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Ermittlungsabenteuer improvisieren

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Luxferre:
Ein Ermittlungsabenteuer hat normalerweise ein ziemlich festes Script. Wer hat was, wann, wo und warum getan.

Das hält mich als SL aber nicht davon ab, das zu ändern, zu vercoolen und spontan umzuimprovisieren. Spielerinput kann dermaßen geil sein, dass ich die mir gebotenen Elemente richtig gerne aufgreife, mit dem Hintergrund der SC verwebe und plötzlich auch eine neue Geschichte miterlebe. Win-win Situation würde ich meinen  :headbang:

Das kann passieren, muss aber nicht.

Horatio:
Puh, letzendlich gibt es da ein paar Methoden, wobei einige für mich allerdings zum schlechten Stil gehören. Das mögen andere anders sehen; in den irgendwie immer noch präsenten 90ern war da ja einiges Mode :P.

Das erste ist klassisches Trailblaizing / Schnitzeljagdt.

Ja es gibt ein „Geheimnis“ und ja die Spieler sammeln Indizien, allerdings ist das alles so geordnet, dass der vorhergehende Hinweis sie in Richtung von genau einem weiteren Hinweis treibt. Das Spiel spielt man so lange bis der eindeutige Hinweis gefunden ist.

Hinweis ist hierbei weit zu verstehen. Es kann auch der Täter sein, der gegen die SCs vorgeht, sobald sie ihm zu nahe gekommen sind. Fehlende Fakten / Inkonsistenzen kann er dann immer noch im Verhör oder in seinem „ich erkläre euch den Plan“ Gespräch nachliefern / aufklären. Am einfachsten ist es hier wenn die Auflösung – also der Hinweis der mehr oder minder alle vorangegangene Hinweise redundant für die Falllösung macht –, dann kommt  wenn die Spieler einen erhärteten Verdacht haben allerdings sich aus den bisher eingeführten Fakten noch kein wirklich festes Endbild ergibt.

Das funktioniert dann am besten wenn man ein gewisses Tempo aufrechterhält, so dass die Spieler wenig Gelegenheit haben über die gefundenen Indizien nachzudenken und es ihnen zumindest im Spiel gar nicht auffällt, dass da eine Menge Fakten / Indizien aufgetaucht sind, die zwischendurch wichtig erschienen und später gar nicht mehr aufgegriffen werden oder nicht so ganz ins Gesamtbild passen. Wichtig ist dafür, dass sie zu jedem Punkt des Spiels immer wenigstens eine direkt präsente Idee haben welcher Spur sie jetzt nachgehen sollen.

Das ist ein wenig wie viele Krimis die man im Fernsehen / Kino so zu sehen bekommt. Lücken die einem erst beim zweiten Schauen oder dem aktiven darüber Nachdenken auffallen.

Hier ist improvisieren sehr einfach. Man muss nur dafür sorgen dass es etwas zu tun gibt; neue Dinge finden lassen die nach Indizien aussehen und irgendwann den dicken Hund loslassen, der einen die "eindeutige" Lösung (fast) in den Schoß fallen lässt.

Wie gesagt, in meinen Augen zumindest dann schlechter Stil, wenn den Spielern verkauft wird, dass die Ermittlungen das Abenteuer ausmachen sollen. Wenn das ganze nur eine Kulisse sein soll um Settingelemente / Kämpfe / Drama etc. zu präsentieren (wie bspw. fast alle Film Noir Filme :P) dann mag das legitim sein.


Wenn man das nicht so lösen will, dann geht es eigentlich nur darum die eigene Vorbereitungszeit zu optimieren / strukturieren:

Denk dir aus was Vorgefallen ist. Mach es ruhig etwas kompliziert. Je aufwendiger, desto mehr Spuren hinterlässt es.

Jetzt stell dir die Frage, welche „Informationen“ (wieder weit verstanden) brauchen die Spieler um den Fall zu lösen. Mach dir hier ein paar Notizen welche Indizien / Spuren / Zeugenaussagen etc. diese Informationen beinhalten könnten, einfach um schon ein paar Ideen zu haben falls die Spieler anfangs zu passiv sind.

Dann denk dir einen Startpunkt für die NSCs aus. Also wann sie ins Spiel kommen. Fertig.

Im Spiel selsbt überleg dir bei allen Ermittlungsarbeiten der SCs akkut ob du ihnen entweder einen Teil der Informationen geben kannst oder alternativ einen Hinweis wo sie solche Informationen bekommen können. Sei großzügig und gib im Zweifel zuviel / zu früh raus als zu wenig / zu spät. Im Zweifel fühlen sie sich bestätigt wenn sie die Idee schon hatten und gerade am Anfang, wenn man noch keine Vorstellung hat wo die Reise hingeht, sind auch aus SL-Sicht ganz offensichtliche Schlussfolgerungen gar nicht so einfach zu erkennen.

Was dann noch unglaublich hilft ist ein sogenannter Talking Head (1of3 hatte da mal einen tollen Thread zu). Also eine Person der sie vertrauen können und die sie auch mal von einer falschen Spur abbringen oder auf eine richtige Spur setzen kann; bspw. der offensichtlich unschuldige und überforderte Gastgeber des Dinners mit Mord der einfach nur will, dass sich alles aufklärt.

Der Rest ist dann nur noch „Spielfokusmanagement“. Wenn die Spielern etwas nachgehen was keine Ergebnisse bringen kann handle es schnell ab. Verschwende keine Spielzeit auf Sackgassen (ebenso erachten Spieler verständlicherweise in der Regel das als zentral wo viel Aufwand / Spielzeit drauf verwendet wird). Es ist wichtig, dass die Spieler auch Möglichkeiten ausschließen können aber das bringt das Szenario nicht voran und du bist als improvisierender SL selbst darauf angewiesen, dass die Spieler möglichst viele Dinge versuchen, damit du möglichst viele Momente hast in denen du ihnen Infos rausgeben kannst :).

Meine Erfahrungswerte und best practice :).

bobibob bobsen:
Ich kann nur von mir sprechen.
Für mich ist wichtig das ich die Mitspieler schon recht gut kenne und sicher sein kann das keine blödsinnigen Fakten geschaffen werden, die mir den Fall kaputt machen.
Im Vorwege einigen wir uns darauf einen Kriminalfall zu spielen (ob das ein Mord, ein Raub, eine Entführung oder irgendwas anderes ist) sei mal dahingestellt.
Dann erschaffe ich als SL den ersten Fakt und warte auf die Reaktion meiner Mitspieler z.B. Sir Ratcliff sucht euch auf und bittet euch seine Tochter zu suchen. Sie ist vor zwei Tagen verschwunden.
Durch die Erzählungen meiner Mitspieler, die auch Tatsachen schaffen z.B. Spieler A beobachtet ob Jemand Sir Ratcliff verfolgt, Spieler B bestätigt dies und beschreibt den Verfolger.
So geht das eine ganze Weile wobei ich mich als SL rege beteilige und mir über die bisher geschaffen Fakten Notizen mache.
Aus den Fakten kann ich dann meist schon erkennen in welche Richtung es gehen soll. Ich versuche nun den Kriminalfall in einen Zusammenhang mit Organisationen, Verbände, Königshäuser, zeitgeschichtliche Ereignisse zu bringen. Wenn ich merke das meine Mitspieler nicht in diese Richtung tendieren lass ich die Idee fallen und überlasse es den Spielern ihre Ideen selbst umzusetzen.

Meine Aufgabe als SL sehe ich eher darin einzugreifen wenn die Geschichte ins stocken gerät, vielleicht mal eine Probe zu verlangen. Ansonsten beteilige ich mich wie alle anderen Mitspieler.

Ich hatte auch schon Kriminalfälle die aufgrund konträrer Indizienlage nicht geklärt werden konnten. Das war aber Ok und von Spielerseite auch so gewollt.

Horatio:

--- Zitat von: Luxferre am 12.02.2015 | 13:36 ---Ein Ermittlungsabenteuer hat normalerweise ein ziemlich festes Script. Wer hat was, wann, wo und warum getan.

Das hält mich als SL aber nicht davon ab, das zu ändern, zu vercoolen und spontan umzuimprovisieren. Spielerinput kann dermaßen geil sein, dass ich die mir gebotenen Elemente richtig gerne aufgreife, mit dem Hintergrund der SC verwebe und plötzlich auch eine neue Geschichte miterlebe. Win-win Situation würde ich meinen  :headbang:

Das kann passieren, muss aber nicht.

--- Ende Zitat ---

Grundsätzlich gebe ich dir Recht, dass das Aufgreifen von Spielerinput und Erwartungen und denen entgegenzukommen und / oder sie anzuspielen eine ganz hervorragendes Sache ist (falls man nicht gerade herausforderungsorient spielt und sowas ein Dealbreaker wäre). [Gleichzeitig ist nichts toxischer als ein SL mit der Geisteshaltung leitet, dass er das Setting und das Abenteuer vor dem Input seiner Spieler verteidigen muss (oder auf der anderen Seite Spieler die meinen, dass nur der SL Verantwortung für das Spiel am Tisch hat).]

Allerdings ist das in meinen Augen etwas, was man bei Ermittlungsabenteuern nur sehr vorsichtig anwenden sollte – insbesondere wenn man verstärkt improvisieren möchte / muss.

Ich bin mir sicher, dass dir das klar ist, ich möchte es aber trotzdem nochmal herausarbeiten: Konsistenz ist ein dermaßen zentraler Faktor in Ermittlungsabenteuern, dass ich alles mit Bedacht einsetzen würde, was diese gefährden kann.

Soweit man eine sehr gute Vorstellung hat wie alles zusammenhängt, wo alle Teile sind und was bereits eingeführt wurde, kann man das natürlich machen, soweit man absehen kann, dass es nicht zu Problemen führt, wenn man hier mit Spielerinput „aufcoolt“. Allerdings geht das selbst da gerne mal schief oder muss zumindest nochmal nachgerichtet werden.

Wenn ich jetzt allerdings meine Teile erst während des Spiels setze und mein aufzuklärendes Geheimnis (bspw. die Umstände des Mord am reichen Kaufmann) meine einzige Basis ist, dann brauche ich erstens meine mentalen Ressourcen dafür im Spiel Entscheidungen zu treffen die damit konsistent sind und das Abenteuer vorantreiben und zweitens ist es dann fast unmöglich abzuschätzen was noch funktioniert wenn ich plötzlich meinen eigenen roten Faden beim Leiten hinten austausche :P.

Das ist in meinen Augen eine Risk / Reward Sache, die ich hier fast immer konservativ Entscheide. Es ist wichtiger, dass das Abenteuer funktioniert, als dass ich den Bang größer mache aber dafür die Chance erhöhe, dass der Rest zerbröselt.

Das ist doppelt gefährlich, da bei einem echten Ermittlungsabenteuer die Spieler – wie in dem Thread auch schon festgestellt wurde – hier nach Inkonsistenzen suchen.

Zusammengefasst gesagt: Man braucht um Improvisieren zu können immer klare Bezugspunkte. Es gibt kein Improvisieren im leeren Raum.

So, ich hol den Zeigefinger dann mal wieder runter :P.

Luxferre:

--- Zitat von: Horatio am 12.02.2015 | 14:49 ---So, ich hol den Zeigefinger dann mal wieder runter :P.

--- Ende Zitat ---

Kommt gar nicht so rüber, daher  :d

Deine Punkte finde ich ziemlich wichtig, keine Frage. Es braucht eine gewisse Empathie, Feingefühl und Erfahrung im leiten, sowie im Umgang mit anderen Menschen. Das liegt nicht jedem und muss auch nicht jedem Spaß bringen. Nur weil ich drauf abfahre ...  >;D

Einen festen bezugspunkt gibt es ja bei spannenden Ermittlungen immer.
Ein Mord, diverse infrage kommende Verdächtige, Motive, Motivationen, Machtgruppen und zwielichte Gestalten. In diesem Pool kann man hervorragend fischen gehen und sich auch ruhig mal einen Moment treiben lassen. KANN, nicht MUSS  :)
Als SL mache ich mir immer Gedanken, wer es denn nun aus welchen Gründen wann und wo getan hat. Aber ich sehe das nicht als "Die-Eine-Lösung", sondern als einen Pfad von vielen, den man gehen kann.

Für mehr fehlt mir leider gerade die Zeit, sorry.

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