, dem Menschen, nicht dem Sommerritter, die ganze Sache ziemlich am Herzen liege und ziemlich an mir nage.

Das brachte sie zum Nachdenken. Allerdings hatte ich das Gefühl, sie muss erst einmal überlegen, was ich überhaupt damit meine. Dann tätschelte sie mir aufmunternd den Oberarm und meinte, ich werde mich schon noch daran gewöhnen. Aber dass ich mir so als Mensch keine Sorgen machen müsse. Was auch immer sie genau damit meinte.

Als ich sie das fragte, zuckte Ms. Montero nur mit den Schultern und sagte nichts weiter. Ich konnte mich nur irgendwie des Gefühls nicht erwehren, dass sie in mir irgendwie etwas sah, das sie an sich selbst erinnerte, wie sie früher war. Dass sie mich – und sich selbst – vor etwas schützen wollte. Und mich in bezug auf meine Sorge beruhigen.

Es blieb mir in dem Moment nicht viel anderes übrig, als höflich zu nicken, ihr für das Gespräch zu danken und es ansonsten dabei zu belassen. Und ich fügte noch hinzu, dass es mich gefreut habe, sie kennenzulernen, Feinde oder nicht.

Ms. Montero nickte höflich zurück und erklärte kühl, dass sie hoffe, wir würden uns so schnell nicht wieder begegnen. Aber immerhin, setzte sie nach kurzem Zögern dann noch hinzu, besser ich als der andere. Woraufhin ich mir dann doch die Frage nicht verkneifen konnte, ob sie mit meinem Vorgänger, meinen Vorgängern, viel zu tun gehabt habe.

Das würdigte sie aber keiner expliziten Antwort. Sie schnaubte nur verächtlich, sprang auf den Rücken des Sturmvogels  (¿Como demonios? Der war doch bis zu dem Moment noch klein genug gewesen, um auf ihrer Schulter zu sitzen!) und flog mit ihm davon.

Und ich konnte ihr nur nachdenklich hinterhersehen, ehe ich schließlich wieder nach Hause ging, um das alles aufzuschreiben. Und nachzudenken.

Mierda. Elendes Fehlen von Klartext! Ich will ja gern glauben, dass Ms. Montero mir auf ihre Weise zu verstehen geben wollte, dass der Winter schon längst Freiwillige für das Ritual rekrutiert. Aber kann ich das? Oder ist das nur wieder Alcazár'sche Naivität?

Ich habe da ja noch diesen Gefallen bei Tanit offen, ist mir eingefallen. Den könnte ich einfordern.

Aber Tatsache ist, ich mochte Yahaira irgendwie, Winter hin oder her. Ich würde ungern... naja. Ungern hinten rum an Tanit gehen und Ms Montero über die Herzogin etwas aufzwingen. Zu weich, Alcazár? Vielleicht. Aber der Gedanke widerstrebt mir wirklich. Und Yahaira hat versucht, mich zu beruhigen, so gut sie konnte, ohne irgendwelche Interna auszuplaudern.

Ah, Mierda. Vielleicht werde ich einfach mal mit den Jungs über das Dilemma reden.

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20. August

Heute haben wir uns im Dora's zum Brunch getroffen, wie wir das gerne mal machen. Oder besser, wir hatten es vor.

Glücklicherweise waren wir schon so gut wie fertig mit dem Essen und saßen nur noch bei Kaffee zusammen, als Alex einen Anruf von Oliver Feinstein aus dem Behind the Cover bekam. Der Troll, der damals – hach ja. Damals. Damals, als alles überhaupt erst anfing, als Ricardo Esteban Alcazár noch fast überhaupt keine Verbindungen zum Paranormalen hatte, von irgendwelchen Ritterjobs ganz zu schweigen – der damals also mit dem Jungen das Buch gestohlen habe, dieser Troll jedenfalls sei eben wieder in den Laden gekommen, habe sich erneut ein Buch geschnappt, diesmal aber Oliver zugerufen, er müsse sich das mal ausleihen, ehe er, offensichtlich in Eile, wieder zur Tür hinausstürmte. Wir hätten den doch damals auch ausfindig gemacht. Ob wir uns da nicht mal drum kümmern könnten?

Heh. Na das würde diesmal leichter sein als bei unserem ersten Fall, da wir ja inzwischen näheren Kontakt zu Bob haben.

Ein Anruf in der Kommune brachte uns ein Telefonat mit einer ziemlich zerstreut klingenden jungen Dame ein, die uns sagte, Bob sei unterwegs, die Sachen für die Hochzeit besorgen. Die Hochzeit? Welche Hochzeit? Was für Sachen?

