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Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?

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La Cipolla:
Da wir ja nicht im Theorieteil des Forums sind (zu dem das imho aber auch passen sollte, in einer perfekten Welt), noch mal eine andere Perspektive: Die Erwartungshaltung.


--- Zitat ---Mich persönlich beschleicht beim Betrachten der Formel der Verdacht, dass ihr ein ganz großer Fehler anhaftet. Sie ist schlicht zu einfach, als dass man sie in ihrer Reinform als gewinnbringend vermarkten könnte. Wie will ich für sowas einfaches in Buchform Geld verlangen? Wie soll der Verlag auf seine Kosten kommen, wenn das Regel-heftchen nur noch fünf Seiten hätte? Es muss also was Komplexeres her, damit man fettere Bücher schreiben kann.
--- Ende Zitat ---

Da geht es meiner Erfahrung in den Verlagen nach tatsächlich weniger um die Menge oder Komplexität der Regeln.
Es werden ja auch SL-Bücher nur mit "How to"-Sachen verkauft, und damit könnte man auch locker ein Grundregelwerk füllen. Fate ist übrigens ein gutes Beispiel für ein Spiel, in dem die tatsächlichen Regeln auch auf (je nach Version) einige Doppelseiten passen würden, in dem man aber sehr viel Platz und Zeit zum Erklären benutzt, vernünftigerweise. Und da gibt es noch extremere Fälle.
Was wirtschaftlich viel entscheidender ist, ist die Konvention, dass ein "ernst zu nehmendes" Rollenspiel bitte auch so und so viele Regeln hat. Du kannst heute vielleicht ein sehr spezielles RPG mit zehn Seiten Regeln "erfolgreich" verkaufen, aber wahrscheinlich kein DSA oder Splittermond (oder Shadowrun, oder ... etc.); jedenfalls nicht, ohne sehr kreativ in der Vermarktung zu sein und ein gewaltiges unternehmerisches Risiko einzugehen - und wir sind immernoch eine Liebhaberszene, größtenteils auch auf Produzentenseite. Erfahrene Rollenspieler im Sinne von "ich spiele seit X Jahren!", aber ohne große Berührungen zum Indiesektor, haben einfach eine sehr deutliche Vorstellung davon, wie ein Rollenspiel aussieht, und alles, was nicht in diesen Bereich fällt, wird nicht mal in Betracht gezogen. Das ist dementsprechend auch nicht verwerflich oder ignorant, sondern total normal. Wenn ich einen Film ohne Bild ins Kino bringe, kann der großartig sein, aber die Leute würden ihn trotzdem kaum als Film wahrnehmen, weil das nicht ihrer Vorstellung eines Films entspricht. Also noch mal: Es wird nicht bösartig oder ignorant ignoriert, sondern fällt in der allgemeinen Wahrnehmung schlicht und ergreifend unter den Tisch.
Ließe sich langfristig sicherlich alles irgendwie ändern, aber das ist ein anderes Thema und würde hier zu weit führen.

Skyclad:

--- Zitat von: Turning Wheel am 12.06.2015 | 06:15 ---Aber das steht doch gleich im ersten Satz, dass sich die Betrachtung nur auf die Rollenspiele bezieht, auf die sie sich bezieht. ;)

--- Ende Zitat ---
Die Gegenbeispiele sind keine freien Erzählspiele.

Abaton23:
Ich kenne weder Everways, Amber oder Lady Blackbird, noch kenne ich Bekannte, die das gespielt haben. Das werden wohl seltene Exoten sein. Und jede Regel hat bekanntlich eine Ausnahme. Deshalb mein Eingangssatz: "vorneweg, diese Gedanken beziehen sich auf probenabhängige RPG-Systeme und nicht auf einen völlig freien Erzählstil."  Und der Definition entsprechen locker 95% der RPGs.


--- Zitat von: 6 am 11.06.2015 | 21:07 ---Ich fürchte allerdings, dass Du mit der blosen Konzentration auf die Probe an sich, am Sinn vieler Subsysteme vollkommen vorbei schrammst. :-\

--- Ende Zitat ---

Das kommt tatsächlich auf die Beschaffenheit des Subsystems an. Da sich der Thread in allgemeiner Form an zahllose RPGs richtet, wäre eine allumfassende Beleuchtung aller Subsysteme schlicht uferlos. Ich schaffe es bestimmt nicht, alles darüber zu schreiben und Ihr schafft es bestimmt nicht, alles danach zu lesen.

Es gibt durchaus zusätzliche Mechaniken, die ich bereichernd finde. Vor- und Nachjteilsysteme oder (FATE-)Aspekte können den Spieltisch durchaus beleben, da sie zu einer interessanten Darstellung von Charakteren führen kann. Gummipunkte können zu einer taktischen Planung oder Rettung führen. Solche Systeme begrüße ich durchaus, wenn sie in händelbare Regeln gefasst sind. Zwecks der Übersichtlichkeit hab ich solche Sachen aber aus dem Eingangsthread ausgelassen.

