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[Dresden Files] Miami Files - Die Ritter von Miami (a.k.a. "Die schönen Männer")
Timberwere:
Das ist keine dämliche Frage, sondern eine durchaus gute. Aber wir haben, als wir darüber nachdachten, festgestellt, dass es mit Titania und Mab ja auch zwei Königinnen gibt, deswegen haben wir beschlossen, dass es auch zwei Herzoginnen geben kann.
Timberwere:
Ricardos Tagebuch: Skin Game 1
11. Dezember.
Noch knapp zwei Wochen bis Weihnachten. Ich hoffe so sehr, dass das Chaos jetzt erst einmal vorüber ist und wenigstens bis zu den Feiertagen Ruhe einkehrt.
In meinem letzten Eintrag vorgestern hatte ich ja noch so vollmundig geschrieben: „Lady Rhodorea muss so bald wie möglich die neue Herzogin werden.“ Und aus unserem Gespräch ging ja grundsätzlich auch hervor, warum ich es mit ihr führte, aber so richtig 100%ig konkret hatte ich es mit der Blumenlady noch gar nicht abgesprochen.
Aber heute hat sie offiziell zugestimmt. Gracias à Dios!
Es ist nur klar – oder zumindest aufs Allerstärkste empfehlenswert – dass wir die Mantelübergabe erst nach der Wintersonnenwende vollziehen, wenn die Macht des Winters abnimmt und Sommer sich wieder im Aufwärtstrend befindet.
Also nach den Feiertagen: Ich möchte ein unbeschwertes Weihnachten mit der Familie verbringen und das Fest nicht in irgendeiner Weise durch irgendwelche eventuellen Komplikationen bei dem Ritual in Gefahr bringen. So lange kann ich den Herzogsmantel jetzt auch noch tragen.
Aber nicht zu lange nach den Feiertagen. Der Herzogsmantel flüstert in mir.
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12. Dezember
Edward hat angefangen, sich wegen der Mantelübergabe Gedanken zu machen. Ich helfe ihm natürlich, so gut ich kann, mit Input in Sommer-Dingen.
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15. Dezember
Gestern abend waren wir auf der Winterfest Boat Parade. Nicht zu spät, natürlich, weil die hijas ja nicht zu spät ins Bett gehen sollten, und weil mit zunehmender Stunde ja auch die Unterhaltung auf den Booten immer erwachsener wird, aber auch kurz nach Einbruch der Dunkelheit waren die bunten Boote mit ihren unterschiedlichen Dekorationen aller Art ein tolles Ereignis. Monica wie Alejandra gleichermaßen begeisterten sich vor allem für eines, wo die Lichterketten einen Phönix zeigten, der mit flammenden Flügeln aus der Asche aufstieg – die eine wegen des Feuerbezugs, die andere wegen des Vogels. Lidia sagte, ihr habe dasjenige am besten gefallen, das über und über mit Lichterketten in der Form von stilisierten Musikinstrumenten und Noten geschmückt war. Und ich erfreute mich besonders an einem Boot, das dekoriert war wie ein einziger bunt blühender Tropenwald.
Heute nachmittag gehen wir auch noch in den Santa’s Forest. Vor einigen Jahren waren wir erstmals vor Weihnachten dort, und inzwischen hat es sich zu einer Art Tradition entwickelt, dass wir am Samstag Abend die Winterfest Boat Parade anschauen und am Sonntag desselben Wochenendes Santa’s Forest besuchen. Mir persönlich ist das zwar etwas zu winterlich (hust), aber die hijas lieben die Fahrgeschäfte und Attraktionen und generell die Stimmung des Freizeitparks. Also wer wäre ich, mich da rauszu-grinch-en.
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20. Dezember
Heute kam Edward fast ein bisschen schüchtern an und meinte, er wolle Cherie ganz unverbindlich eine Weihnachtskarte schicken, und ob er die mir mal zeigen dürfe, ob die nicht zu viel sei und so.
Klar durfte er – wofür hat man denn einen besten Freund?
Die Karte war auch tatsächlich sehr stilvoll, kein kitschiges, quietschbuntes Motiv, sondern das hübsch gezeichnete Bild einer verschneiten Landschaft, in der ein Tannenbaum wuchs, der mit einer dezenten Lichterkette behängt war. Und wenn man die Karte öffnete, dann stand da unter Edwards Festtagswünschen die Zeile: „Weihnachten braucht Schnee!“ und der Hinweis: „Achtung, gleich schneit es wirklich!“
Und tatsächlich hatte Edward die Karte so verzaubert, dass nach einigen Sekunden zum Verarbeiten der Information wirklich echter Schnee daraus zu rieseln begann.
„Ich dachte, ich warne sie besser vor, du kennst sie ja…“
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24. Dezember, morgens
Ich werde heute im Laufe des Tages vermutlich nicht viel zum Schreiben kommen, weil es so viel für Nochebuena vorzubereiten gibt. Aber ein paar Worte wenigstens.
