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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: Chiarina am 26.04.2017 | 10:38

Titel: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Chiarina am 26.04.2017 | 10:38
So. Hier geht´s um Erzählrollenspiele. Gemeint sind regelleichte Spiele, in denen die Narration im Mittelpunkt steht und ein Fertigkeiten- und Kampfsystem nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist.

Ich habe in Weltengeists "automatische Erfolge" Strang davon geschrieben, dass es bei Erzählrollenspielen nicht außergewöhnlich ist, wenn Ereignisse im Spiel ohne Bemühen des Zufalls allein durch Narration zustande kommen. Auch die Beantwortung der Frage, wann überhaupt gewürfelt (oder eine Karte gezogen, etc.) wird, bleibt oft den Spielern überlassen. Es stand die Frage im Raum, ob die Zufallsentscheidung in solchen Fällen nicht einfach umgangen wird, damit die Spieler sich risikolos Erfolge herbeierzählen können. Ich kann das für meine Erfahrungen nicht bestätigen. Ich habe geschrieben:

Zitat
Die Karten werden gezogen, wenn eine spannende Situation da ist (symbolisiert den Nervenkitzel) oder geschaffen werden soll (die Spieler brauchen in ihrem freien Spiel eine Anregung). Meiner Vorstellung von Spiel kommt das entgegen.

Weltengeist hat offensichtlich andere Erfahrungen gemacht:

Zitat von: Weltengeist
Ich habe mit Erzählspielen über Jahre hinweg immer wieder die gegenteilige Erfahrung gemacht. Es braucht dazu eine ganz bestimmte Art von Spieler, bei den übrigen endet es tatsächlich häufig mit "und jetzt gelingt mir dies, und jetzt gelingt mir das...". Außerhalb von Oneshots habe ich diese Art zu spielen daher inzwischen aufgegeben; sie passt einfach nicht zu dem, was ich von einer spannenden Spielsitzung erwarte.

Jetzt frage ich ´mal allgemein:

1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?
3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Blechpirat am 26.04.2017 | 10:55
1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
Ich habe das noch nie erlebt.
2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet
Den subjektiven Eindruck habe ich auch. Ich habe Spieler beobachtet, die sich überfordert gefühlt haben, und solche denen das Element des "etwas besiegens" fehlte.
3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?
Ich habe sogar beobachtet, dass meine Spieler "mürrisch" auf gewürfelte Konfliktszenen reagieren, weil es die Geschwindigkeit aus der Erzählung herausnimmt und sie den "Zoom-in" in der Detailtiefe nicht wollten; insbesondere wenn epische Handlungsstränge passieren und/oder der Konflikt einen Nebenstrang betrifft. Dann liegt (nach meiner Einschätzung) die Spannung in dem "wie geht es weiter": Das kann die Frage sein, ob die Rebellion gewinnt, oder ob sich Han Solo in Leia verliebt.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Crimson King am 26.04.2017 | 10:58
Man müsste erstmal prüfen, ob ihr mit dem Begriff "Erzählspieler" das Gleiche meint. Meine Vermutung ist, dass Weltengeist Spieler meint, die zwar Spiele mit ausgeprägtem narrativem Anteil auf den Tisch legen, die aber den narrativen Ansatz mit Techniken aus dem klassischen Spiel vermischen und dementsprechend dazu verleiten, einen klassischen simulationistisch-herausforderungsorientieren Ansatz zu fahren und die narrativen Elemente lediglich zu verwenden, um die Simulation voran zu treiben oder sich Vorteile in den dortigen Herausforderungen zu verschaffen.

Meines Erachtens sind Spiele wie Polaris, Itras By, My Life with Master etc. hervorragend dazu geeignet, den Spielern zu vermitteln, wie narratives Spiel eigentlich funktioniert und wie man über diesen toten Punkt hinweg kommt, seinen Charakter als Alter Ego und dessen Niederlage als eigene Niederlage zu betrachten. Diese Erkenntnisse kann man dann gut an den Spieltisch mitnehmen, wobei es in eingespielten Runden dann gar nicht mehr nötig ist, ein System mit konkreten narrativen Versatzstücken zu wählen, weil die eingespielte Gruppe von allein auf die entsprechenden Situationen passend reagiert. Bei Spielern, die von klassischen Systemen kommend mit FATE & Co. konfrontiert werden, ist die Gefahr, dass man die narrativen Elemente lediglich als Gummipunktegenerator ansieht, in der Tat sehr groß.

Die Erfahrung, dass in Vollblut-Erzählspielen sich ein Spieler die Sterne vom Himmel erzählt, habe ich aber in der Tat noch nie gemacht.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Nick-Nack am 26.04.2017 | 11:09
Bisher hatte ich auch nie den Fall, dass Spieler versucht haben, sich das Leben “zu einfach“ zu machen. Und das mit sehr vielen unterschiedlichen Spielerinnen und Spielern, die sonst teilweise auch klar eher Powergamer sind. Vielmehr kann ich mir das Problem aber schon bei der Frage vorstellen, denn wenn man narrativ spielt, geht es ja eben gerade nicht darum, Herausforderungen zu bestehen, sondern eine spannende Geschichte zu erleben. Also ist es eben gerade Teil der Narration, dass man in bestimmten Situationen Erfolg nach Erfolg erzählt, ohne dabei irgendwelche Probleme zu haben.
Andersherum heißt das aber natürlich auch nicht, dass jeder, der sich mal auf Erzählregeln einlässt, auch gleich ein glühender Fan sein muss. Ich habe auch schon sehr gute narrative Spielabende mit Spielern gehabt, die danach gesagt haben, dass sie dann doch lieber herausforderungsorientiert spielen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: bobibob bobsen am 26.04.2017 | 11:21
Zitat
1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?
3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?

zu 1. Ja aber nur zu Beginn. Da haben die Mitspieler das erst mal ausgekostet am Ende der zweiten Sitzung fanden das alle irgendwie Langweilig und das ganze schlug ins genaue Gegenteil um. Konflikte wurden verschärft, Mitspieler angespielt, es wurden Verletzungen herbeierzählt die sogar bis zum Tod führten. System war Engel
zu 2. Nein. Aber wir hatten einen Mitspieler dem das Ziehen von Karten die dann auch noch beliebig interpretiert werden konnten zu beliebig war. Erstaunlicher weise war das genau der Mitspieler von dem ich gedacht hätte das er genau mit so was besonders viel Spaß hätte.
zu 3. Im zwischenmenschlichen Zusammenspiel. Die beste Spannung die ich je erlebt habe.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: LushWoods am 26.04.2017 | 11:54
Ich habe keine nennenswerten Erfahrungen mit Erzählspielen, bzw. nur mit Erzählspielen bei denen es feste Regeln für einen "Gewinner" gibt, wie z.B. Hobbit Tales.
Dafür aber Erfahrungen mit vielen RPG-Systemen die Erzählelemente in ihren Regeln haben.
Mich haben die Erfahrungen von Weltengeist auch überrascht. Ich kann das gar nicht nachvollziehen das sich Spieler übervorteilen, eher das Gegenteil.
Meine Spieler mögen die Herausforderung/den Nervenkitzel und in 8 bis 9 von 10 Fällen würfeln sie bei Ubiquity z.B. bevor sie den automatischen Erfolg wählen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Edvard Elch am 26.04.2017 | 12:14
1. Ich hatte mal einen Spieler, der eine Runde gesprengt hat, weil er mir zeigen wollte, dass das benutzte System scheiße ist. In seinen Augen darf man Spielern nämlich absolut keine Macht über die Erzählung geben, weil Spieler nicht damit umgehen können und sich dann natürlich in jeder Situation das bestmögliche Ergebnis hinerzählen. Also hat er sich wie der letzte Depp benommen und ständig versucht, sich entwickelnde Handlungen sofort für seinen Charakter positiv zu Ende zu erzählen.

Wenn Dread in diesem Zusammenhang zählt, hätte ich auch noch jemanden, der nicht verlieren bzw. scheitern kann, und deswegen den Jenga-Turm noch während des Auftakts leer gezogen hat.

Abgesehen davon waren allerdings alle meine Erlebnisse positiv.

2. Leute, die Niederlagen ihrer Figur akzeptieren können?

3. Nein. Wie geht es weiter? Wie kommen wir da wieder raus?
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: D. Athair am 26.04.2017 | 12:43
... was sind Erzählrollenspiele?

Amber, Lords of Olympus/Gossamer and Shadow, Theatrix, Everway, Idee!, Engel ?
Polaris, Fiasco, Montsegur 1244 ?
RISUS, Wushu, The Pool ?
Vampire: tM, Scion, ... ?
Fate, PDQ, Heroquest ?
2d20, WFRP3, FFG Star Wars ?
Prince Valiant Storytelling, Ghostbusters RPG, Abenteuer!, Lone Wolf Multiplayer Gamebook/ Adventure Game ?
... und irgendwo gehören da auch das AGE-System, das Cypher-System, Cortex+ und pbtA dazu.

Das sind ganz unterschiedliche "Schulen" von Spielen - mit entsprechenden Spieltraditionen - und sie laufen ALLE u.a. als "Erzählrollenspiele". Viele nennen sich auch storyfokussiert oder narrativ.

"Erzählrollenspiel" heißt ja erstmal nur, dass der Prozess des Erzählens in irgendeiner Weise im Fokus steht. Mehr nicht.
Das "Wie" ist aber für das Spielerlebnis ganz entscheidend.

Für mich kann ich sagen: Mit einigen Richtungen des Erzählrollenspiels komme ich super klar - andere dagegen möchte ich nicht spielen.
Die Fragen im OP sind auch je nach Schule ganz unterschiedlich zu beantworten. Bei manchen kann man Erfolge herbeierzählen bei anderen Spielen ist das völlig ausgeschlossen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Hotzenplot am 26.04.2017 | 13:32
Och komm, kein Definitionskrieg bitte. Ich habe den Eindruck, bisher herrscht Konsens, worüber geredet wird.

Jetzt frage ich ´mal allgemein:

1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?

Ja, habe ich. Meistens nur kurz. Entweder gab es entsprechende klärende Gespräche oder es waren oneshots. Es betraf Spieler, die auch bei D20, DSA und Co. nicht verlieren können. Außerdem habe ich, wenn ich sowas leite, meistens PDQ# benutzt, was ein "Herbeierzählen" von Erfolgen durchaus leicht macht, wenn man z. b. das Stacken von Stärken zulässt.
Wenn du mich fragst, woran das liegt, würde ich sagen: Persönlichkeit. Es gibt einfach Leute, die wollen immer die tollsten sein, ganz einfach. Dabei erreichen sie das Gegenteil, wenn man mal aus den Gesichtern derjenigen liest, die den "Helden" bei seinen "grandiosen" Taten beobachten dürfen.

2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?

Das hängt bei mir sehr von meinen eigenen Vorstellungen ab. Wenn ich SL bin, habe ich gerne ein paar Storynutten in der Runde :D. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, wenn die Spieler zwischendurch in den autor stance wechseln können und gemeinsam die Geschichte lenken. Das ist wie so eine Teamworkaufgabe mit einem Objekt, dass man in gemeinsamer Arbeit mittels Bändern auf einen bestimmten Platz transportieren muss. Jeder hält 1-2 Bänder fest, aber man muss auch den Klotz und die Bewegung der anderen im Blick haben. So ähnlich verhält es sich mit der Story (Klotz), den SC (Bändern) und den Spielern, jedenfalls in meiner favorisierten Vorstellung.

3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?

Jain. Es ist eine andere Form von Spannung. Einer meiner besten Session-Erinnerungen ist eine Polaris-Runde auf dem :T: Treffen. Absolute Spannung, obwohl nicht gewürfelt wird und obwohl jeder weiß, wie ganz grundsätzlich betrachtet die Sache am Ende ausgeht. Aber die Form einer Spannung, die durch einen Würfelwurf erzeugt wird, bzw. in Erwartung des Ergebnisses davon, ist schon eine andere.
Die Spannung in einem eher erzähllastigen Spiel ergibt sich m. E. vor allem durch die Handlung der Spieler und die so erzeugte Veränderung von Story und Setting.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 1of3 am 26.04.2017 | 13:45
Zitat
Ich habe in Weltengeists "automatische Erfolge" Strang davon geschrieben, dass es bei Erzählrollenspielen nicht außergewöhnlich ist,...

Welcher Faden? Und welche Spiele sind da jetzt genau gemeint?
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Caranthir am 26.04.2017 | 13:53
Es soll gerüchteweise Spieler geben, die von ihrem simulationistischen, alles verregelnden Spielstil nicht wegkommen möchten (was ja ansich kein Problem ist). Nur hatte ich mit denen dann während des Spiels desöfteren mal Probleme, wenn etwas nicht bis ins Kleinste geregelt wurde.

Es gibt nunmal solche und solche Spielertypen, es ist schlicht Geschmacksache. Als SL eines eher erzählerischen Systems wundere ich mich nicht über die verwunderten Blicke von Spielern, die sonst eher zu Regelschwergewichten greifen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: D. Athair am 26.04.2017 | 14:56
Welcher Faden? Und welche Spiele sind da jetzt genau gemeint?
Vermutlich der hier (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,102397.0.html).

Welche Spiele genau gemeint sind? Alle, die sich Erzählrollenspiele nennen oder so genannt werden!?
Würde man genauer hinsehen, müsste man ja eingrenzen/differenzieren und es könnte mehr rauskommen als Allgemeinplätze.  :-X


Ich habe den Eindruck, bisher herrscht Konsens, worüber geredet wird.
Na dann ...
Crimson Kings Eingangsfrage und die Nachfrage von 1of3 sprechen eher nicht diese Sprache.


Vielleicht kann ich das in der Beantwortung der Fragen deutlicher machen:
1. Habt ihr Erfahrungen mit Spielern in Erzählrollenspielen gemacht, die sich einen billigen Erfolg nach dem anderen herbeierzählen? Wenn ja: Habt ihr den Eindruck, dass diese Spieler in traditionellen Fantasyrollenspielen eine bessere Figur abgeben? Wenn ja: Wisst ihr, woran das liegt?
Ja. Bei manchen Spielen gehört das zum guten Ton. Die billigen Erfolge kulminieren dann in etwas Größerem/Bedeutsamen. In anderen Spielen können Spieler gar nicht billige Erfolge herbeireden - entweder weil es das Genre kaputt machen würde oder weil es die Regeln nicht vorsehen. In wieder anderen Spielen tragen billige Erfolge nichts zum Spiel bei. Dadurch, dass sie im Ganzen sinnlos sind, ist es nicht interessant sie herbeizuerzählen. Es gibt Spiele, in denen billige Erfolge eine gute Möglichkeit sind, zwischendrin zu glänzen. Gerade Colour-Spielern gibt das recht viel.

Ob Spieler, die in Erzählrollenspielen gern "billige Erfolge" nutzen und mit klassischen RSP besser fahren, kommtt darauf an, welche Funktion ein "billiger Erfolg" im Rahmen des jeweiligen Spiels hat. Für Leuten, die meinen durch billige Erfolge ihre Kompetenz als Spieler darstellen zu müssen, sind Erzähl-RSP eher nix.

2. Wenn ihr gute Erfahrungen mit Erzählrollenspielen gemacht habt, hattet ihr dann den Eindruck, eure Mitspieler würden "eine ganz bestimmte Art von Spieler" darstellen? Gibt es etwas, was diese Spieler über ihre Affinität zu Erzählrollenspielen hinaus auszeichnet?
Außer "Fiction first" halte ich nichts für so generalisierbar.  Vielleicht noch die Abwesenheit des Anspruchs, dass Regeln irgendwie die Physik-Engine der Spielwelt darstellen und dass Herausforderungen nicht allein durch kluge Regelanwendung bewältigt werden können. (Wobei die letzten beiden Punkte auch jenseits des Erzählrollenspiels weit verbreitet sind.)

3. Weltengeist hat offenbar eine andere Vorstellung als ich davon, was eine "spannende Spielsitzung" ausmacht. Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?
Der Zufall liefert ein Überraschungsmoment, das mMn leicht ersetzt werden kann. Mitspieler-Erzählungen, SC- und NSC-Handlungen, ... es gibt viele Möglichkeiten. (Andererseits ist es ja gerade kein besonderes Kennzeichen von Erzählrollenspielen auf Würfel-/Zufallsmechanismen zu verzichten.)
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 26.04.2017 | 15:07
Du beziehst dich ja auf die Archipelago-Karten (Itras By). Mit denen habe ich nicht so viel Erfahrung, aber ich antworte trotzdem mal in Bezug darauf. Was Weltengeist meint, wäre natürlich interessant zu wissen. Ich vermute FATE, für das man die Diskussion hier ganz anders aufziehen müsste. [Mein Problem mit FATE habe ich erst nach der Lektüre von Eero Tuovinens einsichtigen Beiträgen hier (http://story-games.com/forums/discussion/20919/do-people-still-play-fate) wirklich erkannt.]

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1.) In Love in the Time of Seid z.B. kam die Phrase "That Might Not Be Quite So Easy" als Aufforderung, eine Karte zu ziehen und nicht einfach so zu entscheiden, wie es ausgeht, eigentlich immer erwartbar, d.h. nicht um jemanden zu stoppen, der sich ansonsten einen billigen Erfolg herbeierzählt hätte, sondern, wie du sagst, einfach an einem spannenden Punkt, bspw. in einem direkten Konflikt zweier Figuren oder so. Aber selbst, wenn man davon absieht, dass es diese einfache Möglichkeit gibt, jemandem ins Wort zu fallen, denke ich nicht, dass man sich wegen herbeierzählter Erfolge übermäßige Sorgen machen muss. Mein Eindruck ist, dass die meisten Leute (mich eingeschlossen) im echten SL-losen Freiformspiel viel eher ein Problem damit haben, überhaupt Entscheidungen zu treffen, ohne sich dabei auf einen Zufallsmechanismus wie die Karten verlassen zu können. Nicht weil sie einen Drang unterdrücken müssen, immer nur Erfolge zu bringen, sondern, weil man ja nie weiß, was der Rest der Runde von der eigenen Entscheidung hält bzw. eine große Verantwortung hat. Bei einer eingespielten Gruppe gibt sich das aber bestimmt.

2.) Ich denke, um die Phrasen und Karten wirklich zu vollem Nutzen einsetzen zu können - ohne sie, d.h. in SL-losem Freiformspiel, erst recht - muss man eine Portion Selbstvertrauen mitbringen. Wer sich lieber im Hintergrund hält, andere ihr Ding machen und am liebsten die Würfel entscheiden lässt, wird es hier schwerer haben. Jemand, der sich wiederum voll reinhängt und dynamisch einen Erfolg nach dem anderen raushaut, hat da aus meiner Sicht schon bessere Grundvoraussetzungen, bzw. wird sich öfter Phrasen/Karten fangen oder in Freiform mit dem Rest des Tisches abstimmen müssen.

3.) Die meisten Rollenspiele haben irgendwo ein explizites Zufallselement wie z.B. die Archipelago-Karten. Ein schönes Beispiel für eine tolle Mechanik ohne Zufall ist Lovecraftesque, wo in einer Szene jeweils Hinweise beschrieben werden und danach jede(r) für sich aufschreibt, was wohl hinter diesen Clues steckt, um dann in der eigenen Szene Hinweise zu streuen, die auf die eigene Interpretation hindeuten. Was wirklich wahr ist, erfährt man erst ganz zum Schluss. Das ist Spannung.

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Für mich sind Erzähl(rollen)spiele am ehesten DSA und Cthulhu, so wie sie hierzulande gespielt werden. Eine(r) erzählt, der Rest hört zu, Regeln sind egal. Insofern finde ich Clausustus' Frage schonmal absolut berechtigt. Für mich ist der Begriff letztlich noch unglücklicher als das bisweilen in ähnlicher Absicht verwendete story game. Kann man da noch behaupten, dass es sich um Rollenspiele handeln müsse, die einen bestimmten Inhalt, nämlich die Geschichte, in den Mittelpunkt stellen - was auch wieder für ganz andere Spielweisen gelten kann - ,  ist erzählen als Verb der Modus eines jeden Rollenspiels. Wenn ich nicht "schriftlich oder mündlich auf [mehr oder weniger, Anm.] anschauliche Weise darstelle", was (m)eine Figur tut, dann funktioniert das Spiel nicht.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Pyromancer am 26.04.2017 | 15:17
Ich hab das eher umgekehrt erlebt, dass einige "klassisch geprägte" Spieler am Anfang Hemmungen hatten, sich "einfach so" Erfolge zu erzählen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Bildpunkt am 26.04.2017 | 15:21
Ich komme eher aus der Ecke des Improtheaters, was ja man ja durchaus aus Ganzkörpererzählrollenspiel bezeichnen kann. Dort ist das ganze zwa eher humoristisch aber es lebt auch bzw insb. von Spannungen und Herausforderungen die sich die Spieler gegenseitig stellen sowie durch spontane Zurufe (des Publikums/des Spielleiters/andere Spieler)die neue Elemente /Wendungen in die Story werfen und daher kann ich mich auch nicht vorstellen das sich jemand zum Gewinn erzählt/ erzählen kann auser der Handlungsbogen ist am Ende oder läuft darauf zu. Und dann gibts ja immer noch "die überraschende Wendung" als Stilmittel...
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 1of3 am 26.04.2017 | 15:37
Ich hab das eher umgekehrt erlebt, dass einige "klassisch geprägte" Spieler am Anfang Hemmungen hatten, sich "einfach so" Erfolge zu erzählen.

Das habe ich auch als ausgewiesener Storygamer. Spiele wie Engel, Nobilis, MURPG, Itras By führen bei mir zu Paralyse.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Chiarina am 26.04.2017 | 17:56
Kurz zur Genrebestimmung: Ich habe im Ausgangsposting angegeben, um was für Spiele es mir geht:

Zitat
Gemeint sind regelleichte Spiele, in denen die Narration im Mittelpunkt steht und ein Fertigkeiten- und Kampfsystem nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist.

Ihr kennt viele Spiele, auf die das zutrifft, die aber ganz unterschiedlich funktionieren und auch hinsichtlich meiner Fragen unterschiedliche Antworten evozieren? Dann differenziert das doch einfach! Ich habe keine Ahnung, was daran jetzt ein Problem sein soll. Das ist doch kein Richtig-oder-Falsch-Strang!
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: sindar am 26.04.2017 | 18:19
Ist hier moeglicherweise auch eine Beschreibung von der anderen Seite hilfreich? Also von jemandem, der mit dem Erzaehlkrempel nichts anfangen kann bzw. den nur dazu benutzen wuerde, Erfolge fuer die Gruppe (eher als sich selber) herbeizuerzaehlen? So einer bin ich naemlich.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 26.04.2017 | 18:25
Ist hier moeglicherweise auch eine Beschreibung von der anderen Seite hilfreich? Also von jemandem, der mit dem Erzaehlkrempel nichts anfangen kann bzw. den nur dazu benutzen wuerde, Erfolge fuer die Gruppe (eher als sich selber) herbeizuerzaehlen? So einer bin ich naemlich.

Wenn du noch verrätst, welche Rollenspiele du so nutzt (?)/nutzen würdest, dann ist damit, glaube ich, auch was anzufangen. "Erzaehlkrempel" bedarf, wie Chiarina ja gerade nochmal selbst festgestellt hat, einer Differenzierung.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: sindar am 26.04.2017 | 18:57
Ich habe so Erzaehlkrempel nie selbst gespielt, kann da also nicht weiter differenzieren. (Abgesehen von einer Runde FATE auf dem Treffen, wo ich mit dem System eher wenig anfangen konnte.) Ich kann hier also nur schreiben, was ich standardmaessig spiele und wie da meine Vorlieben und Abneigungen aussehen. Normalerweise spiele ich klassisches Rollenspiel, also der Art D&D / Savage Worlds / DSA und dergleichen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Kreggen am 26.04.2017 | 19:40
Ich kenne das nur so, dass sich Spieler, die auch im normalen Leben viel reden und einem einen Knopf an die Backe labern, alles nur erdenklich positive zuschanzen und Spieler, die eher ruhig sind, keine Chance bekommen, was zu sagen. Meist sitzen die Spieler auch im Kreis und wollen bespaßt werden, anstatt mal "was" zu erzählen.
Ich habe noch nicht viele "Erzählrollenspiele" mitgemacht, hatte aber immer den Eindruck, dass mit Werten auf einem Charakterblatt und Würfeln + Regeln mehr chancengleichheit und Zufriedenheit herrscht als bei Spielen, bei denen einzelne Spieler alles bekommen könenn und andere gar nichts. Wir haben das auch meist aus Frust nach 2-3 Sitzungen sein gelassen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Tyloniakles am 26.04.2017 | 20:00
Dass narrative Rollenspiele keine Regeln haben, ist jetzt aber ein Missverständnis. Auch kann man sich normalerweise nicht ständig Erfolge herbeireden, meist muss man viel mehr auch schreckliche Nachteile hinnehmen oder auch selbst ausschmücken.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Bad Horse am 26.04.2017 | 20:37
Es gibt schon Erzählrollenspiele, bei denen man sich Erfolge herbeireden kann. Allerdings geht das meilenweit an der Intention der Spiele vorbei.

Gibt es Leute, die das tun würden? Klar. Einerseits diejenigen, die es gewohnt sind, um Erfolge im Rollenspiel kämpfen zu müssen. Andererseits diejenigen, die es vorziehen, ihre Erfolge gegen irgendwas / -wen durchsetzen zu müssen.

Die sind - um Frage zwei zu beantworten - mit einem Erzählrollenspiel nicht gut bedient. Das ist für Leute da, die interessante Entwicklungen in einer Geschichte bevorzugen, denen es mehr um Drama geht als um Erfolge. Das ist keine Wertung - manche so, andere anders.

Spannend wird es dann trotzdem, wenn genug Drama und emotionale Energie aufgebaut worden ist. Dann will man schon wissen, wie es weiter geht - schafft es der Charakter, oder scheitert er? Beide Ausgänge sind in einem Erzählrollenspiel vollkommen akzeptabel, solange sie nur dramatisch sind. Lieber glorios scheitern als einen langweiligen Sieg herbeiquatschen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 1of3 am 26.04.2017 | 20:45
Ihr kennt viele Spiele, auf die das zutrifft, die aber ganz unterschiedlich funktionieren und auch hinsichtlich meiner Fragen unterschiedliche Antworten evozieren? Dann differenziert das doch einfach! Ich habe keine Ahnung, was daran jetzt ein Problem sein soll. Das ist doch kein Richtig-oder-Falsch-Strang!

