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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspieltheorien => Thema gestartet von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 11:04

Titel: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 11:04
Rollenspiele sind ein hybrides Medium. Eine Mischung aus Spiel und Narration. Die Art und Weise zu spielen ist ein Spektrum dazwischen.

Befasst man sich mit der wissenschaftlichen Theorie der Spiele, kommt man eigentlich nicht herum, sich mit Roger Caillois zu befassen. In „Die Spiele und die Menschen“ (1958) definiert er vier Grundkomponenten, von denen eines oder mehrere in Spielen vorkommen (jeweils auch in unterschiedlich starker Gewichtung):

agon (Wettkampf), alea (Zufall), illinx (Rausch), mimikry (Maskierung).

Agon sind Spiele und Sport, die auf Wettkampf beruhen. Als Beispiele nehmen wir mal Schach und Boxen. Es wird versucht, gleiche Voraussetzungen zu schaffen (beim Boxen etwas durch Gewichtsklassen) und letztlich entscheidet das Können. Dafür gibt es oftmals einen Schiedsrichter, der so neutral wie möglich sein muss.

Alea ist das Glücksspiel. Hier nehmen wir einfach die Würfel als Komponente. Die Würfel werden geworfen und die Spieler unterwerfen sich dem Ergebnis.

Illinx spielt beim Rollenspiel keine Rolle. Hier geht es um Bewegung, etwa wenn Kinder sich einen Abhang runterrollen lassen oder Drehspiele vollführen.

Mimikry ist die Maskierung. Räuber und Gendarm, das Kaufladenspiel oder das spielerische Darstellen eines Charakters.

In den meisten Rollenspielen haben wir einen Anteil an agon, alea und mimikry, der aber je nach Herangehensweise unterschiedlich gewichtet wird. Wir klammern hier mal reine Erzählspiele ohne Zufallskomponente aus (reines mimikry). Bei den anderen steht fest, dass alea respektiert wird. Ist dies nicht der Fall, dann entartet das Spiel, laut Callios. Denn wenn das Ergebnis der Würfel nichts mehr zählt, warum sollte mein Charakter jetzt sterben, wenn der Charakter meines Mitspielers in der letzten Sitzung gerettet wurde? Wie soll Spannung aufkommen, wenn ich weiß, ich kann meinen Charakter noch rausreden, egal was die Würfel anzeigen? Der ganze Teilbereich löst sich auf.

Viele Spielleiter erkennen dieses Dilemma intuitiv und so ist es leider zum guten Ton geworden, dass der Spielleiter zum Falschspieler wird (laut Caillios), indem er an den Würfeln dreht. Dies verhindert, dass das Spiel entartet, da der Spielleiter weiterhin vorgibt die Regeln zu respektieren. Er bricht sie aber, erwartet aber weiterhin, dass sich alle anderen den Regeln unterwerfen. Dass in vielen Regelwerken „Schummelparagraphen“ enthalten sind, ändert aber nichts daran: Der Spielleiter wird zum Falschspieler. Nicht umsonst wird da immer auch erwähnt, dass man es machen soll, ohne dass es die Mitspieler bemerken (hinter dem Spielleiterschirm). Daher stehen solche Absätze auch in separaten Spielleiterteilen, sofern diese vorhanden sind. Das Spiel würde sonst unweigerlich entarten. Ausnahmen sind entsprechende Sub-Systeme wie Bennies, Schicksalpunkte oder ähnliche Ressourcen. Hiermit kann eine Entwertung des alea vorgenommen werden, ohne dass das Spiel entarten muss.

Gerade auf Spielstile, die viel Wert auf agon legen, hat das aber weitere Auswirkungen: Ein gedrehter Würfel entwertet gleichzeitig das taktische Spiel. Denn ich kann in den meisten Spielen mit entsprechend taktischem Spiel die Wahrscheinlichkeiten zu meinen Gunsten verändern. Wenn der SL die Würfel hinter dem Schirm aber dreht, wie er will, gibt es keinen Grund mehr, die Würfelwahrscheinlichkeiten mit taktischem Spiel auf seine Seite zu bringen. Warum sollte ich mich von hinten im Dunkeln anschleichen, wenn der SL mich bei einem Frontalangriff auch rettet?
Im Grunde würde also nur noch mimikry verbleiben. 2/3 der Komponenten wären nur noch Schein und somit alles, was einemherausforderungsorientierten Spieler Spaß macht. Da ist es kaum verwunderlich, dass die entsprechend "allergisch" darauf reagieren.

Ein weiterer Punkt ist, dass ein Spielleiter kein neutraler Schiedsrichter sein kann, wenn er neben den Regeln auch noch der Narration verpflichtet ist. Man stelle sich vor, ein Fußball-Schiedsrichter hätte beim Leiten eines Spiels noch die Agenda, dass ein Fußballspiel möglichst lange spannend bleibt. Das ist ein Widerspruch in sich: Entweder ist er unparteiisch oder er hat eine Agenda. Bei Rollenspielen wäre diese Agenda eben die vorbereitete Narration.
Daher muss ein Spielstil, der auf Herausforderung beruht, zwangsläufig Abstriche bei der Narration machen. Die Narration muss aus den Ergebnissen des Spiel entstehen und nicht andersherum. Das Gegenbeispiel wären hier die pbtA-Spiele (die ich auch sehr gerne mag), bei denen aber das Spiel aus der Narration entsteht (die Narration triggert die Spielzüge). Das sind zwei völlig gegensätzliche Ansätze. Einer ist vom Spiel her gedacht, der andere von der Narration.

Ganz auflösbar ist dieses Dilemma aufgrund der hybriden Zusammensetzung des Rollenspiels allerdings nie. Man kann sich nur entscheiden, wie sehr man diese zwei Spektren an seinem Spieltisch gewichtet. Ist einem der spielerische oder der erzählerische Ansatz wichtiger? Je mehr ich in eine Richtung gehe, desto mehr Abstriche muss ich bei der anderen machen.

Aber pbtA-Systeme (mit den SL-Spielzügen? oder auch das Cypher-System (mit den SL-Eingriffen) machen vor, wie man als Spielleiter der Narration verpflichtet und trotzdem verregelt spielen kann, ohne zum Falschspieler werden zu müssen.

Denn letztlich bleibt eine Sache fest: Heimliches Würfeldrehen ist Falschspiel, egal bei welchem Ansatz.
 
Literaturtipps:

Roger Caillois – Die Spiele und die Menschen
Johannes Merkel – Spielen, erzählen, phantasieren
Johan Huizinga – Homo Ludens
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Sidekick-Kai am 28.02.2023 | 11:10
Das hier klingt nicht uninteressant. Ich setze mal ein Lesezeichen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 11:15
Ja, alles richtig und sehr schön ausformuliert. Im Grunde aber wieder nur GNS (wobei du die Simulation weglässt) und die altbekannte Spielertypen mit ihren unterschiedlichen Vorlieben und Gewichtungen.

Aus diesem inhärenten "Spannungsverhältnis" ergeben sich meiner Meinung nach aber auch keine Probleme, so lange man es erkennt und anerkennt und sich als Gruppe darauf einigt, wo man steht. Selbst das "Falschspielen" des SL ist ja von manchen Gruppen explizit gewollt und der SL wird auch nicht von allen als neutraler Schiedsrichter betrachtet.

Probleme gibt es immer erst, wenn entweder innerhalb der selben Gruppe unterschiedliche Vorstellungen vorherrschen, die nicht vereinbar sind oder jemand seine/ihre persönlichen Vorlieben als überlegen betrachtet und meint, das um jeden Preis vertreten zu müssen.

Illinx spielt beim Rollenspiel keine Rolle.
Da wäre ich mir nicht so sicher. Bei Konzepten wie Flow, Immersion oder Bleed sehe ich da schon Verbindungen (Ich hab mir den Begriff Illinx aber auch nur sehr oberflächlich gegoogelt, also korrigiert mich ruhig).
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 11:22
Mal ein paar lose Gedanken (mit Brainfog verfasst):

1. "Würfeldrehen ist Falschspiel", kann man so stehen lassen. Nur was, wenn es der Konsens der Gruppe ist, dass der SL dies eingeräumt wird, um Mimikry, also die Erzählung, "besser" zu machen (in der Annahme, dass die Gruppe der SL diese Kompetenz zugesteht)?
2. "Agon" ist der Wettkampf, von Dir als ein "Gegeneinander" beschrieben (mit den Beispielen). Es mag aber Gruppen, die die SL eher als Steuermann wie beim Rudern ansehen, nach dem Motto: "Alle in einem Boot, einer gibt den Takt vor...wir arbeiten aber gemeinsam." Da fällt auch der Schiedsrichteraspekt ein wenig raus, wobei er natürlich nie komplett raus sein kann.
3. Würfel können (für mich) nicht die alleinige Lösung eines Problems sein und damit nicht auch jede taktische Maßnahme rechtfertigen (also die Chance, dass sie mittels Wurf gelingen). Es bleibt immer noch der Faktor der "Unmöglichkeit", der bei einem reinen Glücksspiel ja so nicht existiert.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Jiba am 28.02.2023 | 11:24
Zwei Gedanken dazu.

Zitat
und so ist es leider zum guten Ton geworden, dass der Spielleiter zum Falschspieler wird

Das war vielleicht in den 90ern noch so, doch inzwischen ist Würfeldrehen in so gut wie allen Spielrichtungen verpönt. Hier im Forum wirst du, spielstilübergreifend, kaum davon lesen, dass das irgendwer gutheißt. Höchstens, wenn es Teil des Gruppenvertrags ist und mit den Spielern abgesprochen wurde, dass die SL das darf.

Tatsächlich sind die meisten narrativen Rollenspiele der letzten 20 Jahre auch aus dem Wunsch heraus entstanden, Regelwerke zu schaffen, die von sich aus narrative Dynamiken, Themen und Plotstrukturen abbilden, sodass ein "Würfeldrehen für die Story" gar nicht notwendig ist. Die Regelmechaniken selbst erzeugen diese Story nämlich von sich selbst aus bereits.

Würfeldrehen gehört also mitnichten "zum guten Ton". Da hat sich die Szene, zumindest die Szene der Vollblut-RPG-Nerds und Rollenspielautor:innen eigentlich zum Großteil von entfernt.

Zitat
Bei Rollenspielen wäre diese Agenda eben die vorbereitete Narration.
Bitte mache nicht den Fehler und setze narratives Rollenspiel mit vorbereiteter Narration gleich. Das ist nicht, worum es im narrativen Rollenspiel geht. Es soll eine gemeinsame Geschichte erspielt werden, bei der der Fokus auf den Charakteren und ihren Dilemata und Persönlichkeitsstrukturen legt. Auch steht nicht das Überwinden von Hindernissen im Fokus, sondern die Beziehung der Figuren untereinander und zur Spielwelt oder das Ausleuchten eines übergreifenden Themas (z.B. Krieg, Männlichkeitsbilder, Aufwachsen als Teenager, Abschlüssen, Einbrüche, Soap Opera, etc.).

Wie die Geschichte am Ende genau aussieht oder ausgeht, ist mitnichten vorbereitet oder festgelegt. Es gibt sicherlich Storygames mit festem Ausgang ("Bluebeard's Bride", "Kagematsu", "Ten Candles"), aber eben auch sehr viele, bei denen es eben außer einigen thematischen Zielpfosten wenige Festlegungen gibt. Die "Powered by the Apocalypse"-Spiele schreiben sich sogar "Play to find out" als explizite Anweisung ins Regelwerk. (edit: Ah, okay, die hast du genannt.  :) )

Zitat
Da wäre ich mir nicht so sicher. Bei Konzepten wie Flow, Immersion oder Bleed sehe ich da schon Verbindungen (Ich hab mir den Begriff Illinx aber auch nur sehr oberflächlich gegoogelt, also korrigiert mich ruhig).
Illinx würde ich nicht einmal in Bezug auf Bewegungen abtun. Da wäre die Haptik des Würfelns und Miniaturensetzens und die Körperlichkeit einer expressiven Charakterdarstellung, die auch in diese Kategorie fallen könnten.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 11:29
Das war vielleicht in den 90ern noch so, doch inzwischen ist Würfeldrehen in so gut wie allen Spielrichtungen verpönt. Hier im Forum wirst du, spielstilübergreifend, kaum davon lesen, dass das irgendwer gutheißt.
Konkretes Würfeldrehen hat ein gewisses Stigma, das ist richtig. Aber ich behaupte mal, es ist nicht unüblich, dass Spielleitungen die Situation verändern um die Spannung zu fördern/erhalten.
Der Kampf gegen den Endgegner ist zu leicht und droht uninteressant zu werden? Zusätzliche Schergen stürmen auf dass Feld oder der Endboss bekommt ein paar Trefferpunkte mehr oder eine zusätzliche passende aber vorher nicht geplante Fähigkeit. Ich denke, das ist in vielen Runden durchaus verbreitet und eigentlich nicht wirklich etwas anderes als Würfeldrehen, weil die Wahrscheinlichkeiten im Sinne der Narration von der SL willkürlich verändert werden.
Einige Systeme versuchen das in einem gewissen Rahmen zu verregeln, wie die Finsternispunkte bei Coriolis oder die SL-Eingriffe beim Cypher System, aber ich denke, oft wird das einfach so gemacht und man verliert kein Wort darüber.

und so ist es leider zum guten Ton geworden, dass der Spielleiter zum Falschspieler wird
Der Einleitungstext ist interessant geschrieben, aber man merkt aus Aussagen wie dieser dann doch auch deine Präferenzen heraus, das finde ich etwas schade, weil es eine neutrale Diskussion erschwert, indem es automatisch wieder eine Seite in eine Verteidigungshaltung drängt. Und die Diskussionskultur zwischen den Gruppen ist ja aktuell schon ziemlich aufgeladen. Ich hoffe, das dieser Bereich nicht auch abgleitet, weil er durchaus Potential für einen interessanten Austausch hat. Mich hätte ja durchaus auch der Faden zu ARS interessiert, aber da ist mir dann schnell die Lust vergangen. Ich lese hier jetzt aber erst mal interessiert mit und hoffe das Beste.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Jiba am 28.02.2023 | 11:36
weil die Wahrscheinlichkeiten im Sinne der Narration von der SL willkürlich verändert werden.

Das werden sie doch, wenn ich sie nicht grade auswürfle, aus einem Buch nehme oder im Vorfeld vorbereite, immer. Damit wäre ja improvisiertes Rollenspiel von Vornherein eine Form des Schummelns, oder nicht?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 11:46
Mal ein paar lose Gedanken (mit Brainfog verfasst):

1. "Würfeldrehen ist Falschspiel", kann man so stehen lassen. Nur was, wenn es der Konsens der Gruppe ist, dass der SL dies eingeräumt wird, um Mimikry, also die Erzählung, "besser" zu machen (in der Annahme, dass die Gruppe der SL diese Kompetenz zugesteht)?
2. "Agon" ist der Wettkampf, von Dir als ein "Gegeneinander" beschrieben (mit den Beispielen). Es mag aber Gruppen, die die SL eher als Steuermann wie beim Rudern ansehen, nach dem Motto: "Alle in einem Boot, einer gibt den Takt vor...wir arbeiten aber gemeinsam." Da fällt auch der Schiedsrichteraspekt ein wenig raus, wobei er natürlich nie komplett raus sein kann.
3. Würfel können (für mich) nicht die alleinige Lösung eines Problems sein und damit nicht auch jede taktische Maßnahme rechtfertigen (also die Chance, dass sie mittels Wurf gelingen). Es bleibt immer noch der Faktor der "Unmöglichkeit", der bei einem reinen Glücksspiel ja so nicht existiert.

1. Dann spielen sie trotzdem reines mimikry. Sie mögen damit zufrieden sein, dass die anderen Teile noch als Illusion da sind, aber nüchtern betrachtet sind sie das nicht. Wenn das allen so Spaß macht: Wunderbar. 

2. Die Spieler haben die Welt als Gegner, nicht den SL. Der ist Schiedsrichter und versucht die Welt möglichst plausibel und nachvollziehbar darzustellen. Das sieht man gut daran, dass dem SL ja auch nicht um gewinnen oder verlieren gehen kann. Er könnte das ja auch einfach entscheiden, wenn er auf einer Seite stehen würde (es kommen immer mehr Monster oder die haben auf einmal alle Herzinfarkte). Und auch hier: Ist der SL der Steuermann der Spieler, dann ist agon nicht gegeben, weil er nicht unparteiisch sein kann. Da müsste er an der Ziellinie stehen und schauen welches Boot zuerst ankommt: Das der Spieler oder das der Gegner. Er kann (und sollte) ja den Spielern auch die Daumen drücken, aber das darf seine Entscheidung nicht beeinflussen. Immer unter dem Gesichtspunkt, dass man ein möglichst reines agon gewährleisten möchte. Und auch hier werden jedem SL Fehler unterlaufen. Kein Schiedsrichter ist fehlerlos. Das löscht agon nicht aus.

3. Würfel sind dazu da um Situationen zu entscheiden, die unklar sind. Etwas unmögliches ist klar und muss damit nicht entschieden werden. Ebenso muss nicht gewürfelt werden, wenn agon von den Spielern so gut gemacht wird, dass kein Zweifel am Ausgang einer Situation mehr herrscht (ghoul hat das demletzt schön formuliert, ich habs jetzt aber auf die Schnelle leider nicht gefunden).
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 28.02.2023 | 11:47
Das werden sie doch, wenn ich sie nicht grade auswürfle, aus einem Buch nehme oder im Vorfeld vorbereite, immer. Damit wäre ja improvisiertes Rollenspiel von Vornherein eine Form des Schummelns, oder nicht?

Im Prinzip ja. Ein Spieler will eine Aktion durchführen, die ich als SL nicht schon Tage vorher vorhergesehen habe, und ich entscheide spontan, ob er Erfolg hat oder nicht oder ob er zur Ermittlung des Ausgangs einen bestimmten Wurf machen soll, den ich mir auch gerade in dem Moment aus den Fingern sauge -- ist das jetzt noch "ehrlich" gespielt oder schon "gemogelt"? Denn egal, wie man das sieht, zu meinen grundlegendsten Aufgaben gehören solche Sachen doch auf jeden Fall... :think:
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: AlucartDante am 28.02.2023 | 11:47
Ja eine gute Analyse und dieses Dilemma besteht grundsätzlich, ähnlich wie zwischen Railroading und Sandbox.

Ausnahmen sind entsprechende Sub-Systeme wie Bennies, Schicksalpunkte oder ähnliche Ressourcen. Hiermit kann eine Entwertung des alea vorgenommen werden, ohne dass das Spiel entarten muss.
...
Denn letztlich bleibt eine Sache fest: Heimliches Würfeldrehen ist Falschspiel, egal bei welchem Ansatz.

Der Punkt erschließt sich mir nicht. Entweder wir definieren Falsch spielen sehr weit, dann sind Schicksalspunkte eben eine Erlaubnis zum Falsch spielen. Oder es ist eben eine regelhafte Erlaubnis und kein Falsch spielen. Wenn der Spielleiter aber laut Regeln eine endlose Mende an Schicksalspunkten hat, dann ist er auch kein Falschspieler. Ich würde zu ersterer Sicht tendieren, weswegen ich keine Schicksalspunkte mag.

Etwas zu kurz kommt mir, dass beim Rollenspiel aber immer der Alea Part sekundär ist. Es gibt keine (kaum) Rollenspiele, bei denen die Spieler gegenseitig antreten und der Spielleiter Schiedsrichter ist. Wenn der Spielleiter die Kampagne damit beginnt, dass die Stufe 1 Helden in einer Höhle mit einem großen alten Drachen stehen, der sie vernichten will und niemand an Würfeln dreht, wird es den Spielern doch irgendwie unfair vorkommen, wenn sie ins Gras beißen. Der große Rahmen ist immer die Erzählung, ob bei Combat as Sport oder as War, immer erschafft der Spielleiter die Bedingungen. Ein Schiedsrichter im Fußball wählt nicht das Spielfeld, das gegnerische Team, etc aus.

Hinzu kommt, dass der Spielleiter immer ja auch das Schicksal und Götter und Geschichte darstellt. Wenn ich als Spielleiter die Geschichte beginne "Ihr sitzt zusammen in einer Taverne, die Wirtin ist die Inhaberin, eine..." könnte ein Spieler einwerfen "Moment, warum ist das so? Hat die überhaupt die Probe auf Betriebswirtschaft bestanden? Warum muss die nicht Würfeln? Spielst du wieder falsch?" Naja dann bin ich genervt und finde das nicht zielführend, auch wenn der Spieler Recht hat. Wenn ein Spieler stirbt, kann ich als Spielleiter beschließen, dass der Gott des Todes ein Vetorecht als Feat hat. Habe ich dann am Würfel gedreht?

Jetzt könnte man meinen, es ist nur Falschspiel, wenn gewürfelt wird, der Wurf aber nichts zählt. Ich finde es wichtig, manchmal vorzutäuschen, dass etwas Alea/Zufall ist, obwohl es Plot ist. Beispielsweise würfelt Bilbo zufällig darauf, ob er den Ring findet, was er nicht weiß, der Ring hat ihn gefunden und das ist kein Zufall. Oder ich würfele und eine Streife kommt scheinbar zufällig vorbei. In Wirklichkeit kommt die gar nicht zufällig vorbei, sondern wurde Person X angerufen...

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Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: ghoul am 28.02.2023 | 11:51
(ghoul hat das demletzt schön formuliert, ich habs jetzt aber auf die Schnelle leider nicht gefunden).

Du wirst sicher verstehen, warum ghoul sich in diesem Forum nicht mehr an Diskussionen zu SchErz, ARS etc beteiligen wird.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Jiba am 28.02.2023 | 11:52
Zitat
Etwas unmögliches ist klar und muss damit nicht entschieden werden.

Und woher weißt du, dass etwas "unmöglich" ist. Das ist doch mitunter auch willkürlich entschieden. Man hat schon Pferde kotzen sehen...  ;)

Zitat
1. Dann spielen sie trotzdem reines mimikry. Sie mögen damit zufrieden sein, dass die anderen Teile noch als Illusion da sind, aber nüchtern betrachtet sind sie das nicht. Wenn das allen so Spaß macht: Wunderbar.