Heute abend kommt die ganze Familie zusammen. Lidias Papi wird es sich nicht nehmen lassen, das Spanferkel zu grillen, aber wir alle bringen etwas mit. Mamá will ihr Yuca con Mojo machen, weil ein Weihnachten ohne undenkbar ist, dazu natürlich Kochbananen, und ich bekomme tatsächlich einen ziemlich guten arroz congri hin. Papá sagte was von Crema de Vie – den macht er nicht jedes Jahr, es hat aber doch ein bisschen was von einer Familientradition. Und nennt es bloß nicht 'Egg Nog', Römer und Patrioten, nicht mal 'kubanischen Egg Nog', das kann Papá gar nicht gut hören. Milch, Eigelb, Zucker und rum mögen gleich sein, aber die gezuckerte Kondensmilch, die Vanille und die fehlenden Gewürze sind es nicht - Crema de Vie ist Crema de Vie, kein Egg Nog! Lidias Mamí hingegen hat uns eine Überraschung versprochen – sie hat ein neues Rezept entdeckt, das noch keiner von uns kennt, einen Dulce de Leche-Käsekuchen mit einem Boden aus Mariakeksen.
Und Lidia macht bestimmt ihre knusprigen Kartoffelblätter.
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Zurück von der Familienfeier und von der Mitternachtsmesse
Das war richtig schön. Sowohl die Feier als auch die Messe. Und das Essen richtig lecker. Dios, bin ich vollgegessen. Und ich glaube, ich habe einen neuen Lieblingskuchen.
Aber die hijas sind im Bett, ich werde mich hüten, jetzt noch viel zu schreiben, sondern noch etwas Zeit mit Lidia verbringen.
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25. Dezember
Edward hat sich gerade bei uns gemeldet. Cherie hat nämlich auf seine Weihnachtskarte reagiert. Ihre ersten Worte am Telefon: „Es schneit immer noch.“
Dann kamen die beiden ein bisschen ins Reden und stellten fest, dass sie eigentlich beide Weihnachten nicht feiern, aber dass sie ja vielleicht doch gemeinsam was unternehmen könnten, so am nächsten Tag, ganz ohne Hintergedanken. Das lief natürlich nicht ab, ohne dass Cassius das mitbekam, so wie Edward das erzählt.
„OMG, du hast ein Date!“
„Das ist kein Date, man geht nicht auf Dates mit seiner Ex!“
„Oh! Ohooo! Du musst was anderes anziehen, wir gehen morgen einkaufen – ich will, dass mein großer Bruder eine gute Figur macht!“
Also hat Edward morgen ein Date, sorry, Nicht-Date mit Cherie. Sie will sich von ihm bei der Wahl des Lokals überraschen lassen, und deswegen brauchte Edward jetzt ein bisschen Input von uns.
Er will will nichts, wo sie als Paar waren; etwas Nettes, wo man gemütlich sitzen kann, das aber kein Date-Niveau hat. Alex hat das „B Bistro & Café“ vorgeschlagen – von den Vibes her genau das, was Edward sucht, und dass sie nur bis nachmittags und gar nicht abends geöffnet haben, unterstreicht den lockeren Charakter des Treffens.
Aber ich gebe zu, ich bin trotzdem gespannt, wie das morgen für die beiden läuft. So richtig oft gesehen haben sie sich ja nicht mehr, seit sie nicht mehr zusammen sind.
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27. Dezember
Heute haben wir uns im Dora's getroffen – diesmal saßen wir nicht in unserem separaten Zimmer, sondern in einer der Nischen im ganz normalen Gastraum. Die Jungs haben die Feiertage auch soweit gut verbracht – Robertos war „anregend, aber nicht aufregend“, wie er es nannte; er war am in den Tagen direkt vor Weihnachten offenbar bei diversen Firmenfeiern eingeladen, und den 24. und 25. verbrachte er bei Familie, ähnlich wie ich selbst.
Roberto fielen auch gleich die neuen Sneaker auf, die Edward trug (mir nicht, muss ich gestehen).„Faaaaancy!“
Und so berichtete Edward, dass Cassius ihm vor dem Date, sorry, Nicht-Date mit Cherie tatsächlich den Modeberater gemacht habe und die Brüder gestern vormittag gemeinsam nicht nur die Sneaker, sondern generell ‚coole Klamotten‘ (Cassius‘ Worte) gekauft hätten.
Bei dem Treffen in dem Bistro, das Alex vorgeschlagen hatte, wollte Cherie natürlich irgendwann wissen, was da genau los gewesen sei in der Stadt mit Ragnarök und all dem. Und ob sie sich willen bei Pan entschuldigen solle, weil sie einige seiner Leute umgebracht habe, als die das Hotel Fontainebleau angriffen. „So um des lieben Friedens willen, damit dein Kumpel Cardo keinen Stress bekommt?“
Daraufhin brachte Edward Cherie auf Stand: dass Pan nicht mehr der Sommerherzog ist, ich nicht mehr sein erster Ritter, und überhaupt, wie die Dinge gerade so liegen.
Cherie habe einen Moment lang geschwiegen, sagte Edward, und dann geantwortet: „Also wenn ihr wen braucht, der eine … hmmm … in Ungnade gefallene Gottheit beseitigt… warte, kann man Gottheiten überhaupt umbringen? Hmmm… Wäre sicherlich einen Versuch wert…“
Edward habe nicht direkt zugesagt, erzählte er, aber Cherie versichert, wir würden das Angebot im Hinterkopf behalten.
Alex hatte eigentlich vor, es nach dem ganzen Ragnarök-Chaos einfach nur ruhig angehen zu lassen, da kam ihm die Tatsache, dass Dee inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen wurde, sich aber noch schonen muss und sie daher gemütlich zu zweit feierten, gerade recht. Ob und inwieweit allerdings der obligatorische Facetime-Anruf bei den Eltern die reine Entspannung war, darüber schwieg Alex sich aus.
Totilas sagte, er habe viel Zeit in diversen Bibliotheken und Archiven verbracht und zu seinem Zustand geforscht. Und sein Vater habe sich gemeldet – Richard Raith habe zwar gerade sehr viel um die Ohren, werde aber seine Tochter schicken.
Unser White Court-Kumpel hatte das kaum erzählt, da fuhr draußen ein Auto vor. Ein unauffälliges Modell, aber geschwärzte und kugelsichere Scheiben. Ich selbst hätte das nicht erkannt, denn die Scheiben waren so kunstvoll geschwärzt, dass man so auf Anhieb gar nicht merkte, dass man nicht hindurchschauen konnte – aber Alex‘ und Edwards geschulten Blicken entging es nicht.
Aus stieg eine junge Frau von vielleicht 20 Jahren, dunkle Haare, blasse Haut, der typische Raith-Look, und tatsächlich erkannte Totilas sie sofort. Bei uns anderen dauerte es einen Moment länger, aber es ist ja auch 6 Jahre her, dass wir sie zuletzt gesehen haben: Es war Cherise, Totilas‘ kleine Schwester, deren Tod wir während der Sache mit Richard Raiths Dämon fingiert hatten und die hinterher zur Sicherheit von Gerald Raith aus der Stadt geschickt wurde, weil Totilas‘ Mutter ja nach ihr suchte, um sie zum Red Court zu machen, wie wir befürchteten… damals, als ich die Jungs vergleichsweise frisch kennengelernt hatte und noch nicht wieder regelmäßig Tagebuch führte.
Totilas bemerkte sofort: Seine Schwester war keine White Court Virgin mehr, hatte keinen Hunger-Dämon mehr in sich, nicht mal den schlafenden wie früher – aber es hing Magie an ihr, spürte Edward. Auch ein Mann stieg aus dem Auto, den wir alle sofort erkannten, obwohl es auch bei ihm dieselben 6 Jahre her war wie bei Cherise: Castor Elfenbein, der sich nach deren Übernahmeversuch vom russischen Zweig der Raiths losgesagt hatte und Cherise anschließend als Bodyguard begleitet hatte, als diese untertauchte.
Beide betraten das Dora’s, und Cherise steuerte zielsicher auf uns zu, nachdem sie sich im Raum umgeschaut und Totilas erkannt hatte. Castor Elfenbein setzte sich in Bodyguard-tauglicher Entfernung an einen anderen Tisch, behielt seinen Schützling aber scharf im Auge.
Nach der Begrüßung lächelte Cherise ihren Bruder an. „Ich habe gehört, du wärst hier, da habe ich gedacht, ich komme einfach mal vorbei.“
Sie wolle nicht im Haus mit den ganzen Raiths wohnen. Und – in vorsichtigem Ton – „Können wir reden?“ „Ja.“ „Auch über…“ – noch vorsichtiger – „… Dad?“ „Ja. Wir waren dabei.“
Cherise wirkte erleichtert. Ihre Eltern seien gerade an einem anderen Problem dran, und sie habe aus Gründen die Uni wechseln müssen und habe ohnehin überlegt, nach Miami zu kommen und hier weiterzustudieren… „Geht das?“
Sie nennt sich übrigens nicht mehr Cherise Raith. Seit sie damals untergetaucht ist, geht sie als Anelise Johnson durch die Welt. Aber ‚Annie‘ sei auch okay.
(Ich bin tatsächlich gar nicht unglücklich darüber – ich fand es damals vor sechs Jahren ziemlich verwirrend, zwischen Totilas‘ Cousine Cherie und seiner Schwester Cherise unterscheiden zu müssen.)
Oh, und Cherise Annie ist wirklich keine White Court Virgin mehr, sondern sie ist ihren Dämon losgeworden, auch ohne wahre Liebe. Es gehe leichter, wenn der Dämon noch nicht aufgewacht sei. Aber sie sei jetzt Mitglied des Weißen Rates, weil sie Magie beherrsche. „Deswegen muss ich auch möglichst bald beim örtlichen Warden meine Aufwartung machen.“
Bei diesen Worten verzogen wir alle das Gesicht, was Annie natürlich nicht entging.
