Pen & Paper - Spielsysteme > Systemübergreifende Themen

Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?

<< < (49/49)

Rhylthar:

--- Zitat von: Turning Wheel am 27.06.2015 | 16:13 ---Fokus auf Kampf. XP for kills und dadurch steigende Hitpoints.
Wenn das Rollenspiel sein soll, kauf ich mir lieber einen Ball.

--- Ende Zitat ---
Es ist definitiv auch Rollenspiel.
Ich unterstelle es Dir jetzt mal nicht, aber bei Abaton kam auf jeden Fall so eine "Besserspieler-Attitüde" durch.

Ernsthaft, es muss niemandem gefallen, aber es ist auf keinen Fall "Das Falsche™" und auch nicht das "Schlechte Rollenspiel™".

1of3:

--- Zitat von: FlawlessFlo am 27.06.2015 | 16:18 ---Ich denke, man muss Bakers Ausführung als beispielhafte Implementierung eines Rollenspiels ansehen und nicht als Quintessenz.

--- Ende Zitat ---

Das ist klar. Es ist Richard Baker, einer der führenden Köpfe jener Bewegung, die eher so Sachen produziert, wie den Beitrag von Ravachol, auf den er eine Antwort schreibt. Es ist also noch nicht mal eine beispielhafte Implementierung, sondern Sarkasmus.

Wer Baker nicht kennt, sollte sich Dogs in the Vineyard besorgen. Das Spiel war außerordentlich einflussreich für die Formierung der Storygamer.

Tyloniakles:
Vincent Baker baut eben gern (meist) kleine, feine Rollenspiele, die sich selbst klar erklären. Und wenn sie nur Diskussionsbeiträge und Gedankenspiele sind. Nur Sarkasmus ist es denke ich nicht.

Der kampfbetonte Part (nicht nur der) ist natürlich austauschbar.

PiHalbe hat hier den Text von Ravachol sogar übersetzt und gelayoutet:
http://pihalbe.org/blogentry/2013-04-21-was-ist-ein-rollenspiel-bersetzung-von-epidiah-ravachols-what-roleplaying-game

Tyloniakles:
Als verbitterten Kritiker sehe ich Baker jetzt überhaupt nicht. Wenn dann schwingt ein bißchen Witz mit. Er macht einfach sein alternatives Ding und hat auch Erfolg damit. Sein Beitrag ist durchaus seinem Stil entsprechend, wenn auch eben exemplarisch in minimaler Ausführung gestaltet.

Arkam:
Hallo zusammen,

ich denke die Antwort auf die Frage müsste eins heißen. Denn selbst Dinge wie den Tod des Charakters oder seine Erfahrung könnte man mit einem gewählten Lösungsmechanismus klären.
Wer mir erzählt er würde ohne Regeln spielen sagt aus meiner Sicht das er ohne direkte Spielregel spielt.
Stattdessen hat man vor dem Spiel aber ein paar Dinge geklärt. Ich würde sagen das sind die folgenden:
Welcher Hintergrund wird bespielt?
Was darf ins Spiel eingebracht werden. - Also etwa keine abgestürzten Raumschiffe ins Fantasysetting oder keine Atombombe ins moderne Setting.
Wer spielt, als Charakter, welche Rolle?
Welche Aufgabe hat der Charakter in der Hinsicht auf das gemeinsame Spiel? Ist er also etwa für einen Teil des Spiels verantwortlich, wie hier im Thread bei Archipelago III beschrieben oder vertraut man ihm einfach und fragt bei kritischen Inhalten bei ihm nach?
Bei den meisten klassischen Systemen sind diese Dinge meistens schon vorgegeben. Bei den meisten Systemen hat man ja entweder einen fixen Hintergrund oder zu mindestens eine gewisse "offizielle" Auswahl.
Beim Spiel mit Spielregeln und mindestens einem Lösungsmechanismus müssen aus meiner Sicht noch mindestens die folgenden Punkte geklärt werden:
Wer darf die Spielregeln ins Spiel bringen? - Bestimmt also nur der Spielleiter wann eine Probe angebracht ist oder dürfen auch die Spieler eine Probe einfordern. Gerade bei den sozialen Fertigkeiten gibt die ganze Spanne zwischen sie werden nur erzählt bis zu es wird nur gewürfelt mit allen möglichen Abstufungen.
Wann gelten die Spielregeln? Meistens läuft es darauf hinaus ob die Spielregeln auch für den Spielleiter verpflichtend sind. Darf der Spielleiter also aus Gründen der Dramatik oder weil er die Situation als klar erachtet auf eine Regel verzichten?