Ja. Also Dealgathair hat ja schon einige Kandidaten genannt und die mal vorgruppiert.

Zitat
Amber, Lords of Olympus/Gossamer and Shadow, Theatrix, Everway, Idee!, Engel ?
Polaris, Fiasco, Montsegur 1244 ?
RISUS, Wushu, The Pool ?
Vampire: tM, Scion, ... ?
Fate, PDQ, Heroquest ?
2d20, WFRP3, FFG Star Wars ?
Prince Valiant Storytelling, Ghostbusters RPG, Abenteuer!, Lone Wolf Multiplayer Gamebook/ Adventure Game ?
... und irgendwo gehören da auch das AGE-System, das Cypher-System, Cortex+ und pbtA dazu.

Also haben wir zunächst wir die Gruppe "Frei-Assoziativ". Hilfsmittel sind hier häufig Karten, die gewisse Hinweise oder Themen bieten, die man dann frei interpretieren kann. Diese Spiele haben eine relativ schwache Spielerführung durch ihre Mechanismen. Engel hat aber z.B. eine sehr starke Core Story. Ich würds trotzdem eher mit Fate spielen, was dann für Engel V2 ja auch so umgesetzt wurde.

Risus und Wushu sind aus der Kategorie "Action ohne Hindernisse". Die Regeln passen auf wenige Seiten und man kann damit vielfach tun, was andere Rollenspiele auch tun. Charaktere werden nicht wirklich besser, es gibt nichts zu looten, aber man kann sich hauen. Kampfsystem ist insofern schon vorhanden nur ziemlich rudimentär.

The Pool oder Primetime Adventures sind eine ganze andere Klasse. Sie setzen auf mechanische Resolution, die nicht von Aufgaben etc. abhängt, sondern primär vom Charakter. So kann im selben Kampf der Knappe versuchen, eine gute Figur zu machen, während der Paladin darauf aus ist, die Maid zu retten, und der Barbar möglichst viele Gegner zur Strecke bringen will. Und dafür würfelt jeder genau ein mal.

Dealgathairs Gruppe 2 sind die Set-Piece-Stücke. Sie haben ein festes Thema, sie haben wenige Mechanismen, die den Spielverlauf ändern können und ganz wichtig: Sie enden. Das Ende ist fest einprogrammiert. Weitere Beispiele sind z.B. Durance oder My Life with Master.

Die Storyteller-Spiele wie Vampire nennen sich Erzählspiele, sind aber technisch ziemlich D&D. Er gewünschte Effekt tritt ein, wenn man die Regeln eher so als grobe Richtlinien auffasst. Fate ist gleichsam Everybody's Darling. Es lässt sich ziemlich verschieden trimmen, so dass es wahlweise eher wie Vampire, Risus oder The Pool auftritt.

Cortex+, PbtA feiern die neue Freude am Quellenmaterial. Sie sind gewissermaßen Genre-Rollenspiele, die zwar Regeln haben, die aber ganz bewusst an gewissen literarischen Vorlagen ausrichten. 2d20 geht in eine ähnliche Richtung, hat aber ganz viele D&D-Anleihen und will die anders als Vampire auch haben und passt daher nicht so recht auf deine Definiton.

Ergänzen könnte man noch Spiele wie Microscope und Kingdom, indem es um die Erschaffung einer Welt oder Lokalität geht und man spielt danach Leute darin. Die Regeln beschäftigen sich weniger mit dem was die Figuren tun, sondern mit der Generierung des Settings.

Wenn die hier genannten Spiele etwas gemeinsam haben, dann höchstens, dass man kein Equipment aufschreibt.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Der Läuterer am 26.04.2017 | 21:05
Kurz auf Chiarina's Ausgangspost eingehend.
Persönlich sind mir zwei Arten von Spielern bekannt, die mit einem freien System nur sehr wenig anfangen können.

Jene, die das System ad absurdum führen wollen und alles nur zu ihrem eigenen Vorteil nutzen und benutzen. Diese Spieler gibt es jedoch auch in jedem anderen System. Das sind die bekannten Eier-legende-Woll-Milch-Sau-Spieler.

Narrative Systeme sind besonders anfällig und durch diese Spieler auch leicht verwundbar, da dem Ausnutzen keine, oder nur geringe, Reglementierung entgegen stehen.

Zum anderen gibt es auch jene, die sich durch all die Freiheiten überfordert fühlen oder sich nicht trauen, etwas selbst zu gestalten. Diese Spieler sind entweder zu zaghaft, zu zögerlich, manchmal vielleicht auch einfach nur einfallslos, bzw. wollen das System nicht ausnutzen und halten sich zu sehr zurück.

Hat man NUR solche Spieler (beide Sorten), dann kann man den Versuch 'Narratives Spiel' knicken. Das gibt nur Frust (vor allem auf Seiten des SLs). Also besser gleich Finger weg lassen, ein anderes System wählen oder die passenden Spieler suchen.

Bei uns, wir spielen nach TREMULUS. läuft das so.
Spieler: Ich öffne die Tür.
SL: Die Tür ist verschlossen.
Bei Tremulus würfelt NUR der Spieler. Auch fordert der SL keine Würfe ein. Das bestimmt auch IMMER NUR der Spieler selbst.
Spieler: Ich versuche die Tür zu manipulieren (und würfelt).
Der Spieler sieht das Ergebnis - Erfolg, Teilerfolg oder Fehlschlag - und der SL beschreibt anhand des Ergebnisses die weitere Situation.

Das narrative System lebt von und durch die Phantasien aller Beteiligten, nicht nur von der des SLs.

Spieler können/dürfen alles darstellen. Das zeigt unzählige Chancen auf, ist aber auch verpflichtend und fordert einiges an Verantwortung seitens der Spieler ein.

Wer 'nen tumben Schläger mit Keule spielen will, ist hier äusserst schlecht aufgehoben.
Gleiches gilt für den Zauberer, der sich nicht traut zu zaubern, weil er beim letzten Mal vom SL gesagt bekam, dass er Kopfschmerzen bekommen hat. Oder dem keine Zauber einfallen (wollen).
Flexibilität, Kreativität und Phantasie sind Trumpf.

Die 'guten' Spieler spielen ihre Chars vielschichtig und facettenreich.

Spannend ist eine Session für mich dann, wenn sich die Ideen der Teilnehmer gegenseitig befruchten. Alles baut dann aufeinander auf und geht ineinander über.

Zufall ist für uns weniger wichtig. Überraschungen sind das Salz in der Suppe. Die Situationen werden immer durch die Spieler offen beschrieben. Wenn der Spieler seinen Char selbst in eine kniffelige Situation manövriert, dann nutze ich als SL das nicht aus, um den Spieler klein zu halten oder kaputt zu machen, sondern kreiere daraus eine spannende Szene, welche den Spieler bzw. die Gruppe fordert und ihm/ihnen ein Highlight gibt.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 6 am 26.04.2017 | 21:27
@Der Läuterer:
Schau Dir mal das Table Top Lets Play von Fiasco (https://www.youtube.com/watch?v=WXJxQ0NbFtk&list=PL8917DC2870FF2294) an.
Ich denke um diese Art von Erzählspiel ging es Chiarina.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: D. Athair am 26.04.2017 | 22:08
Das narrative System lebt von und durch die Phantasien aller Beteiligten, nicht nur von der des SLs.
Das kann man wahrscheinlich für alle Erzählrollenspiele sagen. Allerdings ist das auch wieder ein Merkmal, das sich nicht zwangsläufig auf solche Spiele beschränkt.

Zu den Gruppen von Spielen:
Ghostbusters & Co (andernort auch "comical rules light" genannt) sind eigentlich D&D-Spiele, bei denen die Regeln zu schwach sind, um das Spiel zu tragen. Sie gehen auch davon aus, dass die SL eine Idee von einer Story an den Tisch bringt. Aber auch "die Story" kann das Spiel nicht tragen. Dafür greifen die wenigen Spielregeln zu sehr in die Geschichte ein. Erst ein hinzukommendes drittes Element macht die Spiele funktionsfähig. Das ist die Spielerentscheidung/Spielererzählung auf Basis eines vorgegebenen Hintergrunds (z.B. Einsamer Wolf). Die Spieler müssen selbst bestimmen, was ihre SC ausmacht (und sie als Kai Lords, Ghostbusters, Ritter besonders macht und von anderen abhebt) sowie warum ihre Handlungen sinnstiftend sind. Die eigentlichen Spielthemen werden von außen hineingelegt und in der Auseinandersetzung mit der Spielwelt und dem gemeinsamen Vorstellungsraum wird Sinn konstruiert. Klassische Erzähltheorien (Heldenreise, ...) sind Hilfsmittel, auf die gern zurückgegriffen wird. (... ob das AGE-System auch in den Zusammenhang passt, weiß ich nicht. Dafür kenne ich es zu wenig. Teile davon hat es aber.)


... vielleicht lohnt es sich auch noch mehr darauf zu schauen, was Erzählrollenspile gegenüber "klassischen" RSP nicht haben.
Vielleicht seht man dann besser, dass sie ich an anderen Maximen orientieren, die je nach Gruppe stärker divergieren.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 26.04.2017 | 22:37
@Der Läuterer:
Schau Dir mal das Table Top Lets Play von Fiasco (https://www.youtube.com/watch?v=WXJxQ0NbFtk&list=PL8917DC2870FF2294) an.
Ich denke um diese Art von Erzählspiel ging es Chiarina.

Nur dass gerade auf Fiasco die Punkte 1 und 3 eben nicht zutreffen. Da kann man seiner Figur noch so viele Erfolge herbeierzählen, es steht von Anfang an fest, dass eine bestimmte Anzahl an Szenen schlecht ausgeht. Und auch der Zufall spielt eine wichtige Rolle, obgleich nicht bei der conflict resolution, die es in diesem Sinne nicht gibt.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Bad Horse am 26.04.2017 | 22:56
@Fiasco: Naja, es können durchaus alle Szenen für einen Charakter gut ausgehen. Die Verteilung gut / schlecht ist über die Gruppe hin ausgewogen, aber nicht pro Charakter. Insofern kann man da schon versuchen, auf ein bestimmtes Szenenende hinzupowergamen. ;)
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 26.04.2017 | 22:57
@Fiasco: Naja, es können durchaus alle Szenen für einen Charakter gut ausgehen. Die Verteilung gut / schlecht ist über die Gruppe hin ausgewogen, aber nicht pro Charakter. Insofern kann man da schon versuchen, auf ein bestimmtes Szenenende hinzupowergamen. ;)

Viel Spaß!  ;D
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 6 am 26.04.2017 | 23:36
Nur dass gerade auf Fiasco die Punkte 1 und 3 eben nicht zutreffen. Da kann man seiner Figur noch so viele Erfolge herbeierzählen, es steht von Anfang an fest, dass eine bestimmte Anzahl an Szenen schlecht ausgeht. Und auch der Zufall spielt eine wichtige Rolle, obgleich nicht bei der conflict resolution, die es in diesem Sinne nicht gibt.
Ich habe mal bei ner Runde zugeschaut, bei der Punkt 1 sehr exessiv verwendet wurde, um alles Schlechte oder möglich Schlechte vom eigenen Charakter fernzuhalten. Das System ist damals daran jämmerlich krepiert, ohne Möglichkeit da irgendwie ausgleichend einzugreifen oder gar schlecht ausgehende Szenen zu generieren.
Dein Argument gegen Punkt 3 hast Du ja schon selber entwertet. :)
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 27.04.2017 | 01:26
Ich habe mal bei ner Runde zugeschaut, bei der Punkt 1 sehr exessiv verwendet wurde, um alles Schlechte oder möglich Schlechte vom eigenen Charakter fernzuhalten. Das System ist damals daran jämmerlich krepiert, ohne Möglichkeit da irgendwie ausgleichend einzugreifen oder gar schlecht ausgehende Szenen zu generieren.
Dein Argument gegen Punkt 3 hast Du ja schon selber entwertet. :)

Wie gesagt, man kann das ja alles machen, aber damit schlägt man die Struktur nicht. Die Hälfte aller Szenen geht immer negativ aus. Am Ende wirds nochmal ein bisschen zufällig. Wie Bad Horse sagt - und Morningstar selbst schreibt - man kann versuchen, Fiasco taktisch zu spielen. Ob man ständig Erfolge erzählt, hat damit aber nichts zu tun. Damit geht man bestenfalls seinen Mitspieler(inne)n auf den Keks.

Punkt 3 kriegst du. Bei Fiasco gibt es nur den einen spannenden Resolution-Wurf am Ende. Viele andere Indie-Rollenspiele haben mehr, ganz zu schweigen von traditionellen Würfelorgien. Insofern kann man daran schon diskutieren, wie oft der Würfel nun gefallen sein muss, damit es spannend war.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Archoangel am 27.04.2017 | 20:17
Ich kenne keine Spieler, die mit dieser Art Spiel zurecht kommen ... naja ... vielleicht eine halbe Spielerin. Ich kenne auch keinen Menschen, der dies noch als Rollenspiel definieren würde. Eher als "kooperatives Geschichtenerzählen". Die Runden, die ich versucht habe zu leiten, führten immer zu Null Charakteridentifikation, zu Stilleblöcken und zum spielerischen Rückzug von MitspielerInnen, die eher ruhiger Natur sind. Letztlich kann ich mir also nur vorstellen, dass diese Art von Spielen für eine sehr sher sehr begrenzte Zahl von SpielerInnen geeignet sind, die sich auch schon vorher sehr intensiv mit der Materie beschäftigt haben, bzw. Erfahrungen aus anderen bereichen (Psychodrama, Impro-Theater usw.) mitbringen. Ehrlich gesagt tue selbst ich mir mitlerweile schwer Erzählspiele überhaupt als Rollenspiele zu verstehen. ich denke eher, dass Erzählspiele mit Rollenspielen soviel gemein haben, wie letztere mit den Wargames aus denen sie hervorgegangen sind.

Was gut funktioniert ist dann eher so etwas wie "Es war einmal" - das Kartenspiel - das ja letztlich auch ein Erzählspiel ist. Das wird dann von den SpielerInnen auch nicht als Rollenspiel wehrgenommen, weshalb die Erwartungshaltung wohl eine andere ist.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 27.04.2017 | 20:29
Die Runden, die ich versucht habe zu leiten, führten immer zu Null Charakteridentifikation, zu Stilleblöcken und zum spielerischen Rückzug von MitspielerInnen, die eher ruhiger Natur sind.

Verrätst du, was du da genau benutzt hast? Einen Eigenbau, etwas Publiziertes?
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 6 am 27.04.2017 | 20:45
Ich kenne keine Spieler, die mit dieser Art Spiel zurecht kommen ... naja ... vielleicht eine halbe Spielerin.
Schreibe lieber "kaum"
Ich fühle mich ehrlich gesagt schon als Spieler (und Slobo z.B. auch) und ich glaube Du kennst mich. ;)
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Sashael am 27.04.2017 | 22:25
Ich kenne nur wenige Spiele, die mit den klassischen Regelstrukturen brechen. Namentlich Fiasco, Fate und Itras By.
Von den Dreien gefällt mir Itras By am besten, weil es tatsächlich eine freie Geschichte fördert. Fiasco ist mir zu starr und zu festgelegt auf eine bestimmte Art von Enden und Fate wird von seinem Regelwerk dominiert. Meiner Erfahrung nach denken die Spieler bei Fate zu meta, um es für mich zu einem echten Geschichten produzierenden Spiel zu machen.

Itras By war eine Offenbarung für mich. Das erste Mal bei Timber im Originalsetting gespielt gab es schon dort keine Spieler, die sich "Erfolge" herbeierzählten. Das zweite Mal habe ich die Karten komplett in einem Eigenbausetting verwendet und damit einen Dungeoncrawl in einer Gonzo-Runde geleitet. Die Spieler haben großartig gespielt, die Karten haben genug Misserfolge produziert, dass es spannend wurde und blieb. Wobei Tanelornis meiner Erfahrung nach eh meistens Ausnahmespieler sind und sich vom Durchschnitt der deutschen Rollenspieler deutlich abheben.

Aber die dritte Runde ist die, die hier wirklich relevant ist.
Beim dritten Mal habe ich ausschließlich die Zufallskarten benutzt und die eher settingspezifischen Ereigniskarten von Itras By weggelassen. Die Runde bestand aus meiner Stammrunde, mit denen ich Mutants & Masterminds (gespielt), Fate (gespielt & geleitet) und Gammaslayers (geleitet) durch hatte. Wir sind ein ziemlich rumblödelnder Haufen, der oft genug an allen Fronten Disziplin vermissen lässt. Die Spieler schwanken zwischen echten Frontsäuen und stillen (Mit-)Spielern. Das Setting war ein eher spaßiges Pseudo-Sigil-Setting, eine gigantische Mall zwischen allen Welten, sodass die Spieler mit allen möglichen Charakteren ankamen. Die Spanne reichte von 11-jähriger Prinzessin (aus einem mundanen Setting) über ein holographisches Notfallprogramm á la der Doktor der Voyager bis zu einem mächtigen Erzmagier, der alle Zaubersprüche bis auf einen kannte. Trotz eklataner Machtunterschiede und sehr starkem Gefälle in Sachen Extrovertiertheit hatten alle ihren Anteil an Erfolgen, Rückschlägen, Lösungen und Desastern. Die Runde war übrigens eine Lehrstunde im Bereich "Fail forward", denn es ging um einiges mehr schief als geklappt hat, aber das brachte immer nur mehr Geschichte in die Geschichte. Es gab nur einen Spieler, der versuchte, mit dem System ein wenig zu powergamen, aber auch dieser merkte irgendwann, dass eben dieses Powergaming eher nach hinten losgeht, weil in Itras By alle die selben Karten ziehen und höhere Einsätze durch mächtigere Anwendungsmöglichkeiten auch stärkere Rückschläge hervorbringen, wenn in dem Moment z.B. eine "Der Konflikt eskaliert"-Karte gezogen wird.

Von den fünf Spielern hatten zwei gar keine Erfahrung mit narrativen Systemen. Die anderen hatten Fate und einmal Fiasco gespielt.
Ich weiß nicht, ob es wirklich "besondere" Spieler braucht, um ein System wie Itras By so zu nutzen, dass eine großartige Geschichte dabei heraus kommt. Ich würde nach meinen Erfahrungen eher verneinen. Es wird imho allerdings ein SL benötigt, der einen ungefähren Plan im Kopf hat, was in der Geschichte alles möglich wäre und der in der Lage ist, auf unerwartete Ereignisse angemessen improvisierend zu reagieren. Ich kann mir persönlich gar nicht vorstellen, dass es Spieler geben soll, die mit Itras By nicht zurecht kommen. Sobald man erkannt hat, dass auch der beste Pistolenschütze des Multiversums noch bei einem Schuss eine "Nein, und zusätzlich geht noch was anderes schief"-Karte ziehen kann und es nur auf die Interpretationsfreudigkeit ankommt, was man aus so einem Ergebnis macht, ist Itras By ein imho nahezu perfektes System, um zusammen Geschichten zu erleben.
Meine Chaostruppe hat damit 5,5 Stunden am Stück in Charakter intensives Rollenspiel betrieben. Eine Leistung, die alle anderen Systeme nicht erreicht hatten.

Die Runden, die ich versucht habe zu leiten, führten immer zu Null Charakteridentifikation, zu Stilleblöcken und zum spielerischen Rückzug von MitspielerInnen, die eher ruhiger Natur sind.
Das finde ich einerseits total seltsam und andererseits extrem interessant, weil meine Erfahrung wirklich komplett gegenteilig ist. Als wäre da ein Spiegel dazwischen geschoben worden. Totale Charakteridentifikation, Dauerspiel ohne Pause (das wurde tatsächlich körperlich fordernd) und Beteiligung aller Mitspieler.

Sehr sehr eigenartig.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Chiarina am 27.04.2017 | 22:35
Zitat von: Sashael
Itras By war eine Offenbarung für mich.

Ich hatte mit Itras By ein vergleichbares Offenbarungserlebnis. Freut mich sehr!
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Kreggen am 27.04.2017 | 23:00
Ich hatte mit Itras By ein vergleichbares Offenbarungserlebnis. Freut mich sehr!

Ich habe mir das mal durchgelesen, klingt sehr interessant. Schade, dass es sowas nicht auf deutsch gibt. Das würde ich gerne mal ausprobieren.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Pyromancer am 27.04.2017 | 23:11
Ich habe mir das mal durchgelesen, klingt sehr interessant. Schade, dass es sowas nicht auf deutsch gibt.

Ist in Arbeit.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Crimson King am 28.04.2017 | 00:21
Das finde ich einerseits total seltsam und andererseits extrem interessant, weil meine Erfahrung wirklich komplett gegenteilig ist. Als wäre da ein Spiegel dazwischen geschoben worden. Totale Charakteridentifikation, Dauerspiel ohne Pause (das wurde tatsächlich körperlich fordernd) und Beteiligung aller Mitspieler.

Ich finde das garnicht seltsam. Man muss Spiele wie Itras By schon kapiert haben, um sie sinnvoll einsetzen zu können. Dafür wiederum hilft es massiv, das Spiel von einem oder mehreren Spielern, die es beherrschen, mal vorgeführt zu bekommen. Wenn man diese Erfahrung nicht macht oder nicht in der Lage ist, die Konzepte vorab so zu vermitteln, dass sie von den Neulingen verstanden werden, scheitern die Runden mit hoher Wahrscheinlichkeit. Ich habe in der Hinsicht unterschiedliche Erfahrungen. Eine Fiasco-Runde lief nicht gut, auch weil ein Spieler konkret versucht hat, für seinen Charakter des Beste raus zu holen. Er hat aber hinterher auch gesagt, dass ihm nicht klar war, dass das nicht Sinn der Sache ist. An anderer Stelle habe ich bei Runden mit unterschiedlichen Erzählspielen nie das Problem gehabt, dass ein Spieler mit DnD-Hintergrund nicht in der Lage war, sich auf den neuen Spielstil einzulassen.

Davon abgesehen haben zumindest manche dieser Erzählspiele durchaus Fallen, in die man hinein tappen und Runden ruinieren kann, auch wenn man in bester Absicht agiert. Fiasco artet schnell in Gonzospiel aus, wenn man nicht frühzeitig konkrete Ziele und Strategien für mindestens einen oder zwei der Charaktere definiert, weil man ohne solche Ziele und Strategien zwar auf Basis der Verknüpfungen rumeskaliert, dies aber orientierungslos geschieht und man dann dazu neigt, sich in Unsinn zu überbieten. Außerdem kann man Dramaspiele oft ruinieren, indem man einen zentralen Konflikt versehentlich auflöst und Charakteren damit die Handlungsmotivation entzieht. Mit dem ursprünglich geschilderten Problem, dass Spieler angeblich in Erzählspielen powergamen, hat das aber nichts zu tun.

Ich persönlich tue mich darüber hinaus schwer mit Spielen, die so ein bisschen die klassische Rollenteilung zwischen Spielleitung und Spielern suggerieren und thematisch nicht so eng gefasst sind wie beispielweise Dogs in the Vinyard. Im Speziellen denke ich da an PtA, das für mich überhaupt nicht funktioniert.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Der Nârr am 28.04.2017 | 00:25
Was mich immer verwundert:

Wenn ich ein Spiel wie InSpectres auspacke, mit meiner Spielrunde spiele, alle gewaltigen Spaß dran haben aber alle hinterher zu verstehen geben, dass sowas mal ganz nett ist, aber man dann doch wieder richtiges Rollenspiel betreiben möge...

Das erinnert mich dann an die richtigen Rollenspieler, die mal Old-School spielen um im Dungeon ein bisschen die Sau raus zu lassen wie man das so früher gemacht hat, immer schön mit ordentlicher Ironie dabei, aber dann doch bitte wieder zum gesitteten, ernsthaften Rollenspiel (sprich: WoD, DSA, Splittermond & Konsorten) zurückzugehen.

In meinen Spielgruppen sind Erzählrollenspiele einfach nicht konsensfähig, auch wenn das einzelne Spiel Spaß machen kann. Daher habe ich vor Jahren aufgegeben, Erzählrollenspielen weiter nachzugehen. (Wobei für mich schon relativ eng eher Spiele wie Dogs in the Vineyard, The Pool oder InSpectres dazu zählen. Cortex+ ist für mich kein Erzählrollenspiel, schon bei Fate bin ich mir nicht so sicher.)

Das beschriebene "und dann mache ich, und dann gelingt mir, und dann gelingt mir" kenne ich aber eher von "normalem" Rollenspiel, wo die Spieler ganz entsetzt sind, wenn etwas nicht klappt und sie dann lieber ganz aufgeben, als einen neuen Anlauf zu versuchen oder den Hebel anderswo anzusetzen. Da werden die Charaktere dann so gebaut, dass sie möglichst keine Schwächen haben und man versucht dann auch nur die Dinge, die gelingen werden und zur Not hat man ja noch Gummipunkte etc. -_-
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: D. Athair am 28.04.2017 | 00:55
... krass wie sehr sich das Thema auf "story games" eingeschossen hat.

Aber ja, es ist natürlich auch ne naheliegende Möglichkeit sich auf Spiele mit "Erzählfokus" einzuschießen, die möglichst weit weg sind von "Standardkost" - insbesondere wenn man sich die Definitionsarbeit sparen will.

Schade.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Chiarina am 28.04.2017 | 01:46
Dazu möchte ich dann vielleicht doch noch etwas sagen:

Den Strang habe ich nicht unbedingt als Theoriestrang eröffnet. Ich wollte einfach wissen, ob ich mit meinen Erfahrungen allein dastehe oder nicht. Ich wollte von Erfahrungen anderer lesen. Und ich wollte nicht unbedingt irgendwelche Begriffsdiskussionen.

Trotzdem habe ich mich sehr gefreut, dass nach einem anfänglichen "Was-ist-denn-das-für-ein-Blabla-Strang?" Clausustus Doom Occulta eine Liste vorgelegt (Antwort #7) und 1of3 diese Liste dann auch nochmal kommentiert hat (Antwort #23). Ich fand die beiden Beiträge interessant und lohnend... und sie erschienen, ohne dass jemand nach ihnen gerufen hat. Vielen Dank!

Danach - so zumindest mein Eindruck - war der Strang offen für Erfahrungen in allen Spielarten der Erzählrollenspiele. Statt sich also enttäuscht zu zeigen, dass hier nur über Fiasco und Assoziativ-Karten geschrieben wird, schreibt einfach von euren Erfahrungen in den anderen Erzählrollenspielen!

Ich würde wirklich gern lesen, wie es sich anfühlt Amber, Wushu oder Prince Valiant zu spielen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: TaintedMirror am 28.04.2017 | 10:36
Gut, ich gebe auch mal meinen Erfahrungsbericht ab. Kurz nebenbei: Ich bin eigentlich nur Spielleiter für eher klassische Rollenspiele und habe Erzählrollenspiele (oder wie man die nennen mag) bisher nur auf Cons und einmal online gespielt.
Bisher waren meine Erfahrungen eher negativ. Das lag halt an unterschiedlichen Aspekten. Einmal hat halt das Fehlen von Werten in Kombination mit dem Fehlen von Hintergrundinformation für mich oft zu einer Unsicherheit geführt. In einem WoD Setting beispielsweise habe ich eher versucht, bodenständig zu spielen, währen andere dann das Spotlight durch eher filmartiges spielen immer an sich gerissen haben. Auch dieses Haarbeierzählen von Erfolgen habe ich schon erlebt. Dabei ging es eigentlich immer nur um Kleinigkeiten, aber die Spielerin in der Runde hat halt ihren Char immer als die beste und von allen bewundert dargestellt, während die Kerle in der Gruppe eher auf tragische Charaktere mit ordentlich Fehlern gesetzt haben, sodass das Spiel allerdings immer darauf hinauslief: Charakter macht etwas und versagt teilweise, Char der Spielerin kommt und löst alles auf.
Hinzu kommt, dass ich persönlich auch nicht so sehr auf Geschichten stehe. Mir ist klar, dass die Geschichte das Rückgrat eines jeden Rollenspiels ist, aber mit der Zeit kenne ich schon genug Stories dass die meisten mich einfach nicht überraschen. Also ist es für mich eher so: Man rennt zu Beginn ziellos und informationslos rum bis man dann auf ein Ende trifft, das einem auch nicht vom Hocker reist.
Das hängt vielleicht auch ein wenig damit zusammen, wie die jeweiligen SL ihre Stories geleitet haben. Ich würde gerne mal in einer Runde spielen, in der das ganze gut geht und nicht diese random Conrunden. Vielleicht hätte ich dann bessere Erfahrungen, aber bisher scheinen mir diese Art von Spielen nichts zu bringen, zumal ich ja auch wirklich jeden Aspekt, den ich dort gut finde, in das klassische Rollenspiel übertragen kann und dort zusätzlich noch andere Aspekte habe, die mich interessieren.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 28.04.2017 | 10:40
Gut, ich gebe auch mal meinen Erfahrungsbericht ab. Kurz nebenbei: Ich bin eigentlich nur Spielleiter für eher klassische Rollenspiele und habe Erzählrollenspiele (oder wie man die nennen mag) bisher nur auf Cons und einmal online gespielt.
Bisher waren meine Erfahrungen eher negativ. Das lag halt an unterschiedlichen Aspekten. Einmal hat halt das Fehlen von Werten in Kombination mit dem Fehlen von Hintergrundinformation für mich oft zu einer Unsicherheit geführt.

Erinnerst du dich noch, welches System/Systeme das waren?
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: KhornedBeef am 28.04.2017 | 10:48
Es ist ja auch nicht so, dass man mit einem harten taktischen Rollenspiel nicht auch eine interessante Handlung haben könnte. Es hat u.U. nur a) keine Mechanismen, die dir dabei helfen und b) Mechanismen die Zeit und/oder Hirnschmalz fressen, die dann woanders fehlen. Das ist übrigens mein Erfahrungsbericht ;)
Ich habe mal eine Einführungsrunde V:tR mitgespielt. Das System heißt zwar Storyteller, ist aber für mich weniger auf Geschichtenerzählen als auf Charakterdarstellung ausgelegt, mit Bestie, Abhängigkeiten, moralischen Fragen, plus eine Portion Horror. Von alleine kam da niemand auf die Idee, auf eine größere Erzählung hinzusteuern. Wobei, die SL heißt ja auch "Storyteller", also kein Wunder, dass wie fast immer alles da abgeladen ist ;)
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 11:30
Kleiner Nitpick zum Einstieg: Rein verhandelte, im Gegensatz zu durch Zufallselement ermittelte, Ergebnisse gibt es ja nicht nur in erzählerisch orientierten Runden. Auch und gerade Runden, die auf Simulation Wert legen, honorieren oft eine Verhandlungserfolg, indem dann eben kein Wurf für den Erfolg erforderlich ist, weil die Vorgehensweise des Charakters so gut geplant ist, dass sie vernünftigerweise nicht scheitern kann. In der erzählerisch orientierten Runde wird hingegen oft dann auf das Zufallselement verzichtet, wenn eine bestimmte Wendung einfach dramaturgisch so schön „passt“, dass alle am Tisch sich einig sind, dass sie genau diese Wendung jetzt haben wollen und dann lassen sie sich von den Würfeln auch nicht dazwischen funken.

Leute, die erzählerisches Spiel nicht verstehen, meinen hier dann oft einen Widerspruch zu erkennen, wenn man es manchmal einfach entscheidet und an anderer Stelle den Zufall entscheiden lässt. Das geht aber an der Sache vorbei. In jeder Situation, die an einem Rollenspieltisch, egal in welchem Spielstil, entsteht, erfolgt eine Beurteilung der Situation durch die Spieler, und aus dieser Beurteilung erfolgt dann eine auf die individuelle Situation bezogene Entscheidung, wie diese Situation zu handhaben ist. Eine funktionale Runde ist dann eben eine, wo die Spieler sich über die Beurteilung und Entscheidung der auftretenden Situationen in der Regel einig sind. Man wird üblicherweise erkennen, dass in einer solchen Runde prinzipiengeleitet entschieden wird. Prinzipiengeleitet heißt aber noch lange nicht schematisch. Andere Situation, andere Beurteilung.

Natürlich folgen aber unterschiedliche Spieler, die alle für sich in Anspruch nehmen, erzählerisch zu spielen, unterschiedlichen Prinzipien. Das hat dann was mit – genereller oder momentaner – Präferenz zu tun. Ich habe z.B. bei vielen Spielern eine „over the top“ Phase beobachtet, in der sie Spaß daran hatten, ihre Charaktere einfach nur alles wegrocken zu lassen. Umgekehrt habe ich aber auch oft die Beobachtung gemacht, dass gerade, wenn man das Regel-/Zufallselement rausnimmt, die Spieler besonders bescheiden werden und ihre Charaktere eher kleiner machen, als sie es beim Spiel nach harten Regeln tun würden. Anderer Spieler würden von sich aus sagen: „Das möchte ich jetzt lieber würfeln.“ Das hat alles auch viel mit der Chemie der Gruppe und der Dynamik der Situation zu tun.

Ein Sonderfall ist noch die PvP-Situation, wenn die Charaktere also gegeneinander agieren. Hier gibt es einerseits Spieler, die dann bei einer erzählerisch verhandelten Fiktion am Spieltisch die Ellbogen ausfahren, laut und schnell reden, anderen ins Wort fallen, die Situation so auslegen, wie es ihrem Charakter am besten passt, usw. Und es gibt andere, die ein extrem ausgeprägtes Fairplay-Bedürfnis haben, die zwar ihren Charakter knallhart agieren lassen, aber am Spieltisch besonders großen Wert darauf legen, sich keinen unfairen Vorteil zu verschaffen, alle zu Wort kommen zu lassen, im Zweifel bei der Auslegung/Beurteilung des fiktionalen Kontext eher zugunsten des Gegners entscheiden, etc.

Es sind also zwei verschiedene Ansätze, aus denen so ein „Powertelling“ meiner Erfahrung nach entsteht, nennen wir sie mal „dicke Hose“ und „Ellenbogen“. Ich kann aber nicht sagen, dass ich da irgendeine Form von Zusammenhang zu Fantasy-Settings und -Geschichten entdecken könnte, das ist mir alles schon in diversesten Settings begegnet. Ich kenne hier jeweils sowohl Spieler, die einfach immer so agieren, als auch solche, bei die nur mal so eine Phase hatten bzw. nur in Gesellschaft bestimmter anderer Spieler so sind.

Zitat
Seid ihr der Meinung, dass Rollenspiele ohne oder mit nur geringen Zufallselementen in der Konfliktresolution keine Spannung aufweisen? Wenn nein: Worin liegt für euch der Spannungsaspekt?

Ich verstehe, dass viele sich das wirklich fragen, auch wenn mir die Frage absurd vorkommt. Du hast eine explosive Situation in der Fiktion und du weißt noch nicht, was dabei herauskommen wird, das ist doch immer das, was spannend ist, am Rollenspiel. Ob diese Lösung, also was dabei am Ende herauskommt, mit oder ohne Würfel verhandelt wird, ist doch eine nachgeordnete Frage.

Oft trifft man so die Vorstellung an, wenn es keine Würfel gibt, dann ist doch eh schon allen klar, wie es ausgeht, und die erzählen es nur so runter; ich frag mich manchmal, auf was für einem Planeten die Leute leben, die so was denken. Alter, wir verhandeln das doch, wir spielen das doch, ich weiß vielleicht selber noch nicht mal, wie mein Charakter reagieren wird, ich warte drauf, was der SL vielleicht noch für Geheimnisse enthüllt, ich warte drauf, was meine Mitspieler sich einfallen lassen, oft ist es ein IC-Dialog, an dem alles hängt, das spielen wir doch in wörtlicher Rede, da muss ich die richtigen Worte finden, die richtige Präsentation finden, und dann sind da noch andere dabei, die sich einmischen, die mit etwas kommen, womit ich gar nicht gerechnet habe, das ist doch die Königsdisziplin! Wir sind dann vier, fünf, sechs Leute, alle sind involviert, alle reden durcheinander, alles ist wichtig, alles fließt zusammen und, mal Push mal Pull, wie ein Tanz, wie kann man denn denken, dass das langweilig, nicht spannend, nicht überraschend sei, nur weil vielleicht nicht gewürfelt wird?
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Wellentänzer am 28.04.2017 | 11:41
Das ist ein ganz großartiger Beitrag, vielen Dank dafür!
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: KhornedBeef am 28.04.2017 | 11:43
[...]
Vielen Dank! Das ist so ein Post, den ich niemals so geschrieben hätte, wo ich mich aber beim Lesen wiederfinde. Mir wird quasi beim Lesen klar dass das unterschwellig unheimlich viel an meiner laufenden Runde besser beschreibt, als ich es bisher konnte.
Edit: DAs ist besonders schön an so einem Tag wie heute, wo ich irgendwie selbst unzufrieden mit meinen eigenen Posts bin.
Edit2: Außerdem : "Powertelling" finde ich ein großartiges Wort, hast du das spontan erfunden?
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 1of3 am 28.04.2017 | 12:07
Edit2: Außerdem : "Powertelling" finde ich ein großartiges Wort, hast du das spontan erfunden?

Hadda nich. ;)

Oft trifft man so die Vorstellung an, wenn es keine Würfel gibt, dann ist doch eh schon allen klar, wie es ausgeht, und die erzählen es nur so runter; ...

Sehr feiner Beitrag, Vermi. Danke.

Ich persönlich würde meinen Einwand anders fassen: Regeln sind zum Drücken da, also wie der sprichwörtliche Rote Knopf. Oder vielleicht besser wie ein Sandsack. Denn es ist sicher da zu drücken, wo Regeln sind. Weil die anderen Mitspielen sind wir uns schon mal einig, dass da zu drücken ist. Die Regeln müssen dabei nicht unbedingt Zufallselemente enthalten, aber gern klare Ansagen: Wähle von diesen Dingen aus!, Male ein Landschaftsmerkmal auf die Karte!, Füge einige NSCs hinzu!

Viele Spiele haben nun wenig solche Regeln außer eben denen, die mit Würfeln zu tun haben.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 28.04.2017 | 12:19
Ein Sonderfall ist noch die PvP-Situation, wenn die Charaktere also gegeneinander agieren. Hier gibt es einerseits Spieler, die dann bei einer erzählerisch verhandelten Fiktion am Spieltisch die Ellbogen ausfahren, laut und schnell reden, anderen ins Wort fallen, die Situation so auslegen, wie es ihrem Charakter am besten passt, usw. Und es gibt andere, die ein extrem ausgeprägtes Fairplay-Bedürfnis haben, die zwar ihren Charakter knallhart agieren lassen, aber am Spieltisch besonders großen Wert darauf legen, sich keinen unfairen Vorteil zu verschaffen, alle zu Wort kommen zu lassen, im Zweifel bei der Auslegung/Beurteilung des fiktionalen Kontext eher zugunsten des Gegners entscheiden, etc.

Interessanter Gedanke. Finde ich nicht einfach zu beurteilen, ob jemand, der seine Figur jemand anderem ins Wort fallen lässt, damit die Verfahrensfairnis verletzt oder nicht. Wenn er/sie das grundsätzlich macht, vielleicht schon. Andererseits ist es ja z.B. bei Hillfolk, das fast nur aus solchen Szenen besteht,  wieder so, dass ich so viel poltern und ellenbogen kann, wie ich will, das aber nichts daran ändert, dass der Granter einen Punkt bekommt, wenn er dem Petitioner nachgibt bzw. der Petitioner, wenn der Granter sich weigert. Selbst, wenn ich also durch "unfaires" Verhalten in der Szene immer das kriege, was ich will, werden sich dadurch irgendwann bei der Gegenseite genug Punkte angesammelt haben, um meine Figur mechanisch zum Einlenken zu zwingen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Issi am 28.04.2017 | 12:38
Frage: Angenommen ein Spieler erzählt wie er etwas anstellt, zum Beispiel -einen Turm hochklettern um die Prinzessin heimlich in ihrem Gemach zu besuchen.
Könnte der Spielleiter diese Situation auch scheitern lassen? Indem er zum Beispiel erzählt: Dass die Figur beim Klettern abrutscht? Oder dass die Figur  zwar oben auf dem Balkon ankommt aber die Prinzessin nicht zugegen ist? Oder dass ihn jemand bemerkt? Eine Wache zum Beispiel?

-Denn Erfolg funktioniert ja in der Regel nur wenn beide Seiten einverstanden sind. Wenn der Spieler zum Beispiel sehr schön beschreibt auf welche Art und Weise  er hochklettert. Und der Spielleiter erstens findet, dass die Beschreibung funktionieren kann und zweitens dass das  Ziel des Spielers erreichbar ist. Zum Beispiel dass die Prinzessin tatsächlich an Ort und Stelle sein kann und nicht woanders.

Denn vor dem Erfolg muß es ja ein Ziel geben, welches man erfolgreich erreichen will. Und dieses Ziel muß ja zunächst möglich und auch erreichbar sein. -Wer legt fest, ob dieses Ziel existiert bzw. überhaupt erreichbar ist- Bevor über den Erfolg entschieden wird?
Oder bestimmt der Spieler über den Erfolg gleich auch das Ziel mit ohne dass der Spielleiter darauf Einfluss hat?

Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: bobibob bobsen am 28.04.2017 | 12:48
Zitat
Frage: Angenommen ein Spieler erzählt wie er etwas anstellt, zum Beispiel -einen Turm hochklettern um die Prinzessin heimlich in ihrem Gemach zu besuchen.
Könnte der Spielleiter diese Situation auch scheitern lassen? Indem er zum Beispiel erzählt: Dass die Figur beim Klettern abrutscht? Oder dass die Figur  zwar oben auf dem Balkon ankommt aber die Prinzessin nicht zugegen ist? Oder dass ihn jemand bemerkt? Eine Wache zum Beispiel?

Nimmt der SL am Spiel teil? Das sollte deine Frage beantworten.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Issi am 28.04.2017 | 12:57
Zitat
Nimmt der SL am Spiel teil? Das sollte deine Frage beantworten.
Ok, vielen Dank.
Es gibt bzw. gäbe nämlich auch die Möglichkeit, dass der aktuelle Erzähler auch gleich das Ziel mitbestimmt, nicht nur den Erfolg. Und der Spielleiter dann mit dem Ergebniss weiterspielt.
Aber Danke, so macht es Sinn und so ähnlich hatte ich mir das auch gedacht.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 15:05
Interessanter Gedanke. Finde ich nicht einfach zu beurteilen, ob jemand, der seine Figur jemand anderem ins Wort fallen lässt, damit die Verfahrensfairnis verletzt oder nicht. Wenn er/sie das grundsätzlich macht, vielleicht schon. Andererseits ist es ja z.B. bei Hillfolk (...)

Bei einem IC-Dialog ins Wort fallen ist das eine, bei Handlungsbeschreibung/Situationsverhandlung am Spieltisch ins Wort fallen, das andere. Ich spreche ja von einer Situation, die frei verhandelt wird, also gerade ohne Erzählrechte, Gummipunkte und das ganze neumodische Gedöns. ;)
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 28.04.2017 | 15:32
Bei einem IC-Dialog ins Wort fallen ist das eine, bei Handlungsbeschreibung/Situationsverhandlung am Spieltisch ins Wort fallen, das andere. Ich spreche ja von einer Situation, die frei verhandelt wird, also gerade ohne Erzählrechte, Gummipunkte und das ganze neumodische Gedöns. ;)

Ach so. Ich hatte den Dialog zur "erzählerisch verhandelten Fiktion" gezählt. Den interessanten Punkt dabei fand ich die Frage, ob ich mir uU auch dadurch einen unfairen Vorteil verschaffe, dass eben ich nicht einfach in dritter Person kurz beschreibe, wie aufdringlich und fordernd meine Figur auftritt oder meine "direkte Rede", wie aggressiv sie auch sein mag, trotzdem so bemesse, dass möglichst alle am Tisch die gleichen Chancen für ihre Darstellung bekommen, sondern quasi meinen "player skill" einsetze, um andere unterzubuttern. Mir fällt aber gerade auf, dass das letztlich wieder zu der ewigen Benachteiligungsdebatte zurückführt.

Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 16:59
Ja klar, den Dialog würde ich auch dazu zählen, das ist aber ein relativ unkritisches Element. Es ist auch nicht die reine Benachteiligungsdebatte aka Charakterskill vs. Spielerskill. Denn der Spielerskill wird ja durch die anderen Mitspieler bewertet. Wenn ich super schlau daherreden kann, fein, aber es zählt nur, wenn meine Mitspieler es kaufen. Der Ellenbogen-Spieler setzt seine Mitspieler unter Druck, es zu kaufen, er will seine Siegchancen dadurch verbessern, dass er sozusagen die Urteilsfindung beeinflusst. Der Fairplay-Spieler tut genau das nicht, er ist im Zweifel sein eigener schärfster Kritiker.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Settembrini am 28.04.2017 | 17:32
Mal zu meinen Erfahrungen, meine Bewertung will ich mal soviel ich kann weglassen.

Ich habe mit einigen der Autoren selber und mit einigen der größten Befürworter solche thematischen Erzählspiele gespielt. In den letzten Jahren auch einfach zugeschaut.

Beobachtungen:

- es gibt definitiv Spannung, sie kam aber nie aus dem Spiel sondern immer vom Spieler oder vom Autor; ich habe sie fast immer als unangenehm empfunden
- Kleinmachen und masochistisches Scheiternlassen des jeweils eigenen Charakters tritt auf
- Powertelling tritt auf; Leute wollen sich übertrumpfen oder andere am Tisch mit ihren Beiträgen beeindrucken
- auftretende "Flowmomente" können intensiv sein, sind aber fast immer kurz und werden dann im Nachgang/sofort ausgiebig besprochen
- die Spielleiter oder die Vorbereitenden sind meist nur rudimentär vorbereitet. In jedem Sinne: also selbst wenn es eine originäre gedanklich-emotional-sprachliche Vorarbeit geben könnte/gibt, habe ich das noch nicht erlebt, daß sie auch gemacht wurde.
- es gibt einen Prozentsatz an Spielern, die in gerader Linie auf Snuff und Ekelpornoszenen eingestellt sind, insbesondere auf Conventions (MantiCon u. Odyssee z. B.)

Insgesamt steht jeder und dauernd unter ständiger Beobachtung.

Individueller Einschub:
Persönlich habe ich beruflich in den letzten Jahren öfter mit Leuten zu tun, die gruppendynamische Sozialtechniken einsetzen/propagieren, um bestimmte "pädagogische" Effekte zu erzielen. Das unangenehme Gefühl das ich bei diesen Techniken habe ist witzigerweise genau dasselbe, wie ich es bei den thematischen Erzählspielen habe. Die Grundtechnik fühlt sich für mich ähnlich an:
Aus Situations-/Gruppendruck etwas tun lassen was irgendwie merkwürdig erscheint oder etwas außerhalb der Komfortzone (vgl. Schuhsoziogramm), dannach sehr mutige Interpretation in die Motivlage und Individualpsychologie der Teilnehmer. Meist gibt es auch mehrere im Raum, die zumindest so tun, als seien sie voll angeregt und begeistert von der Technik, was bei anderen zu Verunsicherung und Befremden führt. Das angeregte immer-wieder-erzählen und später bezugnehmen auf nur halb aninterpretierte Einzeldeutungen (mit leuchtenden Augen) habe ich auch in beiden "Hobbys" beobachtet.

Gefragt ob das thematische Erzählspiel für jeden ist, könnte man gut antworten:
"Wer Schuhsoziogramme interessant findet, für den ist das was."

Zum guten alten Schummelerzählspiel (SchERZ) a la DSA kann wie immer gesagt werden:
"Wer selbstgemachte Hörspiele mag, für den ist das was."

Hat halt beides so seine Berechtigung.


Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 17:53
Ich hatte den OP jetzt eigentlich nicht so verstanden, dass er wirklich auf diese total forgigen Spiele hinaus wollte. Vielleicht liege ich aber da auch falsch. Meine Ausführungen waren jedenfalls auf ganz normale Rollenspiele bezogen, wo einfach nur erzählerisch orientiert gespielt und ggf. dann auch auf Auswürfeln verzichtet wird. Die Forge-Spiele sind zu verschieden, um sie alle über einen Kamm zu scheren, aber teilweise fehlt da gerade der Verhandlungsprozess bzw. wird durch die Erzählrechte untergraben, sodass die von mir angesprochene Beurteilung eben keinen ausreichenden Raum mehr hat. Das Problem hier ist dann nicht so sehr, dass ein Spieler ggf. erzählt, dass sein Charakter der Geilste ist, sondern das Problem ist dann, dass er es schlecht oder gar nicht begründet und ich es trotzdem kaufen muss.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 28.04.2017 | 18:02
Ich hatte den OP jetzt eigentlich nicht so verstanden, dass er wirklich auf diese total forgigen Spiele hinaus wollte.

Eben. Das Eingangsbeispiel Itras By gehört auch definitiv nicht in diese Kategorie. Und: Bei strukturalistischen Rollenspielen wie Kagematsu oder Mars Colony treten die Probleme, nach denen Chiarina in 1.) und 3.) fragt, ohnehin nicht auf.   
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Settembrini am 28.04.2017 | 18:26
Ich hatte den OP jetzt eigentlich nicht so verstanden, dass er wirklich auf diese total forgigen Spiele hinaus wollte. Vielleicht liege ich aber da auch falsch. Meine Ausführungen waren jedenfalls auf ganz normale Rollenspiele bezogen, wo einfach nur erzählerisch orientiert gespielt und ggf. dann auch auf Auswürfeln verzichtet wird. Die Forge-Spiele sind zu verschieden, um sie alle über einen Kamm zu scheren, aber teilweise fehlt da gerade der Verhandlungsprozess bzw. wird durch die Erzählrechte untergraben, sodass die von mir angesprochene Beurteilung eben keinen ausreichenden Raum mehr hat. Das Problem hier ist dann nicht so sehr, dass ein Spieler ggf. erzählt, dass sein Charakter der Geilste ist, sondern das Problem ist dann, dass er es schlecht oder gar nicht begründet und ich es trotzdem kaufen muss.

Witzig, ich hatte erst gedacht, daß es um so thematische Erzählspiele geht, seit den letzten zwei Threadseiten, deswegen hatte ich vorher auch keinen Beitrag.

Mea culpa, wenn ich was falsch verstanden habe.

Spielen einfach durch Verhandlung ohne auswürfeln ist ja nur eine Methode. Genaugenommen DIE Methode Rollenspiel (vgl. Peterson 2012, Settembrini 2007  :D).
Nota Bene: Spiele, die das angeblich besonders förderten hießen mal als Mode in den 90ern "Freies Rollenspiel" mit komischer Überlappung zu "creator-owned" und "ohne Abenteuer". Daidalos und Co. etc.
 
Aber die Punkte 1-3 im OP sind ja gerade von Spielen, wo die Spieler selber entscheiden können ob etwas klappt. Und das ist dann schon jenseits einer von vielen deutlich spürbaren und mit vielen Worten beschriebenen, und von verschiedenen Bewegungen übertretenen, Trennlinie.

Und meine Beobachtungen (s.o.) finde ich treffen alle zu, ob das jetzt damals HKAT!, Everway oder InSPectres oder eben die in der Wolle gefärbten thematischen Schwergewichte sind.

Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 18:29
Chiarina wird sicher selbst was dazu schreiben, ich hatte hier:

So. Hier geht´s um Erzählrollenspiele. Gemeint sind regelleichte Spiele, in denen die Narration im Mittelpunkt steht und ein Fertigkeiten- und Kampfsystem nur rudimentär oder gar nicht vorhanden ist.

Ich habe in Weltengeists "automatische Erfolge" Strang davon geschrieben, dass es bei Erzählrollenspielen nicht außergewöhnlich ist, wenn Ereignisse im Spiel ohne Bemühen des Zufalls allein durch Narration zustande kommen. Auch die Beantwortung der Frage, wann überhaupt gewürfelt (oder eine Karte gezogen, etc.) wird, bleibt oft den Spielern überlassen.

jetzt nicht "Forge-Kram" rausgelesen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Chiarina am 28.04.2017 | 18:53
Ich weiß nicht genau, was ich darauf antworten soll. Was zeichnet denn, bitte, "Forge-Kram" aus? Ich kenne da, glaube ich, als reinen Vertreter nur Polaris und das habe ich nur gelesen. Ich weiß zwar ein bisschen über die Forge, aber habe keine Ahnung, was forgetypische Spiele ausmacht.