„Ja, wir müssen dir da noch was über den Warden erzählen, bevor du dahin gehst…“
„Okaaay? Könnt ihr ja. Aber erstmal, wegen deines Problems, Totilas: Ich habe mich viel mit Dämonen beschäftigt und nachgeforscht, und dein Fall scheint ziemlich einzigartig zu sein. Dein Dämon ist komplett getrennt von dir?“
„Ja“, erwiderte Totilas, „aber zum Glück hat er nicht die Kontrolle.“
„Najaaaa“, warf Roberto ein, „manchmal redet er aber schon aus deinem Mund.“
Annie schaute interessiert. „Aber das ist genau der Punkt: Wenn bei einem White Court Vampir der Hunger überhand nimmt, dann hat der Dämon die Kontrolle, bis der Hunger gestillt ist, den Rest der Zeit hat der menschliche Teil die Kontrolle. In allen Fällen, wo der Dämon die ständige Kontrolle übernommen hatte, wurde er bisher immer von der Familie beseitigt.“ Anelise schwieg einen Moment und dachte nach, dann wandte sie sich wieder ihrem Bruder zu:
„Aber die wichtigste Frage ist jetzt, was willst du? Deinen Dämon behalten und die Kontrolle wieder übernehmen, wie es vorher war? Oder den Dämon komplett loswerden?“
Totilas machte ein etwas verlegenes Gesicht. „Das weiß ich gerade selbst nicht so genau.“
„Das ist ein Problem.“
„Es geht ja nicht nur um Macht. Es geht um Verantwortung, um die Existenzen, für die ich inzwischen verantwortlich bin. Es geht um die Menschen. Ich habe damals die Verantwortung übernommen, damit Großvater abdanken kann, die kann ich jetzt nicht ohne Weiteres einfach wieder abgeben.“
Auch schwieg einen Moment, bevor er in langgezogenem Ton, als denke er beim Sprechen nach, sagte: „Es bräuchte… etwas zum Verschleiern. Dass man nicht merkt, was ich dann bin.“
Annie ließ ihre Augen für einen kurzen Moment silbern aufleuchten. „Visuell geht das schon. Aber manche Leute können das riechen.“Totilas nickte leicht. „Ja, klar. Es war ja auch nur so eine spontane Idee.“
„Oh!“, entfuhr es seiner Schwester dann abrupt, „Ich habe eine Idee! Wir könnten deinen Dämon in einen Gegenstand bannen, den du dann bei dir trägst!“
„Oh?“
„Ja! Ich muss das recherchieren, aber das kriegen wir hin.“
„Okay, cool. Was brauchst du von uns?“
Das fast schon Übliche, könnte man meinen. Blut sei immer eine gute Idee, erklärte Annie, und auch Tränen wären super. Zugang zur Bibliothek der Raiths, eine Übersicht über Totilas‘ bisherige Forschungen. Er versprach, ihr die Namen der Titel zu schicken, die er interessant fand. Und wir sollten doch schon einmal über den Gegenstand nachdenken, in den der Dämon gebunden werden solle.
Derzeit wohnt Anelise übrigens im Studentenwohnheim, braucht aber eine eigene Bleibe, gerade wenn sie magisch tätig werden will. Wir versprachen, uns einmal umzuhören.
Und wir warnten sie, dass ihr Treffen mit dem Warden lieber an einem öffentlichen Ort statfinden solle. Vielleicht ein Geschäftsessen in einem Restaurant oder etwas dergleichen, wo wir unauffällig in der Nähe sein können.
„Hm, ja, Gerald hat erzählt, dass Spencer Declan keine anderen White Council-Magier in der Stadt duldet und dass es etwas gefährlich werden könnte, deswegen habe ich ja als arme kleine Studentin“ – Annie klimperte unschuldig mit den Augen und nickte in Richtung Castor Elfenbein – „meinen Custos dabei.“
Der Bodyguard ist übrigens auch kein White Court mehr, sagte Totilas später, das habe er genauso spüren können wie bei seiner Schwester. Ein normaler Mensch, aber ebenfalls mit Magie an sich.
„Wundert es dich, dass wir mit Spencer Declan verfeindet sind?“, fragte Edward rundheraus.
„Wieso lebt ihr dann noch beziehungsweise seid noch in der Stadt?“
Das Lächeln, das Edward zeigte, war ganz das eines Lykanthropen. „Weil wir inzwischen nicht mehr ganz unfähig sind.“
„Oh, ist jemand von euch von einem Dämon besessen?“, fragte Annie mit leuchtenden Augen. „Ich frage, weil ich’s studiere, wisst ihr…“
„Definiere Dämon.“
„Eine parasitäre oder symbiotische Verbindung zu einer übernatürlichen Wesenheit.“
Alex legte den Kopf schief. „Hmmm… immer mal wieder.“
Annies Augen wurden noch größer. „Wie das denn? Das ist ja cool! Erzähl!“
„Es fing mit Geistern an, jetzt geht auch mehr.“
„Wie cool!“ Während Alex ihr einen kurzen Abriss gab, machte Anelise sich eifrig Notizen auf ihrem Laptop.
Als Alex fertig war, brummte Edward: „Zorngeist.“
„Ein Zorngeist? Aber du bist okay, also ich meine, du verlierst nicht die Kontrolle?“
„Nur bei Vollmond.“
„Warte, bist du etwa ein Lykanthrop?“
Edward nickte. „Genau.“
„Wie COOL!“
Das entlockte Edward ein Schmunzeln. „Die meisten Leute reagieren nicht so.“
Anelise lächelte einen Hauch verlegen. „Es interessiert mich halt, das ist mein Spezialgebiet!“
„Was studierst du eigentlich?“, wollte ich daraufhin wissen und bekam ein „Naja, eigentlich Biologie mit Fachrichtung parasitäre und symbiotische Verbindungen, also an der Uni rein mundan halt, aber auf magischer Ebene spezialisiere ich mich auch darauf.“
„Verstehe“, erwiderte ich. „Also ich kann nur Feenmagie.“
„Feenmagie ist aber auch cool“, erwiderte Annie und schaute dann zu Roberto. „Und du?“
„Ich habe eine Verbindung zu der Santeria-Orisha Oshun, aber ich habe auch eine gute Beziehung zu Titania.“
Das ließ mich unwillkürlich schnauben. Eine gute Beziehung?! Fern sei es mir, die Beziehungen ihrer Majestät, Königin Titania, bewerten zu wollen, aber ich glaube, das sieht ihre Majestät ein klein wenig anders…
Bei meinem Schnauben warf Roberto mir einen Blick zu. „Okay. Es ist kompliziert.“
Annie sah völlig begeistert aus, riss sich aber zusammen und erklärte: „Das ist total faszinierend, ich würde das echt gerne weiter verfolgen, aber ich will euch ja nicht als Studienobjekte verwenden.“
Edward schmunzelte wieder. „Aber du würdest, wenn du könntest, oder?“
„Jaaaa, schon – aber jetzt ist vor allem Totilas‘ Problem erstmal wichtiger.“
Bevor sie ging, tauschten wir noch Nummern aus. Und eines konnte ich mir nicht verkneifen, nachdem ich gesehen hatte, wie locker Annie mit ihrem Smartphone und ihrem Laptop umging: „Verrate Edward mal, was man tun muss, damit das Handy nicht ständig kaputtgeht.“
„Nicht soviel Magie machen“, antwortete Anelise trocken. „Ich zaubere tatäschlich gar nicht so viel, ich bin mehr so der theoretische Typ. Aber stimmt, ruft lieber bei Cas an, das ist sicherer. Bei meinem Handy läuft gerne mal der Akku leer.“ Sie stutzte. „Aber warte mal… Edward, du kannst auch Magie? Ich dachte, du bist Lykanthrop?“
Edward grinste sie an. „Na, na, du solltest mich nicht auf eine Rolle reduzieren.“
Anelise blinzelte. „Oh, ich dachte irgendwie, das geht nicht, ich weiß gar nicht, warum.“
Bevor sie ging, zog sie Totilas in eine Umarmung. „Mom und Dad sagen Grüße und dass sie dich lieb haben.“
„Wir sollten uns wirklich bald mal wieder treffen“, erwiderte ihr Bruder.
„Totilas, sie haben dir ausrichten lassen, dass sie dich lieb haben!“
Totilas schwieg einige Sekunden, und man konnte förmlich sehen, wie er die erhaltene Information erst verstehen und verarbeiten musste, Dann: „Oh. Oh! Ich habe sie auch lieb.“
„Gut“, machte seine Schwester betont, „das richte ich ihnen so aus.“
Dann ging sie, gefolgt von Castor Elfenbein. Der Custos warf uns einen skeptischen Blick zu, der deutlich von seinem Beschützerinstinkt zeugte, ganz nach dem Motto: 'das Urteil, ob diese Typen gut für meinen Schützling sind, das steht noch aus.'
Timberwere:
28. Dezember
Gracias a Dios, ich bin nicht mehr der amtierende Sommerherzog!
Was für eine Erleichterung. Aber der Reihe nach.
Das Ritual, mit dem Lady Rhodorea zur neuen Herzogin wurde, war richtig schön und würdig.
Es war vor allem ein Feen-Ritual, nicht so sehr eines der hermetischen Magie, deswegen hatte Edward diesmal nicht größer etwas damit zu tun.
Für die zu krönende Herzogin hatten wir aus Rhododendron einen Thron in die richtige Form gezaubert (das war Sommermagie, da konnte ich die Hauptarbeit leisten und musste nicht Edward alles machen lassen), und natürlich hatten wir auch den Thron und überhaupt den Ort des Festaktes geschmückt üppig mit Sommerblumen geschmückt.
Dem Blumenarrangement gab Lady Rhodorea ihre persönliche Note, indem sie die eine oder andere Sorte aussortierte (dass Tagetes zwar im Sommer blühen, aber auch für den Tod stehen, darauf hätte ich auch selbst kommen können, duh, immerhin sind sie eine der wichtige Dekoration am Dia de los Muertos) und einige andere Arten hinzufügte. Aber das wunderte mich nicht, denn schließlich ist war sie eine hohe Blumenlady.
Auch das Wetter war wunderschön, und zwar nicht nur in der Sommerdomäne, sondern auch vorher schon im weltlichen Miami. Im strahlenden Sonnenschein, inmitten eines Meers aus leuchtenden Blumen und umgeben von singenden Fae, übergab ich Lady Rhodorea im Zuge des Rituals feierlich und mit dem Gelübde es Ersten Ritters die Herzoginnenkrone. Als sie diese auf ihr Haupt setzte, lief eine Art Welle durch die Domäne, und ich spürte, wie der Herzogsmantel und die damit einhergehende Magie von mir in Herzogin Rhodorea floss und nur die Rittermagie in mir blieb.
Und in diesem Moment spürten wir auch Königin Titanias Anwesenheit. Die oberste Herrscherin aller Sommerfae stand mit einem Mal mitten unter uns, als sei sie schon die ganze Zeit über dabei gewesen.
„Herzogin“, sagte sie freundlich, aber von einem Hauch Kühle durchsetzt, und Lady Rhodorea leistete ihr den Treueschwur.
