Pen & Paper - Spielsysteme > Fate
Warum die Idee eines Magiesystems bei Fate falsch ist.
1of3:
Die Beschwerden häufen sich, dass Fate kein Magiesystem hat. Die Apologeten eilen herbei und erklären, dass man sich ja leicht eines machen kann. Überhaupt gebe es reichlich Beispiele.
Beide Gruppen liegen falsch, denn sie zäumen den Pegasus von hinten auf. Nicht jedes Spiel, das Magie enthält, braucht auch ein Magiesystem.
"Aber Stefan, wenn jetzt wer einen Magier spielen will..."
Dann frage: "Was willst du denn zaubern?"
Und dann werden für gewöhnlich ziemlich konkrete Antworten kommen. Und dann tut man einfach, was erforderlich ist.
Heilen: Nimm die Medizinfähigkeit und nen Stunt. Du kannst Medizin ohne Hilfsmittel, nur durch Handauflegen. Du kannst vielleicht sogar nicht lebende Dinge heilen (extrem guter Wurf).
Feuerball: Super nimm dir nen Stunt. Du kannst Fernkampf ohne Waffe.
Durch Schatten teleportieren. So Ninja-mäßig. - Ja, nimm halt Heimlichkeit hoch. Vielleicht nen Stunt wenn du willst.
Wahrsagen: Hoher Wert auf Lore.
Ich will Langstrecken-Teleport: Freilich. Trigger dann bei Gelegenheit deinen Aspekt und Würfel Lore, je besser desto näher an Zielort.
Und das ist kein Magiesystem, denn...
- es behandelt nicht alle "Magie" gleich
- es behandelt "Magie" nicht anders als andere Sachen
Genauso wie nicht jedes Spiel ein Kampfsystem oder ein Sozialsystem hat, braucht auch nicht jedes Spiel ein Magiesystem. Fate kommt nämlich ganz gut ohne klar.
ChaosAmSpieltisch:
:d
Weltengeist:
Ich vermute, der Wunsch nach einem Magiesystem kommt vor allem daher, dass Leute bekannte Spielwelten (Aventurien, Golarion etc.) mit Fate bespielen wollen und ein Magie-Feeling suchen, das dem Ursprungssystem (DSA, Pathfinder etc.) nahe kommt. Und das stellt sich mit Fate eben als schwierig heraus, wenn man den Fate-Gedanken nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen will.
Achamanian:
Ich erinnere mich an eine ähnliche Diskussion nach einem One-Shot Dresden Files bei Blechpirat (wobei das ja sogar eine Art Magiesystem hat ...). Tatsächlich hat es eine Spielerin sehr gestört, dass Magie sich in Fate "anfühlt wie alles andere". Das ist wohl der Feature von Fate: Eigentlich fühlt sich alles an wie alles andere. Dadurch wirkt das System (auf mich) wunderbar schlüssig und elegant - es erzwingt aber auch eine gewisse gleichbleibende Dramaturgie; während Spiele mit deutlich unterschiedlichen Subsystemen (bspw. für Magie) oft auch die Möglichkeit bieten, dass durch die Wechselwirkung zwischen den verschiedenen Elementen auf der Regelebene etwas "ausbricht", was dann auch wieder Auswirkungen auf die Storyebene hat und wodurch einem im besten Falle alles etwas "wirklicher" erscheint, weil man das Gefühl hat, dass hier etwas mit seiner materiellen Eigengesetzmäßigkeit dazwischenfunkt.
Zur Verdeutlichung vielleicht ein Kampfbeispiel:
Fate: "Okay, du hast eine schwere Konsequenz eingesteckt - was könnte dir übles passiert sein?" - "Wie wäre es, wenn der Gegner mir das Ohr abgeschnitten hat?"
Kleinteiliges Kampfsystem: "Okay, wir haben erwürfelt, dass dir der Gegner das Ohr abgeschnitten hat. Das hat folgende Auswirkungen. Deal with it."
Letzteres wird gerne mal als "simulationistisch" bezeichnet, ich glaube aber, das ist gar nicht unbedingt der Kern der Sache. Oft geht es mehr darum, dass die InGame-Welt eigene Gesetzmäßigkeiten hat, nach denen sie dazwischenfunkt, und nicht einfach in den Regeln kodifizierten Gesetzmäßigkeiten einer "guten Geschichte" folgt, wie es bei Fate der Fall ist. Magiesysteme eignen sich (ironischerweise) besonders gut dafür, eine materielle Eigengesetzmäßigkeit der Welt erlebbar zu machen.
Ich finde übrigens beide Spielzugänge je nach Laune gut, tendiere aber inzwischen doch eher wieder zum zweiteren. Denn auch wenn Fate erst einmal von sich behauptet, "einfach gute Geschichten" zu erzeugen, erzeugt es für mein Gefühl vor allem pulpige Geschichten, in denen die Figuren, indem sie entsprechend ihres Archetyps handeln, Hindernisse überwinden, nach Rückschlägen um so stärker zurückkommen und über sich hinauswachsen. Das ist schön und gut, aber nicht die einzige Art von Geschichte - es gibt genug Geschichten (auch in Film- und Romanform), bei denen es enorm wichtig ist, dass die Welt auf eine Art dazwischenfunkt, die sich nicht in ein dramaturgisches Schema einpasst. Und das müsste man bei Fate wohl doch eher forcieren.
Kurz: Gerne Indiana Jones mit Fate. Aber wenn ich es Gritty in dem Sinne haben will, dass die Wirklichkeit gelegentlich einfach ohne Respekt vor den Figuren zuschlägt (beispielsweise in so einem Post-Western wie "Gold" (https://de.wikipedia.org/wiki/Gold_(2013)), dann nehme ich doch lieber was anderes ...
1of3:
--- Zitat von: Weltengeist am 25.01.2016 | 09:15 ---Ich vermute, der Wunsch nach einem Magiesystem kommt vor allem daher, dass Leute bekannte Spielwelten (Aventurien, Golarion etc.) mit Fate bespielen wollen und ein Magie-Feeling suchen, das dem Ursprungssystem (DSA, Pathfinder etc.) nahe kommt. Und das stellt sich mit Fate eben als schwierig heraus, wenn man den Fate-Gedanken nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen will.
--- Ende Zitat ---
Ja, und da findet sich eine weitverbreitete Verzerrung der Wahrnehmung. Wir glauben nämlich zumeist, dass die Regeln eine grobe Abstraktion der fiktiven Wirklichkeit darstellen, nur bei den Magieregeln glauben wir, dass es sich ganz genauso verhält, wie die Regeln sagen. Das ist in gewisser Weise verständlich, weil in der echten Welt Magie nicht als Anschauungsobjekt zu haben ist.
Tatsächlich frage ich mich gerade, was ein Magiesystem überhaupt ist. Also es ist natürlich kein System für "Magie". Kampfsyteme sind auch keine Systeme für "Kampf", sondern rundenbasierte Verfahren zur Konfliktauflösung mit definierten Spielzügen und Abbruch des Verfahrens bei bestimmten Ressourcenständen. Ich muss mal überlegen, was Mage: The Ascension und das Boof of 9 Swords für D&D gemeinsam haben, dass beides Magiesysteme sind.
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