Pen & Paper - Spielsysteme > Fate

Mindjammer 2.0

<< < (20/39) > >>

Ucalegon:

--- Zitat von: Rumspielstilziel am 22.03.2015 | 14:13 ---Stimmt - die Diskussion kommt halt immer wieder im direkten MJ-EP-Vergleich auf ...

--- Ende Zitat ---

Und macht nicht so viel Sinn, finde ich, zumindest wenn man so tut, als könnte man einfach das adventure bei MJ und conspiracy/horror bei EP weglassen und nur transhuman vs. transhuman diskutieren.

 :btt:


--- Zitat von: Rumspielstilziel am 20.03.2015 | 12:29 ---Ich muss auch sagen, dass mir Settingseitig der Baukasten-Aspekt von Mindjammer ganz gut gefällt ... dadurch, dass das Setting eher in Form von einigen klarer herausgearbeiteten Stichpunkten präsentiert wird, habe ich wenig Skrupel, da selbst viel drin rumzubasten. Ist halt eine etwas andere Philosophie als bspw. bei dem genannten Splittermond: Da soll ein rundes, in sich geschlossenes Setting präsentiert werden, das schon von sich aus lebt und atmet; Mindjammer scheint mir eher das Material zu liefern, um im Spiel ein Setting entstehen zu lassen, das erst dann lebt und atmet, dafür aber auch mehr das eigene ist.

--- Ende Zitat ---

Unsere Kampagne um eine Raumstation im Grenzgebiet läuft im Prinzip genau so. Wir picken uns einzelne Sachen raus und basteln die zusammen, wobei sich das Ganze FATE-mäßig mehr um unsere mehr oder weniger heldenhaften SCs und einige wiederkehrende Figuren dreht. Transhumanismus steckt bei uns v.a. in den Extras, hat aber story-technisch bisher kaum eine Rolle gespielt. Wir sind eher bei Space Opera mit ein paar hard-SF Elementen. Baukasten heißt halt bei MJ imho auch, dass man dem Transhumanen sehr leicht entkommt. Da spielt denke ich auch FATE mit rein. Beispielsweise sind die ganzen Extras sehr auf ausbalancierte Benutzbarkeit (man bezahlt dafür ja auch in "Stunts") ausgelegt und haben gimmick Charakter. Da ist wenig Zeug dabei, das von sich aus Story-Probleme generiert. 

Was mir grds. am meisten Probleme macht, ist, dass sich für mich ein hard-SF/transhumaner Stil immer mit FATE beißt - wenn man MJ denn in dem Stil haben will, was man ja ausdrücklich nicht muss. Bei FATE erscheint irgendwie immer alles in der Schwebe, alles beeinflussbar. Das stört mich, weil ein Fokus auf harte Fakten und die Bedeutung von Technologie für das Setting auch heißen sollte, dass man diesen Fakten und diesen technologischen Entwicklungen und Möglichkeiten häufig ausgeliefert ist und ihnen machtlos gegenüber steht.     



Wisdom-of-Wombats:

--- Zitat von: YY am 22.03.2015 | 13:34 ---Kann man natürlich als Autor so machen, ist aber keineswegs die wissenschaftlich wahrscheinlich(st)e Variante und man eckt damit sehr leicht an.

--- Ende Zitat ---

Wenn Du eine Kopie eines Originals erstellst, die glaubt, sie sei das Original, dann ist sie das Original. Da sehe ich sehr wohl die wahrscheinlichste Variante drin. Der Clou in der Geschichte liegt daran: wenn Original und Kopie gemeinsam existieren, dann wird das Original ein eigenes Bewusstsein entwickeln und seine Löschung als Ende der Existenz empfinden. D.h. beim Far Cast oder Egotransfer muss das Original erst sediert und dann ohne Wiedererlangung des Bewusstseins gelöscht werden. Und die Kopie darf nicht das Bewusstsein erlangen, bis das Original gelöscht ist, um die Kontinuität des Egos zu gewährleisten.

Alternativ: Original und Kopie werden zum Schluß gedanklich in einen Körper integriert. Dann bist Du beim Doctor-Who-Paradoxon. Sind die dreizehn Doktoren Ausdruck ein und der selben Persönlichkeit oder hat jeder Doktor ein eigenes Bewusstsein?


--- Zitat von: Ucalegon am 22.03.2015 | 14:52 ---Was mir grds. am meisten Probleme macht, ist, dass sich für mich ein hard-SF/transhumaner Stil immer mit FATE beißt - wenn man MJ denn in dem Stil haben will, was man ja ausdrücklich nicht muss. Bei FATE erscheint irgendwie immer alles in der Schwebe, alles beeinflussbar.     

--- Ende Zitat ---

Da kann der SL entgegenwirken, weil er ein Vetorecht hat. D.h. wenn man weiß, dass etwas technologisch im Setting unmöglich ist, dann kann man es auch nicht machen. So wie Du es beschreibst, klingt Fate sehr nach einem "Gonzo/Anything Goes" Spiel und das ist nicht der Fall.

Ucalegon:

--- Zitat von: Murder-of-Crows am 22.03.2015 | 17:21 ---Da kann der SL entgegenwirken, weil er ein Vetorecht hat. D.h. wenn man weiß, dass etwas technologisch im Setting unmöglich ist, dann kann man es auch nicht machen. So wie Du es beschreibst, klingt Fate sehr nach einem "Gonzo/Anything Goes" Spiel und das ist nicht der Fall.

--- Ende Zitat ---

Darum geht es mir gar nicht. Das klappt bei uns super. Und es ist, glaube ich, bei FATE ja auch nicht so gedacht, dass die SL irgendwelche Veto-Rechte braucht, sondern das die Gruppe sich einig ist, was zur Story/zum Setting gehören soll und was nicht rein passt. Was das betrifft, kann man, wenn da alle in einem Boot sitzen, sicher auch einen hard-sf Stil halten (vlt. noch eher mit Diaspora als mit MJ, aber das ist ja eine andere Frage).

Edit: Was mir bei MJ fehlt, ist regelseitig ein stabiles Feedback, eben Fakten, auf die man sich verlassen kann, Simulation, wenn du so willst. In FATE wird immer per Konsens bestimmt, was relevant ist und in Aspekte gegossen. Das ist keine Kritik an MJ, mehr die Erkenntnis, dass FATE und "faktenlastige"? SF bei mir nicht zusammen gehen. Genausowenig wie FATE und Horror.

YY:

--- Zitat von: Murder-of-Crows am 22.03.2015 | 17:21 ---Wenn Du eine Kopie eines Originals erstellst, die glaubt, sie sei das Original, dann ist sie das Original. Da sehe ich sehr wohl die wahrscheinlichste Variante drin.

--- Ende Zitat ---

Für alle praktischen Zwecke ist sie das Original.
Faktisch ist sie eine perfekte Kopie und sonst nichts.


--- Zitat von: Murder-of-Crows am 22.03.2015 | 17:21 ---Der Clou in der Geschichte liegt daran: wenn Original und Kopie gemeinsam existieren, dann wird das Original ein eigenes Bewusstsein entwickeln und seine Löschung als Ende der Existenz empfinden.

--- Ende Zitat ---

Das Original hat sein Bewusstsein schon bzw. noch.
Die Kopie hat ein neues Bewusstsein.


--- Zitat von: Murder-of-Crows am 22.03.2015 | 17:21 ---D.h. beim Far Cast oder Egotransfer muss das Original erst sediert und dann ohne Wiedererlangung des Bewusstseins gelöscht werden. Und die Kopie darf nicht das Bewusstsein erlangen, bis das Original gelöscht ist, um die Kontinuität des Egos zu gewährleisten.

--- Ende Zitat ---

Und diesen ganzen Aufwand inklusive des Mordes am Original treibt man nur, um sich einreden zu können, es wäre noch die selbe Person und keine Kopie.

Bei destruktivem Upload oder Egotransfer per kortikalem Stack kann man sich noch streiten (technische Machbarkeit mal außen vor).
Aber beim Far Cast ist das Ganze reine Augenwischerei.

Achamanian:

--- Zitat von: Murder-of-Crows am 22.03.2015 | 17:21 ---Wenn Du eine Kopie eines Originals erstellst, die glaubt, sie sei das Original, dann ist sie das Original. Da sehe ich sehr wohl die wahrscheinlichste Variante drin. Der Clou in der Geschichte liegt daran: wenn Original und Kopie gemeinsam existieren, dann wird das Original ein eigenes Bewusstsein entwickeln und seine Löschung als Ende der Existenz empfinden. D.h. beim Far Cast oder Egotransfer muss das Original erst sediert und dann ohne Wiedererlangung des Bewusstseins gelöscht werden. Und die Kopie darf nicht das Bewusstsein erlangen, bis das Original gelöscht ist, um die Kontinuität des Egos zu gewährleisten.

--- Ende Zitat ---

Da landest du halt schnell bei einer ganzen Reihe Grundprobleme:
Erst einmal die Variante, dass das Original fortlebt, ohne zu wissen, dass eine Kopie erstellt wurde und die Kopie sich selbst für das Original hält oder zumindest davon ausgeht, dass das Original nicht mehr existiert. Sind sie in dem Moment, in dem sie voneinander erfahren, plötzlich rückwirkend nicht mehr "sie selbst" gewesen? Oder wäre es nicht viel schlüssiger, sie ab dem Moment der Erstellung einer Kopie als getrennte Persönlichkeiten zu betrachten, sodass das Identitätsparadoxon erst gar nicht entsteht? Das würde aber wieder implizieren, dass, wenn im Zuge der Erstellung einer Kopie das Original zerstört wird, um die nicht-verzweigte Kontinuität zu gewährleisten, in Wirklichkeit genau das Gegenteil geschieht: nämlich schlicht und einfach ein Mord an der Originalperson (bzw. ihr Selbstmord).

EP geht ja noch einen etwas anderen Weg und bringt über das Forking die Idee rein, dass ein transhumanistischer Begriff des Individuums eine gewisse Verzweigung ermöglicht; da wird es wieder interessant, finde ich, die Grenzen des Individuums werden hier halt schwimmend, besonders, wenn man die Möglichkeit der Re-Integration einbezieht. Im Prinzip könnte man, wollte man wirklich radikal sein, einfach erklären, dass sich der Begriff des Individuums in so einem Setting mehr oder weniger aufgelöst habe und die Leute sich wahrscheinlich nicht mehr so sehr für ihr Fortbestehen als Person interessieren, sondern für das Fortbestehen der Informationsmuster, aus denen sie bestehen. Das wäre gewissermaßen ein extrem radikaler, aufs ich zurückgewendeter Egoistisches-Mem-Darwinismus; gleichzeitig gruselig und verheißungsvoll und dadurch auch thematisch spannend.

EP geht für mich allerdings eher den Mittelweg: irgendwie können Personen schon noch Individuen bleiben und sich als kontinuierlich erleben, trotz Upload, Forking, wechselnder (und physisch ganz unterschiedlich konfigurierter) Sleeves. Und das ist es, was ich mir unter der EP-Prämisse halt beim besten Willen nicht vorstellen kann und was ich ehrlich gesagt als Scheitern des Settings an seinen radikalen Prämissen sehe.

MJ vertritt dagegen die Position eines nüchternen Skeptizismus: Etwas, was sich als kontinuierliches Individuum empfindet, kommt sozusagen definitionsgemäß an sein Ende, sobald ein extremer Bruch in der Kontinuität eintritt - und jeder Upload des Bewusstseins und/oder jedes vollständige Auswechseln des Körpers ist ein solcher. Das Individuum ist nicht allein der Informationsgehalt seines Bewusstseins, sondern eine Gesamtgestalt, deren Kontinuierlichkeit eben genau darin besteht, dass Materie und Information einem langsamen Stoffwechselprozess unterliegen.
Insofern kommt MJ vielleicht weniger radikal rüber, ist für mich in Bezug auf den Umgang mit Upload (Thanogrammen) eine sehr viel glaubwürdigere Gesellschaftsvision; nicht die einzig Mögliche natürlich - es ist halt die Vision, die ihre Position aus dem von mir Eingangs geschilderten Problem herleitet. Denkbar ist z.B. wie gesagt auch die Vision "Auflösung des Individuums".

Noch eine Kleinigkeit zu EP: In einer der Stories im Buch argumentiert eine Figur sinngemäß zum Thema Sleeve-Wechsel so: "jedes Muster, das hinreichend Christoph-ähnlich ist, ist Christoph." Das finde ich einen interessanten Gedanken, für mich greift er aber gerade beim Morph-Wechsel nicht: Wenn du "das Muster Christoph" nämlich nicht nur als einen Informationsgehalt des Gehirns begreifst, sondern als eine notwendig körperliche Gesamtperson, dann gleich das Gesamtmuster "Christophs Erinnerungen im Krabbenroboter-Körper" halt nur ganz entfernt dem Gesamtmuster "Christoph in dem Körper, in dem er geboren und aufgewachsen ist."

Und da sind wir wieder bei der Religion: Ich halte eben die Vorstellung, die Person sei ein Informationsmuster im Gehirn für kein bisschen weniger Glaubenssache als die Vorstellung, die Person sei irgendwas körperloses, was von Gott kommt und den Körper nur bewohnt. Beides scheint mir vor allem dem Zweck zu dienen, den Menschen über seine Sterblichkeit hinwegzutrösten, mal mit einer magischen und mal mit einer technischen Begründung.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln