Pen & Paper - Spielsysteme > Systemübergreifende Themen
Wieviel Mechanismen braucht Rollenspiel?
Oberkampf:
--- Zitat von: Abaton23 am 12.06.2015 | 11:15 ---
Ich meine, das Spielgefühl wird im Wesentlichen durch den Erzählspiel des SL geprägt und durchs beschriebene Setting. In unserem Spielkreis werden eben genau diese zwei Dinge abgefragt, wenn einer ne Runde anbietet. Nach der Mechanik selbst wird sich allenfalls erkundigt, wenn Spieler bestimmte Systeme nicht mögen.
--- Ende Zitat ---
Das Kernproblem liegt doch darin, dass Rollenspiele zu weiten Teilen kaum als Gesellschaftsspiele wahrgenommen oder als solche gespielt werden, sondern als irgendetwas anderes, ein treffen von Leuten, die mehr oder weniger gemeinsam, üblicherweise unter Anleitung eines Haupterzählers, am Tisch eine Geschichte erzählen wollen. Wirft man einen ehrlichen Blick auf diese Situation, braucht man zum "Rollenspielen" eigentlich gar nichts, außer eben eine halb strukturierte, halb offene Geschichte. Der ganze Rest, Proben, Kämpfe, Würfelwürfe, ist reines Beiwerk, das aus der Zeit stammt, als Rollenspiele noch Spiele waren und bis heute aus Konventionsgründen beibehalten wird, auch wenn seit den 80ern bereits gepredigt wird, dass der Spielaspekt jederzeit zugunsten des Erzählsaspekts geopfert werden muss.
Damit beantwortet sich auch die Frage, wieviele Mechanismen es für diesen Spielstil wirklich braucht: Keine. Auch keine zur Verteilung von Erzählrechten, denn das hat Spielcharakter.
Natürlich gab und gibt es Gegenbewegungen gegen diese Spielweise, aus denen unter anderem detaillierte, umfangreiche Regelwerke hervorgegangen sind. Oder fokussierte, knappe Regelwerke. Oder strategisch-taktisch anspruchsvolle Regelwerke, die zumindest Teilaspekte wieder aus der Erzählung ins Gesellschaftsspiel zurückführen wollten, z.B. Kämpfe.
Daran kann man auch beantworten, wie viele Mechanismen ein Rollenspiel braucht: Es braucht genau so viele, wie eine Gruppe Sachen, die am Spieltisch passieren, als (Gesellschafts-)Spiel abhandeln will und wie hoch der gewünschte Detailgrad ist.
Sonja:
--- Zitat von: Huntress am 13.06.2015 | 12:44 ---Damit beantwortet sich auch die Frage, wieviele Mechanismen es für diesen Spielstil wirklich braucht: Keine. Auch keine zur Verteilung von Erzählrechten, denn das hat Spielcharakter.
--- Ende Zitat ---
100% Zustimmung.
Und die historische Herleitung ist auch korrekt so. Die ganze Kampfregelkrampfigkeit von Rollenspielen ist eine Art übrig gebliebener Blinddarm aus der Zeit des Wargaming. Mir ist schleierhaft, warum das für viele Leute so ein integraler Bestandteil des Rollenspiels ist. Es ist ja legitim, Monsterklatschen, Looten und Zahlencrunchen zu mögen, aber dafür ist ein Sprechspiel doch nur sekundär sinnvoll. Besser und akkurater und schneller geht das z.B. mit Diablo 3.
Boba Fett:
--- Zitat von: Sonja am 13.06.2015 | 13:30 ---Besser und akkurater und schneller geht das z.B. mit Diablo 3.
--- Ende Zitat ---
"Besser" ist immer subjektiv.
Pen & Paper beherrscht vieles, auf das man bei D3 verzichten müsste...
Ich verstehe nicht' warum man immer nur beide Extreme hochhalten kann und es immer auf eine Einzelfunktion beschränken und es für die eigene Lieblingsfunktion exklusiv vereinnahmen möchte. (allein die Bezeichnung "Sprechspiel" schubst es doch genau so in eine Schublade, genau wie der Begriff "Tabletop-RPG").
Warum wird nicht erkannt und vor allem nicht anerkannt, dass das grandiose am Rollenspiel ist, dass es unglaublich viele Dinge parallel erlaubt...?
Meine Antwort nach der Zahl der notwendigen Mechanismen lautet daher: je nachdem, wie man Rollenspiel betreiben möchte... Siehe Antwort von Huntress...
--- Zitat von: Sonja am 13.06.2015 | 13:30 ---Die ganze Kampfregelkrampfigkeit von Rollenspielen ist eine Art übrig gebliebener Blinddarm aus der Zeit des Wargaming. Mir ist schleierhaft, warum das für viele Leute so ein integraler Bestandteil des Rollenspiels ist.
--- Ende Zitat ---
Ich denke, das kann ich beantworten.
Viele Leute spielen offensichtlich einfach eine andere Art Rollenspiel als Du.
Im übrigen haben Begriffe wie " -krampfigkeit" und "Blinddarm" wertende Züge, die es für manche schwer machen werden, dieses Statement auf der Sachebene zu belassen...
Abaton23:
Applaus an Deinen Kommentar, Huntress. Das ist eine schöne Beschreibung des Zustandes vieler Systeme mit denen ich mich schwer tue und mich zu diesem Thread anstiftete. Allerdings hast Du wohl das bessere Ausdrucksvermögen, dies zu beschreiben.
Auch Sonjas Kommentar finde ich gut. Tatsächlich spiele ich auch manchmal Wargaming/Tabletops. Allerdings versuche ich das aus den RPG-Runden fernzuhalten. Da soll es ja nicht in erster Linie um Taktik gehen, sondern um das Erleben einer Geschichte. Wenn ein Spieler in unserer RPG-Gruppe wieder zu heftig Kampfmanöver und Powerplay übertreibt, erlaube ich mir schon mal die Bemerkung, ob er drüben bei den Tabletoppern nicht mehr Erfüllung fände.
Nørdmännchen:
--- Zitat von: Boba Fett am 13.06.2015 | 13:54 ---Warum wird nicht erkannt und vor allem nicht anerkannt, dass das grandiose am Rollenspiel ist, dass es unglaublich viele Dinge parallel erlaubt.
--- Ende Zitat ---
Danke - Boba hat meinen ganzen Willen, Beiträge zu verfassen in einem Satz zusammen gefasst. :d
--- Zitat von: Huntress am 13.06.2015 | 12:44 ---Der ganze Rest, Proben, Kämpfe, Würfelwürfe, ist reines Beiwerk, das aus der Zeit stammt, als Rollenspiele noch Spiele waren und bis heute aus Konventionsgründen beibehalten wird, auch wenn seit den 80ern bereits gepredigt wird, dass der Spielaspekt jederzeit zugunsten des Erzählsaspekts geopfert werden muss.
--- Ende Zitat ---
Eine These, die seit mindestens 15 Jahren von diversen Stellen bestritten wird - meines Erachtens mit durchaus starken Argumenten. Überhaupt sehe ich persönlich die Antonymie zwischen Erzählen und Spielen (im Sinne von "Game") gar nicht. Vielmehr kann der spielerische Aspekt ein symbiotisches Verhältnis zur erzählerischen Komponente einnehmen. Spannung und Stringenz sind sowohl dramaturgische als auch gamistische Ansprüche und Regeln können im Sinne der Spontanität sehr produktiven Creative Constraint führen.
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