Und das ist mir wiederum zu sehr in Extremen gedacht. Denn wann die Gruppe das Würfeldrehen als genehm empfindet oder nicht, kann auch sehr situationsabhängig sein. Nur weil sie das drehen in einer ganz bestimmten, spezifischen Situation als erlaubt ansehen, weil sonst alle keinen Spaß mehr hätten, heißt das nicht, dass sie es in allen Situationen so sehen und bloß Mimikry spielen wollen.

Du beschreibst hier Skalen. Da gibt es kein "Entweder agon/alea oder eben nicht".

Zitat
Dies verhindert, dass das Spiel entartet, da der Spielleiter weiterhin vorgibt die Regeln zu respektieren.
Ist "entartet" deine Wortwahl oder Caillois'?
Wenn's deine ist, dann möchte ich bitten, dass du dir einen Begriff aussuchst, der, keine Ahnung, ein wenig neutraler den Sachverhalt beschreibt. Es geht uns ja hier um eine wissenschaftliche Betrachtungsweise.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 28.02.2023 | 11:59
Interessant, das hier. Abonniert.

Und:
Wenn der SL mitten im Spiel beschließt "Okay, der Endboss ist einen Tacken zu heftig für die Gruppe, ich geb dem zehn Lebenspunkte weniger, und Kampfmanöver Haumichtot kann er doch nicht.", so ist das geschummelt.

Wenn er den gleichen Gedankengang einen Tag vorher beim Planen des Abenteuers hatte, ist das nicht geschummelt?

Ist Schummeln technisch einfach das Ignorieren bereits gesetzter Werte und Grenzen?

Dann wäre Improvisieren aber kein Schummeln, oder?

Die SC entschließen sich, anstatt den Dungeon zu stürmen, lieber den Wald zu durchforsten, für den weder Abenteuermodul noch SL beteits irgendwas festgelegt haben. Also lasse ich sie auf ein Goblinlager stossen (würde zum Ruf der Gegend passen), und ich benutze dann vorgefertigte Goblinwerte.
Da wird damit ja nichts Etabliertem widersprochen oder irgendeine Regel gebrochen. Schummelei ist das ja nicht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 12:00
Der Einleitungstext ist interessant geschrieben, aber man merkt aus Aussagen wie dieser dann doch auch deine Präferenzen heraus, das finde ich etwas schade, weil es eine neutrale Diskussion erschwert, indem es automatisch wieder eine Seite in eine Verteidigungshaltung drängt. Und die Diskussionskultur zwischen den Gruppen ist ja aktuell schon ziemlich aufgeladen. Ich hoffe, das dieser Bereich nicht auch abgleitet, weil er durchaus Potential für einen interessanten Austausch hat. Mich hätte ja durchaus auch der Faden zu ARS interessiert, aber da ist mir dann schnell die Lust vergangen. Ich lese hier jetzt aber erst mal interessiert mit und hoffe das Beste.

Das willst du da herauslesen. Eigentlich bin ich ein ziemlicher method actor, wenn es nach Laws gehen würde. Daher hab ich da gar keine Verteidigungshaltung, weil ich eigentlich im ganzen Spektrum meinen Spaß haben kann. Bei einer Runde Monsegur 1244 ebenso wie bei Labyrinth Lord (meine Gruppe hält immer noch den Negativrekord beim Turnierabenteuer auf der RPC). Das ist auch alles in keiner Weise wertend. Das ist nur aus spielwissenschaftlicher Sicht. Ich sehe das als Kulturwissenschaftler mit den Schwerpunkten Geschichte und Literaturwissenschaft.

@Jiba: Wie entscheidet der Schiedsrichter, was ein Foul ist? Nach dem Regelwerk und wenn das nicht greift, nach fairen Menschenverstand. Da sind Fehler nicht ausgeschlossen. Das sind sie nie. Es geht darum, es so gut wie möglich zu machen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 12:00
Es gibt keine (kaum) Rollenspiele, bei denen die Spieler gegenseitig antreten und der Spielleiter Schiedsrichter ist. Wenn der Spielleiter die Kampagne damit beginnt, dass die Stufe 1 Helden in einer Höhle mit einem großen alten Drachen stehen, der sie vernichten will und niemand an Würfeln dreht, wird es den Spielern doch irgendwie unfair vorkommen, wenn sie ins Gras beißen. Der große Rahmen ist immer die Erzählung, ob bei Combat as Sport oder as War, immer erschafft der Spielleiter die Bedingungen. Ein Schiedsrichter im Fußball wählt nicht das Spielfeld, das gegnerische Team, etc aus.
Guter Punkt. Aus dieser Perspektive kann es die SL als absolut neutralen Schiedsrichter eigentlich nur geben, wenn die komplette Zustandsmaschine von extern vorgegeben wird und auch für die SL nicht beeinflussbar ist? Was im Grunde ein Kaufabenteuer wäre, was von den meisten Anhängern des Spielstils ja eher abgelehnt wird, oder?

Ich denke man sieht daran, dass es eben nicht nur zwei Varianten gibt, sondern ein Kontinuum ohne klare Grenzen, in dem die SL die Situation mehr oder weniger stark beeinflusst. Aber sie verändert die Bedingungen immer, indem sie bestimmt wann gewürfelt wird, was gewürfelt wird und warum gewürfelt wird. Alles z.T. im Vornherein, zum Teil im Spiel. Denn wenn sie das nicht täte, bräuchte es keine SL.

Das willst du da herauslesen. Eigentlich bin ich ein ziemlicher method actor, wenn es nach Laws gehen würde. Daher hab ich da gar keine Verteidigungshaltung, weil ich eigentlich im ganzen Spektrum meinen Spaß haben kann. Bei einer Runde Monsegur 1244 ebenso wie bei Labyrinth Lord (meine Gruppe hält immer noch den Negativrekord beim Turnierabenteuer auf der RPC). Das ist auch alles in keiner Weise wertend. Das ist nur aus spielwissenschaftlicher Sicht. Ich sehe das als Kulturwissenschaftler mit den Schwerpunkten Geschichte und Literaturwissenschaft.
Danke für die Klarstellung.

Der Spielleiter als neutraler Schiedsrichter ist ja gerade auch im OSR-Bereich ein Thema. Und gerade dort gilt dann oft auch Rulings over Rules, d.h. die SL entscheidet z.T. spontan über neue Regeln. Wie verträgt sich das eigentlich?

@Jiba: Wie entscheidet der Schiedsrichter, was ein Foul ist? Nach dem Regelwerk und wenn das nicht greift, nach fairen Menschenverstand. Da sind Fehler nicht ausgeschlossen. Das sind sie nie. Es geht darum, es so gut wie möglich zu machen.
Um beim Fußballbeispiel zu bleiben: Eine RP-SL würde entscheiden, ob bei einem der Teams ein Baum vor dem Tor steht und wie groß die jeweiligen Spielfeldhälften sind, bevor das Spiel losgeht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Jiba am 28.02.2023 | 12:08
Wenn der SL mitten im Spiel beschließt "Okay, der Endboss ist einen Tacken zu heftig für die Gruppe, ich geb dem zehn Lebenspunkte weniger, und Kampfmanöver Haumichtot kann er doch nicht.", so ist das geschummelt.

Okay, das ist vielleicht OT, aber es fällt mir schwierig vorzustellen, dass dieser Level an akribischer On-the-fly-Reflexion am Spieltisch überhaupt real stattfindet. Ein SL kann sich auch mittels kognitiver Fehlschlüsse und Selbsttäuschung in die Situation bringen, in der ihm gar nicht klar ist, dass er grade bescheißt.

Etwa, indem er eine Fähigkeit, die ein Gegner hat, eben nicht einsetzt, ohne genau zu reflektieren, warum.

Also mir fallen da viele Grenzfälle ein, gerade bei regelarmen Systemen, indem es einfach keine Mechanik gibt die etwas Bestimmtes möglich oder unmöglich macht. Was in einem System also Schummeln ist, ist es im anderen nicht, obwohl am Spieltisch genau dieselbe Situation stattfindet.

Insofern könnte man in narrativen Rollenspielen auch schummeln, wenn man ihre Regeln nicht korrekt anwendet, zu Ungunsten der anderen Mitspieler.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 12:11
Interessant, das hier. Abonniert.

Und:
Wenn der SL mitten im Spiel beschließt "Okay, der Endboss ist einen Tacken zu heftig für die Gruppe, ich geb dem zehn Lebenspunkte weniger, und Kampfmanöver Haumichtot kann er doch nicht.", so ist das geschummelt.

Wenn er den gleichen Gedankengang einen Tag vorher beim Planen des Abenteuers hatte, ist das nicht geschummelt?

Ist Schummeln technisch einfach das Ignorieren bereits gesetzter Werte und Grenzen?

Dann wäre Improvisieren aber kein Schummeln, oder?

Die SC entschließen sich, anstatt den Dungeon zu stürmen, lieber den Wald zu durchforsten, für den weder Abenteuermodul noch SL beteits irgendwas festgelegt haben. Also lasse ich sie auf ein Goblinlager stossen (würde zum Ruf der Gegend passen), und ich benutze dann vorgefertigte Goblinwerte.
Da wird damit ja nichts Etabliertem widersprochen oder irgendeine Regel gebrochen. Schummelei ist das ja nicht.

Würfeldrehen ist Falschspiel. Was du beschreibst ist aber nicht alea, sondern betrifft agon. Das ist nämlich der Versuch gleiche Voraussetzungen zu schaffen (Gewichtsklassen). Das ist ein wichtiger Unterschied. Das Spiel entartet nicht, wenn der SL da einen Fehler gemacht hat. Was du beschreibst ist vielmehr der Versuch Fairness wieder herzustellen. Noch besser wäre es aber, wenn die Spieler vorher möglichst genau einschätzen können, was der Endboss kann und selbst entscheiden ob und wie sie gegen den kämpfen wollen. Immer unter dem Gesichtspunkt, wie stark du agon gewichten möchtest.

Das mit dem Goblinlager ist ähnlich. Pefekt wäre es aus agon-Sicht, das ganze wäre vorbereitet. Aber niemand verlangt Perfektion. Und Falschspiel ist es schon gar nicht. Würfeldrehen ist Falschspiel.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 12:13
Zitat
Okay, das ist vielleicht OT, aber es fällt mir schwierig vorzustellen, dass dieser Level an akribischer On-the-fly-Reflexion am Spieltisch überhaupt real stattfindet. Ein SL kann sich auch mittels kognitiver Fehlschlüsse und Selbsttäuschung in die Situation bringen, in der ihm gar nicht klar ist, dass er grade bescheißt.
Um das mal zu konkretisieren:
Doch, das passiert sogar recht oft (also nicht das Ändern, sondern die Reflexion), wenn man ein wenig System Mastery mitbringt. Und Ja, man kommt da in Graubereiche, weil man als SL auch "taktisch" spielt und eventuell in der Zwickmühle zwischen "plausibel", "möglich" oder "eher nicht, weil zu stark" bei der Anwendung einer Fähigkeit des Gegners ist. (Bsp.: D&D 5E).
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 12:17
Das mit dem Goblinlager ist ähnlich. Pefekt wäre es aus agon-Sicht, das ganze wäre vorbereitet. Aber niemand verlangt Perfektion. Und Falschspiel ist es schon gar nicht. Würfeldrehen ist Falschspiel.
Also ist es Falschspiel, das Wurfergebnis zu manipulieren aber nicht, vor dem Wurf die Situation so aufzubauen, dass ein anderes Wurfergebnis notwendig ist? Ist das nicht eine ziemlich willkürliche Definition?
Das ist für mich irgendwie als wäre es Falschspiel, eine gezogene Karte heimlich auszutauschen, aber nicht, ein vorsortiertes Kartendeck zu benutzen.

Das Problem sehe ich hier ja vor allem, weil der verwendete Begriff Falschspiel automatisch negativ annonciert ist. Ansonsten geht es ja erst wieder darum was das Ziel ist.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 28.02.2023 | 12:18
Jiba, an deinem Gedanken, dass ein SL so etwas unbewusst macht, ist vielleicht was dran. Allerdings kann es ja auch sein, dass das Anwenden bestimmter Manöver der Villains nicht zwingend vorgeschrieben ist, sondern es ist einfach ein Instrumentarium, das diesem zur Verfügung steht. Da kann es ja durchaus sein, dass das ne taktische Erwägung der NPC ist, Move TotalKill jetzt noch nicht einzusetzen.
Überhaupt, taktisches Agieren der NPC: klar, wenn die definiert sind als "bunch of bumbling idiots", dann ist dämliches Verhalten im Gefecht völlig unschummelig.
Umgekehrt sollte der MasterTacticianVillain so effizient wie möglich geführt werden.
Aber ich kenne viele Systeme, da weiss man nicht, ausser den reinen Werten, wie taktisch klug agieren die denn?
 Übrigens OT: ein Grund mehr, warum ich Heavy Gear liebe: bei wichtigen NPC steht da immer dabei, wie die sich im Kampf verhalten, egal ob Elitesoldat oder Starreporter. :)

@AlterPottwal: Oh, ja, macht Sinn.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Blechpirat am 28.02.2023 | 12:20
Würfeldrehen ist Falschspiel. Was du beschreibst ist aber nicht alea, sondern betrifft agon. Das ist nämlich der Versuch gleiche Voraussetzungen zu schaffen (Gewichtsklassen). Das ist ein wichtiger Unterschied. Das Spiel entartet nicht, wenn der SL da einen Fehler gemacht hat. Was du beschreibst ist vielmehr der Versuch Fairness wieder herzustellen. Noch besser wäre es aber, wenn die Spieler vorher möglichst genau einschätzen können, was der Endboss kann und selbst entscheiden ob und wie sie gegen den kämpfen wollen. Immer unter dem Gesichtspunkt, wie stark du agon gewichten möchtest.

Das ist ein spannender Ansatz. Gefühlt richtig, aber... :D

Fairness (wie in deinem Beispiel mit den Gewichtsklassen) könnte der SL doch auch durch Würfeldrehen herstellen, oder? Etwa, wenn er den Eindruck hat, dass die Vermittlung der Gefährlichkeit/Gewichtsklasse des Gegners fehlerhaft war? Umgekehrt ist es doch das Streben der Spieler, Unfairness zu ihren Gunsten herzustellen. Agon würde da den SL dazu drängen, den Endboss aufzuwerten, um einen fairen Kampf zu haben - das würde aber die Handlungen der Spieler entwerten.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 12:21
Der Spielleiter als neutraler Schiedsrichter ist ja gerade auch im OSR-Bereich ein Thema. Und gerade dort gilt dann oft auch Rulings over Rules, d.h. die SL entscheidet z.T. spontan über neue Regeln. Wie verträgt sich das eigentlich?

Er entscheidet nach bestmöglichem Wissen und Gewissen aus spielerischer Sicht. Nochmal: Niemand erwartet Perfektion. Die ist nicht möglich. Man kann nur versuchen es so gut wie möglich zu machen.

Um beim Fußballbeispiel zu bleiben: Eine RP-SL würde entscheiden, ob bei einem der Teams ein Baum vor dem Tor steht und wie groß die jeweiligen Spielfeldhälften sind, bevor das Spiel losgeht.

Da sind wir wieder bei dem Punkt, dass ich möglichst gleiche Voraussetzungen schaffen muss, wenn ich agon gewährleisten will. Nimm Schach: Es wäre kein gutes agon, wenn einer der Spieler mehr Damen als der andere hätte oder einer keine.

@Jiba: Fehler machen ist nicht bescheißen. Bescheißen ist bescheißen. Was du als bescheißen betitelst ist eine bewusste Sache. Das was du meinst sind Fehler und die macht jeder ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 12:27
Auch, wenn ich da einen Schritt zurückgehen muss, dann mal zur Basis:

Wann fängt das Schummeln an? (und zwar konkret auf Würfel bezogen)

a) Ich verändere als SL den eigenen Wurf und den eines Mitespielenden (indirekt) im Kampf. --> Gehe ich mit.
b) Ich würfel vorher die HP der Gegner aus (mag den Mittelwert nicht nehmen), bin unzufrieden mit dem Ergebnis (quasi bei der Welterstellung). Ich re-rolle. -->?
c) Auf D&D 5E als Beispiel bezogen: Ich würfel eine 5 oder 6 für die Aufladung einer Fähigleit eines Gegners ("Recharge"), wende sie aber als SL nicht an. -->?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 12:29
Da sind wir wieder bei dem Punkt, dass ich möglichst gleiche Voraussetzungen schaffen muss, wenn ich agon gewährleisten will.
Gute Argumentation, kann ich stehen lassen.

Mein Spielstil wird es wohl trotzdem nie werden  ;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 12:30
Also ist es Falschspiel, das Wurfergebnis zu manipulieren aber nicht, vor dem Wurf die Situation so aufzubauen, dass ein anderes Wurfergebnis notwendig ist? Ist das nicht eine ziemlich willkürliche Definition?
Das ist für mich irgendwie als wäre es Falschspiel, eine gezogene Karte heimlich auszutauschen, aber nicht, ein vorsortiertes Kartendeck zu benutzen.

Das Problem sehe ich hier ja vor allem, weil der verwendete Begriff Falschspiel automatisch negativ annonciert ist. Ansonsten geht es ja erst wieder darum was das Ziel ist.

Bei alea unterwerfen sich alle dem Zufall bzw. dem Glück. Das dann nicht zu respektieren ist Falschspiel. Das ist auch nicht wertend, das ist ein spielewissenschftlicher Begriff (was viel dazu beiträgt, dass es schwer ist das zu diskutieren, weil sich Leute angegriffen fühlen).

Zu deiner Kartenannalogie: Beides ist Falschspiel, denn alea wird nur vorgetäuscht. Wenn du weißt was du ziehst, dann ist es kein Glück und kein Zufall. Das wären keine gedrehten Würfel, sondern gezinkte Würfel. Es bleibt aber Falschspiel.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: KWÜTEG GRÄÜWÖLF am 28.02.2023 | 12:37
Interessant ist es auch, wenn man mal mit einem gängigen generischen Fantasybrettspiel vergleicht, denn da ist tatsächlich dann alles klar geregelt. Es kann Charakterentwicklung geben, und Zufallsbegnungen, aber das ist alles durch Kartenstapel/Tabellen automatisiert.
Ich glaube, das ist auch so ein bisschen das Ideal, das wir da unbewusst im Hinterkopf haben, wenn wir von Geschummel reden.

Wobei ein Rollenspiel ja quasi ein Brettspiel sein kann, bei dem die Grundregeln schon feststehen, aber die Details erst im Spiel selber entstehen.

 Da dies durch Menschen geschieht, kommt hier ein subjektiver emotionaler Faktor ins Spiel. Was ja auch Spaß machen kann.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 12:45
Das ist ein spannender Ansatz. Gefühlt richtig, aber... :D

Fairness (wie in deinem Beispiel mit den Gewichtsklassen) könnte der SL doch auch durch Würfeldrehen herstellen, oder? Etwa, wenn er den Eindruck hat, dass die Vermittlung der Gefährlichkeit/Gewichtsklasse des Gegners fehlerhaft war? Umgekehrt ist es doch das Streben der Spieler, Unfairness zu ihren Gunsten herzustellen. Agon würde da den SL dazu drängen, den Endboss aufzuwerten, um einen fairen Kampf zu haben - das würde aber die Handlungen der Spieler entwerten.

Das kann er machen. Aber dann ist es Falschspiel. Er muss sich ja alea nicht unterwerfen. Macht er es aber, dann muss er sich daran halten. Alles andere wäre Falschspiel.

Die Unfairness in deinem Beispiel ist keine Unfairness, sondern taktisch gutes Spiel der Spieler. Wenn sie einen gutes taktisches Vorgehen haben, das ist es nicht Unfairness, sondern sie haben sich das verdient.

@Rhylthar:

1. logisch
2. ebenso. Entweder würfelst du freiwillig oder das Spiel gibt es vor. Beide Male unterwirfst du dich dem Glück/dem Zufall (alea) und musst das Ergebnis akzeptieren. Sonst ist es Falschspiel.
3. Kein Falschspiel. Die Anwendung fällt unter agon. Ist es sinnvoll, dass er die Kraft jetzt einsetzt oder nicht? Solange du das nach bestem Wissen und Gewissen entscheidest (aus Sicht des Gegners) ist das völlig in Ordnung. Auch hier wieder der Vergleich zum Schachspiel: Es gibt gute und schlechte Züge. Aber solange der Zug erlaubt ist, ist es kein Falschspiel.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: gunware am 28.02.2023 | 12:45
Wenn in den Regeln steht, dass der Spieler, der die Spielleitung macht, Würfe ignorieren darf, dann ist es genauso kein Falschspiel, wie wenn der Torwart beim Fußball den Ball in die Hand nimmt. Obwohl alle anderen Spieler den Ball nicht in die Hand nehmen dürfen. Zum Falschspiel wird es erst, wenn er es in einem nicht erlaubten Bereich tut.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 12:52
Wenn in den Regeln steht, dass der Spieler, der die Spielleitung macht, Würfe ignorieren darf, dann ist es genauso kein Falschspiel, wie wenn der Torwart beim Fußball den Ball in die Hand nimmt. Obwohl alle anderen Spieler den Ball nicht in die Hand nehmen dürfen. Zum Falschspiel wird es erst, wenn er es in einem nicht erlaubten Bereich tut.

Spielwissenschaftlich ist das leider falsch. Findet alea statt, dann muss das Ergebnis respektiert werden, sonst entartet das Spiel. Wenn sich das Spiel schon selbst vorher entartet, ändert das daran nichts

Der Vergleich mit dem Fußball passt hier nicht, weil es kein Zufall ist, wer den Ball in die Hand nehmen darf. Das ist vorher festgeschrieben und niemand hat sich hier dem Zufall/Glück unterworfen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 12:53
Ich weiss, Teufels Advokat und so, aber:

Zitat
2. ebenso. Entweder würfelst du freiwillig oder das Spiel gibt es vor. Beide Male unterwirfst du dich dem Glück/dem Zufall (alea) und musst das Ergebnis akzeptieren. Sonst ist es Falschspiel.
Dann ignoriere ich einfach den Einsatz von Würfeln und nehme einen beliebigen Wert nach meinem Gusto. Denn das Spiel gibt mir ja eine Spannbreite vor. Dann wäre es okay?

Ich sehe da auch einen potenziellen Konflikt zwischen innerweltlicher Plausibilität und dem Würfelergebnis. Insbesondere dann, wenn ich z. B. auf nicht selbsterstelltes Material zurückgreife.
Konkret: HEXfeld #37 sagt: Gefährlicher Roter Drache, bedroht die umliegenden Ortschaften. Mein Würfelergebnis ist extrem...der Drache ist alles, aber nicht gefährlich, durch sein Fehlen an HP.