Als Alter Sack, dieses Jahr 50, kann ich etwas über die Anfänge des Rollenspiels berichten. Meine Erfahrungen beziehen sich auf DSA. Wer mit D&D, Midgard, Schwerter & Dämonen, Runequest oder mit Traveller angefangen hat wird wahrscheinlich etwas andere Erfahrungen gemacht haben.
DSA 1 kannte 5 positive Attribute und Attacke bzw. Parade als Werte gegen die man proben konnte. Meistens wurde unmodifiziert oder mit +/- modifiziert gegen einen Wert gewürfelt. Bei der Attacke gab es mit der 1 einen besonderen Wert bei dem man beim Schaden mit W20 würfelte. Es war allen Beteiligten klar das der Spielleiter auf dieser Basis je nach Spielsituation eine Probe festlegte. Das konnte auch schon Mal auf (Attribut a + b ... maximal e) / Anzahl der addierten Attribute hinaus laufen. Die Regeln waren also recht offen und der Spielleiter musste die Regeln den Handlungen der Spieler anpassen. Midgard etwa hatte recht ausführliche Regeln bei denen ich immer das Gefühl hatte man wollte Spielern die bei Brettspielen einen festen Regelsatz gewöhnt waren und unerfahrenen Spielleitern, andere gab es in der Anfangszeit ja kaum, einige hatten das Rollenspiel schon in Amerika entdeckt und kennengelernt, unter die Arme greifen.
Für mich gab es eine enge Verzahnung zwischen der Entwicklung eines Hintergrund, also der Beschreibung von Aventurien im Abenteuer Ausbauset und der Entwicklung von komplexeren Regeln, nicht nur weil sie bei DSA in der gleichen Box herauskamen. Aber der definierte Hintergrund führte auch dazu das plötzlich recht spezifische Dinge interessant wurden und einen massiven Einfluss auf das Spiel nehmen konnten. Von da aus ging der Trend dazu das für viele Aktionen eine Regel zum Hintergrund mitgeliefert wurde.Mein Lieblingsbeispiel ist die damals neue Charakterklasse des Streuners. Nach Hintergrund lernte dieser Herumtreiber besonders viele und unterschiedliche Dinge. Nach seinem Regelsatz steigerte er entweder pro Stufen Anstieg zwei Attribute, ich weiß jetzt nicht mehr ob er auch ein Attribute zwei Mal steigern konnte oder er lernte alle Fertigkeiten nach der leichten Tabelle. Hier versuchte man den Hintergrund in Regeln zu fassen und leistete sich, aus meiner Sicht, einen ersten Fehlgriff. Hinzu kam auch ein Subsystem das vorher eher weniger Bedeutung hatte. Ich spreche von der Ausrüstung. Klar gab es schon vorher verschiedene Rüstungen und Waffen aber es die Auswahl war noch klein und recht übersichtlich. Mit der eigenen Welt kamen jetzt aber auch vermehrt spezifische magische Gegenstände und besondere Waffen hinzu.
Es änderte sich auch die Position der Regeln. Es gab jetzt zu vielen Sachen die vorher der Spielleiter geklärt hatte eine offizielle Antwort der Spielemacher. So hatte man als Spieler zum ersten Mal eine Basis die es einem ermöglichte von sich aus auf eine Regel zu bestehen und sich bedeutend genauer seine Chancen auszurechnen. Auch die spezielle Ausrüstung, Heilkräuter waren etwa mit Preisen angegeben, führte zu ersten Konflikten ob diese Heilkräuter jetzt frei erhältlich waren, die gegebene Option gilt strikt oder der Spielleiter diese Optionen beschränken durfte.
Das führte auch dazu das man immer stärker auf eine offizielle Regel baute und weniger Hausregeln verwendete. Fertigkeiten galten damals als besonders modern und Hintergründe eben auch. Das waren dann also die Punkte die einen immer stärkeren Einfluss auf DSA nahmen und heute eben zu eigentlich unnötigen Fertigkeiten und einer sehr genauen Weltbeschreibung führten.
Teilweise spielte beides auch Ping Pong. In einer frühen Erweiterung des Fertigkeit Systems aus dem Aventurischen Boten gab es etwa "Sterndeutung" als Fertigkeit. Irgendwann kam dann natürlich auch der aventurische Sternhimmel und seine Deutung in einer Erweiterung vor. Wo es die Fertigkeit "Kriegskunst" gab waren die Kriegergilden nicht fern.

