Tanelorn.net

Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Allgemein => Thema gestartet von: aikar am 27.06.2022 | 10:18

Titel: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: aikar am 27.06.2022 | 10:18
Für einen kleinen Vortrag in unserem Hobby-Verein schreibe ich mir gerade verschiedene Spielstile zusammen. z.B. OSR, Beziehungsbasierte Erzählspiele, Bauerngaming,...

Aber dabei ist mir aufgefallen, dass das ja alles Spezialfälle sind, die sich durch eine oder mehrere Besonderheiten vom (heutigen) "Standard" abheben, ich mir aber schwer tue, den "Standard" richtig zu formulieren.
In meinem Freundeskreis sprechen wir meistens von "klassischem" Rollenspiel, wenn wir das meinen, wie vor allem D&D(5), DSA, Splittermond, Midgard, die YZE-Spiele und vergleichbare Systeme  aufgebaut sind und funktionieren. Im Gegensatz eben zu Spezialsachen wie FATE oder OSR-Systemen.

Könnt ihr mir mal helfen zu formulieren, was für euch ein "normales"/"übliches" Rollenspiel ausmacht?

Was mir jetzt mal eingefallen ist:
* Würfelmechanismus basierend auf Attributen und (meistens) Fertigkeiten
* Kein oder nur geringer Einfluss der Spieler auf die Welt und die Geschichte über die Möglichkeiten ihres Charakters hinaus
* Stark variable Abenteuer (Kämpferisch, Sozial, Entdeckung, Ermittlung)

Ergänzt aus den Posts:
* Es gibt einen Spielleiter (und meist 3-5 Spieler:innen)
* Die Regeln versuchen die Welt/Physik zu simulieren
* Abstraktion der Eigenschaften und Fähigkeiten der Charaktere über Zahlenwerte
* Möglichkeit, diese Zahlenwerte im Spielforschritt zu verbessern
* die Regeln verwenden Task Resolution, d.h. eine Probe prüft, ob eine bestimmte Handlung erfolgreich war oder nicht. Ein Verhandeln von Stakes oder eine Skalierung der Probe auf einen größeren Konflikt, der mehrere Handlungen beinhaltet, ist nicht vorgesehen
* Spielerwissen und Charakterwissen ist getrennt. Infolge werden viele Herausforderungen durch den Charakter gelöst (z.B. Würfelwurf auf Geschichtswissen), nicht durch den Spieler

Und ich weiß, dass das ein Thema ist, dass völlig ausufern kann. Also bitte wirklich so weit wie möglich auf die Frage fokussieren, danke. Und bitte auch nicht alles mit Kommentaren wie "Für mich ist OSR der Standard" überschwemmen. Ja, ist klar, dass es das gibt. Mir geht es hier aber explizit um den Mainstream.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: CK am 27.06.2022 | 10:32
Spielleiter
Würfel
Stufenleiter
?Typische Genres?
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: schneeland am 27.06.2022 | 10:34
Ich würde das vorhandensein eines (vorgeplanten) Plots dazurechnen (ggf. mit entweder eingeflochtenen oder parallel stattfindenden Seitenplots, welche auf die Charaktere abgestimmt sind).
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: takti der blonde? am 27.06.2022 | 10:36
Verstehe ich richtig, dass für dich also z.B. Basic D&D und Fate "ungewöhnliche" Spiele sind? Hast du vielleicht noch andere Beispiele für "ungewöhnliche" Spiele? Ich halte nämlich Basic D&D, Midgard und Fate durchaus für die gleiche Spielegattung.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: ghoul am 27.06.2022 | 10:40
Lass es mich umformulieren:

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: aikar am 27.06.2022 | 10:48
Verstehe ich richtig, dass für dich also z.B. Basic D&D und Fate "ungewöhnliche" Spiele sind? Hast du vielleicht noch andere Beispiele für "ungewöhnliche" Spiele? Ich halte nämlich Basic D&D, Midgard und Fate durchaus für die gleiche Spielegattung.
Fate sehe ich schon klar als anderen Ansatz. Starkes Meta-Gaming, starker Einfluss der Spieler auf die Umgebung und Story auch über ihren Charakter hinaus.
Basic D&D lässt sich sicher auch "normal" spielen, aber allein, dass OSR als eigene Sparte existiert (und es Produkte wie Die Old-School Rollenspiel-Bibel oder die Principa Apocrypha gibt, um diese Sparte zu erklären), zeigt für mich, dass es sich vom Mainstream abhebt.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Crimson King am 27.06.2022 | 10:54
Klassisches Rollenspiel wird für mich durch folgende Aspekte getragen:

* Abstraktion der Eigenschaften und Fähigkeiten der Charaktere über Zahlenwerte
* Möglichkeit, diese Zahlenwerte im Spielforschritt zu verbessern
* die Regeln verwenden Task Resolution, d.h. eine Probe prüft, ob eine bestimmte Handlung erfolgreich war oder nicht. Ein Verhandeln von Stakes oder eine Skalierung der Probe auf einen größeren Konflikt, der mehrere Handlungen beinhaltet, ist nicht vorgesehen
* die Spielregeln werden nicht als vollständig angesehen, und man kann einen Charakter etwas tun lassen, auch wenn dazu keine Regel existiert und eine Regel improvisiert werden muss
* es gibt eine dezidierte Spielleitung
* die Spieler haben die Erzählrechte zu ihrem Charakter, die Spielleitung zum Rest
* der Spielinhalt basiert auf einem Setting, das der Phantastik, der Science Fiction oder dem Abenteuergenre zuzuordnen ist und Exploration des Settings ermöglicht
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: melkvie am 27.06.2022 | 11:00
Ist es vielleicht sinnvoller anstatt das "Standard"-Rollenspiel lieber den "Grundkonsens Rollenspiel" zu definieren?
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: takti der blonde? am 27.06.2022 | 11:01
Fate sehe ich schon klar als anderen Ansatz. Starkes Meta-Gaming, starker Einfluss der Spieler auf die Umgebung und Story auch über ihren Charakter hinaus.
Basic D&D lässt sich sicher auch "normal" spielen, aber allein, dass OSR als eigene Sparte existiert (und es Produkte wie Die Old-School Rollenspiel-Bibel oder die Principa Apocrypha gibt), zeigt für mich, dass es sich vom Mainstream abhebt.

Ok, verstehe. Ich vermute meine Lesart des Mainstreams ist anders als deine, deshalb stelle ich so kleinteilige Fragen; ich versuche zu verstehen, was ich noch alles mitdenken muss, um den Unterschied zwischen Basic D&D und Midgard groß genug zu halten, dass das eine "üblich" und das andere "unüblich" sei.

Meine Vermutung bislang ist, dass du versuchst Rollenspiele mit einem starken Fokus auf die erste Person Singular zu beschreiben. Das haben auf jeden Fall die von dir genannten Spiele gemeinsam in Abgrenzung zu Basic D&D UND Fate witzigerweise.

Ist Traveller denn Mainstream für dich?
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: haste nicht gesehen am 27.06.2022 | 11:02
In Abgrenzung zu den Erzählspielen könnte man bei den "klassischen" Spielen noch dazu nehmen, dass die Regeln die Welt/Physik simulieren und sie in der Regel einen Fokus auf prozedurale Szenen haben.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: aikar am 27.06.2022 | 11:04
Ist es vielleicht sinnvoller anstatt das "Standard"-Rollenspiel lieber den "Grundkonsens Rollenspiel" zu definieren?
Hmm, ist nicht ganz das, worauf ich raus will (oder wir verstehen unter dem Begriff "Grundkonsens" etwas anderes). Ich will nicht definieren, was ein Spiel im Grunde/minimal sein muss, damit es ein Rollenspiel ist.
Sondern eben, was den aktuellen (!) "Mainstream"-Spielstil und die dazu gehörigen Systeme ausmacht. Einfach damit man dann verstehen kann, was gewisse Sparten/Systeme von dieser Basis unterscheidet.

ghul und Crimson King gehen da schon in die richtige Richtung.

In Abgrenzung zu den Erzählspielen könnte man bei den "klassischen" Spielen noch dazu nehmen, dass die Regeln die Welt/Physik simulieren und sie in der Regel einen Fokus auf prozedurale Szenen haben.
Das mit der Simulation ist ein guter Punkt. Aber was verstehst du in diesem Zusammenhang unter prozeduralen Szenen?
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: haste nicht gesehen am 27.06.2022 | 11:14
Das mit der Simulation ist ein guter Punkt. Aber was verstehst du in diesem Zusammenhang unter prozeduralen Szenen?

Robin D. Laws hat dazu in Hillfolk einiges geschrieben. Er unterscheidet dabei Szenen in prozedurale und dramatische Szenen.

Ich zitiere mal:

In einer prozeduralen Szene werden die Figuren mit äußeren Hindernissen konfrontiert und überwinden diese. Sie kämpfen gegen Gegner, veranstalten Verfolgungsjagden, untersuchen Rätsel, erforschen unbekannte Umgebungen und so weiter. Wenn sie Erfolg haben, indem sie mit anderen sprechen, dann verhandeln sie mit Personen, die keinen besonderen emotionalen Einfluss auf sie ausüben, über praktische Dinge.

In einer dramatischen Szene stellen sich die Hauptfiguren inneren Hindernissen und suchen nach emotionaler Belohnung durch Menschen, die ihnen am Herzen liegen, im Guten wie im Schlechten.

Historisch gesehen haben sich Rollenspiele auf prozedurale Action konzentriert und dramatische Interaktionen zu kurz kommen lassen. Sie basieren auf Abenteuergenres, die sich auf das Äußere und nicht auf das Innere konzentrieren.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: nobody@home am 27.06.2022 | 11:17
Ich versuche normalerweise, "klassisches", "Mainstream-", "Standard-" oder ähnliches Rollenspiel möglichst gar nicht eigens zu definieren -- einfach, weil das schon in Konzept und der Wortwahl zwangsläufig ein gewisses Werturteil in Richtung "Das hier ist der Normalfall und alles andere nur mehr oder weniger esoterische Abweichler" (um's mal einigermaßen neutral auszudrücken) mitschwingt. Genau diese Art von "Aburteilung" ist aber nicht so recht mein Ding...und insbesondere, was Mainstream ist, entscheidet sowieso schon der Markt, da brauche ich also nicht mal 'ne Definition, sondern nur ein paar halbwegs aktuelle und repräsentative Umfragewerte.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: melkvie am 27.06.2022 | 11:21
Hmm, ist nicht ganz das, worauf ich raus will (oder wir verstehen unter dem Begriff "Grundkonsens" etwas anderes). Ich will nicht definieren, was ein Spiel im Grunde/minimal sein muss, damit es ein Rollenspiel ist.
Sondern eben, was den aktuellen (!) "Mainstream"-Spielstil und die dazu gehörigen Systeme ausmacht. Einfach damit man dann verstehen kann, was gewisse Sparten/Systeme von dieser Basis unterscheidet.

Wir verstehen unter "Grundkonsens" das gleiche. Ich hab aber deine Frage etwas falsch verstanden  ;D
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: takti der blonde? am 27.06.2022 | 11:22
sondern nur ein paar halbwegs aktuelle und repräsentative Umfragewerte.

Das halte ich für ein non-triviales Problem, wenn es darum gehen soll die Spielpraxis am Tisch zu erfragen.
(Am Ende kommt dann vermutlich raus, dass der Mainstream die Sammler sind :P )
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: nobody@home am 27.06.2022 | 11:26
Das halte ich für ein non-triviales Problem, wenn es darum gehen soll die Spielpraxis am Tisch zu erfragen.
(Am Ende kommt dann vermutlich raus, dass der Mainstream die Sammler sind :P )

Möglich. Wahrscheinlich kann man sich aber dann doch irgendwie auf etwas wie "Mainstream sind halt die Dinger, die im Laden generell die meisten Regalmeter beanspruchen" einigen. :)
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: takti der blonde? am 27.06.2022 | 11:29
Möglich. Wahrscheinlich kann man sich aber dann doch irgendwie auf etwas wie "Mainstream sind halt die Dinger, die im Laden generell die meisten Regalmeter beanspruchen" einigen. :)

Meinetwegen sowieso. :) Aber so wie ich aikar verstehe, versucht er die Spielpraxis zu beschreiben.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Ma tetz am 27.06.2022 | 11:29
Ausgehend von den Systemen und Spielenden, die ich so kenne,würde ich noch sagen, dass die Problemlösung durch den Charakter und nur eingeschränkt durch den Spielenden erfolgt. (z.B. Trennung von Spielerwissen und Charakterwissen).

Dazu wird der Charakter mit spielrelevanten Werten versehen. Der Detailgrad variiert, da natürlich stark.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: ghoul am 27.06.2022 | 11:32
Ausgehend von den Systemen und Spielenden, die ich so kenne,würde ich noch sagen, dass die Problemlösung durch den Charakter und nur eingeschränkt durch den Spielenden erfolgt. (z.B. Trennung von Spielerwissen und Charakterwissen).
Also Ermittlungen mit kombinierenden Spielern nach CoC, Midgard, DSA wären demnach nicht klassisch?
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: takti der blonde? am 27.06.2022 | 11:39
Also Ermittlungen mit kombinierenden Spielern nach CoC, Midgard, DSA wären demnach nicht klassisch?

Ich vermute ja, Ma tetz versucht zwei der wichtigen Unterschiede zwischen den D&D-artigen und RQ-artigen Ansätzen zu beschreiben:

1) RQ-artige modellieren in der Regel die Figur detaillierter als D&D-artige
2) die Betonung der Re-enactment tradition a la Society for Creative Anachronism bei Spielern der RQ-artigen Spiele
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Mouncy am 27.06.2022 | 11:40
Wenn die Handlung auch aus einem Hollywood-Popcorn-Kinofilm sein könnte, ist es klassisches RPG.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 27.06.2022 | 11:41
Ich hab mir dazu mal eine Liste (https://holothuroid.wordpress.com/2021/09/20/traits-of-rpgs/) gemacht. Auszugsweise:

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Usw.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: AlterZwerg am 27.06.2022 | 11:48
Fate sehe ich schon klar als anderen Ansatz. Starkes Meta-Gaming, starker Einfluss der Spieler auf die Umgebung und Story auch über ihren Charakter hinaus.
Basic D&D lässt sich sicher auch "normal" spielen, aber allein, dass OSR als eigene Sparte existiert (und es Produkte wie Die Old-School Rollenspiel-Bibel oder die Principa Apocrypha gibt, um diese Sparte zu erklären), zeigt für mich, dass es sich vom Mainstream abhebt.

Bei OSR hast du ja ebenfalls Attributwürfe, Rettungswürfe und tlw. auch Skillchecks.
Diese sind halt nicht so "prägend" wie in anderen Systemen. Ob man da von einer eigenen Sparte sprechen muss, sei dahingestellt.
Für mich wäre das schon "normal"
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: General Kong am 27.06.2022 | 11:53
Für einen kleinen Vortrag in unserem Hobby-Verein schreibe ich mir gerade verschiedene Spielstile zusammen. z.B. OSR, Beziehungsbasierte Erzählspiele, Bauerngaming,...

Aber dabei ist mir aufgefallen, dass das ja alles Spezialfälle sind, die sich durch eine oder mehrere Besonderheiten vom (heutigen) "Standard" abheben, ich mir aber schwer tue, den "Standard" richtig zu formulieren.
In meinem Freundeskreis sprechen wir meistens von "klassischem" Rollenspiel, wenn wir das meinen, wie vor allem D&D(5), DSA, Splittermond, Midgard, die YZE-Spiele und vergleichbare Systeme  aufgebaut sind und funktionieren. Im Gegensatz eben zu Spezialsachen wie FATE oder OSR-Systemen.

Könnt ihr mir mal helfen zu formulieren, was für euch ein "normales"/"übliches" Rollenspiel ausmacht?

Was mir jetzt mal eingefallen ist:
Würfelmechanismus basierend auf Attributen und (meistens) Fertigkeiten
Kein oder nur geringer Einfluss der Spieler auf die Welt und die Geschichte über die Möglichkeiten ihres Charakters hinaus
Stark variable Abenteuer (Kämpferisch, Sozial, Entdeckung, Ermittlung)

Und ich weiß, dass das ein Thema ist, dass völlig ausufern kann. Also bitte wirklich so weit wie möglich auf die Frage fokussieren, danke. Und bitte auch nicht alles mit Kommentaren wie "Für mich ist OSR der Standard" überschwemmen. Ja, ist klar, dass es das gibt. Mir geht es hier aber explizit um den Mainstream.

OSR ist kein "Standard" (für was auch immer), aber seit wann ist es nicht "klassisch" (was immer das wieder heißen soll)?
Übersetzt oder versteht man "klassisch" als "traditionell", dann bist du mit
"Würfelmechanismus basierend auf Attributen und (meistens) Fertigkeiten
Kein oder nur geringer Einfluss der Spieler auf die Welt und die Geschichte über die Möglichkeiten ihres Charakters hinaus
Stark variable Abenteuer (Kämpferisch, Sozial, Entdeckung, Ermittlung)"
mit " Es gibt einen Spielleiter" (und eben nicht "keinen" oder "im Abenteuer wechselnde SL")

Viellecht sollte man auch die Abwesenheit von Bennies, Gummipunkten, Schicksalspunkten mit hinzunehmen, wobei Warhammer Fantasy Role-Playing die auch schon in der 1. Edition hatte, Mitte der 80er, und WFRP ist auch ein traditionelles/ klassisches Rollenspiel. Allerdings waren dei Schicksalspunkte da auch eher der Notnagel, um nicht so schnell ins Gras zu beißen oder den arm zu verlieren und hattend arüber hinaus wenig Einsatz im spiel (ging zwar, waren aber viel zu wertvoll, als als was anderes genutzt zu werden denn als Fallschirm).

Am Setting selber würde ich das nicht festmachen: Schon Metamorphosis Alpha von 1976 war ziemlich abgefahren (Mutanten und Roboter auf einem riesigen Raumschiff, das durch das ewige All fliegt) und auch Cthulhu, Superhero 2044, Boot Hill und Gangbuster sowie Lizenzprodukte wie James Bond Roleplaying Game, Star Trek und Star Wars sind traditionell in der Herangehensweise.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Haukrinn am 27.06.2022 | 12:02
Ich finde das extrem schwierig, da ja auch vieles von dem, was vor 10 (oder 20) Jahren noch als total neu und anders galt, mittlerweile Einzug in "klassische" RPGs gehalten hat.

Kennzeichnend mag sein:
1. Spieler übernehmen jeweils eine (oder mehrere) Rollen (Charaktere), die unter anderem durch vergleichbare Zahlenwerte (Attribute, etc...) dargestellt werden
2. Es gibt eine zentrale Spielleitung, die von einer (oder mehreren) Personen übernommen wird
3. Weitreichende Gestaltungshoheit für die "Welt" ist nur der Spielleitung möglich. Die Gestaltungsmöglichkeiten beschränken sich für die Spielerschaft auf das, was sinnvoll durch die Charaktere beeinflussbar ist.
4. Ereignisse mit unklarem Ausgang werden durch Zufallsmechanismen geklärt. Dabei können die Wahrscheinlichkeiten von Spielern und SLs beeinflusst werden (von Bennies/Fatepunkten bis SL-Willkür)

Das würde dann von D&D bis Fate so ziemlich alles einschließen, inklusive Polaris und (bedingt) Itras By. Erzählspiele wie Fiasko oder Alice is missing dagegen wären raus aus der Kategorie.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Ma tetz am 27.06.2022 | 12:04
Ich vermute ja, Ma tetz versucht zwei der wichtigen Unterschiede zwischen den D&D-artigen und RQ-artigen Ansätzen zu beschreiben:

1) RQ-artige modellieren in der Regel die Figur detaillierter als D&D-artige
2) die Betonung der Re-enactment tradition a la Society for Creative Anachronism bei Spielern der RQ-artigen Spiele

Ja in die Richtung geht es. Auch in Chtulhu wird ja das Wissen über entsprechende Fertigkeiten und Proben modelliert und weniger über das (OT-Wissen) des Spielenden.

Der Charakter kann also mal mehr, manchmal aber eben auch weniger, als der Spielende. Der Chatakterbogen wirkt als eine Art Fähigkeitsfilter bzw. Verstärker.

Es gibt aber eben auch viele Rollenspiele, die das weniger eng sehen.

