Ich fand den Film großartig.
Der Multiversums-Ansatz kommt frisch daher und ist komplexer als "hier geht man bei Rot und steht bei Grün".
Die Charakterisierungen der vielen weiblichen Figuren ist komplex und durch die Bank weg gelungen. Mit Ausnahme der Freundin der Tochter vielleicht, die nicht viel zu tun hat. Daneben bietet Jamie Lee Curtis Charakter eine Figur mit deren Körperbau ich mich eher identifzieren kann als jezt was die meisten anderen Filme bieten.
Auch Waymond ist ein gut gemachter Charaktere.
Ich fand es auch ganz angenehm das der Film einlädt verschiedene Handlungsstränge mehr als Metaphern zu betrachten als 1 zu 1 Realitäten. Wo ich bei anderen Filmen es eher schwierig finde. ^^;
Heißt wegen der Metaphern,...
Der Film und die Aussage ergeben noch Sinn wenn der gesamte Multiversumskram nur ein Metapher für die inneren Überlegungen von Mom und Kind sind. Bei der Mutter um aus der eigenen (Selbst-)Isolation rauszugehen und in Bezug auf das Kind um in Bezug auf die Depression Hilfe anzunehmen.
Ansonsten mochte ich auch den Humor :)
Ich fand halt diverse Überlegungen zum Film spannend. Alles Spoiler im Spoilertag ;)
Nichts ist von Bedeutung
Wenn ich mit dem Multiversum verbunden bin und jegliche Handlungen für mich erfahrbar sind, was bringt mir dann überhaupt noch Handeln. Wenn ich alle Ausgänge erleben kann, was nützt mir die Entscheidung noch. Selbstwirksamkeit wird durch die Erfahrung aller Ausgänge trivial. So hab ichs zumindest bei der Tochter verstanden. Anders ausgedrückt: Zuviel entwertes etwas einzelnes. Sich aktiv auf etwas zu konzentrieren, im jetzt zu sein, das macht etwas wertvoll. Das hab ich an dieser Stelle hineininterpretiert.
Der Umgang mit Fremdbestimmung und dem Schicksal
Der krasse Gegensatz zu willkürlichem Verhalten ist die bewusste Entscheidung. Die Mutter hatte viele Fehlschläge, sie kann ihr Leben nicht immer kontrollieren. Sie kann aber den Umgang mit dem erfahrenen kontrollieren. So versucht sie dann auch, Aggression nicht mehr mit Gegenanggression zu begegnen. Reframing. Für mich ist neben dem Versuch etwas zu ändern der (positive) Umgang mit dem gegebenen etwas, was einen glücklicher machen kann. Fand ich schön, dass dies so (aus meiner Sicht) aus dem Film hervorgehoben wurde.
Fehlschläge
Der Film sagt, dass die Mutter eigentlich immer die falsche Entscheidung getroffen hat. Sie kennt nun die Auswirkungen anderer Handlungen. Inwiefern kann sie ihr aktuelles, eigenes Leben akzeptieren, wenn sie weiss, was möglich wäre? Spielt es aufgrund der erfahrenen anderen Universen überhaupt eine Rolle? Für mich ist dies nicht abschliessend aufgelöst. Was denkt ihr?
Alles Gedanken
Wie Teylen schon schrieb, kann ich mir gut vorstellen, dass der Film einfach Gedankengänge und wunschvorstellungen darstellt. Am Anfang des Filmes wird die Mutter ja auch darauf hingewiesen, wie viel sie eigentlich neben der Wäscherei noch kann und macht (singen, ...). Ich hab das Ende nicht mehr zu 100% im Kopf, aber könnte es sein, dass sie mit den ganzen Rechnungen und ihrer Familie nicht einfach nur zu der Prüferin gingen und sie dann unendlich viele Gedanken hatte? Das der Film quasi dort stoppt und nur noch den Gedankenkonstrukten folgt. Aber wie gesagt, ich hab das Ende nicht mehr so im Kopf und den Film während einer Grippe gesehn... muss ihn also eh noch einmal genauer anschauen ;)
Das waren ein paar wilde Gedankengänge dazu ;)
Ich fand den ersten Film der beiden Regisseure, Swiss Army Man, einfach grossartig. Er ist vulgärer als Everything... aber fühlt sich für mich nach mehr Gefühlen in kleinerem Setting an. Ich würde aber behaupten, dass Everything... sicher zu meinen Top 20-Filmen gehört. Ich muss ihn aber noch mindestens ein zweites mal schauen, um das beurteilen zu können.
Hm, um meine Überlegungen etwas zu vertiefen.
