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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: JS am 22.07.2019 | 00:12

Titel: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: JS am 22.07.2019 | 00:12
ich denke aber, dass Regelmonster einfach von einer bestimmten Art des Rollenspiels vorausgesetzt werden. In vielen Runden, die ich so sehe, ist Rollenspiel vom erzählerischen Tiefgang her nicht viel mehr als Kniffel + Battlemap. Kreatives Erzählen ist schwierig und erfordert oft Spontaneität, die recht viel Übung braucht. Das bringt nicht jeder an den Spieltisch mit.

Das entspricht auch meiner Beobachtung, ohne daß ich damit jetzt das anonyme Gros der Spieler beleidigen oder kritisieren will. Selbst in guten Runden - von denen ich zum Glück reichlich hatte und habe - liegt der Kommunikationsschwerpunkt ganz eindeutig beim SL.
Statt "Der Kampf war hart, meine Wunden sind tief. Ich spucke Blut, gehe auf die Knie und schäle mir den Brustpanzer vom Leib, bevor ich die Klerikerin schwer atmend um Heilung bitte." ist (leider) eher "Ich habe nur noch 10 von 20 LP. Wunden heilen bitte." die Regel.
Coole Zauber und Manöver muß der SL phantasievoll verbal aufbereiten, nicht der Spieler, der sie ankündigt.
Von hilfloser Kurzphrasigkeit im sozialen Umgang zwischen SC und (N)SC mal ganz zu schweigen.
Und zwischen den Plots und Szenen sind viele SC wie Schaufensterpuppen, die nur starr in der Ecke stehen und auf den nächsten Einsatz warten.

Ich frage mich nun:
Sind viele Spieler einfach zu unerfahren oder eingefahren, um von sich aus mal mehr Farbe und Phantasie jenseits der Plotnotwendigkeiten ins Spiel zu bringen? (Kurzphrasigkeit habe ich bei Neulingen wie auch bei Veteranen zuhauf registriert.)
Oder sind es letztlich die Systeme, die "den Standardspieler" unweigerlich in ihr Korsett zwängen und das kurzphrasige Funktionsspiel fördern?
Oder ist mein Blickwinkel deutlich zu anekdotisch und entspricht gar nicht der allgemeinen Wahrnehmung hier?
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: schneeland am 22.07.2019 | 00:28
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Talent und der Wille kreativ zu erzählen zwischen Spielern sehr stark variieren - in den Runden, die ich gerade leite, habe ich zwei Spieler, die da wenig mehr als das Minimum liefern, sowohl was ihre Charaktere als auch die Beschreibung der Aktionen angeht, und zwei andere, die eine Reihe interessanter Impulse eingebracht haben und auch mal eine interessante Szenen- oder Handlungsbeschreibung liefern. Vielleicht nur eine Scheinkorrelation: die beiden letzteren haben beide auch schon selbst geleitet.

Was aber noch auffällt: ich habe mit den gleichen Leuten früher D&D (und HARP) gespielt, aber die kreativieren Beschreibungen kommen verstärkt erst, seit wir auf leichtgewichtigere, narrative Systeme (Dungeon World, Der Sprawl) gewechselt sind. Jetzt liegt das sicher auch ein Stück weit daran, dass wir alle mittlerweile mindestens 20 Jahre spielen, aber mein Eindruck ist, dass gerade D&D wegen des hohen mechanischen Anteils des Kampfes bei gleichzeitigem Wegabstrahieren aller Wunden in Trefferpunkte dazu verleiten, sich auch keine besondere Mühe zu geben.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Antariuk am 22.07.2019 | 00:35
Ich denke es ist eine Mischung.

Viele etablierte große Systeme helfen dir nicht beim Rollenspiel deines SCs. Die Werte oder Hinweise, die man für die zu rollenspielende Persönlichkeit an die Hand bekommt, sind 1W6 aufgelistete Adjektive. Das steht dann auf dem Charakterbogen, aber das lässt sich eben nicht so unmittelbar benutzen wie ein Rüstungswert oder der Bonus fürs Schleichen. Die Transferleistung, die Werte mit Leben zu füllen, muss oft der Spieler ganz alleine erbringen - mit Glück unterstützt durch die Spielleitung und/oder die Mitspieler, aber darauf kann man eben nicht immer und überall bauen.

Für so jemanden wird die Rollenspielrunde dann leicht ein Improtheater, wo man zwar irgendwie teilnehmen und die Richtung mitsteuern kann, aber dabei nicht zwangsläufig selber auf die Bühne geht. Und das reicht vielen, anscheinend. Ein paar Goblins kaputtwürfeln, dabei Scherze machen, angemessen ernst gucken wenn die toten Dorfbewohner zur Sprache kommen und am Ende ein bisschen Wish Fulfillment erfahren wenn die SCs mit dem Goldschatz in den Sonnenuntergang reiten - mehr braucht es nicht.

Und irgendwo wird das auch zur selbsterfüllenden Prophezeiung, wenn Spieler, die von sich aus eigentlich viel intensiver in ihre Rollen und Beschreibungen reingehen würden, merken, dass da niemand sonst mitzieht. Das muss dann gar nicht mal zum Bruch führen, sondern es wird klar, dass man auch mit deutlich sparsamerem Engagement Spaß am Tisch haben kann und dann passen sie sich dem allgemeinen Niveau an.

Aber da spielen so viele Faktoren rein... jede Gruppe hat ihre eigene Grunddynamik, die sich zum gewissen Teil auf alle Teilnehmer überträgt; die Art, wie der SL das System rüberbringt und verwendet; usw. Und die rosarote Retrobrille haben wir sicher auch öfter auf als uns bewusst ist.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Klingenbrecher am 22.07.2019 | 00:47
In vielen Runden, die ich so sehe, ist Rollenspiel vom erzählerischen Tiefgang her nicht viel mehr als Kniffel + Battlemap.

In den letzten Monaten bin ich in den Genuss gekommen Spieler sein zu können. Leider war dann aber auch nur das was ich erleben durfte.

Kleiner Auszug

Da ich Battlemaps hasse wie die Pest habe ich versucht es mir erträglicher durch RP im Kampf zu machen.

Als ich es wagte einen Angriff zu spielen, also ich erzählte halt die Handlung die mein Charakter nun machen würde, schaute mich der SL böse an. "Würfel erst mal ob du triffst ehe du hier irgendwas ansagst!" Habe dies getan und wollte dann nochmals ansetzen jedoch wurde mir der Mund verboten und ich solle bitte einfach nur den Schaden auswürfeln.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Feuersänger am 22.07.2019 | 00:52
Ich kenne das Phänomen auch, würde den Grund dafür aber eher weniger beim System verorten und umso mehr in der Gruppendynamik. Kurz: ob man sich dabei wohlfühlt, in dieser Gesellschaft aus sich herauszugehen und sein eigenes Kopfkino mit den anderen zu teilen, also etwa so wie Antariuk sagt.

Davon abgesehen, klingt das auch sehr bekannt dass der SL sich in der Pflicht sieht, für die Spieler deren eigene Handlungen / Interaktionen auszuschmücken.
Ich muss auch manchmal den SL unterbrechen, um selber anzusagen wie ich mir jetzt die Aktion oder Reaktion meines Charakters vorstelle. Das mache ich allerdings auch nicht immer - halt nur, wenn sich mir jetzt ein Bild aufdrängt das ich cool bzw passend finde.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: JS am 22.07.2019 | 00:53
SL und Gruppenumfeld können das Funktionsspiel mit Sicherheit fordern und fördern und damit phantasievolle Spieler ausbremsen, also "auf Gruppenlinie bringen".
Auf der anderen Seite ist es aber doch seltsam, daß in Runden, in denen SL und einige Mitspieler genau das Gegenteil vorleben, mEn nicht alle Spieler auf diesen Zug aufspringen, sondern bei ihrer Kurzphrasigkeit bleiben.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: SeldomFound am 22.07.2019 | 01:22
Ist es denn überhaupt notwendig? Ich halte ja solche Schauspielerei oder poetischen Beschreibungen nur für die Kür, nicht für die Pflicht.

Wichtig ist erstmal nur, dass man zusammenspielt und da ist es meistens einfacher es abstrakter zu halten, weil da weniger die unterschiedlichen Geschmäcker aufeinandertreffen (z. B. Rule of Cool vs. Rule of Tragedy).


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Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: JS am 22.07.2019 | 01:46
Bei "notwendig" muß man "wofür" mitdenken.

Sicherlich ist das alles nicht notwendig, wenn man nur gemeinsam den Hinweisen des SL nüchtern folgen und die gestellten Aufgaben fachgerecht bewältigen will; das ist ja kein ungewöhnliches Spielerverhalten.

Wenn ich aber zurückblicke, waren diejenigen Runden (für mich) denkwürdig, prägend und großartig, in denen die Spieler von sich aus phantasievoll agierten und mehr als reines Funktionsspiel boten. Dabei ging es nicht permanent um theatralisches Kampfblabla und den üblichen Wirtshausschnack am Rande, sondern darum, den Charakteren Farbe zu geben; und es ging um das Spiel abseits des Wegesrandes bis hin zu Hochzeiten, Universitätsgründungen, um "großes politisches oder emotionales Kino" usw. usf.
Einige Spieler lasen sich auch für CoC-Ägyptenkampagnen ganze Geschichtsbücher zu diesem Thema durch und transferierten dieses Wissen in ihre SC, die das als Professoren oder Journalisten auch haben konnten und sollten.
Oder die Spieler, die bei Judge Dredd den Strafenkatalog auswendig lernten und jeden Missetäter formvollendet richteten mit jedem erforderlichen Paragraphen.
Die meisten "Nur noch 10 LP, Heilung bitte"-Runden hinterließen im Gedächtnis dagegen keine Spuren.