Wer in solche Regelwerke also nicht hinein gewachsen war und vielleicht auch Mal Teile ignorierte stand dann alleine und eben nicht mit der Option über Jahre an diesen Brocken heran geführt zu werden vor DSA 4.1. . Hinzu kam das die regelleichtere Version, das "DSA Abenteuer Basisspiel" nicht kompatibel mit der Vollversion war. Man kann also nicht mit den Basisregeln anfangen weil man eben nicht je nach eigenen Anspruch Regeln aus dem Vollausbau übernehmen konnte. Dazu kommt das mir nicht bekannt ist on die Basisregeln in den fertigen Abenteuern überhaupt beachtet wurden.
Als Reaktion darauf kam dann die Welle von kleineren Systemen, Retrospielen und Regel leichten Systemen heraus.

Ich denke das der Grund für immer umfangreichere Regelwerke und neue Editionen daran liegt das sich Regelergänzungen und neue Editionen wohl am besten verkaufen. Wo normalerweise eben nur ein Abenteuerband pro 4 - 6 Leuten gekauft wird werden sich vielleicht 2 - 3 Leute, eventuell auch mehr die neuen Regeln oder Regelergänzungen zu ihren bevorzugten Charakteren kaufen.
Die oben geschilderte Verbindung zwischen Hintergrund und Regelwerk führt auch dazu das gerne verschiedene Regelmechanismen verwendet werden. Hier sollen die Regeln dann den Hintergrund simulieren. Da ist es dann eben ein Himmel weiter Unterschied ob es sich um eine Fertigkeit, einen Bonus durch das Sternzeichen, eine Ausbildung bei den Gebirgsmönchen oder aber ein besonderes Talent für die Fertigkeit handelt. Häufig genug werden vor allen die Optionen wie man einen Charakter, vor allen einen Regel technisch fähigen Charakter, erstellt komplexer. Das liegt daran das die Regelmechanismen im Spiel dann zusammen fließen.
Das kann auch dazu führen den Graben zwischen den sogenannten Powergamern und den weniger optimierenden Spielern stärker aufzureißen. Bei 7th Sea etwa macht es Sinn verschiedene Fertigkeit Pakete bei denen Fertigkeiten sich aufaddieren. Für einen Seemann macht es also noch Sinn die Pakete Flußschiffer und Walfänger zu nehmen. Da können Spieler schon Mal das Problem haben das aus der Sicht des Charakters zu erklären. Wer da nur die reinen Werte sieht startet da mit einem fähigeren Charakter und klammert den dadurch beschriebenen formellen Hintergrund aus.
Shadowrun geht davon aus das man bei dem Attribut das seiner Hauptfertigkeit zugeordnetem Attribut am Maximum der gespielten Rasse liegt. Wer aus Gründen der Logik darauf verzichtet bekommt schnell ein Problem weil die Proben an optimierte Werte angepasst sind.

Gruß Jochen

Navigation

[0] Themen-Index

[*] Vorherige Sete

Zur normalen Ansicht wechseln