Salü Zed. Betreffend Charakterbau:
Ich finde den Fleischgolem interessant, kombiniert mit der Blutmagie. Gibt es die Möglichkeit, dass der Fleischgolem quasi sich mit Leichenteilen eindeckt und sie dann mittels Blutmagie benutzt? Wie agiert so ein Fleischgolem den? Könnte so ein Fleischgolem auch nekromantische Züge haben? Hat der Fleischgolem soziale Auswirkungen (betr. gestank, fäulnis usw)? Mich würde so ein Charakter interessieren :D
Das erste, an das Rancidus sich erinnert, sind die Worte einer Frau in Robe:
"Ihr könnt ihn natürlich einsetzen, wo ihr möchtet. Ich habe ihn gerade aktiviert. Er müsste gleich erwachen."
Rancidus öffnete seine Augen und streckte sich. Sein Leib gab zum ersten Mal Geräusche von sich, Blubbern, ein vielfaches feuchtes Quietschen und das nasse Reißen von klebriger Masse, die sich auftrennt. Die kleinen Wesen um ihn herum, Dunkelelben, wie er später erfuhr, wichen augenblicklich einige Schritte zurück. Sie redeten in einer ihm fremden Sprache, bis eine Dunkelelbin der Frau in Robe zunickte und ihm sagte: "Folge mir, Wächter."
Rancidus wurde durch die Arena zu den Abwässern geführt. Hier nahm er seinen Platz ein. Seine Aufgabe wurde, die Kanalisation im Fluss zu halten und darauf zu achten, ob Gegner diese Kanalisation nutzen, um in die unterirdische Dunkelelbenstadt einzudringen. Doch das geschah nie.
So lebte er. Er weiß bis heute nicht wie lange. In der Dunkelheit gab es weder Tage noch Nächte. Mal fiel die Kanalisation trocken, mal müssen Regengüsse (wie er später lernte) in der Welt da draußen dafür gesorgt haben, dass sie voll sprudelnden Wassers war. Das Quietschen der Ratten waren seine Lieder, das Tropfen des Wassers war sein Rhythmus.
Doch dann fand das erste Spektakel der Dunkelelben in der Arena statt. Die Arena ist ein selten genutztes Amphitheater, doch wenn es genutzt wird, ist es ein lang anhaltendes Spektakel. Zuerst wurde Stücke aufgeführt, Dramen von Kampf und Heldentum und Verlust. Dann wurden Viecher in die Arena gelassen und junge Dunkelelben zeigten, welch effektive Kämpferinnen und Kämpfer in ihnen steckten. Zauberkundige traten gegeneinander an. Dann wurden Lieder gesungen auf die Alten und auf die Jungen. Und schließlich wurden die Elbinnen und Elben eingeschworen auf die Zukunft, die sie überleben müssen, weil alle Welt ihnen nach ihrer Zukunft trachtet.
Rancidus Augen sahen aus dem Gulli der Arena zu, in den das Blut der getöteten Viecher abfloss. Er nahm alles auf, die Sprache, die Lieder, die Reden, die Musik, das Bogenschießen. Die Körper der Getöteteten verleibte er sich ein und machte sie zu seinem. Das Blut, so warm, so nass, wurde zu seinem Elexir.
Rancidus merkte erst jetzt, wie ausgezehrt sein Geist nach geistiger Nahrung gewesen war. Bei diesem ersten Spektakel merkte er sich alles. Er lernte die Sprache der Dunkelelben, er sah, wie sie Magie so konzentrierten, dass sie durchschlagend war. Als das Spektakel vorbei war, ahmte Rancidus alles nach, die Lieder, die Reden, das Bogenschießen, die magischen Bewegungen, wieder und wieder, und er fand seine eigenen Talente in diesen Dingen.
Das Spektakel wiederholte sich nach vielen, vielen Trockenzeiten und Wassertropfen erneut, und wieder sog er es in sich auf. Zum ersten Mal fühlte Rancidus nach den Feierlichkeiten eine Leere in sich, und er sang alleine in der Kanalisation, um von seinem Echo Antwort auf die Frage zu erhalten: "Gibt es mehr für mich?" "...ich" - raunte es aus dem Dunkeln zurück.
Dann kam der Tag, als die Kanalisation verstopfte. Nicht wegen ihm, aber weiter hinten musste etwas den Abfluss blockiert haben. Rancidus schwamm in Flüssigkeit. Dann entschied er sich, die Ursache der Verstopfung zu finden.
Er verließ seinen Standort und folgte dem sich stauenden Abwasser. Schließlich traf er auf eine Verengung - alte Felsen hatten den Abfluss verkleinert und Unrat hatte sich gestaut. Rancidus hebelte die Blockade auf - und die Wassermassen rissen ihn mit.
Er wurde tagelang, nein wochenlang, wie Rancidus später rekonstrierte, einen unterirdischen Tunnel hindurchgespült, bis endlich Ruhe eintrat. Er befand sich nun am Grunde des Ostmeeres in einer dunklen, aber schier grenzenlosen Welt aus Wasser, quallen, Muscheln, Krustentieren, Fischen und anderen Kreaturen, die das Meer bewohnen. Er machte sich auf Wanderschaft, bis er festes Land erreichte. Aufgequollen traf er auf einfache Fischerleute, die sich seiner annahmen.
Brohdan, der Harpunist erzählt:
"Ja, ich hatte ihn zuerst entdeckt. Ich dachte erst, er sei ein toter Wal, schon ein paar warme Tage tot. Er roch auch so. Ich hatte ja noch nie einen Fleischgolem gesehen. Und verstanden hab ich ihn auch nicht, er zwitschert beinahe. Aber er hat die Gemeinsprache echt schnell gelernt, und wir alle haben uns an seinen Geruch gewöhnt. Das geht schnell, wenn man sowieso häufig Thunfische ausnimmt.
Rancidus hat uns echt bereichert. Er kann überaschend gut singen. Auch erzählen. Sein Tanz hat hier bei den jungen Leuten hier zu einer ganz neuen Tanzart geführt! Er kennt eine Geschichte zu jedem Fisch und jeder Muschel, die er auf dem Grund dieses Ozeans gesehen hat. Unsere Medizinfrau sagt, er hat die Magie in sich, die muss er nicht aus Büchern lernen. Er möchte Botschafter sein, sagt er. Botschafter wofür, hab ich ihn gefragt. Für andere Fleischgolems, wenn er sie findet und sie ihm gestatten, ihr Botschafter zu sein. Aber welche Botschaft, hab ich gefragt. "Fleischgolems fühlen" hat Rancidus gesagt. Da hab ich n bisschen geschluckt.
Wir werden ihn vermissen, aber er ist hier immer willkommen. Wir verstehen, dass er mehr von der Welt sehen will. Wenn er geht, bedient er sich ordentlich am Fischabfallhaufen, um etwas von uns bei sich zu tragen und gleichzeitig etwas aufzuräumen, sagt er. Das ist auch wieder ganz Rancidus, er sagt schräge Dinge, aber sogar die sind irgendwie nett."