Das war jeweils aber ganz systemunabhängig, weshalb ich mir die Fragen im OP stelle.

Ich finde, daß mehr Feuer, Phantasie und Farbe von Spielerseite aus für denkwürdige, atmosphärisch dichte Kampagnen notwendig sind, für eher technische Dungeoncrawls mit Loot, Fight & Glory oder Funktionsspiel wohl weniger; zugegeben. (Ohne das jetzt werten zu wollen.) Aber macht, wie oben angedeutet, ein "Regelmonster" die Spieler eher wortkarg, wohingegen ein Fate oder PbtA die Kreativität aus ihnen herauskitzelt? Oder bringen, wie ebenfalls oben angedeutet, viele Spieler eben keine geübte Fähigkeit oder die Lust zur phantasievollen Ausgestaltung mit?

PS: Daß letztlich eine gewisse Interessenhomogenität in der Runde den spielerischen Maßstab und individuellen Spaß festlegt, ist schon klar, stand und steht aber gar nicht zur Debatte.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Issi am 22.07.2019 | 06:41
Spielt mit Spielleitern, dann habt ihr das Problem nicht.....  ~;D

Ok, Spaß Beiseite.
Ich empfinde die Menschen, mit denen ich spiele, als ziemlich kreativ.
Ob es jetzt daran liegt, dass sie auch schauspielern und leiten können, weiß ich nicht. Aber selbst  jene, denen Anfangs  beides fremd war, habe ich jetzt nicht als unkreativ empfunden.

Vielleicht wohne ich im Auenland des Rollenspiels, keine Ahnung.
Was mir einige Spieler jedoch berichteten, war, dass sie nicht mehr auf Cons Rollenspiel machen, weil ihnen das nichts gibt.
Ich habe nachgefragt wieso. Und als Antwort kam: Die meisten spielen das dort eher so wie Brettspiele.
Da sich meine Con Erfahrung an zwei Fingern abzählen lässt, kann ich wenig dazu sagen.
Ich konnte allerdings schon einige Hausrunden besuchen. Also habe unterschiedliche Spieler und Spielleiter erlebt.
Aber ich muss sagen, dass es manchmal nicht unbedingt die Spieler sein müssen, die unkreativ sind. Liegt auch häufig am Spielleiter.
Geht mir als Spieler selbst so: Man braucht ein kreatives Gegenüber mit dem es Spaß macht sich gegenseitig zu zuspielen.
Bei lethargischen, bzw. stark passiven SL schaltet selbst der kreativste Spieler irgendwann ab.

Edit. Große Fehler, die SL mMn.  machen können,  sind
 A.  Sie greifen zu stark in das Erzählrecht des Spielers über seine Figur ein. (Deine Figur macht, fühlt... jetzt dies oder das)
B. Sie spielen einem Spieler zu wenig zu.
(Ich meine von Außen: Spiegeln die Umwelt,  Begegnung mit NSC etc. )
C. Immer alles zusammen.
Ein SC wird als einzelne Persönlichkeit nicht mehr angespielt und wahrgenommen. Nur noch im Gruppenbrei.
(Never split the Party Dogma, und Angst vor Einzelszenen )
D. Sie  überlassen die Spotlight Verteilung komplett den Spielern. Das führt u U. dazu, dass der den größten Spielanteil hat, der am lautesten ist.
(Die stillen, kreativen kommen so kaum noch zum Zug)
E. "Ich Chef du nix "Gehabe.
Wenn ich sowas erlebe, dann bin ich raus.
(Es geht ums leiten, nicht ums herrschen)
F. Sie spielen nicht mit den Spielern, sondern gegen sie.


Edit.
Es ist auch OK. , wenn jmd. zwischendrin mal sagt: Ich habe nur noch X LP/AP , einmal heilen bitte.
Nicht jede Szene, muss theatralisch ausgeschmückt werden.

Viel wichtiger finde ich, dass die Figuren im Großen und Ganzen lebendig rüberkommen.
Und die Spieler auch Spaß daran haben sie zu spielen und darzustellen.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Weltengeist am 22.07.2019 | 07:34
Gerade das erzählerische Ausschmücken von taktischen Szenen ist zwar immer ein Problem, aber es gibt nach meiner Erfahrung Systeme, die es erheblich schwieriger machen als andere. Einige Punkte:
Aber klar, natürlich liegt es auch an den Spielern. Manche (ich würde sogar sagen: die Mehrzahl der) Spieler wollen im Kampf kein Erzählspiel betreiben, sondern ein spannendes Brettspiel spielen. Das liegt noch nicht mal unbedingt am "nicht anders können", sondern am "nicht anders wollen". Und viele Rollenspiele bilden das eben auch so ab und liefern daher ein eigenes, häufig ziemlich umfangreiches Subsystem gerade für Kämpfe, das sich ganz anders anfühlt als das restliche Spiel. Für viele ist das kein Bug, sondern ein Feature.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Issi am 22.07.2019 | 07:40
Noch eine Idee: Was einen Kampf episch  macht, sind eigentlich eher die Umstände :
Kennen sich die Gegner? Ist es vielleicht ein alter Feind, dem man nun endlich gegenüber  steht? Geht es um was (Geht es vielleicht um mehr als XP und überleben?)?
Wurde das Image des Feindes vorher entsprechend aufgebaut (Fürchtet man ihn)?

 Gegner a la: Huch, da kommen 6 Orks. Und die greifen euch an -geben da idR. weniger her.

Oder anders: Wenn man mal wieder ein paar X beliebig Gegner wegschnetzeln soll, wenn das häufiger vorkommt , aber die Spieler insgeheim wissen, dass der SL dafür sorgt, dass sie sicher überleben, dann wird es ohnehin schwer mit Spannung.
Da nützen auch plastische, bzw. Roman-artige Beschreibungen nix.

Meine Empfehlung: Mehr Geschichte, weniger Kampf, dafür aber mit der Möglichkeit dabei zu sterben, Schaden zu nehmen etc.
Gegner die wirklich herausfordern.

Sonst nutzt sich das Kämpfen früher oder später ab, egal mit welchem System.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Hotzenplot am 22.07.2019 | 07:41
Interessanter Thread.

Wie schon mehrfach angesprochen, sehe ich den Grund für die nicht ausgelebte Spielerphantasie auch in der Gruppendynamik und durchaus beim System. Ich möchte an der Stelle noch die Systemmastery ins Spiel bringen. Ich selbst spiele in der Regel wesentlich zurückhaltender, wenn ich das System, dass gerade gespielt wird, noch nicht richtig durchschaue und kann mir vorstellen, dass es anderen ähnlich geht. Als Spielleiter habe ich das oft erlebt, da ich zu 90% ja DSA leite. Viele SpielerInnen waren u. a. deshalb anfangs ruhig, weil sie das System nicht durchschauten. Insbesondere bei kompletten Neulingen habe ich das erlebt. Wie angedeutet ist das sicher nicht der einzige Grund, spielt aber mit rein.

Möglicherweise wird es bei einigen mit Gruppendynamik schon impliziert, aber ein wichtiger Punkt ist meiner Meinung nach noch positives Feedback. Ich regele das seit Jahren bei meinen DSA-Runden mit Fanmail in Form von Gummipunkten. Wobei zwischenmenschlich gar nicht die Gummipunkte sondern eben das Fanmail selbst entscheidender ist. Und die Erfahrung in meinen Runden zeigt eigentlich immer, dass das Ausschmücken von Aktionen, das Ausspielen von Drama und Co. regelmäßig mit Fanmail belohnt wird. Sowohl die Fanmail erhaltene Person, als auch alle anderen am Spieltisch bekommen also mit, was "en vogue" ist gerade.

Kampfrunden: Je mehr Kampfrunden ein Kampf hat, desto genervter werden alle vom Ausschmücken. Wir haben es probiert, wirklich - aber bei DSA oder auch Splittermond kommt man da einfach schnell an den Punkt, wo das nach dem dritten Kampf keiner mehr will.
Ja, wichtiger Punkt. Bei uns hat es sich so entwickelt, dass wir nur noch "besondere Moves" durch entsprechende Erzählung hervorheben. Kritische Treffer, finishing Moves, Stunts (oft per Gummipunkte) und sowas. Die dritte Attacke gegen den zweiten Goblin von links dagegen ist eine rein technische Angelegenheit. Letzteres macht dann aber auch eben nicht so viel Spaß.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Blizzard am 22.07.2019 | 08:18
Ich frage mich nun:
Sind viele Spieler einfach zu unerfahren oder eingefahren, um von sich aus mal mehr Farbe und Phantasie jenseits der Plotnotwendigkeiten ins Spiel zu bringen? (Kurzphrasigkeit habe ich bei Neulingen wie auch bei Veteranen zuhauf registriert.)
Oder sind es letztlich die Systeme, die "den Standardspieler" unweigerlich in ihr Korsett zwängen und das kurzphrasige Funktionsspiel fördern?
Oder ist mein Blickwinkel deutlich zu anekdotisch und entspricht gar nicht der allgemeinen Wahrnehmung hier?
Ich denke: Von allem etwas. Die Mischung macht's- sowohl im positiven als auch im negativen Sinne.

Etwas abstrakter: Die Wahrnehmung & Erfahrung, die du da gemacht hast, habe ich auch gemacht. Über viele Jahre hinweg. In verschiedensten Runden mit den unterschiedlichsten Systemen. Und der Grund oder Auslöser für dieses Phänomen war jedes Mal ein anderer, nicht selten kamen dabei auch mehrere dieser Aspekte zusammen.

Meiner Erfahrung nach liegt das aber in 1. Linie an den Regelsystemen. Ich kenne viele Regelsysteme -grade die etwas Komplexeren- die solch' eine kreative, malerische Erzählung im Rollenspiel durch ihre Regeln unterbinden. Der Spieler beschreibt z.B. äußerst kreativ & stimmungsvoll (s)einen Angriff, und dann kommt der SL und sagt: " Hm, das geht jetzt aber nicht, weil das wären dann (regeltechnisch) 4 Aktionen, du hast aber nur 2 Aktionen pro Runde." Natürlich kann man da als SL auch mal ein Auge zudrücken oder gewisse Dinge handwedeln-aber das finde ich bei solchen Systemen immer etwas schwierig, weil das Regelwerk ansonsten ganz gut aufeinander abgestimmt ist z.B. mit diesen 2 Aktionen pro Runde.
Erfahrungsgemäß leiden da in erster Linie die Kämpfe darunter. Und dazu trägt die Verwendung oder der Einsatz von Battle Maps & Miniaturen im Kampf nicht unwesentlich bei, was mit ein Grund ist, weshalb ich so ne starke Abneigung gegen Battle Maps & Miniaturen im RPG habe (aber das ist ein anderes Thema).

Die Unerfahrenheit von so manchem Spieler mag da sicherlich auch eine Rolle spielen- aber erfahrungsgemäß eine eher Untegeordnete. Aber grade solche Spieler kriegst du mit 7teSee viel eher dazu, mal kreativ & beschreibend zu agieren als mit DSA oder D&D und Konsorten. Natürlich darf man nicht vergessen, dass auch der (angestrebte oder vorherrschende) Spielstil in der Runde nicht außer Acht gelassen werden dürfen- aber -wiederum erfahrungsgemäß- tut man sich mit regelarmen oder regelleichten Systemen da wesentlich einfacher als mit komplexen Simulationsbrocken wie z.B. DSA. Klar ist aber auch, dass wenn ich mehr Wert auf SIM & Tactics lege, das Narrative auch nicht so sehr im Vordergrund steht und deswegen in diesen Runden auch nicht so wichtig ist.

Ich habe es selbst in/mit diversen nicht-narrativen Systemen wie z.B. Splittermond oder auch WHFRPG 2nd probiert. Weil mir in den Kämpfen zu wenig Abwechslung gerade auch auf der erzählerisch-beschreibenden Ebene da war. In WHFRPG 2nd habe ich versucht, "gute" Beschreibungen durch kurze, einmalige Boni zu Belohnen, wie " für diese coole Angriffsbeschreibung erhälst du +5% auf dein KG". Hat aber nicht oder nur zu anfangs funktioniert, weil recht schnell die Varianz in den Beschreibungen gefehlt hat-mir zumindest. Und bei Splittermond...ach, lassen wir das.

Es ist natürlich klar, dass man jetzt nicht über 10 oder 20 Kampfrunden hinweg sich jedes Mal eine neue, coole Beschreibung aus den Fingern saugen kann. Das schafft man selbst als SL nicht. Und es ist-für mich- auch völlig legitim, wenn es mal Kampfrunden gibt, die nur aus den nötigsten Beschreibungen bestehen und in kurzen, abgehackten Sätzen bestehen, wie " Ich greife an. 16". SL: "ok, du triffst, würfel mal Schaden". Spieler würfelt: " 23 Schaden". Wie gesagt, so etwas ist schon auch mal ok- grade in oder bei längeren Kämpfen. Aber wenn Kämpfe dann nur aus solchen, kurzen abgehackten mechanischen Phrasen bestehen, wo man sich vorkommt wie beim Brettspiel oder bei einem Videospiel-RPG, ist das einfach nur öde, langweilig und ich könnte manchmal (als SL) :puke:
Ich meine, da beschreiben Spieler z.B. ausführlichst ihren Charakter und z.B. was er in der linken und rechten Hosentasche hat, welche Farbe sein Halstuch hat, etc....also Dinge von sekundärer Relevanz oder die sonst eigentlich kein Schwein interessieren dürfte. Warum dann nicht auch diese Kreativität & Ausführlichkeit bei Beschreibungen in den Kämpfen?
Aber die Antwort auf diese Frage habe ich mir im Grunde eigentlich schon selbst gegeben.
Letzten Endes muss man als SL eben versuchen, eine Spielstil-oder Spielvorliebenhomgenität am Tisch zu finden bzw. zu gewährleisten. Wenn ich als main Storyteller/main Method Actor-SL in einer Runde mit lauter SIM-Tacticians, Buttkickern & Powergamern sitze, dann ist das eine Runde mit einer kurzen Halbwertszeit.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: felixs am 22.07.2019 | 08:42
Mir kommt es so vor, als sei das stark von persönlichen Vorlieben abhängig.

Systeme und (mit den Systemen einhergehende) Gewohnheiten spielen aber auch eine große Rolle. Im wesentlichen gibt es ja zwei Sorten von Systemen: Solche, die vor allem Regeln ("crunch") bereitstellen und weitgehend offen lassen, wer was erzählt. Auf der anderen Seite gibt es dann Syteme, die sich (oft wohl als Reaktion auf erstere Sorte) zur Aufgabe gemacht haben, gerade das Erzählen zu fördern und zu regeln. Oft gibt es bei zweiterer Sorte dann ziemlich spezielle Vorgaben dafür, wer erzählen darf und was und wie erzählt werden darf.
Erstere Sorte, also quasi die klassischen Rollenspiele, funktionieren mit fast jedem und lassen sehr unterschiedliche Zugänge zum Erzählen zu. Zweitere Sorte funktioniert nur mit Spielern, die auf genau die eine, festgelegte Art erzählen wollen. Das kann gut sein, kann aber durchaus auch Probleme verursachen, wenn jemand eben nicht so erzählen will oder kann.
Kurz: Zweitere Sorte Rollenspiel funktioniert überhaupt nur dann, wenn entsprechend erzählt wird.

Und natürlich spielt die Atmosphäre am Spieltisch auch eine Rolle. Ich erzähle im Spiel nichts, von dem ich denke, dass es meinem Ansehen (als Spieler) bei den anderen Spielern schaden kann. Entsprechend komplex sind die Dynamiken.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Feuersänger am 22.07.2019 | 08:57
Ich muss meine vorherige Aussage etwas nachbessern. Was den Einfluss des Systems angeht. Schädlich sind da wohl vor allem Systeme, in denen Kämpfe viele Runden beanspruchen. Da ist es ja völlig logisch, dass man keinen Bock hat sich zehnmal in Folge neues Tralala auszudenken- in einem einzigen Kampf.

Die Dauer der einzelnen Kampfrunde hingegen hat mE keinen so großen Einfluss.

Beispielsweise bei D&D3/PF ist man oft ne Weile beschäftigt, die ganzen Modifikatoren abzurechnen (zumindest wenn man so kopfrechenschwach ist wie ich) und Würfel auszuwerten, aber dafür sind Kämpfe dann meistens in 2-3 Runden erledigt (wenn man weiß was man tut). Man "muss" sich also auch nur 1-3 Beschreibungen einfallen lassen.

Die Verwendung von Battlemaps und Minis hat meiner Erfahrung nach keinen Einfluss darauf.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: First Orko am 22.07.2019 | 08:58
Ich kenne das Phänomen auch. Das tritt besonders dann sehr deutlich hervor, wenn man mal so etwas wie Fate für eine Gruppe Spieler klassischer Systeme leitet. Man kann sich den Mund noch so fusselig reden bzgl Spielerfreiheit, Fakten schaffen etc - in der ersten Sitzung wird trozdem immer wieder nachgefrag "Finde ich hier einen NSC X den ich fragen kann? Gibt es in der Umgebung Y?"

In den letzten 2 Jahren habe ich aber auch mit vielen Rollenspiel-Neulingen gespielt, dabei meist TurboFate genommen und ihnen (a) nicht ins Wort gefallen, wenn sie im Erzählfluss waren (b) nicht auf 100%ige Einhaltung der Regeln pochen, wenn man dadurch die Aktion revidieren würde und (c) einfach machen lassen.  Immer wieder spannend zu sehen, wie kreativ die Gruppen vorgehen und wie miteinander spielen im Vordergrund steht statt nebeneinander her seine Fertigkeiten abzuspulen.

Wobei ich nicht sagen würde, dass es jetzt am System liegt sondern an meiner Art zu leiten. Gerade einige Altspieler sind deutlich dominantere SL gewohnt, die "ihre" Spieler von Anfang an in eine bestimmte Richtung erzogen haben und von Anfang an eben korrigierend eingegriffen - was selbstverständlich demotivierend wirkt, wenn man als Neuspieler das System nicht blickt und einem das ständig unter die Nase gerieben wird "Nein das kannst du so nicht machen, weil die Fähigkeit X die Voraussetzung Y hat und deine Figur hat den notwendigen Trait für das Steigern der Voraussetzung auch noch nicht. Nächster!"  ::) :bang:

Die Verwendung von Battlemaps und Minis hat meiner Erfahrung nach keinen Einfluss darauf.