Allerdings sind die Attributszuordnungen und die Talentlisten die gängigste Art, Regelsysteme "pimpen" zu wollen. Dass das ein Standard sein muss, wurde uns auch über Jahrzehnte hin so deutlich anerzogen, dass wir das meist garnicht mehr infrage stellen. Nur stelle ich das eben doch hier infrage. Immerhin kamen in den letzten Jahren etliche, schlanke Regelwerke auf den Markt, die auf solche Mechaniken verzichten - und ihr Werk vorzüglich verrichten! Also ist der Beweis schon längst getätigt, dass es auch ohne geht. Ich erkenne nur dann keinen Sinn in Subsystemen, wenn sie lediglich zu Modifikatorenkasperei verkommen und das Spiel ansonsten nicht bereichern.


--- Zitat ---Mein Fazit: Fertigkeiten über Talente / Stunts zu modifizieren, bedient vor allem die subjektive Psyche des Spielers, sich mit seinem Helden einzigartiger fühlen zu dürfen.
--- Ende Zitat ---

Darum geht es bei vielen Subsystemen. Nämlich der "gefühlte" Flair, die Psyche des Spielers. Manchen reicht es nicht, gut klettern zu können. Sie brauchen ein buntes Etikett mit Namen dafür. Deshalb hat das Militär auch Medaillen erfunden. Es reicht nicht, ein Held zu sein. Mit nem Stück Blech für 50 Cent auf der Brust fühlt er sich einfach viel großartiger! Die menschliche Psyche lässt sich so wunderbar austricksen. Oder warum sonst bekommen Marketingbranchen Millionenbudgets?


--- Zitat von: ChaosAmSpieltisch (CaS) am 12.06.2015 | 09:19 ---Aber das Gefühl, dass was ein Rollenspiel wirklich ausmacht, kann man nur durch wesentlich komplexere Dinge hinbekommt als: Wirf mal einen Wurf.

--- Ende Zitat ---

Ich meine, das Spielgefühl wird im Wesentlichen durch den Erzählspiel des SL geprägt und durchs beschriebene Setting. In unserem Spielkreis werden eben genau diese zwei Dinge abgefragt, wenn einer ne Runde anbietet. Nach der Mechanik selbst wird sich allenfalls erkundigt, wenn Spieler bestimmte Systeme nicht mögen.

Belv:

--- Zitat von: Abaton23 am 11.06.2015 | 20:36 ---Genau das beobachte ich so oft und war ein Mitgrund, das Thema mal anzuschneiden. Viele Interessenten greifen aus Unsicherheit zum dicken Regelschinken, weil sie in die Fülle hineininterpretieren, das System wäre dann wohl zwangsläufig besser oder vollständiger. Doch das ist selten der Fall.

Ich vergleiche es mal mit einem Computer oder Backofen. Die einen brauchen zentnerschwere Handbücher und andere haben selbsterklärende Menüs. Wo wird wohl schneller ein Bedienungsfehler gemacht? Wer liest denn 400 Seiten Benutzerhandbuch und erinnert sich dann in der Anwendung an jede Regel? Ich nicht!

--- Ende Zitat ---

An der Stelle und mit deinem Vergleich liegst du wohl daneben. Es kommt viel mehr darauf an, was der Betreffende nun genau sucht. Die Regeln, genauer gesagt die kleinteilige mechanische Umsetzung davon, stellen auch oft die "Haptik" eines Systems dar und dienen somit auch als Grundlage dafür, sich in die Sache einzufühlen/einzudenken. Sind d20+12(Fernkampf) vs DC15 und d20+10(Fernkampf)+2(Magischer Bogen) vs. DC15 von der Mechanik her identisch? In diesem Fall: Ja. Aber da hier unterschiedliche Ur-Mechaniken genutzt werden, deren Quellen mir bei meiner Vorstellung der ganzen Aktion helfen, gibt sich für mich ein differenziertes Bild.

Kann ich Vampire mit Fate spielen? Klar geht das, nur durch den höheren Meta-Anteil plus die veränderte Mechanik geht mir die "Haptik" für das Spiel verloren, das ich gewohnt bin bzw. spielen will, wobei es gerade der Meta-Anteil ist, der zwar hilft eine gemeinsame Story zu spinnen, mir aber den Spaß an der Immersion nimmt, wohingegen mir die ausdifferenzierten Disziplinen hier helfen.

D. M_Athair:

--- Zitat von: Abaton23 am 12.06.2015 | 11:15 ---Ich kenne weder Everways, Amber oder Lady Blackbird, noch kenne ich Bekannte, die das gespielt haben.
--- Ende Zitat ---
Das kann! man durchaus so einschätzen. Bleiben die OSR-Sachen (wie Swords & Wizardry, Stars without number, Labyrinth Lord, ...) und die kann man in ihrer Gesamtheit keineswegs als Exoten bezeichnen.


--- Zitat von: Abaton23 am 12.06.2015 | 11:15 ---Ich meine, das Spielgefühl wird im Wesentlichen durch den Erzählspiel des SL geprägt und durchs beschriebene Setting.
--- Ende Zitat ---
Ja, das spielt eine wichtige Rolle. Dennoch: System matters! Gerade so Sachen wie "Mook-Regeln", "Gummipunkte", "Wundsystem" ... tragen ganz erheblich zum Spielgefühl bei. Vielleicht sogar mehr als die Erzählweise des SL (außer der ist besonders gut oder schlecht).

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