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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Toht am 15.01.2020 | 21:56

Titel: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: Toht am 15.01.2020 | 21:56
Es gibt ja eine Fülle an verschiedensten Regelwerke und da sind Freeform und individuelle Hausregeln noch nicht einmal bedacht. Die Variationen reichen von Regelmonster in unzähligen Bänden bis kleinen Gratisheftchen oder kurzen Sätzen im Internet. Einige Settings erfordern bestimmte Sonderregeln oder so mancher Exot verregelt einen besonderen Spielaspekt aber gibt es etwas was sie alle (oder zumindest fast alle) gemeinsam haben?

Welche Regeln sind essentiell um ein Spiel egal welches Setting überhaupt erst zu ermöglichen? Was ist das absolute Minimum, was verregelt sein "muss"? Welche Aspekte "müssen" durch Regeln abgebildet werden und gibt es Settings, die sich davon abheben, also eine gewisse Verregelung haben, weil sonst das Setting nicht funktioniert?

Was muss eurer Meinung nach an Regeln vorhanden sein bzw. welche Mechaniken und Themen müssen verregelt sein, da das Rollenspiel für euch unspielbar ist? Ab wann wird das (Pen-and-Paper-)Rollenspiel zum Spiel?
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: Sebjoho am 15.01.2020 | 22:41
Eine Liste der Rollenspielbasics:

1. Konfliktauflösungssystem (meist zufallsbasierte Proben, aber auch Ausspielen, Verhandlungen, Absprachen oder Spielleiterentscheidungen)

2. Resourcenmanagement (sowohl materiell in Form von Ausrüstung oder Vermögen, als auch immateriell in Form von physischer oder psychischer Gesundheit oder Beziehungen, Spielzüge und Spotlightverteilung, Ingame-Resourcen und Meta-Resourcen)

3. Fortentwicklung (Charakter, Story, Welt, Beziehungen...)


Alle Rollenspiele, die mir so einfallen, setzen sich aus den drei Komponenten irgendwie zusammen, wobei auch nicht jeder der drei Punkte vorhanden sein muss.

Als Punkt Nummer 4 wäre noch das informelle oder "regellose" (im Grunde falsch, da immer auch unausgesprochene Regeln existieren) Spiel(en) zu sehen, welches eben nicht explizit bzw. nur durch bereits uns innewohnendes Sozialverhalten geregelt ist.

Mehr Basics fallen mir gerade nicht ein, vielleicht kann da noch jemand was dazu ergänzen.
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: 1of3 am 15.01.2020 | 23:05
Szenenweiser Charakterbesitz, mindestens

Irgendeine Regelung zum Scene Framing

Ein gemeinsamer Horizont, was im Spiel auftauchen könnte

Und was es nicht haben kann: Spielbrett, Karten oder sonstige Tokens können das Spielgeschehen voll einfangen
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: OldSam am 16.01.2020 | 00:42
...eine "eindeutige" und vollständige Antwort ist hier natürlich nicht möglich, da es verschiedene Spielertypen gibt und - wie schon gesagt wurde - es kommt natürlich auch auf das Setting an.

Wenn ich mal von "typischen" Pen & Paper Kampagnen ausgehe, wie classic Fantasy, Cyberpunk etc., wäre für mich persönlich (ganz old school) auf jeden Fall Kampf ein wesentliches Thema, das geregelt sein sollte. (Zentraler Konflikt)

Wichtig wäre für mich persönlich dabei, dass es einfach möglich ist Chancen und Risiken vernünftig einzuschätzen und die Regeln auch eine gewisse Verlässlichkeit bieten, d.h. das taktische Elemente stabil genug sind, um nicht dauernd durch "blöde" Zufälle umzufallen. Mir persönlich ist es dabei für längere Spiele schon wichtig, wenn das Regelwerk auch eine gewisse "Plausibilität" der Handlungen begünstigt (in der Logik der Spielwelt, also inkl. Magie etc.) und der gemeinsame Vorstellungsraum z. B. nicht häufig als "absurd" wahrgenommen wird - zumindest wenn das nicht in's Genre passt (etwa bei Comedy kann es ja wieder Spaß machen).