In Bezug auf die Tochter sehe ich ihren aus dem Multiversum abgeleiteten Standpunkt das nichts einen Sinn hat als eine interessante Darstellung einer schweren Depression bzw. eines geplanten Suizid. Schließlich kann man durchaus Erfahrungen innerhalb der Multiversen machen, wenn man die jeweiligen Gegebenheiten an sich heran läßt. Was sie zum Großteil nicht will respektive nicht kann und wenn sie es versucht in einer Allmacht-Fantasie endet die aus ihrer Ansicht alles nur weiterhin nihilistisch/sinnlos macht.
Dementsprechend mag sie auch, nach eigener Aussage, die Universen in denen es "nichts" gibt, wie das Grand Canyon Universum wo man ein Stein ist.
Die depressive Einstellung trifft dabei nicht nur auf die "amoklaufende" Version der Tochter zu, sondern auch auf die in der "normalen" Realität.
Die wiederum suizidal depressiv ist obwohl sie eine Freundin hat, die Freundin von der Familie akzeptiert wurde und ihre Mutter Empathie entwickelte.
Insofern fand ich es brilliant dargestellt wie Personen die eigentlich ziemlich normal wirken psychische Probleme haben können die man nicht sieht und wo sie eigentlich akut Hilfe brauchen. Und ich fand es positiv das sie im Film quasi zumindest zunächst gerettet wird.
Die Existenz des Multiversums an sich und das herum reisen macht erstmal nicht nihilistisch, wie man bei denen aus dem Prime Universum sieht.
Auch nicht wenn man allmächtig ist, da ihre Mutter mit den vielen Universen deutlich besser mental zurecht kam.
In Bezug auf die Mutter,...
Ich denke nicht das sie im schlechtesten aller Universen lebte.
Der Actress-Universum-Waymond stellte dahingehend auch fest das er sich vorstellen kann mit ihr in einem schäbigen Waschsalon zu leben und steuern zu machen.
Ich bin dahingehend eher davon ausgegangen das sie selbst denkt immer die schlecht möglichsten Entscheidungen getroffen zu haben.
Das sie sich vielleicht auch deswegen so sehr mit Arbeit eingedeckt hat, Verantwortung für den Vater und einem doppelten Dutzend Hobbies ~ dem Steuerbescheid nach ~ das sie sich komplett emotional von allem isoliert hat. So sehr das sie nichtmal bemerkte das ihre Beziehung quasi dabei war in den Binsen zu gehen.
Dementsprechend lernt sie dann auch das das Leben als Starlet ohne Waymond vielleicht nicht so gut ist, wie sie im Wurstfinger-Versum die Beziehung rettet und das sie Probleme nicht wegboxt sondern empathisch angeht. Zum Schluß dann das das Leben mit dem Waschsalon nicht so schlecht ist und gute Aspekte hat, das sie akzeptiert wird ~ zumindest von Waymond ~ wenn sie nicht zu 100% der Zeit 150% gibt und versucht alles selbst zu lösen.
Was Waymond angeht, finde ich dieses Video ganz gut gemacht:
Everyone Everywhere Needs Waymond Wang by Popculture Detective (https://www.youtube.com/watch?v=O7YnbGszcb8)
Ich denke da ist auch eine Form der Medienkritik verarbeitet worden:
Zunächst der Gedanke, dass jede noch so originelle Idee in tausendfacher Kopie durch den Medienbetrieb (repräsentiert durch das Multiversum) reproduziert und dadurch belanglos gemacht wird. Auf diese Weise kann man keine ästhetischen Erfahrungen machen, außer man zerschmettert die Massenmedienindustrie und sorgt dafür, dass deren Durchkapitalisierung nicht mehr die "echte Kunst" vergiftet. Das ist der pessimistische Ästhetik-Ansatz Theodor Adornos (der aktuell auch von Leuten wie Martin Scorsese vertreten wird).
Aber dann gibt es auch die Gegenposition: dass es Milliarden Kopien jedes Kunstwerks gibt, ist für das Erleben des Einzelnen nicht von Bedeutung. Eine ästhetische Erfahrung kann trotzdem mit einem von anderen als "belanglos" eingestuften Werk eingegangen werden - selbst wenn dieses aus der Wurst(finger)fabrik der Massenunterhaltung stammt. Das ist der soziologisch motivierte Ästhetikbegriff von (u.a.) Arthur C. Danto.
Ebenso wie diese Gegensätze im Film verarbeitet werden, stellt der Film selbst einen Spagat zwischen Dingen des Massengeschmacks (Bzwords wie "Kung-Fu", "Multiversum", "Humor", "Familiendrama") dar, welche er gleichzeitig mit einer ästhetischen Bedeutung auflädt. Die Geschichte innerhalb des Films ist also quasi eine Roadmap für die Positionierung des Films selber, innerhalb der aktuellen Filmlandschaft.