@ Haukrinn:  :d
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: aikar am 27.06.2022 | 12:06
OSR ist kein "Standard" (für was auch immer), aber seit wann ist es nicht "klassisch" (was immer das wieder heißen soll)?
Ja, ich bin mit diesen beiden Begriffen auch nicht wirklich glücklich. Wie geschrieben ist "klassisch" vor allem der Begriff, den wir in meinem Freundeskreis dafür verwenden (und da ist OSR z.B. gar kein Thema).
Evtl. ist "Mainstream-Rollenspiele" der bessere Begriffe, aber so ganz rund finde ich es auch nicht.

Ich habe oben jetzt mal ergänzt um
* Es gibt einen Spielleiter (und meist 3-5 Spieler:innen)
* Die Regeln versuchen die Welt/Physik zu simulieren
* Abstraktion der Eigenschaften und Fähigkeiten der Charaktere über Zahlenwerte
* Möglichkeit, diese Zahlenwerte im Spielforschritt zu verbessern
* die Regeln verwenden Task Resolution, d.h. eine Probe prüft, ob eine bestimmte Handlung erfolgreich war oder nicht. Ein Verhandeln von Stakes oder eine Skalierung der Probe auf einen größeren Konflikt, der mehrere Handlungen beinhaltet, ist nicht vorgesehen
* Spielerwissen und Charakterwissen ist getrennt. Infolge werden viele Herausforderungen durch den Charakter gelöst (z.B. Würfelwurf auf Geschichtswissen), nicht durch den Spieler


Das hilft mir schon sehr, danke. Weitere Vorschläge sind natürlich willkommen.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: ArneBab am 27.06.2022 | 12:29
Ich sehe als Hauptpunkt, dass der Fokus nicht verengt ist: Mit einem klassischen Rollenspiel kannst du alle Abenteuer und Gruppenzusammenstellungen spielen, auch wenn es für einige nicht die beste Unterstützung bieten wird.

Damit ist es abgegrenzt von PbtA-Systemen, die klar fokussierte Themen vorgeben und zum Erschließen neuer Themen den Wechsel auf ein anderes PbtA-System vorschlagen. Du kannst dur machen, wofür du moves hast.

Die Abgrenzung zu Fate (das ich nicht als klassisch sehe) ist, dass Fate mit Autor-Sichtweise gut funktioniert, aber aus Charaktersicht viel suspension of disbelief braucht, weil Spielweltimmanente Konsistenz durch den großen Einfluss der begrenzten Spieltischresource „Fate-Punkte“ nur sehr begrenzt existiert.

Cthulhu ist durch den starken Einfluss des Glückswertes ein Grenzfall. Es fühlt sich teilweise klassisch an, drängt uns aber stark in eine „Wir lösen Probleme als Spielende“-Sichtweise.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 27.06.2022 | 12:44
OSR ist kein "Standard" (für was auch immer), aber seit wann ist es nicht "klassisch" (was immer das wieder heißen soll)?

Ich will mir da gar kein großes Urteil erlauben. Diesen Artikel (https://retiredadventurer.blogspot.com/2021/04/six-cultures-of-play.html) fand ich sehr lesenswert, und da werden Unterschiede zwischen Classic, Trad und OSR gemacht.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Crimson King am 27.06.2022 | 12:50
Robin D. Laws hat dazu in Hillfolk einiges geschrieben. Er unterscheidet dabei Szenen in prozedurale und dramatische Szenen.

Ich zitiere mal:

In einer prozeduralen Szene werden die Figuren mit äußeren Hindernissen konfrontiert und überwinden diese. Sie kämpfen gegen Gegner, veranstalten Verfolgungsjagden, untersuchen Rätsel, erforschen unbekannte Umgebungen und so weiter. Wenn sie Erfolg haben, indem sie mit anderen sprechen, dann verhandeln sie mit Personen, die keinen besonderen emotionalen Einfluss auf sie ausüben, über praktische Dinge.

In einer dramatischen Szene stellen sich die Hauptfiguren inneren Hindernissen und suchen nach emotionaler Belohnung durch Menschen, die ihnen am Herzen liegen, im Guten wie im Schlechten.

Historisch gesehen haben sich Rollenspiele auf prozedurale Action konzentriert und dramatische Interaktionen zu kurz kommen lassen. Sie basieren auf Abenteuergenres, die sich auf das Äußere und nicht auf das Innere konzentrieren.

Gefällt mir, die Beschreibung.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: ArneBab am 27.06.2022 | 12:58
Ich hab mir dazu mal eine Liste (https://holothuroid.wordpress.com/2021/09/20/traits-of-rpgs/) gemacht. Auszugsweise:

    Char1/Stats: Protagonists feature several numeric stats describing their capabilities.
    Char2/Formulas: Some stats are derived from other stats by applying tables or formulas.
    Char3/Chargen: There is a codified process to make protagonists.
    Char4/Trees: During chargen some choices lead to further choices, forming a decision tree (skill trees, class powers, playbook moves, sub splats)
    Char5/Traits: Chargen requires freely naming certain mechanical elements for the character

Char2 und Char5 finde ich zu eng.

Char2, weil ich Formeln oder Tabellen als Nebeneffekt von imperfektem Design sehe: Es wäre immer besser, wenn die Stats direkt die Werte wären, aber oft geht das nicht.

Char5, weil es im späteren Spiel keinen Unterschied machen muss, woher das mechanische Element stammt.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Crimson King am 27.06.2022 | 13:02
Ich will mir da gar kein großes Urteil erlauben. Diesen Artikel (https://retiredadventurer.blogspot.com/2021/04/six-cultures-of-play.html) fand ich sehr lesenswert, und da werden Unterschiede zwischen Classic, Trad und OSR gemacht.

Nett. In dem Sinne wäre meines Erachtens OC/neo-Trad = Mainstream.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: 1of3 am 27.06.2022 | 17:13
Char2 und Char5 finde ich zu eng.

Char2, weil ich Formeln oder Tabellen als Nebeneffekt von imperfektem Design sehe: Es wäre immer besser, wenn die Stats direkt die Werte wären, aber oft geht das nicht.

Char5, weil es im späteren Spiel keinen Unterschied machen muss, woher das mechanische Element stammt.

OK. Und? Muss mir ja nicht gefallen, wenn ich Sachen aufschreiben will, die nun mal existieren. Und was hat das mit späterem Spiel zu tun? Es ist ein gut beobachtbarer Unterschied. Mehr nicht. Und darum ging es ja.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: ArneBab am 27.06.2022 | 19:07
OK. Und? Muss mir ja nicht gefallen, wenn ich Sachen aufschreiben will, die nun mal existieren. Und was hat das mit späterem Spiel zu tun? Es ist ein gut beobachtbarer Unterschied. Mehr nicht. Und darum ging es ja.
Nur dass etwas beobachtbar ist heißt ja nicht, dass es relevant ist.

Habe ich nur den Eindruck, oder reagierst du wirklich gerade angefressen? Falls ja: Wieso?
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: haste nicht gesehen am 26.07.2022 | 17:09
Ist etwas spät, aber ich bin zufällig auf diesen Blogbeitrag (https://amazing-tales.net/2022/06/09/dividing-lines/) gestoßen. Der Autor unterteilt hier Rollenspiele auf zwei Achsen, nach Regeln (Traditionell/Indi) und nach Spielweise (Old School/"New School").
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: takti der blonde? am 26.07.2022 | 17:28
Ist etwas spät, aber ich bin zufällig auf diesen Blogbeitrag (https://amazing-tales.net/2022/06/09/dividing-lines/) gestoßen. Der Autor unterteilt hier Rollenspiele auf zwei Achsen, nach Regeln (Traditionell/Indi) und nach Spielweise (Old School/"New School").

Auf jeden Fall paar schlaue Gedanken dabei! Leider muss ich aber vermuten, dass der Autor mit traveller-artigen Spielen nicht vertraut ist, damit würde ihm ein wichtiger Stein im Mosaik der "trad games" fehlen.
Titel: Re: Wie definiert man klassisches Rollenspiel?
Beitrag von: Dr. Beckenstein am 26.07.2022 | 17:41
Fehlt da nicht das grundlegende Konzept?

"Ein Rudel Spinner sitzt um einen Tisch, futtert ungesundes Zeug und erzählg Blödsinn"?

Ach ja:  ;)