Pen & Paper - Spielsysteme > Systemübergreifende Themen
Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Chruschtschow:
@Bad Horse:
Die Krux ist halt, dass Leute daher kommen und sagen, dass sie völlig ohne Regeln spielen. Und das ist nun ein Mal falsch. Da kann man hüpfen und sich im Kreis drehen und es wird nicht besser. Wissenschaftliche Hintergründe gibt es dafür genug. Wenn hier jemand ein bisschen Entwicklungspsychologie gelernt und sich da mit Spiel befasst hat, dann wird er gerne bestätigen, dass jedes Spiel Regeln hat. (Wobei ich da beileibe auch nicht wirklich in der Materie drin bin.) Muss man sich dieser Regeln in der Runde bewusst sein? Nein, wenn es rund läuft.
Aber leider können unterschiedliche Erwartungshaltungen zu mehreren verschiedenen Sätzen an impliziten Regeln am Spieltisch führen. Und dann kracht es. Und tatsächlich helfen da Schwerter mit 1W6+4 Schaden, Fertigkeitswürfe mit D20+Fertigkeit+Modifikator gegen Probenwert aus einer Tabelle oder was auch immer weiter. Sie schränken durch zahlreiche Parameter den Interpretationsspielraum dessen ein, was eine Aktion innerhalb des Spiels bewirken kann und liefern damit natürlich auch nur einen kleineren Spielraum, was an Vorstellungen divergieren kann. Darum ist es beispielsweise bei Fate so extrem wichtig vor dem Spiel zu klären, was man da überhaupt spielen will. Sehr flexible Regeln, die jeweils ad hoc auf die Situation hin angepasst werden sollen, erfordern eben einen Konsens, sonst knirscht es.
Übrigens ist Konsens am Tisch nicht die einzige Funktion von Regeln. Simulation gehört auch dazu, manche möchten die Regeln, damit es sich eben echt anfühlt. Andere möchten möglichst wenige Regeln, weil jede Simulation zwangsläufig eingeschränkt ist (-> Laplacescher Dämon) und die offene Interpretation dank unserer doch recht leistungsfähigen Hirne da die Lücken vielleicht besser füllt. Wargaming ist auch etwas, das manche Leute tatsächlich mögen. Und das hat auch seinen Stellenwert im Rollenspiel, nicht nur historisch, sondern weil es schlicht auch zusammen passt, dass man die Personen mit den Maschinenpistolen nicht nur auf die Maschinenpistole beschränkt, sondern auch das Drumherum darstellt.
Außerdem ist es für das Klima am Tisch oft verträglicher auf die Regeln zu schimpfen als auf die Mitspieler. Und zufallsabhängige Mechanismen haben noch den schönen Effekt, dass niemand entscheiden muss, dass du gerade versagst, dafür sorgt dein W20. Das nimmt reichlich Konfliktpotential aus der Runde.
Bad Horse:
Hey, ich spiele normalerweise auch so, und ich mache das gerne. Aus einigen der von dir genannten Gründe. :)
Ich denke nur nicht, dass man solche Mechanismen (nicht Regeln. Mechanismen.) unbedingt braucht. Dass sie nützlich sind, wenn man mit Leuten spielt, die man nicht kennt oder mit denen man nicht so richtig auf einer Welltenlänge liegt, steht außer Frage. Dass sie als Creative Constraint oder als Herausforderung dienen können und dass das Spaß macht - auch klar.
Aber welche und wie viele Mechanismen man da nun braucht, hängt dann halt (wieder mal) ganz von der Gruppe ab. Das macht eine Analyse der Fragestellung einigermaßen schwierig.
Und hier ist es dann doch wieder ganz interessant, das zu machen, was der Threadstarter schon versucht hat: Diese Mechanismen aufzulisten bzw. auf das Wesentliche zu reduzieren. "Wir machen eine Probe, die geht so: Der Probenwert (wird aus den numerischen Spielwerten des Charakters berechnet; das können Fertigkeiten sein, Fertigkeiten + Attribut etc.) wird durch einen Probenmechanismus (es wird gewürfelt, es wird verglichen etc.) gejagt, damit ein aussagekräftiges Ergebnis entsteht."
Es gibt aber auch noch andere Mechanismen als die Probe. Heilung funktioniert z.B. normalerweise anders. Oder auch Schaden - der kann direkt an eine Probe gekoppelt sein, wie bei Fate, oder auch nicht, wie bei D&D-Zaubern.
Archoangel:
Da ist er dahin, der Vorsatz nicht mehr zu posten ...
Meiner Meinung nach lässt sich das klassische Rollenspiel als eine Form des Resourcen-Managements beschreiben:
es gibt endliche und unendliche Resourcen, wobei sich die endlichen zudem in ihrer Regenerierbarkeit unterscheiden lassen: in einfach und komplex.
Stößt mann auf ein Problem, so werden Resourcen verwendet um dieses Problem zu lösen ; bevorzugt werden hierfür die unendlichen Resourcen verwendet. Reichen diese nicht aus, so müssen endliche genutzt werden, wobei - je nach Situation natürlich variabel - in der Regel die leicht regenerativen vor den komplex regenerativen genutzt werden. Hat man am Ende eines Problems/Konfliktes keine Resourcen mehr, so tritt ein Dilemma ein. Reichen die Resourcen jedoch für die Geschichte, so kann man von einem Erfolg sprechen, wobei einzelne Dilemmata natürlich durchaus die Geschichte mehr berreichern können, als ein problemloses und erfolgreiches Ende.
Am konkreten Beispiel (Kampf/D&D): meine unendlichen Resourcen sind zum Beispiel mein Angriffswert und meine Rüstungsklasse, meine endlichen meine Trefferpunkte und eventuell Zaubersprüche, sowie verbrauchbare Güter wie verbrauchbare Gegenstände (Heiltränke oder Pfeile). TP und Zauber sind einfach regenerierbar, Gegenstände eher komplex.
Hierfür werden nun - mehr oder weniger komplexe - Regelmechanismen genutzt, die dem persönlichen Verlangen der beteiligten Spieler entsprechen (bei Personen mit einer gewissen Spielerfahrung, im Sinne von: sie haben mehr als 1W3 ;) Spiele kennen gelernt).
Letztlich verwenden jedoch alle Spiele jenseits des Erzählens (also Erzählen ohne Spiel zu sein) immer wieder Variationen des Resourcenmanagements, auch wenn die Art der Resourcen durchaus Unterschiede im Abstraktionsniveau aufweisen und deshalb sehr abstrakt oder sehr spezifisch sein können. Was nun einen Mehrwert darstellt bleibt ganz im Auge des Betrachters.
Wieviele Mechanismen braucht also ein RPG? Nun ja: zumindest einen, sonst ist es kein klassisches Spiel mehr. Alles weitere ist durchaus individuell unterschiedlich wahrzunehmen und sicher zudem auch noch Situations- und/oder tagesformabhängig.
Wie gesagt: nur meine bescheidene Meinung zur Problematik. Falls nicht hilfreich: bitte nicht beachten.
Bad Horse:
Finde ich recht hilfreich. "Ressource ausgeben" ist tatsächlich ein anderer Mechanismus als "Probe ablegen" - kann verbunden sein, muss aber nicht.
Tyloniakles:
Erinnert mich an Gumshoe, Hillfolk, Fate, klassische Lebenspunktsysteme ...
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln