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Ermittlungsabenteuer improvisieren

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Pyromancer:
Das ist etwas, was bei mir nicht sehr gut funktioniert. Ich leite sehr wenig Ermittlungsabenteuer, und meistens steht da von vorne herein fest, was passiert ist, wer was getan und gesehen hat, und die Spieler/Charaktere können das dann herausfinden. Wenn die Spieler/Charaktere Dinge tun, die ich nicht vorhergesehen haben, dann muss ich improvisieren, aber ich improvisiere um die feststehenden Fakten herum. Das klappt soweit ganz gut, aber der Aufwand ist ziemlich groß, dieses ganze Tat- und Hinweisgebäude vorher aufzubauen – deswegen mach ich das sehr selten.

Jetzt ist es natürlich auch möglich, einfach zu improvisieren, auf die Spieler zu hören, und die Fakten (Täter, Motiv, Indizien, etc.) dann so festzulegen, dass es passt. Darum soll es hier in diesem Thread gehen – das krieg ich nämlich nicht befriedigend hin. Wie geht das?

Meiner Erfahrung nach ist das Ergebnis nämlich immer unbefriedigend. Da sitzen die Spieler mit ihren improvisierten Indizien und überlegen: "Hm, ja, so und so könnte es wohl gewesen sein...", aber überzeugt davon sind sie nicht, und wenn dann der Verdächtige gesteht: "Ja, so war es! Verhaftet mich!"[1], dann kommt der kritisch-analytische Spieler, der sich den ganzen Abend über Notizen gemacht hat, und wirft ein: "Äh, aber was ist dann mit X? Und Y? Das passt doch immer noch nicht." Und dann werden diese Puzzle-Teile mit Gewalt in dieses Bild gehämmert, das dann hinterher etwas krumm und schief da steht, ein paar Lücken hat, und alle akzeptieren das, weil kar ist: Besser wird es nicht.

Und dieses Grundproblem ist bei Ermittlungsabenteuern besonders deutlich, weil da Inkonsistenzen im Fokus stehen. In anderen Genres kann man da einfach drüberbügeln, bei Ermittlungsabenteuern nicht.

Welche Techniken und Hilfsmittel gibt es also, um improvisierte Ermittlungsabenteuer konsistent und befriedigend zu Ende zu bringen?

--
[1]Das ist alles leicht übertrieben, um es besser zu veranschaulichen.

K!aus:

--- Zitat von: Pyromancer am 12.02.2015 | 12:13 ---Welche Techniken und Hilfsmittel gibt es also, um improvisierte Ermittlungsabenteuer konsistent und befriedigend zu Ende zu bringen?

--- Ende Zitat ---

Ich stelle mir das extrem schwierig vor:

1) Wenn ich das Problem richtig verstehe, dann ist der Knackpunkt, dass trotz Vorbereitung der Spielleiter durch kreative Spieler zur Improvisation gezwungen ist. Weil der Spielleiter eben nicht jedes Detail vorbereiten kann - klar!

2) Nach dem Spielabend setzt sich also der Spielleiter hin und probiert die improvisierten Fakten mit seinen Ideen, seiner Vorbereitung, so konsistent wie möglich in Verbindung zu bringen.

Und jetzt? Ist die Situation bei Beginn der nächsten Sitzung nicht wieder jene von 1) ?

Gruß,
  Klaus.

Lichtbringer:
Hm, also so ein richtiges Patentrezept kann ich dir leider nicht geben, weil ich eben eher dieses Anpassen der Fakten mache. Aber hier zumindest mal ein paar lose Ideen:

1) Wenn du deine Gruppe gut kennst, dann kannst du eine Auflösung wählen, die komplett außerhalb ihres Erwartungshorizont liegt. Dann darfst du ihnen gerne viele Fakten geben oder andeuten, sie werden dennoch lange knuspern. (Eine triviale Möglichkeit wäre, das einfach zwei Verbrechen unabhängig voneinander relativ zeitnahm passierten, so dass viele der NSCs unkoorperativ sind oder Details verbergen, die einfach zu dem anderen Verbrechen gehören. Das roman- und filmgeprägte Spieler immer nur einen Handlungsbogen erwarten, kann sie das völlig überrumpeln.)

2) Häufig, wenn die SCs am Eigentlichen vorbeispielen, dann stört das nur, weil es frustrierend oder langweilig ist. Daher generelle SL-Regel: Wenn du dich langweilst, lass etwas explodieren! Explodieren bedeutet hier: Verschärfe die Lage oder lasse etwas anderes passieren, was die SCs akut zum Handeln zwingt.

3) Mache das Abenteuer nicht darum, herauszufinden, was los ist, sondern wie die SCs darauf reagieren. (Moralisches Dilemma, Zwickmühle, der Täter hat mächtige Verbündete usw.)

4) Plane auf Redundanz: Anstatt für jeden Nachforschungsfortschritt einen Hinweis zu legen, sollten es eher drei sein, damit einer auf jeden Fall ziemlich sicher greift.

5) Die alte Mogelnummer: Wenn alles nichts hilft, berufe dich auf Magie. Vielleicht hat der Täter magische Mittel, sich schwer auffindbar zu machen.

Ucalegon:
Ich hab nochmal in die Armitage Files für Trail geschaut. Da gibt es auf den ersten 20 Seiten tatsächlich viele allgemeine Tipps zu improvisierten Ermittlungsszenarios.

Aber selbst wenn man das Puzzle am Ende nicht grob zusammenhämmert, sondern mit mehr Vorsicht versucht gemeinsam die loose ends zusammenzubringen, wird man zum Schluss trotzdem nicht den perfekt gelösten Fall haben. Andererseits will man das ja auch in vorgeplanten Szenarios nicht unbedingt, zumindest wenn es um Mystery, cosmic horror o.Ä. geht. Und in echten Kriminalfällen bleiben ja oft genug ungelöste Fragen und Widersprüche.

Die Armitage Files (S. 18) bemühen da Stephen King:


--- Zitat ---There are some good reasons not to always play this way. Stephen
King says in On Writing, “I distrust plot for two reasons: first,
because our lives are largely plotless, even when you add in all
our reasonable precautions and careful planning; and second,
because I believe plotting and the spontaneity of real creation
aren’t compatible.” When you tie this in with the GM’s creed, “No
scenario ever survives contact with the players,” you will see that
the improvised game has some advantages over one written by
the GM.

--- Ende Zitat ---

Insofern würde ich mir um eventuelle Inkonsistenzen gar nicht so viele Sorgen machen. Wichtiger ist für mich, dass man den Unterschied zwischen fiktiven Fall untersuchen vs. Fall erschaffen beachtet, den du im anderen Thread ja schön zusammengefasst hast.

Praktisch würde mich die Meinung von jemandem interessieren, der längerfristig (z.B. mit den Armitage Files) improvisiert spielt.

Selbst habe ich (zumindest mit dem Fokus auf Ermittlung) bisher nur einmal eine offene Runde tremulus gespielt. Da war mir das Ende zunächst auch ein bisschen zu offen, im Nachhinein denke ich aber dass das zur Stimmung eigentlich doch sehr gut gepasst hat.

Koenn:
Kurz und knapp eine Idee: ein NSC, der die Fakten überprüft und kommentiert, à la "Hier sind die Ergebnisse aus der Spekralanalyse. Wir kriegen den Verdächtigten damit nicht dran"

Die Charaktere müssen ja nicht jedes einzelne Detail zusammen setzen, sondern eigentlich nur nach den Schlüsseldetails suchen. Die anderen kann man mit 10 vorprogrammierten Ergebnissen und Antworten um das Feld der Charaktere ausspielen (um die Spannung hoch zu halten), aber abwiegeln (um nicht in die übermäßige SL-Improvisation zu geraten).

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