Meiner Erfahrung nach sogar umgekehrt: Aus bislang statischen Kämpfen wurde plötzlich dynamisches Miteinander (auch mal Durcheinander ;)) , weil die Spieler durch die Karte überhaupt erstmal taktische Möglichkeiten erkannte. Geht mir als Spieler übrigens auch so. Vermutung: Der Aufbau eines detailierten, inneren Bildes ist für die Meisten relativ anstrendend - insbesondere wenn es sich um einen geteilten Vorstellungsraum handel. Also geben sie sich mit einem "vagen" Bild zufrieden (Raum - Tisch- Tür- Fenster), denken aber nicht darüber hinaus (Lagerraum => evt. Kisten, Werkzeug etc). Dafür reicht als Anstoß dann oftmals, das Ganze wenigstens skizzenhaft aufzumalen.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Boba Fett am 22.07.2019 | 09:46
Ich bin da anderer Meinung...

Aber ich bin auch alt und gebranntes Kind der schwülstigen 90er Jahre.
Wenn ich mir heute so manche Let's Plays angucke, wo es zweieinhalb Stunden dauert, das ausgespielt wird, dass drei Charaktere als Passagiere mit dem Schiff an einer Hafenstadt ankommen und (mit "kurzer" Unterbrechung, weil man jemanden aus dem Wasser ziehen muss) in die Herberge einchecken, dann zische ich leise "Alter, kommt doch endlich mal zum Punkt!" vor mich hin (und schalte meistens ab, machmal auch nicht, weil sich das ganze zieht, wie ein Unfall auf der Autobahn [dort bin ich dann aber grundsätzlich nicht Gaffer]).

Ich hab nichts gegen nette Umschreibungen der Tätigkeiten und auch nichts gegen direkte Rede.
So lange sie kurz und prägnant sind.
Nur leider sind sie das nie, denn die selbsternannten Poeten labern einem immer die Tasche voll.

Ich finde, es kommt immer ein wenig darauf an, wie man spielen möchte.
Was liegt im Fokus des Spiels? Das Abenteuer oder die Selbstdarstellung?
Bei uns ist es das Abenteuer und damit rückt die Selbstdarstellung in den Hintergrund.

Playerempowerment hat im übrigen nichts damit zu tun, denn das schaffen. das nutzen auch Leute, die nicht alles blumig beschreiben müssen...

Was vergessen: Statische Kämpfe sind ein Ergebnis eines Regelsystems, das Dynamik nicht erlaubt/fördert. Das hat doch nichts mit "erst mit Beschreibung wird es dynamisch" zu tun...

in der ersten Sitzung wird trozdem immer wieder nachgefrag "Finde ich hier einen NSC X den ich fragen kann? Gibt es in der Umgebung Y?"
Ist das kein Player-Empowerment? Es ist doch nur höflich, nachzufragen, ob der Spielleiter nicht ein "Ja, aber..." einpflegen möchte.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: First Orko am 22.07.2019 | 10:05
Wenn ich mir heute so manche Let's Plays angucke, wo es zweieinhalb Stunden dauert, das ausgespielt wird, dass drei Charaktere als Passagiere mit dem Schiff an einer Hafenstadt ankommen und (mit "kurzer" Unterbrechung, weil man jemanden aus dem Wasser ziehen muss) in die Herberge einchecken, dann zische ich leise "Alter, kommt doch endlich mal zum Punkt!" vor mich hin (und schalte meistens ab, machmal auch nicht, weil sich das ganze zieht, wie ein Unfall auf der Autobahn [dort bin ich dann aber grundsätzlich nicht Gaffer]).

Ohhhhh jaaa! Die kenne ich auch... halte ich keine halbe Stunde durch insofern: Respekt vor deinem... Masoschismus..:?  >;D
Aber zwischen langwieriger Schwülstigkeit und unmotivierten Hack'n Slay liegen doch Welten! Das ist dann m.E. auch eher eine Frage des Pacings - gerade die von dir genannten Online-SL glänzen da ja durchaus mit einer falsch verstandenen Laissez-Faire-Haltung und einer Angst davor, Szenen auch mal schneiden und auch mal ne 2-Wochen-Reise in 2 Sätzen abzuhandeln.

Dem gegenüber steht für mich der abgeklärt-technokraitsche "Wir ziehen das Abenteuer durch"- Ansatz, in dem die Gruppe faktisch 100% in author stance unterwegs ist und rein zielorientierte Entscheidungen trifft. Das geht dann bis zu "Oh der SL hat beim NSC nach dem Namen geguckt, den verhören wir jetzt erstmal"..

Zwischen den beiden Polen liegt dann irgendwo mein Wohlfühlbereich.

Was vergessen: Statische Kämpfe sind ein Ergebnis eines Regelsystems, das Dynamik nicht erlaubt/fördert. Das hat doch nichts mit "erst mit Beschreibung wird es dynamisch" zu tun...

Hab ich tatsächlich gegenteilige Erfahrungen gemacht: Sowohl dynamische DSA-Kämpfe wie auch statische Savage Worlds-Kämpfe (sprich dazu mal Chief Sgt bzgl seiner Heimrunde  an >;D). Das System ist m.E. da weniger ausschlaggebend als die Sozialisation der Spieler und Gruppendynamik hinsichtlich des Vorstellungsraums. Da gibt es halt zwei Typen an SL: Diejenigen, die sich einen Ort 100% en Detail im Kopf vorstellen können und glauben, dass sie diesen für alle unmißverständlich berschreiben können - und die, die wissen, dass das nicht geht und ne Skizze/Karte verwenden  ;D
Meine Alternative ist da: Was ihr euch sinnvolerweise an dem Ort vorstellen könnte, findet ihr dort - es sei denn ich greife ein (meist mit "Ja, aber"). Funktioniert ganz gut.
Infwiefern das dann auch genutzt wird und über das rein regeltechnische Element (zBsp "Schaden machen") hinaus gedacht und erzählt wird - und inwieweit das auch zugelassen wird,  s.o.! - ist dann etwas, was die Gruppe für sich eben herausfinden muss.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: First Orko am 22.07.2019 | 10:20
Ich frage mich nun:
Sind viele Spieler einfach zu unerfahren oder eingefahren, um von sich aus mal mehr Farbe und Phantasie jenseits der Plotnotwendigkeiten ins Spiel zu bringen? (Kurzphrasigkeit habe ich bei Neulingen wie auch bei Veteranen zuhauf registriert.)

Was vielleicht noch dazu kommt ist eine grundlegende "Hemmung" ggü dem Aspekt "Theater spielen". Den Effekt hatte ich in einer Fate-Runde: Neulinge haben tolle Charakterkonzepte und bringen gute Ideen ins Spiel, machen coole Aktionen - aber reden ausschließlich in indirekter Rede (für mich super irritierend, insbesonder weil ein Setting mit viel sozialer Interaktion gewählt wurde).
Auf sanfte Nachfrage kam raus: Beide Spieler fühlten sich gehemmt, in der Rolle ihres SC zu sprechen - wollten das aber auch beide überwinen (sie haben es ja ständig zwischen Mitspieler und mir mitbekommen) und daher entsprechende Situationen auch eingefordert!
Wo das nun herkommt ist immer schwer zu sagen. Ich vermute, bestimmte Rollenspielsituationen in Schulen und/oder Teambildungsmaßnahmen haben da ihren unrühmlichen Teil zu beigetragen...
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Weltengeist am 22.07.2019 | 10:51
Die Verwendung von Battlemaps und Minis hat meiner Erfahrung nach keinen Einfluss darauf.

Interessanter Punkt, habe ich oben vergessen.

Ich finde, Battlemaps wirken sich oft positiv auf, weil die Spieler eher mal dazu neigen, das Gelände auszunutzen. Was den Kampf automatisch abwechslungsreicher und fantasievoller macht. Für mich ist das (und nicht die genaue Abmessung von Metern und Zoll) der Grund, warum ich sie benutze.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Issi am 22.07.2019 | 11:46
Ich finde, es kommt immer ein wenig darauf an, wie man spielen möchte.
Was liegt im Fokus des Spiels? Das Abenteuer oder die Selbstdarstellung?
Bei uns ist es das Abenteuer und damit rückt die Selbstdarstellung in den Hintergrund.
Ganz so einfach würde  ich es jetzt nicht sehen.
Und ich würde Selbstdarstellung auch nicht mit Darstellung gleich setzen.
Beim Darstellen einer Figur, geht es mMn. um die Figur, nicht um den Spieler selbst.
Kurz- es geht nicht ums posen (sein Können zur Schau stellen a la "Kuckt mal wie toll ich spielen kann."). Sondern eher ums Veranschaulichen der Situation, der Figur. Der Atmosphäre halber.

Das tut idR. auch dem Abenteuer gut. Und braucht zumindest mEn. keine langen Monologe.
(Durch länger und mehr reden, wird eine Darstellung auch nicht unbedingt besser)

Dann ist auch die Frage: Was ist überhaupt  das"Abenteuer"?
Da wäre meine Antwort: Die Geschichte, die die Spieler gemeinsam am Tisch erspielen und vor allem erleben.
Beschreiben, Figur spielen (sprechen, handeln), Würfeln etc. gehört da ja alles irgendwie dazu.
Und natürlich auch Herausforderungen und Gefahren meistern. Da wären wir wieder beim Kampf.

Zu Battlemaps.
Da habe ich keine endgültige Meinung dazu.
Ich verwende die nur bei vielen Gegnern und sehr unübersichtlichen Situationen.

Edit.
@
all
Manchmal kriege ich hier den Eindruck, dass es da draußen viele Rollenspieler gibt, die entweder gar nicht gerne spielen oder solche, die sich selbst gerne darstellen, und deshalb viel reden.
Wo sind denn die, die mit ihrer Figur gerne einen Beitrag zum gemeinsamen Spiel leisten wollen?(indem sie sie schön beschreiben und auch mal darstellen)
Die muss es doch auch geben.  wtf?

Man kann eine Figur in wenigen Minuten glaubhaft darstellen, und in einer Stunde Gespräch unglaubhaft.
Anderen durch langes Reden Spotlight und Spielzeit wegzunehmen, ist doch auch irgendwie arschig.
Das muss schon einigermaßen im Rahmen bleiben.- Und dafür hat man auch einen SL, wo wir wieder bei meinem Punkt D. mit der gerechten Spotlight Verteilung wären.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Caranthir am 22.07.2019 | 12:52
Ich denke, das ist schlicht eine Gruppenentscheidung, wie man spielt und beschreibt. Wenn ich ein "Hab nur noch 2 Hits" nicht hören will, dann klär ich das vorher ab. Das muss man dann ein paar Runden lang durchziehen, bis sich alle daran gewöhnt haben. Die Wahl des Systems ist da sekundär.

Denn selbst in Fate, wo Wunden individuell als leichte, mittlere oder schwere Konsequenz definiert werden müssen, könnten Spieler sich auf die Regelseite stürzen. Ich könnte das so beschreiben: "Schitt, mein Arm ist glaub ich gebrochen und wenn wir nicht bald was gegen diesen Schnitt machen, blute ich aus." Oder: "Also ich hab da eine mittlere und eine schwere Konsequenz, da hast du einen Mindestwurf von 4 und 6. Heil mal, bitte!"

Geht also auch in erzähllastigen Spielen und ist somit wie gesagt einfach eine Gruppenentscheidung.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: nobody@home am 22.07.2019 | 13:09
Ich muss meine vorherige Aussage etwas nachbessern. Was den Einfluss des Systems angeht. Schädlich sind da wohl vor allem Systeme, in denen Kämpfe viele Runden beanspruchen. Da ist es ja völlig logisch, dass man keinen Bock hat sich zehnmal in Folge neues Tralala auszudenken- in einem einzigen Kampf.

Dazu kommt mMn noch, daß das Medium Rollenspiel im Gegensatz zu diversen anderen normalerweise keine "Kameraführung" irgendeiner Art auch immer vorsieht, die gezielt die dramatisch interessanten Momente und Entwicklungen im Kampf hervorhebt (oder das zumindest versucht) und den Rest, mit dem das Publikum nicht unnötig gelangweilt werden soll, mehr oder weniger gekonnt ausblendet oder maximal kurz zusammenfaßt. Das führt dann unter anderem eben auch dazu, daß ich vielleicht in einem bestimmten Kampf fünfzehn Runden durchmachen und -taktieren muß, sich mir aber regel- oder auch umständehalber in dieser ganzen (auch Realwelt-) Zeit nur eine oder zwei Gelegenheiten bieten, mit meinem Charakter wirklich mal so richtig zu glänzen...
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Weltengeist am 22.07.2019 | 13:12
Und noch ein Punkt: Ich habe den Eindruck, dass gerade Spiele, die viele brettspielartige Sachen auf den Tisch packen (z.B. Warhammer 3, aber auch die Tickleiste von Splittermond) besonders stark dazu neigen, eher als Brettspiele gespielt zu werden. So gesehen gibt es also schon einen Zusammenhang zwischen Spielmechanik und Spielgefühl.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Hotzenplot am 22.07.2019 | 13:25
Und noch ein Punkt: Ich habe den Eindruck, dass gerade Spiele, die viele brettspielartige Sachen auf den Tisch packen (z.B. Warhammer 3, aber auch die Tickleiste von Splittermond) besonders stark dazu neigen, eher als Brettspiele gespielt zu werden. So gesehen gibt es also schon einen Zusammenhang zwischen Spielmechanik und Spielgefühl.

Zumindest von mir kann ich das behaupten, ja. Wenn die Tickleiste oder eine taktische Battlemap (nicht nur, wie du weiter oben als Beispiel sagtest, zur Veranschaulichung) auf dem Tisch liegt, bin ich gedanklich in einem taktischeren, brettspielartigerem Modus.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Crimson King am 22.07.2019 | 13:33
Zumindest von mir kann ich das behaupten, ja. Wenn die Tickleiste oder eine taktische Battlemap (nicht nur, wie du weiter oben als Beispiel sagtest, zur Veranschaulichung) auf dem Tisch liegt, bin ich gedanklich in einem taktischeren, brettspielartigerem Modus.

Tatsächlich geht mir das mit der Gridmap so. Eine Battlemap zur Visualisierung des Geschehens finde ich oft hilfreich, und man hat auch einen deutlich besseren Abgleich zwischen den individuellen Vorstellungsräumen. Die Diskretisierung der Umgebung, die durch Gridmaps durchgeführt wird, übertrage ich aber immer auf andere Aspekte des Spiels.

Für das cinematische, deskriptive Spiel, das ich bevorzuge, brauche ich aber keine Karten.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Feuersänger am 22.07.2019 | 13:46
Dazu kommt mMn noch, daß das Medium Rollenspiel im Gegensatz zu diversen anderen normalerweise keine "Kameraführung" irgendeiner Art auch immer vorsieht, die gezielt die dramatisch interessanten Momente und Entwicklungen im Kampf hervorhebt (oder das zumindest versucht) und den Rest, mit dem das Publikum nicht unnötig gelangweilt werden soll, mehr oder weniger gekonnt ausblendet oder maximal kurz zusammenfaßt.

Jo, wollt ich auch grad noch nachtragen: so eine Ausschmückung macht mehr Spaß, wenn die zugehörige Aktion auch eine sicht- und spürbare Konsequenz im Spiel hat. Das läuft im Prinzip aufs Gleiche raus wie dein Highlight-Gedanke: wenn ich in meinem Zug einem Gegner 7% seiner Lebenspunkte abfeile oder routinemäßig einen von hundert Orks töte, und das immer und immer und immer wieder, dann ist das doch inhärent langweilig und wird durch blumige Beschreibungen nicht spannender, nur noch langatmiger.
(https://www.shamusyoung.com/twentysidedtale/images/comic_lotr89.jpg)
"I kill an Orc."
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: JS am 22.07.2019 | 14:06
Es ging mir bei dem Thema auch, aber doch eher weniger um die altbekannten, vielerlebten Ausschmückungen im Kampf, die ich als eine billigere Form der Spielerphantasie erachte.
Mich interessiert stärker im Kleinen ("Straßenflirt") wie im Großen ("Universitätsgründung") die Charakterlebendigkeit außerhalb desselben, um das gängige Schaufensterpuppenverhalten zu analysieren und ggf. zu vermeiden.

Eine Erfahrung, die ich systemunabhängig gemacht habe, ist, daß ich Lebendigkeit als SL vor"leite" und das auch stellvertretend für die Chars mache, wenn von den Spielern wenig oder nichts dergleichen kommt. Und obwohl ich das aktiv fördere, selbst tue oder auch mal gezielt die Spieler danach frage und sie in diese Richtung ziehe, schlägt sich das bei ihnen i.d.R. nicht permanent nieder. Ich muß also davon ausgehen, daß entweder das Interesse für solche Details fehlt oder die Fähigkeit dazu - rundenübergreifend, weil ich es auf Cons auch ähnlich erlebte.

Interessanter wird es noch, wenn ich dann bei denselben Spielern je nach Setting mal mehr, mal weniger, mal gar keine Lebendigkeit feststelle. Spieler, die z.B. bei D&D bunter agieren, bleiben z.B. bei Shadowrun grau, obwohl ihnen angeblich beides Spaß mache. Daraus schließe ich dann selbstredend, daß das Immersionsvermögen und der Immersionswille bei einem Setting stark zur Bereitschaft und Fähigkeit beitragen, dem Charakter mehr Leben jenseits des Plots einzuhauchen.

Diesen Gegensatz hatten wir nie systemgebunden, sondern immer settinggebunden, wobei ich hinzufügen möchte, daß die Spieler ihren Grundtendenzen bei Kurzphrasigkeit und Schaufensterverhalten trotzdem weitgehend treu blieben.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: nobody@home am 22.07.2019 | 14:39
Es ging mir bei dem Thema auch, aber doch eher weniger um die altbekannten, vielerlebten Ausschmückungen im Kampf, die ich als eine billigere Form der Spielerphantasie erachte.
Mich interessiert stärker im Kleinen ("Straßenflirt") wie im Großen ("Universitätsgründung") die Charakterlebendigkeit außerhalb desselben, um das gängige Schaufensterpuppenverhalten zu analysieren und ggf. zu vermeiden.

Hm. Mir geht gerade so ein bißchen die Frage durch den Kopf, inwieweit da eventuell eine Vorprägung durch "Standardabenteuer" (sei's nun am Tisch oder als anderweitige "Rollenspielerfahrung" am Computer) mit hineinspielen mag. Will sagen: wenn ich weiß, daß mein Charakter hauptsächlich oder gar "nur" präsent ist, um als Teil der Gruppe ein oder mehrere vorgefertigte Module abzuarbeiten, dann bringe ich mich unter Umständen schon allein deswegen weniger ein, als wenn unsere Interessen die Kampagne tatsächlich mal aktiv mitformen und vorantreiben können -- mein genauer Charakter mit Persönlichkeit und allem ist im ersteren Fall ja wirklich entsprechend weniger wichtig als im zweiten. :think:
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: 1of3 am 22.07.2019 | 16:09
Ich denke wir müssen noch mal unterscheiden zwischen "poetischem Ausspielen" und Spielen Verfickt Noch Mal. Daran muss nichts ausladend noch poetisch sein. Der Knackpunkt ist, entweder andere anzuspielen oder das, was andere produziert haben, aufzunehmen. Zu beschreiben, wie du den Goblin haust, ist wahrscheinlich kack egal. Das interessiert niemanden. Es sei denn, ihr habt schon vorher darüber gesprochen, wie man Goblins am besten haut.

Beispiel aus einer D&D-Runde.
Man versucht Spuren zu finden. Spielerin passt nicht auf. Verkündet ein Ergebnis deutlich unter der angesagten Schwierigkeit: "Hab ich auch was gefunden?"
Ich trocken: "Nen Pilz vielleicht."
Sie deutet an den Pilz hochzuhalten: "Oh, ein Pilz."
Ich (nach kurzer Überraschung): "Ah, Pilze. Sind immer nützlich. Darf ich den haben?"
Sie gibt mir den Pilz.

Ein paar Szenen später: Kampf gegen einen Magier.
Ich: Ich werf ihm nen Pilz an' Kopf. *deutet einen Wurf an* Dispel Magic.
*allgemeine Erheiterung*

Es gilt halt wie überall der Chekov: Wenn du in Akt 2 die Kanone zeigst, musst du in Akt 4 damit schießen. Wenn du in Akt 4 schießen willst, musst du die Kanone vorher zeigen.

Insofern ja, System hat damit definitiv was zu tun. Ich spiel schon deshalb bei D&D ungern Kämpfer, weil sich so Pilz-Aktionen damit schwer machen lassen; weil offenbar spielweltgestaltende Aussagen seitens eines Kämpfers zu wenig Credibility haben. Da bleibt dann nur nichtssagendes Tavernenspiel.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Maarzan am 22.07.2019 | 16:13
Was den Kampf und ähnliche Vorgänge  angeht, kann man das mit der Spielerphantasy gar nicht direkt beurteilen, sondern maximal, was derjenige dann beschließt die anderen mit einer mehr oder weniger gelungenen Beschreibung der Szene zu beglücken, welche er  - wie wohl jeder andere auch - angesichts der Zahlen auf dem Tisch da im Kopf hat.
Und da iste s eben eien Abwägung zwischen anzunehmender Begeisterung der Mitspieler (insbesondere beim xten Fall) und der dafür aufgewendeten Extrazeit für die Beschreibung udn ggf. dadurch erst auftauchende Irritationen - sei es weil die Beschriebung die Vorstellung von jemanden anderen verletzt oder irgendjemand (der Erzähler eingeschlossen) da Extrarelevanz aus der Beschreibung zieht und angewendet wissen will.

Benötigt wird halt, was tatsächlich solche Relevanz wieder haben soll und damit den anderen auch explizit bewußt sein muss - der Rest ist dann eine Abwägung des Preises an Spielzeit und Mitspielernerven vs. der tatsächlichen künstlerischen Bereicherung.

Was die Proaktivität im "Freiraum" angeht hängt das denke ich an folgenden Elementen:

Unsicherheit, "was geht tatsächlich", wobei das meines Erachtens bei verregelten und beherrschten Systemen reduziert wird, bis zur Beherrschung ohne Unterstützung bzw. hartem Spielleiter noch darüber hinaus dann zusätzlich hemmt.
Ein regelbiegender oder akut fies auslegender Spielleiter schafft es diese Schockstarre auch dauerhaft zu halten, da sich nie eine feste Basis etabliert.

Wo es in den informellen Bereich des Handelns reingeht, ist es dann wiederum die Unwissenheit, was denn überhaupt Sache ist, welche viele Leute vom Agieren abhält, wieder verstärkt durch Spielleiter, welche dem Spieler daraus dann einen Strick drehen - statt ihn nur auf ein Risiko oder eine Fehlanahme hinzuweisen.

Und dann gibt es noch die anerzogenen Fälle, wo "böses passiert (TM)" halt die Reaktion der Welt ist, wenn man sich vom vorgesehenen Plot und der Ideallösung entfernt.
 
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Vasant am 22.07.2019 | 20:11
Wenn die Tickleiste oder eine taktische Battlemap (nicht nur, wie du weiter oben als Beispiel sagtest, zur Veranschaulichung) auf dem Tisch liegt, bin ich gedanklich in einem taktischeren, brettspielartigerem Modus.
So geht‘s mir auch. Das ist aber auch verständlich, denke ich: Je mehr taktische Optionen dazukommen – und das ist ja bei ner Battlemap mit Kontrollzonen, Bewegungsweiten etc. so – desto mehr muss man in Zahlen und Werten statt in Farben denken. Da bleibt wenig Raum, das alles ausführlich zu beschreiben und das alles im Kopf zu behalten, wenn man den Kampf nicht noch weiter in die Länge ziehen will.
Deshalb gibt‘s bei mir auch aus Prinzip keine Battlemap.  ;D

SL und Gruppenumfeld können das Funktionsspiel mit Sicherheit fordern und fördern und damit phantasievolle Spieler ausbremsen, also "auf Gruppenlinie bringen".
Auf der anderen Seite ist es aber doch seltsam, daß in Runden, in denen SL und einige Mitspieler genau das Gegenteil vorleben, mEn nicht alle Spieler auf diesen Zug aufspringen, sondern bei ihrer Kurzphrasigkeit bleiben.
Die Kurzphrasigkeit wird ja auch nicht geahndet, oder? Damit macht man schon mal nichts falsch. Warum jemand in die „bloß nichts falsch machen“-Haltung kommt, wurd ja schon besprochen.
Ich versuche jedenfalls, Beschreibungen zu belohnen und wertzuschätzen und andersrum nörgle ich, wenn Leute in Werten reden. Trotzdem sind üblicherweise 1-2 Spieler dabei, die sich mit Beschreibungen eher zurückhalten.

Spielt mit Spielleitern, dann habt ihr das Problem nicht.....  ~;D
Du setzt dir da ne Narrenkappe auf, aber ich kann das nur unterschreiben. Ist aber das nächste Henne-Ei-Problem  :D
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: YY am 23.07.2019 | 00:37
Statt "Der Kampf war hart, meine Wunden sind tief. Ich spucke Blut, gehe auf die Knie und schäle mir den Brustpanzer vom Leib, bevor ich die Klerikerin schwer atmend um Heilung bitte." ist (leider) eher "Ich habe nur noch 10 von 20 LP. Wunden heilen bitte." die Regel.

Das hat für mich mit erzählerischem Tiefgang o.Ä. nichts zu tun. Wer Bock drauf hat, möge das so machen, aber ich will mir nicht wegen jedem Furz und Feuerstein blumiges Geschwafel aus den Fingern ziehen (müssen).


Dann doch eher:
Dabei ging es nicht permanent um theatralisches Kampfblabla und den üblichen Wirtshausschnack am Rande, sondern darum, den Charakteren Farbe zu geben; und es ging um das Spiel abseits des Wegesrandes bis hin zu Hochzeiten, Universitätsgründungen, um "großes politisches oder emotionales Kino" usw. usf.

Da sehe ich für mich deutlich mehr den Knackpunkt. Nicht nur "große" Aktionen, die das Spielgeschehen prägen, sondern umgekehrt auch die ganz kleinen Sachen - ein einzelner Spruch, eine Handlung, eine Geste zum richtigen Zeitpunkt prägen das Bild eines Charakters für mich viel mehr. Das passiert manchmal ganz trocken in der dritten Person und funktioniert "trotzdem". 
Leider und glücklicherweise zugleich lässt sich das nicht gut planen und nur bedingt gezielt lernen/trainieren.


Gilt in ähnlicher Form für das Thema Kampf - wenn alles kreativ und außergewöhnlich sein muss, ist nichts mehr kreativ und außergewöhnlich. 
Das sticht nur raus, wenn es tatsächlich ungewöhnlich ist und dafür müssen für mich sowohl die Umstände passen als auch eine spielmechanische (!) Außergewöhnlichkeit bestehen.
Kann man bis zu einem gewissen Punkt vorbereiten/anbieten, aber das wars dann auch schon. Wirklich forcieren lässt sich das nicht.

Als ich es wagte einen Angriff zu spielen, also ich erzählte halt die Handlung die mein Charakter nun machen würde, schaute mich der SL böse an. "Würfel erst mal ob du triffst ehe du hier irgendwas ansagst!" Habe dies getan und wollte dann nochmals ansetzen jedoch wurde mir der Mund verboten und ich solle bitte einfach nur den Schaden auswürfeln.

Gehört so ein bisschen zum nächsten Punkt: Dass man darauf achtet, was man wann wie erzählt, finde ich ziemlich wichtig.
Die Erzählung in den richtigen Kontext zu einer Probe zu bringen, ist mMn unumgänglich.
Dass man das Erzählen dann aber komplett vermeiden will oder aktiv abstellt, bedarf schon einer Erklärung.