 Zu dieser Vorstellungswelt gehört für mich persönlich auch eine gewisse "Objektkonstanz", bei Figuren und Umwelt, typischerweise wird das ja durch irgendwelche Eigenschaften mit Zahlenwerten verregelt. Ich mag es z. B. persönlich über längere Spielzeiten nicht gerne (Oneshots sind da eher unproblematisch), wenn der Troll-Krieger gestern noch super kräftig war und dicke Bäume umschmeißen konnte (als Beispiel), heute aber "schlicht keine Bonus-Punkte übrig hat" und daher nicht einmal mehr eine Tür eintreten kann.
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: KhornedBeef am 16.01.2020 | 07:08
Konfliktlösung kann ich mir kaum wegdenken und eben Rollen spielen (oder eher "darstellen"; "Besitz" geht auch, klingt aber nach Pöppeln).
Ich wollte auch sagen "gemeinsame Geschichte erzählen" aber passender wäre wohl "eine Handlung im gemeinsamen Vorstellungsraum fortführen".
Das schließt sicher ein zwei Sachen ein, die nicht als Rollenspiel vorgesehen sind (Brettspiel-Dungeoncrawler) , aber ohne diese Sachen fällt bei mir so ziemlich alles aus raus.

Ich finde übrigens nicht, dass Bretter, Karten oder Tokens automatisch disqualifizieren, dann müsste man WarhammerFRP3 und D&D5 (und andere) nämlich herausnehmen.
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: Bildpunkt am 16.01.2020 | 07:19
Das Grid in DnD 5e ist optional  ;)
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: KhornedBeef am 16.01.2020 | 07:34
Das Grid in DnD 5e ist optional  ;)
Was es "nicht haben kann", hatte 1of3 formuliert, ich habe das erstmal streng ausgelegt. Und ich meinte die Battle cards. Was ist das "Grid"?

Edit: Wort verschluckt
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: First Orko am 16.01.2020 | 08:32
Ausgehend davon, dass sowohl Dread als auch Microscope als Rollenspiele gelten würde ich gar nicht mehr als die folgende Minimalkonfiguration formulieren:


Mir fällt spontan kein Rollenspiel ein, was diese Regeln nicht implementiert und es deckt Grenzfälle wie Fiasco ab.

Wann es kein Rollenspiel mehr ist:


Als Beispiel dafür fallen mir wieder Grenzfälle wie Winter Tales oder Hobbit-Geschichten aus dem grünen Drachen ein, die zwar erzähllastig sind und teilweise die Kriterien darüber erfüllen, aber eben durch starre Abfolgen, fixes Ende und Siegbedingungen sich nicht mehr nach Rollenspiel anfühlen.

Edit:
*nochmal drüber nachgedacht: Natürlich ist man auch mit einem Abenteuer oder Kampagne mal "durch". Oder Oneshots mit definierten Ende. Das würde ich noch irgendwie abgrenzen wollen. "Undefiniertes Ende"? Die Idee ist ja doch eher, dass der Ausgang eben offen ist während es beim (Brett)Spiel ja im Gegensatz dazu ziemlich klar formuliert ist.
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: 1of3 am 16.01.2020 | 10:17
Ich finde übrigens nicht, dass Bretter, Karten oder Tokens automatisch disqualifizieren, dann müsste man WarhammerFRP3 und D&D5 (und andere) nämlich herausnehmen.

Nein, ich meine: Ne Baddelmadde gibt mir nur über einen Teil des Geschehens Auskunft, nämlich über die aktuelle Position der Figuren. Aber sie sagt zum Beispiel nicht, warum da überhaupt gekämpft wird, ob eine friedliche Einigung möglich, wie es um die emotionale Verfasstheit der Protagonisten steht usw. Alle unsere Charakterbögen, Karten usw. dokumentieren immer nur einen Ausschnitt, während bei einem Brettspiel eben das Brett die Gesamtheit des Spiels ausmacht. Wir können sagen, Rollenspiel bedient sich partiell verschiedener Brettspiel-Elemente.