„Du übernimmst eine Aufgabe in dieser Stadt, Herzogin“, fuhr ihre Majestät dann fort. Pan muss für seinen Verrat bestraft werden, und sollte das nicht geschehen, werde ich selbst kommen und es mit ihm ausfechten.“
Als sie ging, warf sie Roberto einen durchdringenden Blick zu. Der versuchte, davon unbeeindruckt auszusehen, aber so richtig klappte das nicht. Unser Kumpel gab deutlich die Aura eines Mannes ab, der gelangweilt aussehen wollte, aber darunter ziemlich nervös war.
Aber das war vermutlich auch ganz gut so, denn wenn Roberto sich wirklich nicht hätte beeindrucken lassen oder zumindest diesen Anschein erweckt hätte, dann hätte Königin Titania das ja nicht auf sich sitzen lassen können, sondern hätte etwas unternehmen müssen.
So aber wurde ihr Blick Roberto gegenüber noch etwas schärfer, bevor sie sich uns zuwandte:
„Sir Ricardo, Herzogin, Eure Gästeliste lässt zu wünschen übrig.“
Dann wand sich eine Rosenranke – eine dornige Rosenranke um Robertos Bein, und mit diesen Worten verschwand sie.
„Wir müssen über den Verräter sprechen und darüber, welche Strafe wir ihm angedeihen lassen“, sagte die Herzogin. Für einen kurzen Moment durchfuhr mich ein kleiner Stich, dass sie jetzt die Entscheidungen traf und nicht länger ich selbst, aber das war nur ein sehr kurzer Moment, und gleich darauf überwog wieder die Erleichterung.
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29. Dezember
Heute gab es eine kleine Berufsberatung für Cassius. Also nein, nicht direkt natürlich, aber heute kam das Gespräch darauf, was Edwards kleiner Bruder eigentlich später – bzw. demnächst, so klein ist er ja inzwischen gar nicht mehr – mal machen wolle.
Also auf keinen Fall wolle er Gangster werden, sagte er. Okay, das ist schonmal gut.
Studieren möchte Cassius auch nicht, Bücher seien nichts für ihn, meinte er.
Irgendein Handwerk vielleicht? Influencer? Oder Model?
“Falls du das mit dem Modeln ernst meinen solltest, ich habe da Kontakte.“ Roberto, natürlich.
Modedesign? Das war Totilas‘ Vorschlag, aber das erschien Cassius zu anstrengend.
„Handwerk klingt okay“, meinte er. „Handwerk mach‘ ich.“
„Etwas mit Autos vielleicht?“, schlug Alex vor.
„Oder was mit Bau?“
„Nee, lieber Autos. Autos sind cool. Das mach ich.“
Da kann Alex ihm doch bestimmt etwas vermitteln.
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30. Dezember
Annie hat sich gemeldet. Sie sagte, für ihre Forschungen wegen Totilas‘ Problem müsse sie nach Schottland und diesen See studieren, aus dem der erste Raith-Dämon kam.
Uh oh.
Verdammt. Wir müssen sie vom Lochan Dubh nan Geodh und den Mordor-Ents fernhalten, aber alle denken, unser Gedächtnis sei in bezug auf die Mordor-Ents komplett gelöscht. Und Anelise ist im Magierrat; sie einzuweihen, wäre ein zu großes Risiko. Ich weiß nicht genau, wie auffällig es für Anelise war, aber für einen kurzen Moment wurden unser aller Mienen sorgfältig neutral.
Alex reagierte am schnellsten. „Was hat dein Vater dir denn von dem See erzählt?“
„Mit Dad habe ich nicht darüber gesprochen. Gerald hat erzählt, dass der erste Raith-Dämon dort herausgekommen sei, mehr nicht. Aber das klingt nicht ganz glaubwürdig. Und nicht ungefährlich.“ Sie lächelte unbekümmert. „Aber ich würde ja Cas dabeihaben. Und ich muss sowieso erst mit Warden Declan reden, also weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt nach Schottland fahren würde und falls ja, wann.“
Ein Treffen mit Spencer Declan hat Annie auch schon vereinbart. Im neuen Jahr, im Opera House. Das ist nicht nur vornehm, sondern vor allem neutraler Boden nach den Unseelie Accords. Am 2. Januar um 19:00 Uhr, sagte sie. Wir haben sie noch einmal gewarnt, sie solle auf jeden Fall vorsichtig sein.
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31. Dezember
Kein großer Eintrag heute; wir sind am Vorbereiten. Wir feiern bei uns, und die hijas freuen sich schon einen Ast, dass sie bis Mitternacht aufbleiben dürfen, und auf das „richtige“ Feuerwerk. Die Großeltern beiderseits gehen zwar auch mit ihnen zu dem Kinderfest mit abschließendem Feuerwerk um 21:00 Uhr, das ist einfach Tradition, aber das ist natürlich nicht dasselbe.
Memo an uns: Darauf achten, dass Monica nicht aus lauter Begeisterung das Apartment in Brand steckt.
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1. Januar
¡Feliz Año, allerseits!
Natürlich hat Monica die Gelegenheit genutzt, ihr eigenes kleines Feuerwerk zu veranstalten - es war aber nicht wesentlich weniger schlimm, als es hätte sein können. Sie hat sogar um Erlaubnis gefragt.