Dazu habe ich nur Folgendes anzubieten:
  • Kampfrunden: Je mehr Kampfrunden ein Kampf hat, desto genervter werden alle vom Ausschmücken. Wir haben es probiert, wirklich - aber bei DSA oder auch Splittermond kommt man da einfach schnell an den Punkt, wo das nach dem dritten Kampf keiner mehr will.

Wenn in einer Kampfrunde oder in einer Kampfaktion schlicht nichts wirklich Relevantes passiert, dann entsteht da schon eine Art ludonarrative Dissonanz.
Selbst wirklich gut beschriebene Manöver und Verletzungen werden blass und langweilig, wenn sie keine spielmechanische Entsprechung finden.
Ist die tatsächliche, sprich regelseitige Folge der Verlust der ersten 4 Lebenspunkte von insgesamt 80 und es tut sich auch sonst nichts, was sich irgendwie greifbar auswirkt, dann habe ich natürlich nach wenigen Wiederholungen keinen Bock mehr, mir tolle Sachen auszudenken oder auch nur anzuhören, wenn die direkt nach dem Aussprechen sowieso in der Bedeutungslosigkeit verschwinden.

Wenn ich was Tolles erzähle, muss sich auch spielmechanisch was Tolles tun bzw. umgekehrt ist die regeltechnisch greifbare Auswirkung die Grundvoraussetzung für so eine Erzählung.
Anders wird das doch ein absurdes Zerrbild.

  • Komplexität des Regelwerks: Je mehr taktische Optionen das Regelwerk selbst bietet, desto eher werden diese auch mit ihren regeltechnischen Bezeichnungen angesprochen.
Das ist dann nicht nur unproblematisch, sondern sogar gut und nützlich, wenn diese ganzen crunchy bits in einem sinnvollen Kontext zueinander stehen und damit aus sich heraus eine Narrative erzeugen (können).
Allerdings ist das nicht so einfach umzusetzen, daher ziehe ich vor den wenigen Systemen den Hut, die das wirklich stimmig hinbekommen.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Weltengeist am 23.07.2019 | 06:38
Das ist dann nicht nur unproblematisch, sondern sogar gut und nützlich, wenn diese ganzen crunchy bits in einem sinnvollen Kontext zueinander stehen und damit aus sich heraus eine Narrative erzeugen (können).
Allerdings ist das nicht so einfach umzusetzen, daher ziehe ich vor den wenigen Systemen den Hut, die das wirklich stimmig hinbekommen.

In der Theorie stimme ich dir zu - in einer idealen Welt würde der crunchige Kampfverlauf tatsächlich selbst die Geschichte erzählen. Und für mich wäre das auch die beste Lösung. In der Praxis habe ich aber bewusst nie erlebt, dass das am Spieltisch wirklich geklappt hat. Und in einer Zeit, in der Gummipunkte (und damit das nachträgliche Außer-Kraft-Setzen der Crunch-Ergebnisse) die Norm bei fast allen Spielsystemen geworden sind, rechne ich auch nicht damit, dass sich das in absehbarer Zukunft ändert.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: 1of3 am 23.07.2019 | 07:15


Wenn ich was Tolles erzähle, muss sich auch spielmechanisch was Tolles tun bzw. umgekehrt ist die regeltechnisch greifbare Auswirkung die Grundvoraussetzung für so eine Erzählung.
Anders wird das doch ein absurdes Zerrbild.

Ich stimme deinem Eindruck zu, aber nicht ganz der Analyse. Ich hatte oben schon mal ein Beispiel gemacht, dass so gar nichts mit Mechanismen zu tun hatte, sondern neben diesen herlief. Und das wahr genau richtig.

Wir können es auch von oben betrachten. Beim Rollenspiel entwickeln wir durch unsere Eingaben die gemeinsame Fiktion fort. Diese Eingaben können Erzählung, Schauspiel, das Schieben einer Figur auf der Baddelmadde und noch eine Menge anderer Dinge sein.

Wenn du nun deinen Pöppel acht Felder an einen Gegner ranbewegst, ist eigentlich alles gesagt. Als Service kannst du ich erklären, dass es ein Sturmangriff war, falls jemandem nicht aufgefallen ist, dass es 8 statt 6 Felder waren. Der Pöppel ist also gerade dafür da, dass wir gewisse Dinge nicht mehr sagen müssen. Und wenn wir es doch tun, wirkt es eben doppeltgemoppelt.

Das heißt aber nicht, dass nichts mehr zu sagen ist. Du musst nur etwas finden, was der Pöppel nicht sagt. Wenn du also der große Krieger bist, kannst du vor der Aktion der Person, die du für das Küken der Runde hältst, ernst ins Gesicht schauen: "So, Kleiner, nun pass mal auf, wie man's richtig macht." Dann setzt du deinen Pöppel vor und brüllst CHARGE!. Und hoffentlich würfelst du dann entsprechend. Du hast dann also verschiedene Dinge gesagt, einerseits deine Aktion, andererseits etwas über deine Beziehung zum Küken.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: YY am 23.07.2019 | 15:49
In der Theorie stimme ich dir zu - in einer idealen Welt würde der crunchige Kampfverlauf tatsächlich selbst die Geschichte erzählen. Und für mich wäre das auch die beste Lösung.

Zumindest für komplexe Regelwerke ist das für mich ziemlich Pflichtveranstaltung - da wird die Wahl aber entsprechend schnell ziemlich dünn.
Wenn es abstrakter und einfacher wird, ist es ja insofern unproblematisch, weil man dann genug erzählerischen Freiraum hat, um die Lücken zu füllen.

Viel Crunch mit konkreten Benennungen/Beschreibungen, die aber kein Stück zueinander bzw. in eine stimmige Vorstellung passen wollen, ist dagegen ein Ausschlusskriterium. Da sind z.B. die D&Ds mit ihren Feats ganz schnell raus.

Ich hatte oben schon mal ein Beispiel gemacht, dass so gar nichts mit Mechanismen zu tun hatte, sondern neben diesen herlief.

Ja, wenn das Ganze völlig getrennt von der Mechanik stattfindet, muss man erst mal nur den richtigen Ton treffen.
Und oft ignorieren, dass man Dinge sagt oder tut, die am Rollenspiel-Gegenstück der Vierten Wand kratzen, weil sie zwar auch auf Figurenebene, aber nicht in der Spielmechanik stattfinden. Das knirscht für mich ziemlich schnell.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: mattenwilly am 23.07.2019 | 16:34
In vielen Runden, die ich so sehe, ist Rollenspiel vom erzählerischen Tiefgang her nicht viel mehr als Kniffel + Battlemap.

In den letzten Monaten bin ich in den Genuss gekommen Spieler sein zu können. Leider war dann aber auch nur das was ich erleben durfte.

Kleiner Auszug

Da ich Battlemaps hasse wie die Pest habe ich versucht es mir erträglicher durch RP im Kampf zu machen.

Als ich es wagte einen Angriff zu spielen, also ich erzählte halt die Handlung die mein Charakter nun machen würde, schaute mich der SL böse an. "Würfel erst mal ob du triffst ehe du hier irgendwas ansagst!" Habe dies getan und wollte dann nochmals ansetzen jedoch wurde mir der Mund verboten und ich solle bitte einfach nur den Schaden auswürfeln.

Spiel mit Battlemap deutet auf ein ordentliches System mit klaren und verwendbaren Regeln hin. Klar das der SL da sagt "verwende die Regeln" und nicht "erfinde dir was zusammen was dir Spass macht". Dafür sind die Regeln ja zum Glück da, der Charakter ist eben was auf dem Bogen steht und nicht was der Spieler gern hätte.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: nobody@home am 23.07.2019 | 16:46
Spiel mit Battlemap deutet auf ein ordentliches System mit klaren und verwendbaren Regeln hin. Klar das der SL da sagt "verwende die Regeln" und nicht "erfinde dir was zusammen was dir Spass macht". Dafür sind die Regeln ja zum Glück da, der Charakter ist eben was auf dem Bogen steht und nicht was der Spieler gern hätte.

Klingt so beschrieben schon stark nach einem Solosystem nur für SL -- Spieler überflüssig. :P
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Maarzan am 23.07.2019 | 16:58
Klingt so beschrieben schon stark nach einem Solosystem nur für SL -- Spieler überflüssig. :P

Wieso das?
Es erlaubt eher allen Beteiligten die einfache und eben geregelte Beteiligung, weil die Grundlagen und Schnittstellen halt schon vorher weitestgehend und nachbvollziehbar festgelegt sind.
Sie erlaubt gerade die proaktive Beteiligung aller (die Regeln gelernt habenden), weil eben nicht jeder Schritt extra angefragt und neu geklärt werden muss.

Je nach Art der Regeln könnten die im Detail in manchen Fällen für die eine oder andere Anwendung besser verregelt sein, aber selbst für solche Verbesserungen hat man dann da eine konstruktive Basis.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Pyromancer am 23.07.2019 | 17:00
In der Theorie stimme ich dir zu - in einer idealen Welt würde der crunchige Kampfverlauf tatsächlich selbst die Geschichte erzählen. Und für mich wäre das auch die beste Lösung. In der Praxis habe ich aber bewusst nie erlebt, dass das am Spieltisch wirklich geklappt hat.

Abseits des Rollenspiels klappt das tatsächlich sehr gut. Ich kenne das z.B. von Advanced Squad Leader. Da braucht's keine langen Beschreibung, weil durch Karte, Papp-Plättchen und vollständige Regeln knappe Ansagen schon reichen, um das Kopfkino anzuwerfen. Und eine Geschichte entsteht da automatisch durch die Interaktion zwischen Spielern, Regeln und Würfeln - fast ohne Worte.

Klingt so beschrieben schon stark nach einem Solosystem nur für SL -- Spieler überflüssig. :P
Dass ASL ein Spiel für zwei Spielleiter ist, wurde an anderer Stelle schon behauptet. Da ist auf jeden Fall etwas dran.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: 6 am 23.07.2019 | 17:05
Das geht auch mit anderen Brettspielen. Ich habe sowas z.B. schon bei Battlestar Galactica Boardgame mehrmals erlebt. Und da war keiner der Spieler SL. ;)
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Maarzan am 23.07.2019 | 17:15
Vollständige Regeln im Sinne von alle Handlungen abschließend abdeckend müssen es ja gar nicht sein. Ein halbwegs stabiles Gerüst, welches in den kritischen Momenten die typischen relevanten Handlungen abdeckt und den Rest immer noch halbwegs vverlässlcih extrapolieren lässt, reich in der Praxis völlig.
Was halt in dieser Richtung nicht als "abdeckend" zählt ist, wenn nominell alles über grobe Abstraktion "abgedeckt ist" und ganz regulär und geplant dann im Anwendungsfall zur Laufzeit die Interpretation und Abstimmung der Beteiligten erst diese Lücke füllen soll.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Jens am 23.07.2019 | 23:41
Für mich geht es hier nicht (nur) um blumige Beschreibungen oder coole Szenen o.ä. sondern darum, das es an "besonderen Momenten" fehlt. So wie am Anfang des Rollenspiels, zu dem sich viele hinsehnen und wo die Emulation nie so richtig zu klappen scheint - einfach, weil damals alles neu und spannend und besonders war. Da wurden Momente geschaffen, an die man sich lange noch erinnert, weil man zuvor nie so etwas erlebt hat.

Wie zum Beispiel die Szene, die 1of3 mit dem Pilz beschrieb: Das kann er nicht oft machen, bis es “langweilig" wird. Jedenfalls so direkt. Oder es wird ein Running Gag. Hat auch was.

Das Problem ist, dass es mWn keine Technik gibt, um diese besonderen Momente zuverlässig zu erzeugen und es vielen Runden, an denen ich teilnahm, da auch nicht auf so ein System ankam, sondern darauf, in der Mischung aus Spielern, Charakteren und SL Story etwas zusammen zu bauen, was man einfach gerne in Erinnerung behält.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Sphinx am 25.07.2019 | 10:06
Es ist IMO allgemein stark Gruppen abhängig.
Ich versuche immer mehr zu liefern und die Welt etwas mitzugestalten. In manchen Gruppen merkt man das es einzelne am Tisch überfordert wenn man sie anspielt. Das Hinterlässt dann bei mir auf dauer ein etwas hemmendes Gefühl und ich betreibe das anspielen weniger. Oder eine Beschreibung wie man einen Angriff durchführt der den Spielleiter überfordert obwohl es nur "Beschreibungs-Fluff" ist.
Und es gibt das Gegenteil, wo solche Sachen aufgenommen werden und man es deshalb gerne mehr macht. Das Miteinander wird dann unterhaltsamer als das was der Plot so vorgibt.

Als DM versuche ich immer mit möglichst viel gutem Beispiel vorran zu gehen. Und auch da gibt es leider Spieler die auf dem Niveau von Mensch ärger dich nicht Brettspielen stehen bleiben. Ich beschreibe ganz gerne den Kampf etwas ausführlicher. Und dabei hilft es massiv wenn von den Spielern etwas mitarbeit kommt. Spieler: "Ich versuche eine ungeschützte Stelle in der Rüstung mit dem Pfeil zu treffen" -> Würfel -> DM "Der Pfeil findet zielicher einen Spalt in der Plattenrüstung / Der Pfeil hat das Ziel knapp verfehlt und ist von der Rüstung abgelenkt worden.

Ich konnte zumindest bei meinen Runden keinen Zusammenhang zwischen Grid/Theater of the Mind Kampf feststellen. Es waren ehr die Spieler die etwas ausmachen. Und wenn ich leite verwendet ich 3 Kampfvarianten. Theater of the Mind, Grid und grobe Representation der Postionen ohne Entfernungen (Wie auch immer man das nennt).


- Edit was ich noch vergessen hatte zu schreiben:
Ich hab mir mittlerweile auch abgewöhnt Spieler die Welt mit gestalten zu lassen, einfach weil ich noch niemand Gefunden hab der das Freudig aufgenommen hat. Selbst bei den Gruppen die ehr Rollenspiel als Brettspiel betreiben.
Also z.B. Spieler X - Beschreib doch mal die Schenke in die ihr gerade einkehrt. Spielerin Y, was fällt dir denn Besonderes an dem Gegner auf dem du gerade gegenüber stehst.
Es ist bestimmt etwas das man üben kann und wenn alle locker genug drauf sind könnte es funktionieren. Leider ist meine erfahrung eben leider etwas anders.


Auch wenn ich den Kampf immer gerne ausführlicher beschreibe. Man sollte auch nicht unterschätzen was das an Zeit frist. Ein Kampf in allen Systemen die ich kenne dauert einfach an sich schon sehr lange. Eine ausführliche Beschreibung bläst die Zeit noch mal auf. Da ist es evtl. sinniger nur wichtige oder ausergewöhnliche Kampfhandlungen zu beschreiben. Anstatt jedem Pfeil der daneben geht noch einen Satz zu witmen wieso er daneben geht.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Zed am 25.07.2019 | 15:05
Bei uns (DnD 3.5; SCs 18. Stufe; gespielte Jahre der Kampagne: 25) gibt es sehr unterschiedliche Arten, die Dinge auszuspielen: Charakter-Rede, Ich-Rede und Tech-Talk.

Als Spielleiter strebe ich ein abwechslungsreiches Verhältnis von Kampf zu diplomatischen Missionen zu Rätseln (= oft Entschlüsselung der Mythologie) an, vielleicht 40 zu 40 zu 20. Wir spielen mittlerweile selten, höchstens vier Mal im Jahr.


Ich halte die unterschiedlichen Arten zu sprechen für angemessen, und die Unterschiedlichkeit tut in meinen Augen der Atmosphäre keinen Abbruch.
Titel: Re: Spielerphantasie: Huhn oder Ei?
Beitrag von: Luxferre am 26.07.2019 | 07:02
Gerade das erzählerische Ausschmücken von taktischen Szenen ist zwar immer ein Problem, aber es gibt nach meiner Erfahrung Systeme, die es erheblich schwieriger machen als andere. Einige Punkte:
  • Sprache: Wenn das Regelwerk auf Englisch ist, wird häufiger "Tech-Speak" am Spieltisch gesprochen.
  • Kampfrunden: Je mehr Kampfrunden ein Kampf hat, desto genervter werden alle vom Ausschmücken. Wir haben es probiert, wirklich - aber bei DSA oder auch Splittermond kommt man da einfach schnell an den Punkt, wo das nach dem dritten Kampf keiner mehr will.
  • Komplexität des Regelwerks: Je mehr taktische Optionen das Regelwerk selbst bietet, desto eher werden diese auch mit ihren regeltechnischen Bezeichnungen angesprochen. Hier sind Old-School-Spiele dankbarer: Wenn "Rulings statt Rules" am Spieltisch gilt, dann muss man umgangssprachlich beschreiben, was man machen will, und der Spielleiter hängt am Ende ein Preisschild einen Schwierigkeitsgrad dran.
Aber klar, natürlich liegt es auch an den Spielern. Manche (ich würde sogar sagen: die Mehrzahl der) Spieler wollen im Kampf kein Erzählspiel betreiben, sondern ein spannendes Brettspiel spielen. Das liegt noch nicht mal unbedingt am "nicht anders können", sondern am "nicht anders wollen". Und viele Rollenspiele bilden das eben auch so ab und liefern daher ein eigenes, häufig ziemlich umfangreiches Subsystem gerade für Kämpfe, das sich ganz anders anfühlt als das restliche Spiel. Für viele ist das kein Bug, sondern ein Feature.

Das zum Einen  :d
[ Für mich nachhaltig eindrucksvoll bei Splittermond passiert  >;D ]


Außerdem kommt für mich noch der Aspekt der Zero-to-Hero Systeme zum Tragen.
Wenn ich Systeme spiele, die stufenlos sind und man bereits zum Start einen kompetenteren Charakter spielen kann, dann ist dieser natürlich auch mit mehr Hintergrund versehen. Liegt ja in der Natur der Sache, dass ein Stufe 1 Startcharakter nicht die Möglichkeiten hatte, wie ein stufenlos erstellter 250 Jahre alter Halbelb-Waldläufer-Heiler. Zweiterer hat aber die Möglichkeit, seine Werte in einen Hintergrund zu kleiden (oder andersherum). Das führt dann natürlich dazu, dass dieser ausgearbeitete Hintergrund einen deutlich stärkeren Einfluss auf das aktive Spiel hat.
Wir hatten die coolsten und memorabelsten Stunden mit den stufenlosen, recht kompetenten Charakteren, die eine lange (nicht lang ausformulierte!) Geschichte mit an den Tisch gebracht haben. Was außerdem zu mehr Erzählstunden auf Spielerseite geführt hat. Mit einem schönen Hintergrund, kann auch ein Spieler zum Erzählonkel werden.
Habe da gerade gestern Abend mit meinem besten Freund drüber philosophiert  :d ...und ich will das zurück haben!