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Das optimale Grundregelwerk

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Ahab:
Hallo Forum,

es gibt ja schon hier und da Kommentare, was ein Grundregelwerk enthalten sollte und was nicht. Aber gesetzt den Fall, ich bin nicht zu dämlich die SuFu vernünftig zu bedienen, gibt es noch keinen Thread, der explizit fragt, wie muss ein Grundregelwerk aufgebaut, gebunden, geschrieben und/oder illustriert sein, um das Prädikat "optimal" zu verdienen. Diese Liste an Punkten ist natürlich nicht vollständig, und ich freue mich über jeden weiteren Aspekt, der bei dieser Frage zum Tragen kommt. Auch bin ich mir bewusst, dass es da von einander abweichende Meinungen/Geschmäcker gibt, und dass des einen heiligen Gral ein völlig unnötig getöteter Baum für den anderen darstellt. Aber ich wäre trotzdem an Euren Meinungen interessiert. Wie sollte ein GRW aussehen, um Euch richtig vor Begeisterung aus den Latschen kippen zu lassen?

1of3:
- Es muss vorab Leute geben, die es mit mir spielen oder zumindest darüber reden wollen.
- Es muss leicht zu beschaffen sein.
- Es muss anders sein als alle anderen in meinem Schrank.
- Es muss für kurze Ladezeiten optimiert sein und hinreichend interne Links aufweisen.
- Es braucht zumindest eine druckerfreundliche Version. Mehr Formate sind generell besser.

Achamanian:
Das hängt ganz davon ab, was das Grundregelwerk leisten will, was davon es erfüllt und wie sehr die entsprechende Zielsetzung meiner gegenwärtigen Laune entspricht.

Regelseitig finde ich meistens einen starken expliziten Fokus auf "Was kann/soll man damit spielen?" gut. Ein Regelwerk ist dann gut aufgebaut, wenn es mir möglichst zu Anfang und möglichst konzise sagt, was sich damit machen lässt und wofür ich mir besser etwas anderes Suche. Vorbildlich sind in dieser Hinsicht die diversen Gumshoe-Systeme von Pelgrane Press und zahllose Indies.

Wichtig ist mir auch meistens eine gute Verknüpfung von Setting/Themen und Regeln. Universalsysteme reizen mich deshalb meistens nicht - FATE spiele ich sehr gerne, aber irgendwie mag ich es immer nur in den Versionen lesen, in denen es schon settingbezogen daherkommt.

Wenn es ein klassisches System ist, das aus einem Regelteil und einem Settingteil besteht, will ich gerne im Grundregelwerk einen schönen Überlblick, mit dem ich auch losspielen kann. Da finde ich derzeit das Vorbildsystem für mich Numenera - schön schlanke Regeln, Settingüberblick, "Magie"teil, Kreaturenteil, Überblick über die wichtigsten Organisationen der Spielwelt, ein tatsächlich mal ganz interessantes Kapitel mit Spielleitertipps, das auch noch mal einen guten Einblick ins "Mission Statement" des Spiels gibt (Was kann/soll dieses Spiel und was kann/soll es nicht), und eine Reihe Abenteuer. Das wird für mich schon beim lesen greifbar, ich entwickle Spielideen und habe Spaß an der Sache.

Nebenher habe ich auch noch eine Vorliebe für Regelmechanismen, die irgendwie "neu" sind, und bin da etwas unkritisch, wenn es um die Frage geht, ob neu auch gleich gut ist. Würfelsysteme, die ich so noch nicht gesehen habe, oder ungewöhnliche Prämissen wie "Der Spielleiter würfelt nicht" reizen mich, was aber nicht heißen muss, dass mir das Regelwerk dann wirklich gefällt - nur, dass es mein Interesse weckt.

Letztlich läuft aber alles auf mein Eingangsstatement hinaus: Ich mag Grundregelwerke, die mir klar machen, was mit ihnen geht, und mir alle ihre Werkzeuge präsentieren (anstatt auf Ergänzungsbücher zu verweisen). Regelwerke, die behaupten, alles zu können, machen mich dagegen misstrauisch.

Der Nârr:
Regelwerk

Ich gehe jetzt mal von einem klassischen System aus.

Beispielhaft für Systeme, mit denen ich unzufrieden bin, sind Qin - The Warring States, Shadows of Esteren oder Space 1889. Den ersteren beiden fehlen Spielelemente, die meiner Meinung nach in jedes klassische Grundregelwerk gehören, nämlich Beispiel-NSCs, Bestiarien, allgemeine Abenteuerregeln usw. Wenn ich ein neues Spiel spiele, möchte ich von Anfang an wissen: Wie sieht hier ein typischer Gardist aus? Wie funktioniert eine Falle? Welche Stärke hat wohl ein Bär? Manche Spieledesigner meinen leider, dass Regeln zur Charaktergenerierung und dem Kampf ausreichend für ein Grundregelwerk sind. Ein Grundregelwerk muss aber auch das grundlegende Handwerkszeug für den Spielleiter bieten.
Ein Sonderfall ist Space 1889. Hier sieht man für mich, dass manche Sachen eben auch sehr speziell verlangt werden. Mich hat das Fehlen von Regeln zum Luftschiffkampf dazu gebracht, ein Grundregelwerk, das ich lang erwartet habe, nicht zu kaufen. Im Schnellstarter war dann absurderweise ein Abenteuer enthalten, das damit beginnt, dass die Charaktere eine kinoreife Luftschlacht verschlafen haben und gerade aufwachen, als das Luftschiff abstürzt. Jaja, die Designer erzählen immer wieder die Mär vom charakterfokussierten Rollenspiel, in dem es nicht um große Schlachten geht (wobei man ja nicht mal 1 vs 1 machen kann, das wär ja schon mal was!). Ich kann aber auch charakterfokussiert Pirates of the Spanish Main spielen und trotzdem eine actionreiche Seeschlacht ausspielen, wenn ich Lust dazu habe. Meine Ansprüche hat Space 1889 da im Stich gelassen.