Sie wollte unbedingt eine Wunderkerze, die länger hält als die übliche halbe Minute, aber das war offenbar doch noch zu filigrane Magie für sie. Die beiden, die sie für Alejandra und sich selbst verzauberte, hielten länger, aber dummerweise nicht mit den für Wunderkerzen typischen Funken, sondern mit der stetigen Flamme einer kleinen Fackel. Und dann brannten sie und brannten und brannten und gingen nicht einmal aus, als wir sie in Wasser steckten. Also holten wir einen großen Eimer Sand vom nahegelegenen Strand, und darin ließen sich die Flammen endlich ersticken, gracias a Dios.
Aber das hat mich wieder einmal daran erinnert, dass es gut wäre, wenn Monica ihre magischen Lektionen bei einem anderen Lehrer oder einer anderen Lehrerin fortsetzen könnte, jetzt wo Ximena bis auf Weiteres im Nevernever ist.
Zum Glück bricht die Kleine nicht mehr unkontrolliert in Flammen aus, aber trotzdem. Weiterhin Unterricht wäre gut.
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2. Januar
Wir haben es Anelise nicht verraten, aber zu diesem Treffen mit Declan wollen wir auch vor Ort sein. Nur für den Fall, dass irgendwas passiert. Wenn was passiert, können wir hoffentlich eingreifen, und falls nichts passiert, dann muss Annie gar nicht wissen, dass wir da waren.
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Okay, das war einigermaßen seltsam. Wir hatten uns für 18:30 ebenfalls einen Tisch reserviert, aber in einem kleinen Restaurant gegenüber des Opera House, und dort einen Tisch an einem Fenster, an dem Annie und Declan hoffentlich nicht vorbeikommen würden, aber von der aus wir alles sehen konnten. Und falls etwas passieren sollte, würden wir es über unseren Intellectus merken und könnten schnell drüben eingreifen.
Annie kam pünktlich, eine oder zwei Minuten vor 17:00 Uhr. Sie war unauffällig gekleidet, ganz die unschuldige, junge College-Studentin. Castor Elfenbein war bei ihr, ging aber getrennt hinein – bestimmt würde er sich woanders hinsetzen und die Szene von dort aus im Auge behalten.
Etwas später traf ein junger Mann ein, der ein nahöstliches Aussehen hatte, Edward zufolge über eher wenig Magie verfügte, aber keinen Outsider-Einfluss an sich hatte und sich draußen vor der Tür erst einmal straffte, bevor er hineinging.
In unserem Intellectus blieb alles friedlich, und nach erstaunlich kurzer Zeit kam Annie wieder heraus, mit einer etwas verwirrten „Häh, was war das denn jetzt?“-Miene. Kurz darauf ging auch Castor, und zuletzt der junge Mann, der einen durchaus erleichterten Ausdruck auf dem Gesicht hatte.
Unser Gespür für die Stadt sagte uns, dass Anelise und ihr Bodyguard sich hinter der nächsten Ecke trafen und nach Hause fuhren, während der junge Mann zu Spencer Declans blindem Fleck fuhr. Dort war kein Outsider-Kopfschmerz, zu dem wir nicht hindenken konnten – tatsächlich war gerade überhaupt kein Outsider-Kopfschmerzfleck überhaupt irgendwo in dem Bereich, den wir spüren können.
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3. Januar
Nachher ist das erste Treffen der Guardians im neuen Jahr. Wir sind fahren wieder mal gemeinsam hin – Alex’ Auto ist ja bekanntlich groß genug.
Drückt die Daumen, Römer und Patrioten, dass Febe und Cicerón sich nicht allzusehr an die Gurgel gehen.
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Wir saßen gerade im Auto, da rief Annie bei Totilas an, um ihm von dem Treffen gestern Abend zu berichten.
„Das war irgendwie komisch. Der Warden war gar nicht da – er hat einen Lehrling geschickt, aber der war voll überfordert.“
„Ach, interessant… was hat er denn gesagt, warum der Warden nicht selbst gekommen ist?“
„Angeblich sei der voll im Kampf gegen die Fomori, aber ich hatte das Gefühl, der hat irgendwie gelogen.“
„Ach ja? Was hat er denn erzählt?“
„Nur das Übliche… ich soll die Gesetze einhalten, vorsichtig sein… Oh, und er meinte, ich solle mich nicht wundern, man könne hier in Miami jede Menge alte Gottheiten antreffen.“
„Ja… das ist alles richtig.“
„Okay… Es war nur etwas verwirrend, irgendwie… naja, antiklimaktisch nach euren ganzen Warnungen.“
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Zurück vom Treffen. Es gibt Neuigkeiten.
Edward berichtete, dass Lieutenant Townsend fertig sei mit Nachdenken und ihm vor ein paar Tagen die Rückmeldung gegeben habe, sie könne das nicht. Sie müsse aus dem Guardians-Verbund wieder raus, weil sie denke, sie könne Miami als Leiterin des SID mehr helfen als mit einer Rolle, die sie völlig überfordert.
Edward verstand das natürlich und versprach, dass er sich darum kümmern werde und dass wir uns innerhalb der Guardians bei nächster Gelegenheit über einen Ersatz beraten würden.
Zeitnah wäre nett, habe Alison gesagt, und auch das sagte Edward ihr gerne zu, warnte sie aber auch gleich, dass das nächste Treffen des gesamten Guardians-Kreises erst wieder im neuen Jahr stattfinden werde. Also heute. Aber damit muss Alison wohl leben, bleibt ihr ja nichts anderes übrig.
