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Medien & Phantastik => Sehen, Lesen, Hören => Lesen => Thema gestartet von: Megavolt am 22.01.2023 | 17:09
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Meine jüngste Näherung an Der Schatten aus der Zeit hat mir wieder bestätigt, dass ich nicht der Typ für Lovecraft bin. Diese bleiernen Briefromanformen, die absurd-krampfigen Expositionen, die Tatsache, dass man den Twist immer schon auf Seite 2 ahnt, dass der Lovecraft seine (eine!) mittelprächtige Idee aber auf 80 Seiten auswalzt, die Karl-May-Haftigkeit der Beschreibungen, das Adjektivgeballer, die spröden Schachtelsätze, die Bildungshuberei - es ist den Aufwand für mich einfach nie wert.
Kennt ihr Schriftsteller, die "Cosmic Horror" servieren und dabei einen Großteil der genannten Mängel vom Lovecraft nach Möglichkeit überflügeln können? Vielleicht etwas eher Modernes?
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Die "20 Palaces"-Reihe von Harry Connolly ist absolut empfehlenswert und geht stark auf das Thema ein, ohne wirklich lovecraftig zu werden. Ist aber definitiv Urban Fantasy und damit eher so im Mittelfeld zwischen Lovecraftschem Horror und Dresden Files einzuordnen, würde ich sagen.
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Es gibt eine Reihe Romane und Kurzgeschichten im Setting von Delta Green, die also in einer Version des Mythos in der modernen Zeit stattfinden (ab 1990er). Autoren wie Dennis Detwiller und Greg Stolze haben auch ein paar cthuloide Sachen, die weniger mit dem Rollenspiel verbunden sind.
Edit: persönlich kann ich, wie die meisten Rezensenten, "Alien Intelligences" empfehlen, eine Sammlung Kurzgeschichten. Es gibt weitere solche Anthologien.
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Die Laundry Files von Charlie Stross könnten passen. Ein britischer Geheimdienst à la X-Files in einem lovecraftianischen Universum. Flott geschrieben, wenn man nichts gegen Stross' recht jargon-lastigen Stil hat.
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Neil Gaiman - A Study in Emerald
https://www.neilgaiman.com/mediafiles/exclusive/shortstories/emerald.pdf
Ist aber nur eine Kurzgeschichte :-)
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Ich kenne das Material nicht und kann den Schreibstil dehalb nicht werten, aber Der König in Gelb von Robert W. Chambers ist ein Vorläufer Lovecrafts. Von Clark Ashton Smith gibt es auch einiges an kosmischem Horror. Ich fand C.A. Smith auch gut zu lesen, aber sein Stil hat auch immer etwas berichterstatterisches, wo jemand nacherzählt, was ihm widerfahren ist.
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Ich verlinke mal da meine Erinnerung etwas wage ist.
https://fm4v2.orf.at/connected/209494/main
Kult - Ljubko Deresch
Musik,Drogen,Wahnsinn, coming of Age (in den 20igern).
Hat mir damals sehr gut gefallen.
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Thomas Ligotti ist der, den du suchst! Modern, nicht altbacken im Stil!
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Danke für diesen Thread, ich teile die Meinung des OP tatsächlich uneingeschränkt und bin auch interessiert an Lesetipps (bzw Hörbuch). Selbst kann ich nichts beitragen, außer dass es recht viel gibt, das in Richtung Delta Green gibt. Ich bin da auf die Threshold Reihe von Peter Clines aufmerksam geworden und es steht auf meiner Hör-Liste. Leider gibt es vieles nur auf Englisch, was ich zum lesen okay finde, als Hörbuch suboptimal.
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Vieles von Clive Barker geht stimmungstechnisch in die gescuhte Richtung, ohne etwas vom "Mythos" mitzunehmen.
Eine andere Alternative wären die "Punktown"-Geschichten von Jeffrey Thomas
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Vieles von Clive Barker geht stimmungstechnisch in die gescuhte Richtung, ohne etwas vom "Mythos" mitzunehmen.
Eine andere Alternative wären die "Punktown"-Geschichten von Jeffrey Thomas
Jeffrey Thomas unterschreibe ich sofort. Der Band war richtig richtig gut!
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Ich werfe noch Whyborne & Griffin von Jordan L. Hawk in den Ring. Sehr lovecraftesk, manchmal Sittengemälde des ausgehenden 19. Jahrhunderts, teilweise urkomisch und man sollte keine Berührungsängste zu Liebesgeschichten zwischen zwei Männern haben.
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Wenn auch Graphic Novels zählen, dann würde ich Alan Moore (Neonomicon (kein Schreibfehler!), Providence) in den Raum werfen.
Jonathan L. Howard wäre auch empfehlenswert.
Einige Geschichten von Steven King haben auch Mythos-Bezug ("N." ist imo die beste davon).
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Wolfgang Hohlbein mit seiner "Hexer von Salem"-Reihe sollte noch erwähnt werden, wobei er sehr sehr frei mit dem Cthulhu-Mythos umgeht und die Schreibe nun mal 80er-Hohlbeinstil ist.
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Wenn auch Graphic Novels zählen, dann würde ich Alan Moore (Neonomicon (kein Schreibfehler!), Providence) in den Raum werfen.