Na Bobs Hochzeit mit Joelle, war ihre fröhliche Antwort. Ob denn die Einladungen nicht angekommen seien? Sie hätte Umschläge mit unseren Namen darauf gesehen... Nein? Oh. Das war dann wohl das Nusseis.

Ach ja. Ich sollte vielleicht dazu sagen, dass wir das Mädchen tatsächlich flüchtig kennen. Sie ist das Wereichhörnchen, das wir bereits bei unserem allerersten Besuch in der Kommune damals trafen und das auf den Spitznamen 'Scarlet' hört. Genau. Scarlet wie das Eichhornmädchen in diesem genialen Webcomic von diesem britischen Zeichner. Denn sie ist ähnlich verpeilt wie die Scarlet aus den Comics.

Statt den kleinen Wirrkopf zu fragen, was sie damit genau meinte, ließen wir sie lieber Jack ans Telefon holen. Der bestätigte uns, dass Bob tatsächlich in vier Tagen heiraten will und losgezogen sei, um ein paar Dinge zu besorgen.

Autsch. Das erklärte den Anruf aus dem Buchladen. Und das erklärte die anderen drei Anrufe, die wir in kurzer Reihenfolge noch erhielten:

Hilary Elfenbein bei Totilas. Da sei so ein großer Kerl ins Fontainebleu gestürmt gekommen, habe sich eine Topfpflanze von der Deko geschnappt, dabei Vin Raith in den Pool geworfen, und sei wieder verschwunden.
Macaria Grijalva bei Roberto. Ein grobschlächtiger Typ habe einfach einen Tisch aus dem Coral Castle weggeschleppt.
Und schließlich ein sehr kleinlauter Bob bei Edward. „Die haben gesagt, ich hätte einen Anruf frei. Da hab' ich gedacht, ich rufe bei dir an.“

Na yay.

Mit einem Umweg über das Behind the Cover, um Oliver das Buch, das Bob „ausgeliehen“ hatte, regulär abzukaufen, holten wir, oder besser, holte Edward, also unseren Trollfreund gegen Kaution aus dem Gefängnis.
Er habe auf's Gericht gewollt, erzählte Bob dann, um die Heiratserlaubnis zu besorgen. Sein Pass – ein norwegischer übrigens – war aber abgelaufen, und dann hätten sie gesagt, er brauche eine „Green Card“. Na gut, wenn sie partout eine sehen wollten, hatte er eben eine grüne Uno-Karte besorgt. Worauf die Leute beim Gericht etwas ärgerlich geworden seien, ob er sie veräppeln wolle, worauf hin er etwas ärgerlich geworden sei, denn die hätten doch diese grüne Karte verlangt, und dann, ähm ja. Dann sei er auf der Polizeistation gelandet.

Was um Himmels willen das gesollt habe, wollten wir wissen. Na er habe diesem Menschenbrauch folgen wollen, weil Joelle ja ein Mensch sei. Also habe er sich etwas ausgeliehen und etwas Altes, etwas Neues und etwas Blaues besorgt.

Wir erklärten Bob also erstmal die Menschenregeln etwas genauer – dass man nämlich nicht einfach so in einen Laden marschieren kann und dann sagen, man leihe sich etwas aus, das sei nämlich genauso Diebstahl wie alles andere. Und überhaupt geht es bei diesem Hochzeitsbrauch darum, dass die Braut die Dinge anhat, wie ein Strumpfband oder einen BH oder was auch immer! Und wolle Bob etwa, dass Joelle am Altar einen tonnenschweren Tisch mit sich herumschleppe?

Nein, druckste Bob, aber vielleicht könne der Tisch ja der Altar sein? Und überhaupt, er habe doch nur Joelle glücklich machen wollen; es sei doch seine Pflicht, Joelle glücklich zu machen! Ja, verdammt, aber das könne er nun mal nicht, wenn er in einem Menschengefängnis hinter Gittern sitze, hinter Gittern aus ekelhaftem Eisen, wohlgemerkt!

Okay. Das sah der Troll dann widerstrebend ein.

Naja. Dass die Topfpflanze das Blaue und der Tisch aus dem Coral Castle das Alte sein sollten, das hatten wir uns ja schon denken können. Aber was denn das Neue sei, das er sich beschafft habe? Ein Ei, erklärte Bob. Aus dem Nevernever. Da würde ein Pferd rauskommen. Joelle möge Pferde.

Das ließ uns wieder stutzen. Ein Pferd aus einem Ei? Wer habe ihm das denn gesagt? Na der alte Wegelagerer, der im Nevernever immer am Weg lagere und den man alles fragen könne. Aaaah. Ja klar.