Zitat
es gibt einen Mechanismus für einen nicht vorhersehbaren Ausgang bestimmter, definierter Situationen im Spiel

Muss es das? Es gibt ja Leute die komplett Freiform spielen. Oder habe ich jetzt ein zu enges Bild für das, was ihr mit Mechanismus meint?
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: nobody@home am 16.01.2020 | 11:19
Ich würde sagen, das absolute Minimum ist eine Regel zur Klärung von Meinungsverschiedenheiten darüber, wie das Spiel jetzt weitergehen soll (also etwa die altbekannte "Fall um, du bist tot!" "Nö, bin ich nicht!" "Bist du doch!"-Diskussion...). Das ist ja so ziemlich der Löwenanteil der Rolle sowohl der klassischen Spielleitung als auch der Regeln an sich...und ließe sich prinzipiell durchaus minimalistisch abwickeln, etwa, indem ein Schiedsrichterkäppi reihum geht und derjenige, der es gerade aufhat, die nächste Entscheidung trifft und es dann weiterreicht. ;)

Okay, in der Praxis wird normalerweise noch irgendwas zum konkreten spielrelevanten Ausgestalten der eigenen Figur dazukommen, damit sich Indiana Jones nicht genauso wie Mr. Spock "anfühlt", sondern ein paar andere Sachen draufhat, auf die sich der Spieler dann auch berufen kann. Was zum Spiel nicht unbedingt nötig ist, sind Zufallsgeneratoren außerhalb der Gehirne der Beteiligten, also Würfel, Karten, Jenga-Türme oder was auch immer -- muß niemanden daran hindern, sie trotzdem zu benutzen, aber streng genommen geht's auch ohne.
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: First Orko am 16.01.2020 | 12:15
Muss es das? Es gibt ja Leute die komplett Freiform spielen. Oder habe ich jetzt ein zu enges Bild für das, was ihr mit Mechanismus meint?

Ich hab das tatsächlich weiter gefasst und eigentlich eher "Regel" gemeint   ;D Das kann natürlich auch eine zwischenmenschliche sein. Was Freeform angeht - da fehlen mir Erfahrungen. Ich würde meinen, wenn man sich von gemeinsamen Lagerfeuergeschichten wegbewegt braucht es irgendwann, wie von nobdy erwähnt, Regeln für "Meinungsverschiedenheiten" oder eben "Unklaren Ausgang".
Titel: Re: Minimalanforderungen - Essentielle Regeln
Beitrag von: Maarzan am 16.01.2020 | 16:17
Ich schätze für so eine Betrachtung müßte man einmal die Zielbedingungen erkunden (nur "Rollenspiel" wird nciht für alle ausreichend sein) und des Weiteren, wie viel an spezifischen Vorwissen man voraussetzen will.
Für letzteres  nimmt man in Extremfall Leute an, welche zwar Interesse und Baisssozialverhaltenhaben, grundlegende Kulturtechniken wie Lesen/Schreiben und Rechnen beherrschen und nicht mehr als den generell üblichen Bodensatz an Kenntnissen zu den medidalen Quellen besitzt - und zwar sowohl Spieler als auch der potentielle Spielleiter.

Im Prinzip kann man daraus auch ein - ich stelle mich nicht "dumm", aber völlig ahnungslos - Forenspiel machen:
Du bist der "Autor" und vor dir sitzen nun N Leute, die dieses "Rollenspiel" machen wollen und dich erwartungsvoll anschauen: Was musst du ihnen alles erzählen, was könnten Fragen sein ... ?

Wobei das zum Anfang vermutlich sogar noch Fragen wären, womit herauszufinden versucht würde, welche Art Rollenspiel sie wohl am ehesten schätzen würden und darauf dann der Rest spezifisch aufbauen würde.