Zitat von: Settembrini
Aber die Punkte 1-3 im OP sind ja gerade von Spielen, wo die Spieler selber entscheiden können ob etwas klappt.

Das ist in Archipelago und Itras By so... wenn man so will. Aber in den Runden, in denen ich gespielt habe, lief es eher andersherum: Die Basis war das charakterzentrierte freie Spiel. Der Ausdruck, die Spieler würden entscheiden "ob etwas klappt", kommt mir deplaziert vor. Die Spieler haben einfach entschieden, was geschieht, und das konnte positiv oder negativ sein. Die Frage, "ob etwas klappt" stellt sich eigentlich gar nicht. (Ja, es gibt die Entscheidungskarten, aber die kommen eigentlich selten ins Spiel, wenn unklar ist, welche Folgen eine Handlung hat. Sie kommen eher ins Spiel, wenn´s zu lahm wird oder gerade mal keine Idee da ist. Meistens sind sie einfach nur Ideengeber).

Ich will hier aber ausdrücklich nicht ausschließen, dass auch über andere Erzählrollenspiele geschrieben wird. Meine Kenntnisse sind da nur eben etwas begrenzt.

Bevor ich jetzt Settembrinis "Beobachtungen" meine eigenen Erfahrungen gegenüberstelle, würde es mich doch interessieren, von was für Spielen er da spricht.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 19:28
Ja, so hatte ich es auch gedacht, wobei ich nach nochmaliger Lektüre des Ausgangsposts auch verstehe, wie man auf was anderes kommen kann. Was du beschreibst, ist ja letztendlich Freiform. Ok es gibt vielleicht Entscheidungskarten als Rückfalloption, aber 99% der Fiktion wird einfach frei verhandelt. Wobei natürlich in jeder normalen Rollenspielrunde der größte Teil der Fiktion frei verhandelt wird, das Besondere bei der Freiform ist, dass auch entscheidende Konflikte frei verhandelt werden, statt sie durch Zufall und/oder Spielwerte zu entscheiden.

Wenn man Freiform spielt, kann Powertelling eine Rolle spielen, es ist aber meiner Erfahrung nach absolut nicht davon auszugehen, dass es die unweigerliche Folge von Freiformspiel ist. Ebenso kann ich sagen, dass in Freiform verhandelte Konflikte äußerst spannend sein können. Ich muss aber schon sagen, dass ich persönlich darauf Wert lege, ein Minimum an formellen Regeln als Rückfalloption zu haben.

Es ist aber in gutem Freiform-Spiel mitnichten so, dass man sich einfach jeden Erfolg herbeierzählen kann, sondern man muss die Mitspieler überzeugen, warum das, was man vorhat, funktionieren sollte.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Weltengeist am 28.04.2017 | 20:23
Ich habe den Thread eben erst entdeckt, sonst hätte ich natürlich schon früher geantwortet. Und inzwischen hat er ja auch eine ganz eigene Dynamik entwickelt, die ich auch nicht unterbrechen möchte. Aber falls diese Frage hier noch für jemanden relevant ist:

Was Weltengeist meint, wäre natürlich interessant zu wissen. Ich vermute FATE, für das man die Diskussion hier ganz anders aufziehen müsste.

Konkret habe ich Inspectres, Wushu, PDQ# und Fate (Free/Turbo/Core) gespielt. Alles zusammen vielleicht 2-3 Dutzend Sitzungen, als Spielleiter und Spieler, mit bestimmt mehr 10-15 verschiedenen Mitspielern in unterschiedlichen Konstellationen. Aus den Erfahrungen mit diesen Runden speist sich meine Beobachtung, dass die meisten Spieler diese Spiele einfach als Erfolgsstory-Generatoren benutzen. Spontan kann ich mich da an keine einzige Situation erinnern, wo wirklich eine Form von Spannung - sei es ein "schaffen wir das jetzt" oder ein "wie geht es wohl weiter" - aufgekommen wäre. Klar hatten die Runden teilweise andere Qualitäten, aber Spannung oder Stolz, eine schwierige Herausforderung gemeistert zu haben, gehörten nie dazu. Und das waren ja die Prämissen des Spielstils, den ich ursprünglich versucht habe zu beschreiben.

Ich gebe aber zu, dass ich nicht genug Ahnung von weiteren Erzählspielen habe, um beurteilen zu können, ob ich da nun genau eine bestimmte Kategorie erwischt habe, die alle ein ähnliches Spielgefühl erzeugen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Settembrini am 28.04.2017 | 20:35
Hey, ich wollte gar kein objektives Urteil hier fällen, sondern nur meine real gemachten Erfahrungen teilen. Und die ist ziemlich stabil, ob jetzt "soziogrammisch-forgish" oder einfach Everway-spielleiterlos-Freiform oder "cinematisch-wushu-liquid-HKAT!"-isch.

Gerade der Aspekt, daß die Spieler weitreichend Sachen erfinden und Erfolg keine Rolle spielt, so wie Du sagst, deutet ja auf das Fehlen von Rätseln und Geheimnissen hin. Der Logistik-Aspekt und das Erkunden werden unmöglich bzw. unsinnig. Und immer wenn das auftritt, beobachte ich (in verschiedener Stärke) die genannten Dinge.

Muß das so sein?
Weiß nicht.

Immer wenn ich geguckt/probiert habe, war es so.

Objektivierungsversuch:
Ich find's logisch, daß bei fehlender Ressourcenknappheit und fehlendem Geheimnis Spannung "nur" durch die Menschen am Tisch erzeugt wird. Aber das schließt ja nicht aus, daß sich Leute kollaborativ so in eine Handlung reinversetzen, daß sie in irgendeiner Art und Weise vom Ereignis überascht werden, oder irgendwas auf der Kippe steht. Wie ist mir aber so ein bißchen schleierhaft, gesehen habe ich eben immer nur, wie die "Autorenrolle" der Person, die was überaschendes sagt/einbaut dann eben nahezu in Lichtgeschwindigkeit mit eingepreist wird und auch reflektiert wird. Daher das Gefühl des ständigen Beobachtens. Und das ist vlt. nicht für jeden, so mein Gedanke zu Deiner 1) Frage.

Konventionell spannendes Freiformen mit vorbereitetem Spielleiter ist dagegen volkommen möglich und beobachtbar, habe ich auch schon erlebt, Würfel + Regeln sind am Ende lediglich eine Arbeitserleichterung für den SL.

Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Chiarina am 28.04.2017 | 21:03
Die Spieleiterfrage und Abenteuervorbereitung finde ich erstmal eine sinnvolle Differenzierung. Ich hatte tolle Erlebnisse mit ziemlich konventionell vorbereiteten Abenteuern, die aber freiformig (bzw. mit Entscheidungskarten) gespielt wurden. Da gab´s auch ganz traditionell Dinge zu entdecken und sogar einen Plot.

Ich hatte aber auch gute Fiascorunden. Da gibt´s ja keinen Spielleiter und kein vorbereitetes Abenteuer. Die besondere Qualität, die ich in diesen Runden erlebt habe, bestand für mich (mal abgesehen von der üblichen Freude über treffliches Charakterspiel) eher darin, dass durch das gemeinsame Spiel Fäden überraschend weitergesponnen und erzählerische Lücken auf eine Art und Weise geschlossen werden, mit der niemand gerechnet hätte.

Ich habe übrigens NIE eine Fiascorunde erlebt, in der eine Snuff oder Ekelpornoszene geschildert wurde. Die Runden hatten übrigens in der Regel einen hohen Frauenanteil - viel höher als beim traditionellen Rollenspiel.

Ich habe auch nie erlebt, dass in so einer Runde mitten im Spiel plötzlich so ´ne komische Gefühls-Evaluation stattgefunden hätte. Hinterher vielleicht, das gab´s öfter (was ich o.k. finde).

Und das "Kleinmachen und masochistische Scheiternlassen der eigenen Charaktere"? Ich denke, das ist eine Frage der Blickrichtung. Ich sage dazu: "Es werden auch noch andere Persönlichkeitstypen als der siegreiche Held ausprobiert!"

"Powertelling" - hm - das habe ich in leichten Ansätzen erlebt... aber dieser Ausdruck! Ich muss echt lachen und frage mich, ob du nicht die größte Dramaqueen von allen bist! Powertelling bedeutet: Da gerät jemand in Fahrt und engagiert sich. Ist doch erstmal gut! Ich lehne mich zurück, schaue ihm zu und freue mich. Wenn das ununterbrochen passiert, mache ich den Mund auf und sage: "He, die andern sind auch mal dran!" Hat bisher immer sofortige Wirkung gezeigt.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 21:17
Konkret habe ich Inspectres, Wushu, PDQ# und Fate (Free/Turbo/Core) gespielt. Alles zusammen vielleicht 2-3 Dutzend Sitzungen, als Spielleiter und Spieler, mit bestimmt mehr 10-15 verschiedenen Mitspielern in unterschiedlichen Konstellationen. Aus den Erfahrungen mit diesen Runden speist sich meine Beobachtung, dass die meisten Spieler diese Spiele einfach als Erfolgsstory-Generatoren benutzen. Spontan kann ich mich da an keine einzige Situation erinnern, wo wirklich eine Form von Spannung - sei es ein "schaffen wir das jetzt" oder ein "wie geht es wohl weiter" - aufgekommen wäre. Klar hatten die Runden teilweise andere Qualitäten, aber Spannung oder Stolz, eine schwierige Herausforderung gemeistert zu haben, gehörten nie dazu. Und das waren ja die Prämissen des Spielstils, den ich ursprünglich versucht habe zu beschreiben.

Ja, das beobachtest du – Feinheiten beiseite – schon richtig, wobei es mit würfeln oder nicht würfeln gar nichts zu tun hat, in WuShu oder FATE würfelst du ja, aber wirklich nachhaltig zu scheitern, ist fast unmöglich und auch nicht eingeplant. Wenn ich mich also konkret an eine FATE-Runde erinnere, wo ich ein ernsthaft banges Gefühl vor einem Kampf hatte, dann war das durch das System nicht gerechtfertigt (regeltechnisch waren wir nie in Gefahr), sondern speiste sich allein aus der Fiktion. Da wäre die Situation in echter Freiform tatsächlich brenzliger gewesen, als in FATE. Insofern sind die Würfel eigentlich ein Red Herring, es geht um die Spielprämisse.

Je nach Gruppe und Präferenz mag es dann tatsächlich allein darum gehen, ein Genre oder Quellenmaterial abzufeiern und je nach Belieben dicke oder weniger dicke Eier zu schaukeln, was auch okay ist, aber auch ich als erklärter Erzählspieler muss sagen, dass mir persönlich das auf Dauer zu wenig ist.

Wenn man also weiß, dass man nicht sterben oder es ernsthaft und endgültig verkacken kann, was macht das Spiel spannend? Hier ein paar Möglichkeiten:


Das mal so als Beispiele. Wobei sich meine Erfahrung insoweit mit Settembrini deckt, dass die wirklich guten Runden, die ich gespielt habe, alle eine(n) Spielleiter(in) hatten, und in der Regel auch gut vorbereitet waren. Einzige Ausnahme: Polaris, das ganz sicher kein typisches Beispiel für ein Forge-Spiel ist.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Settembrini am 28.04.2017 | 21:19
Powertelling ist echt nicht von mir. Weder das Wort, noch das anzuprangern. Nicht meine Baustelle.
Hab' nur gesagt es existiert.

So wie Du es sagst, hast Du vlt. die schlimme Form noch nicht gesehen, aber wie gesagt, ich bin da nicht der Beschwerdeführer.

Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Bad Horse am 28.04.2017 | 21:22
"Powertellling" habe ich das erste Mal im Zusammenhang mit Forenspielen u.ä. gehört, und da hat es mMn bedeutet, dass derjenige, der gerade schreibt, nicht nur die Aktionen / Gefühle seines Chars beschreibt, sondern die eines anderen gleich mit.

Ich finde es völlig okay, wenn der Spieler sagt: "Ich besteige den Turm und komme zur Prinzessin", aber nicht, wenn er sagt "Ich besteige den Turm und die Prinzessin fällt mir erleichert um den Hals", jedenfalls nicht, wenn die Prinzessin ein anderer SC ist oder anderweitig nicht unter seiner Erzählhoheit liegt.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Chiarina am 28.04.2017 | 21:24
Ah! Ich habe gedacht, es bedeutet, dass einer ununterbrochen spricht und die anderen mundtot macht. Gut - Danke für die Aufklärung.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Lord Verminaard am 28.04.2017 | 21:29
Ich glaube, jeder von uns verwendet den Begriff so, wie es ihm gerade passt. ;) Aber, ja, die Essenz ist, dass ein Spieler Teile der Fiktion allein bestimmt, die er eigentlich nicht allein zu bestimmen hat.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: D. Athair am 28.04.2017 | 21:35
@ Settembrini: Und jetzt bitte was zum xErz Ghoul'scher Prägung. Danke.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Settembrini am 28.04.2017 | 22:11
eXcellentes Erzählspiel?
 (http://www.foren.pegasus.de/foren/topic/13847-regeln-f%C3%BCr-cthulhu-als-erz%C3%A4hlspiel/)
Wenn es um Erfahrung geht, wier der Thread ja sagt, dann ist meine Mechkriegerrunde, wo ich Spieler bin, seit nunmehr fast 25 Jahren, die zählt dazu. Wobei es uns nicht um persönlichen Horror geht, sondern um andere, philosophisch-gesellschaftliche Themen. Der Meister kann die Regeln ja gar nicht richtig, also ist alles verhandelt, Sterblichkeit gering (viel Ohnmacht und Gefangennahme wenn man abkackt). Aber alles so megamäßig ausgearbeitet und durch Spieler unterfüttert, langes Spiel, ist episch wie sonst kaum was. Tiefe. Aber DIY-Tiefe und Investition. Ordnerweise Kram von ihm und uns. Ich twittere mal pics-> @Settembrini5, siehe aber auch:

https://hofrat.rsp-blogs.de/2017/03/17/vorbereitung-eines-spielwochenendes-in-zwei-varianten/

Wenn der SL da würfelt, dann ist das wie ne Tarotkarte ziehen, weil er ja die Regeln nur so grob kann und an einem beliebigen Spieltermin nichtdeterministisch anders interpretiert aus Nirvana-artiger Unbedarftheit.