Indessen waren wir an dem alten Lieferwagen der Kommune angekommen, mit dem Bob auf seine Besorgungstour gegangen war. Der Van hing hinten ziemlich herunter, eben wegen des schweren Steintischs aus dem Coral Castle. Auf dem Beifahrersitz fanden wir dann auch das Buch, die Pflanze und das angesprochene Ei. Das war grün, mit beige- und erdfarbenen und bläulichen Sprenkeln, und etwa so groß wie eine Mango. Es fühlte sich nass an, wenn man es berührte, das war es aber gar nicht. Bob habe es aus einem Nest im Sumpf, sagte er. Da hätten insgesamt drei Eier dringelegen, aber er habe ja nur eines gebraucht.

Jetzt, wo wir den Tisch im Auto sahen, wurde nur umso deutlicher, dass der nicht als „das Alte“ herhalten konnte. Der musste dringend zurück ins Coral Castle. Bob war schwer enttäuscht, sah es dann aber ein. „Vielleicht bringt meine Mama ja was mit“, meinte er hoffnungsvoll.

Warte. Seine Mama?!

Ja, seine Mama aus Norwegen, freute sich Bob. Die komme morgen mit dem Flugzeug an. Joelle wolle sie abholen fahren, habe sie versprochen. Ob Joelle denn Norwegisch könne? Nein, aber das werde schon irgendwie gehen. Ja klar. Alex erklärte sich also bereit, Bobs Verlobte zum Flughafen zu begleiten. Der kann zwar auch kein Norwegisch, aber bei dem lässt sich das wenigstens kurzfristig ändern.

Während Alex also loszog, um irgendwo den Geist eines Norwegers aufzutreiben, den er morgen zwecks Sprachkenntnissen mitnehmen kann, gingen Edward, Bob und ich los, um den Tisch ins Coral Castle zurückzubringen. Das Ding war echt schwer zu schleppen, auch für einen Troll, und wir konnten Bob schließlich davon überzeugen, dass – nein! – das „Alte“ nichts vom Coral Castle sein könne. Dass man nicht einfach etwas wegnehmen könne, sondern dass man es schon kaufen müsse.

Na gut, Bob hatte $50, also gingen wir für die $50 einen „authentischen alten Stein aus Norwegen“ kaufen. Mit Echtheitszertifikat. Für das „aus Norwegen“ will ich meine Hand nicht ins Feuer legen, aber alt ist so ein Stein mal bestimmt; außerdem war Bob glücklich, der Ladenbesitzer war glücklich, und so waren das doch gut angelegte $50.

Totilas brachte indessen die blaue Blume ins Hotel Fontainebleu zurück und redete bei der Gelegenheit gleich mit seinem Cousin Vin wegen eines falschen Ausweises für Bob. (Was unter anderem auch der Grund war, warum Edward da nicht mitkommen wollte – je weniger er über Vins Aktivitäten in dieser Richtung weiß, um so besser.) Vin, der sich über die Herausforderung eines norwegischen Passes sogar freute, erklärte sich bereit, Bob einen neuen Ausweis und ein Visum zu basteln, meinte aber, es könne eine Weile dauern, und er werde sich melden.

Roberto recherchierte indessen nach Informationen über dieses Ei und fand heraus, dass es sich um ein Kelpie-Ei handeln könnte. Kelpies sind Wassergeister: fleischfressende Wyldfae, die meist in Pferdegestalt erscheinen und versuchen, unwissende Opfer auf ihren Rücken zu locken, um sie dann im nächstgelegenen See zu ertränken und aufzufressen.

Und sowas will Bob seiner Frau zur Hochzeit schenken? Na yay.

Als wir unseren Trollfreund zur Kommune zurückbrachten und uns bei der Gelegenheit alle dort wieder trafen, fanden wir Joelle in heller Aufregung vor. Sie hatte soeben herausgefunden, dass bislang keine ihrer Einladungen angekommen war, und Scarlet gab zu, dass es vielleicht sein konnte, dass sie in ihrer Begeisterung über den Eiswagen und das Nusseis nicht so richtig darauf geachtet hatte, in welchen Briefkasten sie die ganzen Umschläge geworfen habe. Es hätte vielleicht statt eines U.S. Mail-Briefkastens auch was anderes sein können...

Joelle raufte die Haare und schickte das Wereichhörnchen los, sie solle gefälligst nachsehen gehen, ehe sie uns alle dann erst einmal formlos mündlich zu der Hochzeit einlud. Wir sollten aber bitte niemanden verhaften oder anknabbern, setzte sie dann noch mit einem Grinsen in Richtung Edward und Totilas hinzu.

Ich bin mal gespannt, ob Scarlet die Hochzeitspost wiederfindet. Falls nicht, wird Joelle die zweite Ladung Briefe per Eilsendung rausschicken müssen, fürchte ich.

Bad Horse:
Ja, das hätte ein total entspanntes Abenteuer sein können.  ;D

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