+1 für die Providence-Reihe, die den Stoff grafisch gelungen und erzählerisch deutlich fokussierter verarbeitet. "Briefroman"-Elemente sind ein bißchen vorhanden, weil die Hauptfigur ein Journalist/Autor ist, der seine Erlebnisse niederschreibt und so hat man immer mal wieder 1-3 Seiten Text. Das fügt sich aber imho gelungen in die Geschichte eine.
Ansonsten lohnt sich Locecraft Country von Matt Ruff. Hat als Vorlage zur Serie nur rudimentär mit der Verfilmung zu tun, remixt das Thema aber ziemlich gelungen und hat definitiv Lovecraft'esque WTF!?-Momente. Liest sich auch sehr flüssig und spannend.
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+1 für Lovecraft Country, auch weil es dem rassistischen Ton von Lovecraft in einigen seiner Werke eine überzeugende schwarze Sicht entgegenstellt.
Ich hätte noch den Tentakel-Kult von China Mieville´s "Kraken" dazuzustellen
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Ich hätte noch den Tentakel-Kult von China Mieville´s "Kraken" dazuzustellen
Der ist weniger Lovecraft als mehr Unknown Armies, meiner Meinung nach. Aber ein tolles Buch.
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Nicht zu vergessen IMAGON von Michael Marrak, einer echt guten Story aus deutscher Feder.
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Wenn es nicht Cthulhu-Mythos sein muss: Mein Absoluter Lieblingsautor kosmischen Horrors ist Laird Barron, der vor allem ein Meister darin ist, darzustellen, wie seine Protagonisten (oft Alkoholiker, Kriminelle oder anderweitig "harte", aber zugleich psychologisch sehr brüchige Kerle) körperlich und geistig an dem Zerfallen, was ihnen begegnet, und zwar ohne dabei in Ekelbilder abzugleiten. Barron hat oft sehr starke Albtraumbilder, die eine unglaubliche Wucht besitzen und dann auch gleich wieder in den Hintergrund treten um Platz zu machen für den Slow Burn ...
Seine Mythologie ist ein ganz eigenes Ding, aber auch absolut kosmisch.
Ich fand die beiden ersten Storysammlungen, "The Imago Sequence" und "The Ocultation", bisher am besten von ihm, der Roman "The Croning" hat mir auuch gefallen.
Und ich habe für den Golkonda-Verlag eine Auswahl von 5 Stories (die, die ich zu dem Zeitpunkt am besten fand) von ihm übersetzt, unter dem Titel "Hallucigenia".
Auch toll finde ich John Langan, der schwankt allerdings ein bisschen zwischen kosmischen Elementen und klassischer Geistergeschichte. Sein Roman "The Fisherman" (gibt's auf Deutsch als "Der Angler") hat mich ganz schön beeindruckt, da denkt mann erst, Geistergeschichte, am Ende wird es allerdings extrem kosmisch ...
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Wenn es nicht zum Lesen, sondern zum Hören sein darf: "Korridore", ein Hörspiel-Podcast aus der ARD-Audiothek. Die Folgen sind einigermaßen kurz (die längste hat knapp 45 Minuten), ich hab das an zwei Abenden durchgehört und warte sehnsüchtig auf eine Fortsetzung (und da die ARD nicht Netflix ist, glaube ich auch, dass die kommt :D )
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Wolfgang Hohlbein mit seiner "Hexer von Salem"-Reihe sollte noch erwähnt werden, wobei er sehr sehr frei mit dem Cthulhu-Mythos umgeht und die Schreibe nun mal 80er-Hohlbeinstil ist.
Das wenige was ich davon gelesen habe ist weniger "Cosmic Horror" sondern mehr "Pulp Held vs Monster". Oder meintest du das mit 80er Hohlbeinstil ?
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Das wenige was ich davon gelesen habe ist weniger "Cosmic Horror" sondern mehr "Pulp Held vs Monster". Oder meintest du das mit 80er Hohlbeinstil ?
Eben dies. Die Hexer-Sachen erschienen auch ursprünglich als hurtig runterschriebene Heftromanreihe, die in jedem Heft irgendeinen Knaller einbauen musste, und wurden erst später zu Büchern kompiliert.
Muss man der richtige Typ sein um das zu mögen, ist auf jeden Fall ganz anders als HPL, auch wenn es sehr lose auf seinem Mythos basiert.
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Na ja, auch der Original-Lovecraft hat seine "pulpigen" Momente, und umgekehrt ist beim Hexer gerade der namensgebende Robert Craven längst nicht immer besonders heldenhaft, sondern neigt schon eher dazu, vor lauter persönlichen Problemen das größere Bild aus den Augen zu verlieren und regelmäßig von anderen wieder aus der Bredouille geholt werden zu müssen. Aber es stimmt schon: man muß sich in diesem Fall eben mit Hohlbeins statt mit Lovecrafts spezieller Schreibe anfreunden können, und seine Vorstellung von diversen Mythos-Klassikern wie Cthulhu, Hastur, Shoggothen und dergleichen mehr kann auch etwas eigen wirken, wenn man ihr anderweitig bereits vorbelastet begegnet (rein für sich betrachtet funktioniert sie dagegen schon einigermaßen).
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Der ist vielleicht auch was. Ist aber eher so hemdsärmeliger Horror.
(https://d.gr-assets.com/books/1214930147l/751823.jpg)