Interessant ist vielleicht, wie Charaktere da bislang ausscheiden:
- Nukelarexplosionen
- Desertion/Fraktionswechsel
- Spieler scheidet real aus
- Zeitreisen, die schiefgingen
- Durch Aufwachen aus der Simulation [dauert zu lange zum erklären...]

Ghoulsche Prägung ist eher Individualpsychologisch, mein Geschmack eben eher gesellschaftlich-ingenieurstechnisch-militärisch um am Ende raus philosophisch zu werden.

Ach ja, KrachBumm-Star Wars-Mit Megastoryline gibt's auch noch. Da kommt die emotionale Wucht eben durch diese ganzen Temporegietricks und dramatische Zuspitzung der Action; die emotionale Tiefe durch die hohe Überlebenschance (BACTA!) und die große Bindung an Figuren der Kampagne und das gigantische Universum, so die Spieler es denn liebhaben (was mir persönlich abgeht, heutzutage). Das waren Zeiten! Da würde ich dann so wie  Ghloul auf Vampire verweist, auf das gute, grandiose Gamemaster Companion von WEG verweisen. Die Erfahrung da ist, daß alle Spieler eine unglaublich gute Zeit haben, es sei denn sie spielen irgendwelche PvP-Typen. Die haben immer gestreßt, das ging nie gut. Und ein anderer, legendär: dem war Star Wars zu unrealistisch. Der hat dann rumgemuffelt.

Die glorreiche Mechkriegerrunde würde andere vlt. als Simulation auffassen, aber nach Ghoul könnte es genausogut XERZ sein. Star Wars Kampagnen nach WEG-Art allemal.
Ansonsten überlasse ich die Deutung dem Ghoul.

EDIT2ADD:
Auf Wunsch eines Guten Freundes werde ich übrigens auf dem diesjährigen Sonnencon Star Wars W6 leiten.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: KhornedBeef am 29.04.2017 | 09:58
@Settembrini: Interessante Berichte und Einsichten, danke!
Ich dachte übrigens bei Powertelling auch erst, dass jemand einfache Mühe und Detailliebe ins Erzählen steckt. Aber wenn man das analog zum Powergaming versteht, wo jemand maximalen Einfluss auf das Geschehen über die Spiel-Schiene ausüben will, dann würde es bedeuten dass man über sein Ezählen maximalen Einfluss ausüben will. Was so und so ausgehen kann, von daher gefiele mir das am besten.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Bombshell am 29.04.2017 | 10:07
Ich habe von dem Begriff "Powertelling" zum ersten mal im Zusammenhang mit dem System "Wushu" gehört, bei dem es ja für jedes erzählte Detail spieltechnische Vorteile gibt. Nun kann man diesen Begriff ja auch auf andere Spiele übertragen, weil ja jedes erzählte und nicht widersprochenes Detail ein etablierter Fakt ist. Auf diese Fakten kann man sich ja später wieder berufen.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Archoangel am 29.04.2017 | 10:37
Nur mal so als Einwurf: mE lautet die Grundregel des Rollenspiels:
"Wir erzählen eine Geschichte. Wenn meine Meinung vom Verlauf der Realität der Geschichte von deiner Meinung des Verlaufes abweicht, wird ein Würfel geworfen [ein Zufallsmechanismus verwendet]. Gewinne ich gilt meine Realität, gewinnst du gilt Deine."

Weitere, komplexere Regeln dienen letztlich immer nur dieser einen Regel und spezifizieren eben bestimmte, widerkehrende Aspekte der Spielwelt/Geschichten, die ja - je nachdem was bespielt wird, immer die eigene Spielweltrealität unterstützen sollen. In einer Geschichte, die unserer Welt sehr ähnelt ist es unmöglich 200m weit zu springen; in einer Superheldengeschichte ist es zumindest für manche Bewohner möglich; in FLUMPS, der Geschichte der Flug-Gummis, ist es normal. Wird oft gesprungen bietet sich auf jeden Fall eine bestimmte Regel zum Springen an, die - je nach Detailliebe - Anlauf, Können, Windwiderstand oder was auch immer berücksichtigen kann, so die Spielgruppe dies möchte.

Wenn ein Erzählspiel also ein Spiel ist, dass diese Grundregel-Annahme bestätigt, so bin ich offensichtlich ein Erzählspieler. Wenn nicht, dann offensichtlich nicht - und: dann ist ein Erzählspiel (in meinem Sinne) kein Rollenspiel mehr.

Ich hatte gestern einen Abened V:tM. Wir haben kein einziges Mal gewürfelt, da sich die gesammte Geschichte des Abends in Gruppenkonsens entwickelte. Meine GM-Entscheidungen wurden nie in Frage gestellt und ich wiederum (sowie sie untereinander) habe keine Spielerentscheidungen in Frage gestellt. Es gab allerdings auch keinen Kampf, eine Situation, bei der ich IMMER zu Würfeln greifen werde, da der Ausgang immer ungewiss ist und meine Meinung über den Ausgang (meine NSCs wollen gerne überleben/gewinnen) von der meiner Spieler (die auch gerne überleben/gewinnen möchten) nahezu IMMER abweichen wird.

Was habe ich jetzt gespielt? Ein Rollenspiel? Ein Erzählspiel? Ein Erzählspiel, dass ein Rollenspiel ist? Ein Rollenspiel, dass ein Erzählspiel ist?

Ich denke die Antwort dürfte niemandem leicht fallen.

Stellt sich mir also die Frage: was wollen "Erzählspieler" eigentlich mit ihrem "Erzählspiel" als Definition erreichen? Eine Abgrenzung zu Spielen anderer Art? Zu Spielern anderer Art? Sich selbst als etwas "besseres" definieren? Ihren Spielstil als etwas "besseres" definieren? Was genau ist also der Zweck des Erzählspiels?

Ich hätte da so eine Theorie, aber dazu später mehr: die Natur ruft ... ;)
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 6 am 29.04.2017 | 10:59
[OT]
Nur mal so als Einwurf: mE lautet die Grundregel des Rollenspiels:
"Wir erzählen eine Geschichte. Wenn meine Meinung vom Verlauf der Realität der Geschichte von deiner Meinung des Verlaufes abweicht, wird ein Würfel geworfen [ein Zufallsmechanismus verwendet]. Gewinne ich gilt meine Realität, gewinnst du gilt Deine."
Wirklich?

Mach mal folgendes Gedankenexperiment:
Ich als Spieler sage, dass mein Charakter diese Wand hochklettern will. Wann lässt Du als SL mich auf Klettern würfeln? Dann, wenn Du der Meinung bist, dass das Überklettern den Verlauf der Geschichte stört oder doch eher, weil Du der Meinung bist, dass die Wand so steil und schwer zu erklettern ist, dass ein Scheitern möglich ist?
[/OT]
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Archoangel am 29.04.2017 | 11:03
Wenn meine Realität lautet: "Die Wand ist zu steil.", verbirgt sich dahinter ja eine Annahme zur Geschichte, nämlich oft => das geht mir zu schnell, sie sollen einen anderen Weg wählen. Oder: hier ist es möglich zu scheitern und zu sterben. Also ja: es bleibt bei der Grundannahme der konkurrierenden Realitäten. Wirklich.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: TaintedMirror am 29.04.2017 | 11:10
Wenn meine Realität lautet: "Die Wand ist zu steil.", verbirgt sich dahinter ja eine Annahme zur Geschichte, nämlich oft => das geht mir zu schnell, sie sollen einen anderen Weg wählen. Oder: hier ist es möglich zu scheitern und zu sterben. Also ja: es bleibt bei der Grundannahme der konkurrierenden Realitäten. Wirklich.

Da sehen wirr halt den Unterschied in der Herangehensweise. So würde ich zum Beispiel nicht entscheiden. Ich habe in der Regel eine ziemlich gut Vorstellung meiner Welt und deren Beschaffenheit. Eine Wand steiler oder unsteiler zu machen, weil ich irgendwie die Geschichte vorantreiben oder bremsen will, käme bei mir nicht in Frage. Zumal ich oft gar nicht vorher weiß, ob die Gruppe überhaupt die Wand hoch klettern will.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: KhornedBeef am 29.04.2017 | 11:17
Ist keine schlechte Definition. Ich könnte jetzt sagen, eine lange Historie kampfbetonter Systeme hat zu einer verbreiteten Kultur geführt, in der beide Seiten ihrw Meinung über den Ausgang aufgegeben haben zugunsten von "Das wird so gespielt, wie es die Regeln  sagen" aber das könnte man auch so umformulieren dass die Regeln die Realitätswahrnehmung geändert haben.

Was die Motive für einen Begriff "Erzählspiel" angeht:
Wie wäre es mit "Ich möchte öfter Situationen im Rollenspiel haben, die mir Spaß machen, wie tausche ich mich darüber aus wie man das erreicht? Wie identifiziere ich Leute die an den gleichen Sachen Spaß haben? "
Da gibt es ja schon mehr als "Besserspieler" 
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: 6 am 29.04.2017 | 11:19
Wenn meine Realität lautet: "Die Wand ist zu steil.", verbirgt sich dahinter ja eine Annahme zur Geschichte, nämlich oft => das geht mir zu schnell, sie sollen einen anderen Weg wählen. Oder: hier ist es möglich zu scheitern und zu sterben. Also ja: es bleibt bei der Grundannahme der konkurrierenden Realitäten. Wirklich.
Also Würfe und deren Schwierigkeitswerte auf Grund der Plotrelevanz. Das ist eigentlich genau die Prämisse einiger Erzählspielarten.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: Ucalegon am 29.04.2017 | 16:22
Powertelling bedeutet: Da gerät jemand in Fahrt und engagiert sich. Ist doch erstmal gut! Ich lehne mich zurück, schaue ihm zu und freue mich. Wenn das ununterbrochen passiert, mache ich den Mund auf und sage: "He, die andern sind auch mal dran!" Hat bisher immer sofortige Wirkung gezeigt.

Das habe ich mir auch gedacht. Ich finde es selbstverständlich, dass man mit seinen Beiträgen nicht nur sich selbst, sondern auch den Mitspieler(innen) gefallen möchte. Unabhängig davon, ob man jetzt ein traditionelles oder ein Indie-Rollenspiel spielt.

Ich hatte aber auch gute Fiascorunden. Da gibt´s ja keinen Spielleiter und kein vorbereitetes Abenteuer. Die besondere Qualität, die ich in diesen Runden erlebt habe, bestand für mich (mal abgesehen von der üblichen Freude über treffliches Charakterspiel) eher darin, dass durch das gemeinsame Spiel Fäden überraschend weitergesponnen und erzählerische Lücken auf eine Art und Weise geschlossen werden, mit der niemand gerechnet hätte.

In den letzten Jahren waren meine denkwürdigsten Runden eigentlich meistens unvorbereitet (und SL-los). Das Dilemma der Vorbereitung ist für mich, dass eine interessante Geschichte im traditionellen Modus entweder bis zu einem gewissen Grad vor-erzählt ist oder ich mich darauf verlassen muss, dass sie einfach so, sponte sua, entsteht. Strukturalistische Rollenspiele lösen dieses Problem sehr elegant.

Stellt sich mir also die Frage: was wollen "Erzählspieler" eigentlich mit ihrem "Erzählspiel" als Definition erreichen? Eine Abgrenzung zu Spielen anderer Art? Zu Spielern anderer Art? Sich selbst als etwas "besseres" definieren? Ihren Spielstil als etwas "besseres" definieren? Was genau ist also der Zweck des Erzählspiels?

Ich glaube nicht, dass der Begriff viel als Selbstbezeichnung benutzt wird.
Titel: Re: Erfahrungen mit Erzählrollenspielen
Beitrag von: ArneBab am 29.04.2017 | 20:36
Ich als Spieler sage, dass mein Charakter diese Wand hochklettern will. Wann lässt Du als SL mich auf Klettern würfeln? Dann, wenn Du der Meinung bist, dass das Überklettern den Verlauf der Geschichte stört oder doch eher, weil Du der Meinung bist, dass die Wand so steil und schwer zu erklettern ist, dass ein Scheitern möglich ist?
Ich lasse würfeln, wenn ich denke, dass sich sowohl aus Scheitern als auch aus Erfolg eine spannende Situation ergeben würde. Oder ich einfach nicht entscheiden kann/will, was spannender wäre :)