Die Nachricht kam in der Gruppe … unterschiedlich an. Ich selbst finde es schade, kann Alisons Standpunkt aber sehr gut nachvollziehen – vermutlich ist die Funktion, die sie gerade hat, wirklich genau die Position, wo sie am besten für Miami da sein kann.
Totilas‘ erste Frage zu dem Thema hingegen brachte mir etwas in Erinnerung, das ich gerne verdränge: dass er nämlich ein verdammter Verbrecherboss ist. „Haben wir ein Problem, weil Alison die Casa Guardián kennt?“
Und damit weiß, wo sie uns finden kann, wollte er damit sagen.
Alex zuckte mit den Schultern. „Wenn sie dich oder Cicerón verhaften wollte, könnte sie das eh, dazu müsste sie nicht hierherkommen. Im Gegenteil, hier tut Ihr ja nichts Illegales. Aber sie wird euch eh nicht verhaften, sie hat nämlich keine Beweise.“
Bei diesen Worten verzog Edward etwas das Gesicht – er ist halt doch immer noch ein Ex-Cop –, sagte aber nichts weiter dazu, und nachdem Totilas Alex zugenickt hatte, widmeten wir uns dem Brainstoming zu möglichen neuen Kandidaten.
Ciceróns Vorschlag kam für mich völlig unerwartet und von hinten links aus der Ecke: „Wie wäre es mit deinem Bruder, Ricardo?“
Hui. Woooah. Mein erster Instinkt war sofortige und kategorische Ablehnung, aber ich biss mir auf die Zunge und tat die Idee nicht gleich ab, sondern zog die Brauen hoch und blinzelte. Den Gedanken musste ich erstmal verdauen.
Totilas warf seine Schwester in den Ring, aber Anelise ist erst ganz frisch zurück in der Stadt. Bei ihr ist es noch völlig unklar, wie sie zu Miami stehen wird, das wäre viel zu früh. Und sie ist Mitglied im Magierrat, die haben ihre ganz eigene Agenda. Das wäre ein Ungleichgewicht. Okay, wir haben mit Totilas auch einen Weißvampir in unseren Reihen und mit mir jemanden, der mit dem Sommerhof verbandelt ist, aber es tut auch nichts zur Sache. Für Annie wäre es zu früh, und wir brauchen jetzt jemanden.
Jemand warf Byron in den Raum, aber der hat ja schon öfter gesagt, dass er den Posten nicht will, weil er eigentlich nur vorübergehend in Miami ist. Linares meinte, man könnte Byron die Pistole auf die Brust setzen, aber wir anderen fanden es überhaupt nicht sinnvoll, den Schamanen unter Zwang in unseren Bund zu holen. „Immer noch besser als ein offener Posten“, fand Cicerón, aber nein. Dieser Meinung bin ich überhaupt nicht. Lieber der Posten offen halten als ihn unter Zwang besetzen – auch wenn es hoffentlich soweit nicht kommen wird. Es muss doch Optionen geben.
Macaria Grijalva, schlug Febe vor. Aber die könnte vielleicht zu alt sein. Und ist sie nicht krank? Immerhin, Red Court Infected ist sie nicht mehr, seit alle Rotvampire vernichtet sind, aber ob sie den Posten haben wollen würde? Vielleicht zeitweilig, bis wir jemand Permanentes gefunden haben? Immerhin würde sie Ángels Profil ziemlich genau ersetzen. Wir können sie ja mal fragen, einigten wir uns.
Aber wenn Macaria eins zu eins auf Ángels Profil passt, wer wäre denn dann ein guter Ersatz für Ximena? Jemand mit hermetischer Magie wäre gut.
Ich sage es ja nur ungern, aber mir fiel da jemand ein. „Christine Wick vielleicht? Sie kann Magie, sie ist auf Feuer spezialisiert? Ist nur die Frage, ob sie mit mir wieder kann.“
Roberto zuckte die Schultern. „Musst ja vielleicht nicht du sie fragen.“
„Und es ist ja nun auch nicht so, als ob hier nicht mehrere Leute ein angespanntes Verhältnis miteinander hätten.“ Das kam von Febe, gepaart mit einem finsteren Blick zu Cicerón und Ilyana, die die finsteren Blicke unvermindert zurückgaben.
„Alex“, mischte Dee sich ein, „du kennst doch so ziemlich alle Praktizierer in dieser Stadt, fällt dir nicht jemand ein?“
Und ihm fiel tatsächlich jemand ein: Jasmine Lestari, eine junge Hermetikerin mit Spezialisierung auf Luftmagie, die offenbar wie Alex Segeln als Hobby hat und die er einmal bei einem Sturm dabei erlebt hat, wie sie den Wind beeinflusste, um das Schlimmste abzuwehren. Surfen tut sie offenbar auch.
Alex erzählte, Jasmine sei Indonesierin – oder besser, sie selbst sei schon hier geboren, aber ihre Eltern seien aus Indonesien eingewandert und führten ein kleines Restaurant hier, in dem Jasmine auch als Kellnerin arbeite. Dort habe er auch schon das eine oder andere Mal gegessen, es sei ziemlich lecker.
Keiner von uns kannte Jasmine bisher, aber das klang doch gar nicht schlecht. Mit der sollten wir gleich einmal reden.
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