Ein gelungenes Beispiel, was ein Grundregelwerk enthalten sollte, ist für mich Arcane Codex. Da habe ich alles drin, was ich so brauche: Bestiarium, Fallen, Alchemie, Zauberei, Vampire, Dämonen usw. usf., eben alles, was für ein kitchen-sink-Fantasy-Setting relevant ist. Von ähnlichem Kaliber sind auch die Shadowrun-Grundregelwerke. Magic World ist in dieser Hinsicht auch sehr vollständig. Das schon genannte Pirates of the Spanish Main finde ich ebenfalls gut gelungen. Um auch weniger klassische Spiele zu nennen: Trail of Cthulhu und Ashen Stars finde ich auch sehr gut.


Ausstattung

Bei einem Wälzer: Mattes Papier (keine störenden Reflexionen beim Lesen!), sehr gute Fadenbindung, Hardcover. Alternativ zu einem dicken Wälzer finde ich auch die Aufteilung in mehrere Bücher oder Hefte gut. Ab 300 Seiten mit Lesebändchen. Hochwertiges Papier, bitte kein mit Luft gefülltes, damit es dicker wirkt...

Wenn DIN A5, dann bitte einspaltig setzen! Ich finde nichts schlimmer als ein Buch wie Dungeonslayers vor mir zu haben, wo ich eine Lupe zum Lesen brauche. Einfach einspaltig setzen und die Schrift ein bisschen größer, meine Güte!

Illustrationen sind zweitrangig, ich finde sie vor allem im Bestiarium interessant. Schaubilder sind aber hilfreich, wenn sie der Regelerläuterung dienen. Es gibt natürlich Sonderfälle, wo die Illustrationen ein Regelwerk rein optisch deutlich aufwerten, z.B. Arcane Codex 2nd oder MHR. Da habe ich dann auch nichts gegen. Eines der wenigen Spiele, wo ich mir mehr Illus und auch farbige gewünscht hätte, ist Talislanta.

Karten, Karten, Karten.


Sprache

Bitte weitgehend auf Geschwafel verzichten. Ich will kein Wort zu viel lesen müssen.

Agent_Orange:
Hallo.

- Es muss vollständig sein. Das heißt nicht, dass durch zusätzliche Quellenbände die Spieloptionen nicht erweitert werden sollten. Gemeint ist vielmehr, dass das Grundregelwerk unumstößliche Eckpunkte setzt und das Spiel auch trotz umfangreichem Spielmaterial spielbar sein lässt. Diese Produktstrategen größerer Verlage, die das Grundregelwerk über die Monate und Jahre mehr und mehr zu einer "Light-Version" des gesamten Spieles verkommen lassen, haben mir verschiedene weiter verbreitete Rollenspiele uninteressant werden lassen, weil die Spielerfiguren nach Grundregeln um einiges schwächer oder unspielbarer als die mit allerlei Zusatzmaterial gebastelten Super-Helden-Monstrositäten geworden sind.
- Das Layout muss zum Setting und Spiel passen. Bleiwüsten und infantile Grafiken passen nicht zu Spielen mit einem cineastischen Anspruch, wie auch comichafte oder mangaeske Bildmaterialien nicht zu einem ernsthaften Rollenspiel passen. Das ist natürlich eine enorme Geschmacksfrage.
- Von der Logik sollte das Spiel mich von der ersten bis zur letzten Seite an die Hand nehmen und mich durchgehend begeistern. Schon frühere Referenzierungen auf spätere Inhalte sind da verfehlt.
- Weniger ist mehr: Diesen ganzen Shadow-Talk, lustige Kurzgeschichten oder Szenen sowie allerlei buntes Fluff-Material, dass ausladend zwischen Regeln, Mechanismen, echtem Setting-Content ausgebreitet wird, schreckt mich eher ab. Es darf sein, um den besonderen Reiz vereinzelt anzukitzeln - aber das in Maßen, weil ich letztlich nicht bloß die geistigen Blähungen kreativer Schreiberlinge repitieren will, sondern mir meine eigene Spielerfahrung mit meiner Spielrunde erspielen will, nämlich mit unserem Fingerabdruck.
- Das Preis-Leistungs-Verhältnis muss stimmen. Ich gebe gerne eine Münze mehr aus, wenn ich dafür eine insgesamt solide Gesamtleistung abgreifen kann.
- Elektronische Versionen: Muss nicht sein, darf aber gerne sein. Hier bitte sehr professionelle Dokumente bereitstellen, die den Darstellungsfähigkeiten halbwegs aktueller Tablets und Note-/Netbooks gerecht werden darf; eBook im Sinne von echtem eBook: NEIN! BLOß NICHT!
- Printversion: qualitativ gutes Papier, nicht an der Bindung sparen, Hard-Cover, von mir aus nicht im Innenteil Vollfarbe - ich wil ja nicht bunte Ti..tel in Chainmail-Bikinis anstarren, sondern ein Spiel spielen und aus dem Regelwerk die wirklich wichtigen Dinge herausLESEN können.
- Vernünftiges Inhaltsverzeichnis, umfangreicher und fehlerfreier Index.
- Im Regelteil: schlüssige und in allen Teil durchgehaltene Terminologie, gerade bei übersetzten Werken.

Da kann man bestimmt noch das ein oder andere ergänzen.

AO

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