Entweder ändere ich jetzt die Welt, damit die Spielenden "passende Infos" erhalten ("Roter Drache, aber eher zurückgezogen...) oder lasse sie so und habe am Ende ein Szenario für die Spielenden, das nicht mit den Beschreibungen übereinstimmt.

Schwierig.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 28.02.2023 | 13:03
Würfel drehen "muss" man als SL nur, wenn man
1. Würfelt oder Würfeln lässt obwohl man mit einem bestimmten Ergebnis nicht leben will.
(Dann doch lieber gleich auf den Wurf verzichten)
Wer würfelt nimmt alle dadurch möglichen Ergebnisse in Kauf.

2. Wie 1. Nur dass es zusätzlich keine Rettungsnetze gibt.
(Die das Desaster noch anwenden könnten)
Wie zum Beispiel: Gummipunkte, Wiederbelebung  uÄ.

Nicht das Narrativ ist mMn. das Problem, sondern mangelhafte Regeln oder Anwendung.

Edit.
In einem guten Spiel - unterstützen die Regeln lediglich das Narrativ (Rollenspiel).
Sie blockieren es nicht.

Als SL kann man auch entscheiden, dass
1. Etwas einfach gelingt (ohne Würfeln)
2. Die Ergebnisse kein Worst Case beinhalten
3. Es bestimmte Rettungsanker gibt, für den Worst Case.


Ein "Ich musste jetzt würfeln lassen", und " es musste der Worst Case dabei sein " und"Ich musste auf Rettungsnetze verzichten " trifft sehr häufig einfach nicht zu.


Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 28.02.2023 | 13:10
Die Elemente an sich sind typischerweise nur Methoden/Werkzeuge. Die Bewertung erfolgt dann nach dem erklärten Leitstil.
Das macht dann auch den Unterschied zwischen Railroading - böse und Trailblazing(?) - gut.

Was in erster Linie zählt meiner Meinung nach, sind Absprachen und Transparenz.
(Und da scheitert das "erlaubte" Würfeldrehen meist an dieser Transparenz, wenn Seiten von Regeln sagen: Das ist wie wird spielen und irgendwo -ggf gar in einem Spieler nicht zugänglichen Regelteil - steht dann außer der SL hat anderes vor.

Der Stil des geplanten Spieles gehört offen kommuniziert und dann auch im Spiel konsequent fortgesetzt.

Ärger gibt es doch dann, wenn das Gelieferte dann in einer entsprechend kritischen Situation mit dem Erwarteten kollidiert.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Ma tetz am 28.02.2023 | 13:14
Was ist denn mit Schummelmäxchen? Das ist doch Alea in Reinform und Schummeln ist integraler Bestandteil des Spiels.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 13:15
Irgendwie hab ich den Faden verloren, über was eigentlich diskutiert wird. Es geht eigentlich nur darum, ob gewisse Arten Rollenspiel zu spielen gewissen spieltheoretischen Definitionen entsprechen, oder?
Und dann hat sich noch die uralte "Ist Würfeldrehen böse?"-Diskussion rein geschlichen.

Hab ich sonst irgend etwas wichtiges übersehen?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Arldwulf am 28.02.2023 | 13:16
In den meisten Rollenspielen haben wir einen Anteil an agon, alea und mimikry, der aber je nach Herangehensweise unterschiedlich gewichtet wird.

Kann man dies überhaupt so sagen, bzw. hat diese Form der Gewichtung eine tatsächliche Aussagekraft? Um mal ein Gedankenexperiment zu machen: Nimm mal an ich habe ein stark auf Herausforderungen und das überwinden von Schwierigkeiten ausgelegtes Spiel mit moderatem Zufallsanteil und würde Zusatzregeln dazu erfinden. Beispielsweise Dinge welche für die Überwindung der Herausforderung keine Auswirkung haben (z.B. verschiedene Wege ein Problem gleichermaßen gut zu überwinden) aber eine Aussagekraft über den Charakter haben und das Ausspielen einer Rolle erleichtern.

Hat sich jetzt die Gewichtung des Spiels geändert? Und wie könnte ich diese Einstufung als Spieler nutzen, zum Beispiel bei einer Systemsuche? Ein Spieler der auf Herausforderungen steht hätte schließlich immer noch die gleichen Regeln, der Mimikry Anteil des Spiels hat auf diese erst einmal keinen Einfluss. Das Spiel kann auch immer noch besser für diesen Spieler geeignet sein als ein anderes Spiel gänzlich ohne Mimikry Anteil.

"Gewichtung" ist darum eigentlich eine falsche Analogie, denn die einzelnen Elemente der Spiele gleichen sich nicht gegeneinander aus sondern ergänzen sich.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 28.02.2023 | 13:16
Was ist denn mit Schummelmäxchen? Das ist doch Alea in Reinform und Schummeln ist integraler Bestandteil des Spiels.
Absprache und Transparenz. Das Bluffen und das Aufdecken des Bluffs ist ja ausdrücklich Kern des Spiels. Und aufgedeckt werden muss auch auf Verlangen und wer recht hat gewinnt. 

"Gewichtung" ist darum eigentlich eine falsche Analogie, denn die einzelnen Elemente der Spiele gleichen sich nicht gegeneinander aus sondern ergänzen sich.

Meist ist von allem etwas mit drin, aber in manchen Fällen - die dann typischerweise bei gemischten Haufen zum Streit führen - kann bei der Auflösung der Handlung nur eine Linie bestimmen, wie es dann weitergeht. 
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Jiba am 28.02.2023 | 13:22
Spielwissenschaftlich ist das leider falsch. Findet alea statt, dann muss das Ergebnis respektiert werden, sonst entartet das Spiel. Wenn sich das Spiel schon selbst vorher entartet, ändert das daran nichts.

Also, bei aller Liebe, aber in diesem einen Text von 1958 erschöpft sich nicht das gesamte Feld der "Spielwissenschaft" oder der "Game Studies". Nach dieser Definition wäre Schummeln absolut anhand von "Würfelergebnis" definiert. Dann würde der Torwart also tatsächlich schummeln, weil keine Würfel verwendet werden? Und was ist, wenn ich Deadlands mit einem Pokerdeck spiele? Kann ich da auch nicht schummeln, weil ich keine Würfel benutze.

Fakt ist, wenn der Fall gegeben ist, dass entweder:
a) das Regelwerk sagt, dass die SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und die Spieler wissen und einverstanden sind, dass er das tut, oder
b) das Regelwerk das nicht sagt, aber die Spielgruppe im gemeinsamen Austausch als Hausregel festlegt, dass der SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und damit auch einvestanden ist

...dann kann überhaupt kein Schummeln vorliegen, weil es ja eine Spielregel ist, die dem SL das zugesteht. Wie eben dem Torwart beim Fußball auch.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 13:34
Ich weiss, Teufels Advokat und so, aber:
Dann ignoriere ich einfach den Einsatz von Würfeln und nehme einen beliebigen Wert nach meinem Gusto. Denn das Spiel gibt mir ja eine Spannbreite vor. Dann wäre es okay?

Ich sehe da auch einen potenziellen Konflikt zwischen innerweltlicher Plausibilität und dem Würfelergebnis. Insbesondere dann, wenn ich z. B. auf nicht selbsterstelltes Material zurückgreife.
Konkret: HEXfeld #37 sagt: Gefährlicher Roter Drache, bedroht die umliegenden Ortschaften. Mein Würfelergebnis ist extrem...der Drache ist alles, aber nicht gefährlich, durch sein Fehlen an HP.

Entweder ändere ich jetzt die Welt, damit die Spielenden "passende Infos" erhalten ("Roter Drache, aber eher zurückgezogen...) oder lasse sie so und habe am Ende ein Szenario für die Spielenden, das nicht mit den Beschreibungen übereinstimmt.

Schwierig.

Wenn du laut Regeln würfeln musst, dann musst du würfeln. Wenn du aussuchen darfst, dann darfst du aussuchen. Bewusst nicht würfeln ist das Gleiche wie den Wurf ignorieren.

Dein Beispiel passt doch. Beide Möglichkeiten sind gut um damit umzugehen, ohne Falschspieler zu werden. Gut wäre es dann noch den Spielern die Möglichkeit zu geben das heraus zu finden. Zum Beispiel indem der rote Drache schon lange nicht mehr gesehen wurde oder ihnen die Info zukommen zu lassen, dass der rote Drache irgendwie verletzt wurde. Oder indem sie entsprechend taktisch spielen und sich da erst einmal umschauen und die Infos verifizieren. Es geht nicht darum immer richtige Infos zu bekommen. Es geht darum den Spielern die Chance zu geben, die richtigen Infos heraus zu finden.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Arldwulf am 28.02.2023 | 13:35
Meist ist von allem etwas mit drin, aber in manchen Fällen - die dann typischerweise bei gemischten Haufen zum Streit führen - kann bei der Auflösung der Handlung nur eine Linie bestimmen, wie es dann weitergeht.

An was für Fälle denkst du dabei?

Eigentlich hätte ich gesagt man kann in jeder Spielsituation weitere Spielelemente in der oben genannten Form hinzufügen. Das es in einer Situation "nur eine Linie" (bezogen auf die oben genannten Spielelemente) geben könne scheint mir eine Fehlannahme. Nimm zum Beispiel an, man könnte eine Situation nur mit Alea, also dem Würfelglück sinnvoll umsetzen. Der Einfachheit halber z.B. "Ein Hindernis muss überwunden werden, aber ich möchte ungewiss lassen ob es klappt.". Was genau würde mich hindern das Ausspielen einer Rolle mit diesem Würfelglück zu verbinden?

Der Begriff Gewichtung suggeriert "wenn das Würfelglück mehr Einfluss hat muss automatisch das Ausspielen einer Rolle weniger Einfluss haben" - das ist aber nicht zwingend der Fall. Ich könnte beispielsweise. Zwei Charaktere bei gleicher Würfelchance das Hindernis auf zwei verschiedene Weisen überwinden lassen die jeweils zur Rolle des Charakters passen. Der Barbar fällt einen Baum nahe der Schlucht um hinüber zu kommen, der Magier erschafft eine Brücke. Den Zufallsanteil ihrer Herangehensweisen anzupassen ändert nichts daran, dass sie das Problem verschieden angehen können.

Aber noch wichtiger: Spiele gleicher Gewichtung können wenn man obiger Einstufung folgt sich vollkommen unterschiedlich spielen und vollkommen unterschiedlich geeignet sein um einen Spielstil zu unterstützen. Ist ja nicht so als ob ein Spiel wenn damit Narration schlechter unterstützt wird dadurch automatisch besser darin wird andere Spielelemente zu unterstützen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Zed am 28.02.2023 | 13:38
Das werden sie doch, wenn ich sie nicht grade auswürfle, aus einem Buch nehme oder im Vorfeld vorbereite, immer. Damit wäre ja improvisiertes Rollenspiel von Vornherein eine Form des Schummelns, oder nicht?
Was Jiba sagt. 🙂

Schummeln: Die Voraussetzung fürs Schummeln sind glasklare Spielregeln und ein völlig transparentes Spielfeld gegen das jemand verstößt. Wer bei Mensch-ärgere-Dich-nicht eine fünf Würfelt und sechs Felder setzt, schummelt. Wer bei bei Mensch-ärgere-Dich-nicht das Spielfeld „abkürzt“, schummelt.

Beim Rollenspiel sind die Regeln nicht immer eindeutig, dafür viel komplexer: Was in der einen Spielgruppe als genialer taktischer Einsatz eines Zaubers gilt, gilt in einer anderen Spielgruppe als Interpretation eines Zaubers, die broken ist. Ein Irrtum oder eine falsche Einschätzung beim Schreiben des Abenteuerschreibens kann auch ein unnötiges Problem machen - und dann kann deren Korrektur auch kein Schummeln sein.

Das Spielfeld beim Rollenspiel ist nicht transparent. Nicht nur die Karte ist zumeist außerhalb des Wahrnehmungskreises unklar, auch kennt im häufigsten Fall niemand die Begegnungen, die dort stattfinden werden. Zudem sind die Begegnungen im besten Fall nicht statisch, sondern nehmen Bezug aufeinander: Wenn im Abenteuer nichts davon steht, dass der Sturmriese eine Falle stellt, die Gruppe jedoch die Tage zuvor in den Räumen vor der Riesenhalle all seine Bediensteten weggefegt hat, so wird er wissen, was ihn erwartet und vielleicht Verstärkung holen oder Fallen stellen. Für den einen wäre diese Improvisation gleichbedeutend mit Schummeln, weil Fallen oder Verstärkung in der Riesenhöhle nicht im Abenteuer standen, für jemand anderen wäre dies eine besonders gut ausgespielte Umwelt.

Daher: Wer auf das Wort „Schummeln“ besteht, muss erklären, wieso das Spielfeld (inkl. Begegnungen) plötzlich unberührbar sein müssen. Warum die Spielleitung auf einmal keinen Zugriff auf das Spielfeld haben darf und es unangetastet so herunterspielleitern „muss“.

Noch ein Beispiel: Das Abenteuer ist von jemandem geschrieben, der (bei genauem Hinsehen) nicht das Detailniveau getroffen hat, dass die Gruppe erwartet (Stichwort: Warum ist nicht klar, wovon die Monster hier unten eigentlich leben, wenn 100 Jahre lang zuvor niemand mehr hier war? Und wo kriegen die ihr Trinkwasser her?). Ist jede Nachbesserung schon Schummeln? Und wenn die Nachbesserung spontan erfolgt?

Ich nenne es „gestalten“.

Dass bedeutet NICHT, dass es sinnvoll ist, jeden Würfelwurf nach belieben umzudeuten oder jeden Raum spontan neu auszustatten. Die Grundlage sollte ein faires und sinnvolles Spiel sein.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: 6 am 28.02.2023 | 13:39
Nennt es doch einfach Kayfabe (https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/Kayfabe) statt Falschspiel und fertig ist die Laube.
Ansonsten: Juhu. Endlich Mal wieder ein Ludologie-Thread... ist es doch, oder?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 13:42
Wenn du laut Regeln würfeln musst, dann musst du würfeln. Wenn du aussuchen darfst, dann darfst du aussuchen. Bewusst nicht würfeln ist das Gleiche wie den Wurf ignorieren.
Um mal konkret zu werden:
Zitat
Despite the versatile collection of monsters in this book,
you might be at a loss when it comes to finding the perfect
creature for part of an adventure. Feel free to tweak an
existing creature to make it into something more useful for
you, perhaps by borrowing a trait or two from a different
monster or by using a variant or template, as the
ones in this book. Keep in mind that modifying a monster,
including when you apply a template to it, might change its
challenge rating.
D&D 5E, MM

Für den Eintrag der HP steht da nur: Mittelwert und HD. Kein Entweder-Oder.

Warum wäre dann z. B. das Nehmen von 3/4 des Maximums "schummeln"?

Ich will gar nicht zu sehr auf der Theorie rumreiten. Ich sehe nur gewisse Grauzonen im RPG, die mit dem Absolutismus der Theorie kollidieren.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 13:46
Also, bei aller Liebe, aber in diesem einen Text von 1958 erschöpft sich nicht das gesamte Feld der "Spielwissenschaft" oder der "Game Studies". Nach dieser Definition wäre Schummeln absolut anhand von "Würfelergebnis" definiert. Dann würde der Torwart also tatsächlich schummeln, weil keine Würfel verwendet werden? Und was ist, wenn ich Deadlands mit einem Pokerdeck spiele? Kann ich da auch nicht schummeln, weil ich keine Würfel benutze.

Fakt ist, wenn der Fall gegeben ist, dass entweder:
a) das Regelwerk sagt, dass die SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und die Spieler wissen und einverstanden sind, dass er das tut, oder
b) das Regelwerk das nicht sagt, aber die Spielgruppe im gemeinsamen Austausch als Hausregel festlegt, dass der SL die Würfelergebnisse unter bestimmten Umständen verändern darf, und damit auch einvestanden ist

...dann kann überhaupt kein Schummeln vorliegen, weil es ja eine Spielregel ist, die dem SL das zugesteht. Wie eben dem Torwart beim Fußball auch.

Alea ist nicht würfeln, alea ist Zufall/Glück. Das hat mit einem Torwart einfach überhaupt nichts zu tun. Das ist eine alea unabhängige Entartung, aber kein Falschspiel. Der Falschspieler tut so als würde er die Regeln befolgen, damit das Spiel nicht entartet. Ein Spieler der den Ball mit der Hand spielt, obwohl er es nicht darf, entartet das Spiel - sofern er dafür nicht vom Schiedsrichter sanktioniert wird.

Ein Regelwerk kann das gerne schreiben und wenn alle damit glücklich sind, dann ist das klasse. Alea entartet dann trotzdem, wenn der SL nicht zum Falschspieler wird und agon wird ebenso entwertet. Für die Spieletheorie ist es irrelevant was diesbezüglich im Regelwerk steht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: AlucartDante am 28.02.2023 | 13:46
Spielwissenschaftlich ist das leider falsch. Findet alea statt, dann muss das Ergebnis respektiert werden, sonst entartet das Spiel. Wenn sich das Spiel schon selbst vorher entartet, ändert das daran nichts

Der Vergleich mit dem Fußball passt hier nicht, weil es kein Zufall ist, wer den Ball in die Hand nehmen darf. Das ist vorher festgeschrieben und niemand hat sich hier dem Zufall/Glück unterworfen.

Also das überzeugt mich auch nicht. Wir hatten doch darüber geredet, dass vorher in der Anleitung auch festgeschrieben ist, dass der SL Würfel anpassen darf und niemand hier dem Zufall unterworfen ist. Ich finde das Torwartbeispiel ganz passend.

Vielleicht stehen hier auch verschiedene Thesen einander gegenüber, dass ist keinesfalls wissenschaftlich falsch. Etwas kann apriori unlogisch sein, empirisch widerlegt oder einer Theoriegeschichte bzw eines Modells nicht reinpassend, vielleicht kann auch etwas grundsätzlich den Prämissen von einer Wissenschaftstheorie nicht entsprechen.

Diese angebliche Entartung ist ja auch eine subjektive Entwertung. Man könnte auch sagen, dann kommt es zu einer Weiterentwicklung, einer dialektischen Aufhebung, Veredelung oder Revolution.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 14:00
Um mal konkret zu werden:D&D 5E, MM

Für den Eintrag der HP steht da nur: Mittelwert und HD. Kein Entweder-Oder.

Warum wäre dann z. B. das Nehmen von 3/4 des Maximums "schummeln"?

Ich will gar nicht zu sehr auf der Theorie rumreiten. Ich sehe nur gewisse Grauzonen im RPG, die mit dem Absolutismus der Theorie kollidieren.

Auch hier wird wieder alea und agon vermischt. Es geht hier ja um die Vorbereitung und letztlich nicht ums Spiel selbst. Bereitest du es nach bestem Wissen und Gewissen vor, dann ist das kein Problem.

Und: Könnt ihr vielleicht das mit dem Schummeln lassen? Es geht um Falschspiel und entarten. Die beiden Termini sind viel besser zur Diskussion geeignet, weil nicht negativ belegt.

@AlucarteDante: Es ist insofern falsch, weil jederzeit ersichtlich ist, wenn der Torwart den Ball fängt. Wenn der SL offen würfelt und seinen Spielern dann sagt: "Auf das Ergebnis hab ich keine Lust", dann wäre es ein passender Vergleich. Falschspiel ist das Verheimlichen.

Die Entartung ist keine subjektive Entwertung. Es ist die Auflösung eines Teilbereichs eines Spiels. Das ist nicht wertend. Niemand bewertet das negativ. Ich kann wunderbar ohne alea spielen. Mit alea kann ich aber nur spielen, wenn ich mich dem Glück/Zufall unterwerfe und das Ergebnis akzeptiere.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 28.02.2023 | 14:02
Und: Könnt ihr vielleicht das mit dem Schummeln lassen? Es geht um Falschspiel und entarten. Die beiden Termini sind viel besser zur Diskussion geeignet, weil nicht negativ belegt.

"Nicht negativ belegt"? In welcher Parallelwelt, in der ich offenkundig selbst nicht lebe? :o
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Jiba am 28.02.2023 | 14:03
Zitat
Es ist insofern falsch, weil jederzeit ersichtlich ist, wenn der Torwart den Ball fängt. Wenn der SL offen würfelt und seinen Spielern dann sagt: "Auf das Ergebnis hab ich keine Lust", dann wäre es ein passender Vergleich. Falschspiel ist das Verheimlichen.

Und genau dann, wenn die Gruppe sich entschließt, dem Spielleiter das Privileg des Verändern von Würfelergebnissen einzuräumen, also eine Regel daraus macht, ist es nicht mehr verheimlicht. Nichts anderes wollen wir sagen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 14:06
Zitat
Und: Könnt ihr vielleicht das mit dem Schummeln lassen? Es geht um Falschspiel und entarten. Die beiden Termini sind viel besser zur Diskussion geeignet, weil nicht negativ belegt.
Zur Güte:
Ob ich im Wilden Westen wegen Schummelns oder Falschspiel erschossen worden wäre, spielt doch keine Rolle, oder?  ;)

Worum es doch geht:
Die Theorie verlangt das "reine Glücksspiel", also "Pure Dices", in allen Konsequenzen. Natürlich bricht dann die Theorie, wenn dies nicht zu 100 % gewährleistet wird.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 14:09
... Ausnahmen sind entsprechende Sub-Systeme wie Bennies, Schicksalpunkte oder ähnliche Ressourcen. Hiermit kann eine Entwertung des alea vorgenommen werden, ...

Ähm, nein. Denn der Verlust der Ressource ist eine Konsequenz für den Spieler und somit eben keine Entwertung ...
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 14:13
Zur Güte:
Ob ich im Wilden Westen wegen Schummelns oder Falschspiel erschossen worden wäre, spielt doch keine Rolle, oder?  ;)

Worum es doch geht:
Die Theorie verlangt das "reine Glücksspiel", also "Pure Dices", in allen Konsequenzen. Natürlich bricht dann die Theorie, wenn dies nicht zu 100 % gewährleistet wird.

Noch viel naheliegender: Solange nicht nur klar spielmechanisch entschieden wird, wann, wer was würfelt, herrscht Willkür und die reine Illusion eines Glücksspiels.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 14:20
Noch viel naheliegender: Solange nicht nur klar spielmechanisch entschieden wird, wann, wer was würfelt, herrscht Willkür und die reine Illusion eines reinen Glücksspiels.
Hab noch was einfefügt, dann kann ich vollkommen zustimmen. Bestimmte Spielmechaniken bleiben ja "Glücksspiel", andere sind es dann eben nicht mehr.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 14:43
Hab noch was einfefügt, dann kann ich vollkommen zustimmen. Bestimmte Spielmechaniken bleiben ja "Glücksspiel", andere sind es dann eben nicht mehr.

Ein klares Jein würde ich sagen.  ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 14:43
Ein klares Jein würde ich sagen.  ;)
;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Eismann am 28.02.2023 | 14:50
Nur am Rande: "Falschspiel" und "entartet" finde ich schon deutlich negativ belegt. Aber das kann man sicher anders sehen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Jiba am 28.02.2023 | 14:59
Ich finde "entartet" ist ein furchtbarer Begriff, wenn man neutral über die Grenzen und Übergänge von Spielstilen diskutieren möchte.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: 6 am 28.02.2023 | 15:05
Deswegen ja Kayfabe. ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 28.02.2023 | 15:06
Alternativvorschlag: Aspekte von Spiel -> Aspektbruch.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 15:07
Man könnt ja auch einfach von zielführenden und zielhemmenden Regeln / Mechanismen sprechen ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 15:09
Nur am Rande: "Falschspiel" und "entartet" finde ich schon deutlich negativ belegt. Aber das kann man sicher anders sehen.
+1 Wie geschrieben glaube ich auch, dass viele Diskussionspunkte hier nur deswegen aufgebracht wurden, weil niemand diese Label auf seinen/ihren Methoden haben will.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 28.02.2023 | 15:12
Wenn du laut Regeln würfeln musst, dann musst du würfeln. Wenn du aussuchen darfst, dann darfst du aussuchen. Bewusst nicht würfeln ist das Gleiche wie den Wurf ignorieren.
Vielleicht bei einem Brettspiel

Im Rollenspiel ist das keinesfalls immer klar.
Häufig wird von der SL spontan entschieden ob gewürfelt wird und/oder welcher Schwierigkeitsgrad besteht oder ob es z.B. mehrere (Würfel) Chancen gibt dem Tod (der Niederlage) zu entkommen oder bloß eine.

Edit
Stichwort: Ermessensspielraum

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 16:06
Ähm, nein. Denn der Verlust der Ressource ist eine Konsequenz für den Spieler und somit eben keine Entwertung ...

Da hast du vollkommen recht. Das Ergebnis wird beachtet und dadurch als Konsequenz eine Ressource geopfert  :d
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 16:10
+1 Wie geschrieben glaube ich auch, dass viele Diskussionspunkte hier nur deswegen aufgebracht wurden, weil niemand diese Label auf seinen/ihren Methoden haben will.

Vielleicht sollte man auch von erwachsenen Leuten erwarten, sich nicht an Begriffen aus dem Jahr 1958 aufzuhängen, als es weder Rollenspiele noch darauf beruhende Spielstile gab. Sehr schade, dass offenbar einige nicht willens sind, sich auf eine Abstraktionsebene einzulassen Zumal die nur für den Spielanteil gelten und wir ja auch festgestellt haben, dass es eine hybride Form ist und wir das Dilemma nicht auflösen können. 
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 16:23
Und genau dann, wenn die Gruppe sich entschließt, dem Spielleiter das Privileg des Verändern von Würfelergebnissen einzuräumen, also eine Regel daraus macht, ist es nicht mehr verheimlicht. Nichts anderes wollen wir sagen.

Dagegen spricht auch nichts. Sofern das öffentlich geschieht und nicht hinter SL-Schirm verborgen und im Spielleiterteil versteckt. Aber alea ist dann trotzdem entartet (weil das Entarten keine Wertung enthält). Ich weiß nicht wie ich dir verständlich machen soll, dass es hier nicht um einen Bruch der Regeln geht, sondern um das Auflösen eines Spielaspektes, nämlich des Zufalls/des Glücks. Es gibt genug Rollenspiele, die ohne alea wunderbar auskommen.
Schwer wird es dann, wenn man ohne alea noch agon dabei haben möchte. Selbst das preussische Kriegsspiel hatte ja einen Zufallsaspekt. Vielleicht wäre da eine Art Rätsel-Rollenspiel denkbar. 

@Rhyltar:
Über dein Beispiel mit dem Auswürfeln der Gegner-Stats hab ich eben lange beim Spaziergang mit dem Hund nachgedacht. Es ist nur vordergründig alea. Eigentlich ist es ja ein Teil der Vorbereitung, also agon, nutzt aber alea. Die Frage wäre jetzt: Warum? Mir sind drei Antworten eingefallen:

1. Man hat es gemacht damit Spieler mir enzyklopädischem Regelwissen auch noch etwas Unsicherheit haben. Das vermindert deren Vorteil gegenüber ihren Mitspielern.

2. Man möchte dem SL die Verantwortung nehmen das festzulegen. In der letzten ARS-Diskussion kam die These auf, dass Zufall ein wichtiger Punkt ist um Verantwortung von den Schultern des SL zu nehmen. Daher werden ja gerne entsprechende Tabellen benutzt. Ich fühle mich bei sowas auch wohler, wenn ich nichts dafür kann.

3. Einfach so. Die Theorie kann nichts für unklar formulierte Regeln.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 28.02.2023 | 16:28
Ich finde das furchtbar theoretisch und die bisherigen Ergebnisse auch wenig erquicklich.

Der Grundtenor des "Agon"-Lagers (dessen Intention ich total nachvollziehen kann ) bricht ja eigentlich schon mit der bloßen Tatsache zusammen, dass die SL irgendwo Entscheidungen trifft.

Für den Spielverlauf ist es dabei weder entscheidend, ob diese vor oder während des Spiels getroffen werden, noch ob diese Entscheidungen für sich stehen oder einen Würfelwurf ersetzen. Treibt man es ins Extrem, dann wäre ja schon die bloße Entscheidung, ob jetzt irgendeine Probe fällig ist, eine willkürliche und damit Falschspiel. Agon, auch in Anteilen, ist damit letztendlich nur in idealisierten Spielen möglich, die jegliche Entscheidungsfindung abseits der harten Regeln ausklammern (und ja, das schließt das vorbereiten von Encountern wie auch das Schreiben von Abenteuern selbstverständlich mit ein - auch die sind Tabu, falls nicht hart und ohne menschliche Einflussnahme verregelt). Ich kann mich natürlich der Kontrollillusion hingeben, dass zum Beispiel ein einmal gestarteter Kampf zumindest eine Agon-Blase darstellt. Da aber vorher jemand (nicht etwas) festgelegt hat, dass dieser Kampf stattfindet, ist das eben nur eine Illusion der Kontrolle. Denn entweder habe ich es mit Falschspiel zu tun, oder das Spiel opfert seine eigentlich gewünschte inhärente Fairness.

Die Krux ist aber: praktisch ist das alles total irrelevant, weil wir es  mit einer tiefen Dissoziation zwischen der wahrgenommen und der tatsächlichen Geschehnisse zu tun haben. Ich kann natürlich sagen "Dreh keine Würfel". Der Effekt des Würfeldrehens ist aber (abseits der psychologischen Wirkung) nicht von "entscheide ob eine Probe fällig ist" zu unterscheiden. Ich kann die Verantwortlichkeit natürlich immer weiter nach links schieben (zur SL, zum Abenteuerautor, zum Systemautor, zu Chainmail), aber der Willkürcharakter bleibt.

PS: Es gibt kein Spannungsverhältnis zwischen herausforderungsorientiertem und storyorientiertem Spiel. Das sind zwei Achsen, die gänzlich unterschiedliche Charakteristika beschreiben. Und jedes Spiel (besser gesagt jede konkrete Spielerfahrung) ist ein diffuser Wahrscheinlichkeitsblob auf der Ebene, die diese beiden Achsen aufspannen. Das ist vielleicht nicht so einfach, aber dafür auch nicht so falsch wie ein übersimplifizierendes Modell.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 16:32
Vielleicht bei einem Brettspiel

Im Rollenspiel ist das keinesfalls immer klar.
Häufig wird von der SL spontan entschieden ob gewürfelt wird und/oder welcher Schwierigkeitsgrad besteht oder ob es z.B. mehrere (Würfel) Chancen gibt dem Tod (der Niederlage) zu entkommen oder bloß eine.

Edit
Stichwort: Ermessensspielraum

Du hast ja hoffentlich das "bewusst nicht würfeln, wenn laut Regeln gewürfelt werden muss" gelesen. Das erklärt doch alles, was du da gerade schreibst. Wenn das nicht klar ist, dann entscheidet der SL nach bestem Wissen und Gewissen, sofern er agon im Spiel haben möchte. Und wenn er unbewusst etwas falsch macht, dann macht er einen Fehler. Das ist völlig normal und passiert jedem. Falschspiel ist immer eine bewusste Entscheidung. Alles andere sind Fehler und die können dir bei jedem Spiel passieren.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 16:45
Ich finde das furchtbar theoretisch und die bisherigen Ergebnisse auch wenig erquicklich.

Der Grundtenor des "Agon"-Lagers (dessen Intention ich total nachvollziehen) bricht ja eigentlich schon mit der bloßen Tatsache zusammen, dass die SL irgendwo Entscheidungen trifft.

Für den Spielverlauf ist es dabei weder entscheidend, ob diese vor oder während des Spiels getroffen werden, noch ob diese Entscheidungen für sich stehen oder einen Würfelwurf ersetzen. Treibt man es ins Extrem, dann wäre ja schon die bloße Entscheidung, ob jetzt irgendeine Probe fällig ist, eine willkürliche und damit Falschspiel. Agon, auch in Anteilen, ist damit letztendlich nur in idealisierten Spielen möglich, die jegliche Entscheidungsfindung abseits der harten Regeln ausklammern (und ja, das schließt das vorbereiten von Encountern wie auch das Schreiben von Abenteuern selbstverständlich mit ein - auch die sind Tabu, falls nicht hart und ohne menschliche Einflussnahme verregelt). Ich kann mich natürlich der Kontrollillusion hingeben, dass zum Beispiel ein einmal gestarteter Kampf zumindest eine Agon-Blase darstellt. Da aber vorher jemand (nicht etwas) festgelegt hat, dass dieser Kampf stattfindet, ist das eben nur eine Illusion der Kontrolle. Denn entweder habe ich es mit Falschspiel zu tun, oder das Spiel opfert seine eigentlich gewünschte inhärente Fairness.

Die Krux ist aber: praktisch ist das alles total irrelevant, weil wir es  mit einer tiefen Dissoziation zwischen der wahrgenommen und der tatsächlichen Geschehnisse zu tun haben. Ich kann natürlich sagen "Dreh keine Würfel". Der Effekt des Würfeldrehens ist aber (abseits der psychologischen Wirkung) nicht von "entscheide ob eine Probe fällig ist" zu unterscheiden. Ich kann die Verantwortlichkeit natürlich immer weiter nach links schieben (zur SL, zum Abenteuerautor, zum Systemautor, zu Chainmail), aber der Willkürcharakter bleibt.

PS: Es gibt kein Spannungsverhältnis zwischen herausforderungsorientiertem und storyorientiertem Spiel. Das sind zwei Achsen, die gänzlich unterschiedliche Charakteristika beschreiben. Und jedes Spiel (besser gesagt jede konkrete Spielerfahrung) ist ein diffuser Wahrscheinlichkeitsblob auf der Ebene, die diese beiden Achsen aufspannen. Das ist vielleicht nicht so einfach, aber dafür auch nicht so falsch wie ein übersimplifizierendes Modell.

Was du beschreibst ist kein Falschspiel. Es ist einfach ein Spiel, das wenig Wert darauf legt, möglichst gleiche Voraussetzungen zu schaffen - agon. Das sind zwei völlig unterschiedliche Sachen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 28.02.2023 | 16:48
Was du beschreibst ist kein Falschspiel. Es ist einfach ein Spiel, das wenig Wert darauf legt, möglichst gleiche Voraussetzungen zu schaffen - agon. Das sind zwei völlig unterschiedliche Sachen.

Das mag aus 50er-Jahre-Spieltheoriesicht stimmen. Systemtheoretisch aber nicht. Das ist ja genau das worauf ich hinaus will - die Unterscheidung was Falschspiel ist und was nicht ist eigentlich eine ziemlich willkürliche.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 16:48
Vielleicht sollte man auch von erwachsenen Leuten erwarten, sich nicht an Begriffen aus dem Jahr 1958 aufzuhängen, als es weder Rollenspiele noch darauf beruhende Spielstile gab. Sehr schade, dass offenbar einige nicht willens sind, sich auf eine Abstraktionsebene einzulassen Zumal die nur für den Spielanteil gelten und wir ja auch festgestellt haben, dass es eine hybride Form ist und wir das Dilemma nicht auflösen können.
Was würdest du denn vom Einlassen auf diese Abstraktionsebene erwarten? Versteh mich bitte nicht falsch, ich finde es interessant was du und die Quellen auf die du dich berufst, für Gedanken gemacht haben.

Aber was, abgesehen vom anfänglichen Kommunizieren dieser Gedanken, ist das Ziel, wenn eine Auflösung nicht möglich ist, Gegenmeinungen nicht akzeptiert werden, da es nur um Definitionsfragen geht und man sich an den Begriffsdefinitionen, die offenbar ein treibendes Thema des Fadens sind, nicht aufhängen soll, da sie veraltet/nicht auf Rollenspiel bezogen sind?
Ist jetzt ehrlich nicht bösartig gemeint und ich will auch nicht besserwisserisch sein. Im Gegenteil, ich vermute, dass ich es tatsächlich einfach nicht durchschaue.

Was wäre dein (als Themenersteller) Wunsch, womit sich die Diskussion befassen sollte?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 16:51
Zitat
@Rhylthar:
Über dein Beispiel mit dem Auswürfeln der Gegner-Stats hab ich eben lange beim Spaziergang mit dem Hund nachgedacht. Es ist nur vordergründig alea. Eigentlich ist es ja ein Teil der Vorbereitung, also agon, nutzt aber alea. Die Frage wäre jetzt: Warum? Mir sind drei Antworten eingefallen:

1. Man hat es gemacht damit Spieler mir enzyklopädischem Regelwissen auch noch etwas Unsicherheit haben. Das vermindert deren Vorteil gegenüber ihren Mitspielern.

2. Man möchte dem SL die Verantwortung nehmen das festzulegen. In der letzten ARS-Diskussion kam die These auf, dass Zufall ein wichtiger Punkt ist um Verantwortung von den Schultern des SL zu nehmen. Daher werden ja gerne entsprechende Tabellen benutzt. Ich fühle mich bei sowas auch wohler, wenn ich nichts dafür kann.

3. Einfach so. Die Theorie kann nichts für unklar formulierte Regeln.
zu 1.:
Jein, ist sicherlich auch so eine Sache. Allerdings geht es mir eher darum (da ich es tatsächlich nicht selten so mache), dass ich die Bandbreite nutzen möchte, die mir der Würfelraum theoretisch gibt. Konkret: 8d8 bedeutet halt die Möglichkeit, von 8 bis 64 HP alles haben zu können. Nun sind mir aber 36 HP (als Durchschnitt) manchmal zu viel bzw. zu wenig, so dass ich das "Glücksspiel" gänzlich ausklammere und z. B. 48 HP wähle (75 %), weil ich einen etwas stärkeren Gegner haben möchte.
Natürlich könnte ich auch Mischformen nehmen wie z. B. 32 gesetzt, 4d8 ausgewürfelt oder ähnliches.

zu 2.:
"Die Welt ist halt so" (weil es die Würfel so entschieden haben) ist ein durchaus legitimer Ansatz, für mich aber nicht immer befriedigend, aus verschiedenen Gründen. So kann es z. B. sein, dass ich bestimmte Ergebnisse einer Zufallstabelle für unplausibel halte und sie deswegen nicht nutzen möchte. Also verkürze ich die Tabelle quasi (statt 1d12 Möglichkeiten z. B. auf 1d10).

zu 3.:
Theorie und gelebte Praxis kollidieren häufiger mal. Ich versuche öfter mal den "Homo oeconomicus" zu erklären...sorgt immer wieder für Lacher.  ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Ma tetz am 28.02.2023 | 16:57
1. @Haukrinn Danke, ich hätte es nicht formulieren können, aber ich glaube das erklärt mein permanentes Dissonanzgefühl bei diesem Thema ganz gut.

2. Was genau, will mir diese Spieltheorie denn sagen, dass wenn Alea verletzt wird Alea verletzt wird und Agon auch schaden nimmt oder das ein Spiel dann kein Spiel mehr ist, oder was anderes. Ich verstehe den Punkt einfach nicht.

Und der Begriff entartet war auch 1958 schon kontaminiert.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 28.02.2023 | 17:04
Der Agon-Begriff bezieht sich meines Wissens vor allem auf sehr klar verregelte Wettkämpfe, in denen Zufallsaspekte (zumindest in der Interpretation des Beobachters) in den Fähigkeiten des Wettkämpfers untergehen und vernachlässigbar sind. Damit klassifizieren sie vor allem den sportlich ausgerichteten Wettkampf. Eine Anwendung auf "Spiele" im gemeinsprachlichen Sinne macht nur bedingt Sinn und mag vielleicht noch auf Schach, Dame und Go zutreffen.

Die sind aber in der Komplexität und Linearität ihrer Regeln kaum mit einem Rollenspiel, einer Cosim oder einem Computerspiel vergleichbar. Gerade letztere sind ja sogar gezwungen zu schummeln (ja, auch Elden Ring, Dark Souls und co), um dem Spieler eine Herausforderung zu bieten.

Was mir dabei zudem noch auffällt ist, dass Agon eigentlich immer auf kompetitives "Spiel" bezogen wird. Also PvP, um es mal modern auszudrücken. Das ist aber nicht der Modus eines Rollenspiels (ich kenn zumindest keins, dass diesen Aspekt irgendwie als Spielzweck in den Mittelpunkt stellt). Agon damit auch auf Rollenspiele anzuwenden halte ich somit eh schon für keine gute Idee.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 17:05
Was würdest du denn vom Einlassen auf diese Abstraktionsebene erwarten? Versteh mich bitte nicht falsch, ich finde es interessant was du und die Quellen auf die du dich berufst, für Gedanken gemacht haben.

Es würde mir schon reichen, wenn akzeptiert würde, dass "entarten" und "Falschspiel" wissenschaftlich gelesen werden und nicht negativ wertend für irgend welche Spielstile steht. Das ist aber leider so oft das Problem, dass sich an nicht schön klingenden Worten aufgehängt wird, anstatt über die Inhalte zu reden.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 17:10
Das mag aus 50er-Jahre-Spieltheoriesicht stimmen. Systemtheoretisch aber nicht. Das ist ja genau das worauf ich hinaus will - die Unterscheidung was Falschspiel ist und was nicht ist eigentlich eine ziemlich willkürliche.

Nein, ist es nicht. Falschspiel ist das bewusste nicht Einhalten der Regeln (Entartung) bei gleichzeitigem Vortäuschen sich an die Regeln zu halten.
Ist eigentlich sehr einfach und logisch.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: aikar am 28.02.2023 | 17:12
Es würde mir schon reichen, wenn akzeptiert würde, dass "entarten" und "Falschspiel" wissenschaftlich gelesen werden und nicht negativ wertend für irgend welche Spielstile steht. Das ist aber leider so oft das Problem, dass sich an nicht schön klingenden Worten aufgehängt wird, anstatt über die Inhalte zu reden.
Damit hast du klar gemacht, über was du nicht willst, dass hier geredet wird. OK.
Aber was ist dann wirklich das Gesprächsthema? Du hast eine Erklärung abgegeben, die innerhalb der gesetzten Grenzen der von dir angewandten spieltheoretischen Definitionen und Begriffe höchstwahrscheinlich korrekt ist.
Also kann man noch über Begriffe diskutieren oder über die Anwendbarkeit für das Rollenspiel.

Was wären sonst Themen, über die man die Diskussion führen könnte? Wenn du willst, sieh mich ruhig als zu dumm/eingeschränkt an, um es selbst zu begreifen, aber sag mir einfach, was ist die Fragestellung?
Ich würde gerne offen mit dir diskutieren, da du dir offensichtlich ziemlich viel Mühe gemacht hast, diesen Themenkomplex zu starten, aber ich verstehe nicht, worüber.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 28.02.2023 | 17:18
In einem idealen Spiel hat der Spielleiter alles benötigte perfekt für den gewählten Stil vorher vorbereitet.
Alle Setzungen bis zum Start sind danach im Sinne dieses Stils erfolgt (Wo der Stil keine Präferenzen zeigt, können auch gerne weitere Einflüsse hinzukommen) und damit sind diese Setzungen per Definition angemessen.

In Ermangelung von Perfektion sind im Spiel dann sowohl Fehler wie Lücken zu erwarten und zu behandeln.
Das gibt aber eben keinen Freibrief beliebig zu pfuschen, sondern die Eingriffe haben anständigerweise weiterhin in Sinne des plakatierten Spielstils zu erfolgen.
Wo die Korrektur eines Fehlers unpassende Nebenwirkungen zeigt, sind diese entsprechend transparent zu behandeln.
Und Abweichungen zu Gunsten anderer Spielstile als dem abgesprochenen sind da halt zu unterlassen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 17:19
Nein, ist es nicht. Falschspiel ist das bewusste nicht Einhalten der Regeln (Entartung) bei gleichzeitigem Vortäuschen sich an die Regeln zu halten.
Ist eigentlich sehr einfach und logisch.
Tja, aber da sind wir wieder am Beginn der Diskussion:
Du hast ja gesagt, dass manche/viele Regelwerke "Schummelparagraphen" enthalten. Jetzt muss man natürlich fragen: Optional, dazugehörig...oder ist das Weglassen jener eben das "Optionale"?

Nicht falsch verstehen:
Bin bei Dir. Einigt man sich auf die Prämisse "The dices rule!" ist jede Veränderung ein "Falschspiel". Dass es da zu gewissen Stolpersteinen kommen kann, wenn man nicht gänzlich darauf eingestellt ist, dürfte klar sein.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 28.02.2023 | 17:21
Nein, ist es nicht. Falschspiel ist das bewusste nicht Einhalten der Regeln (Entartung) bei gleichzeitigem Vortäuschen sich an die Regeln zu halten.

Du liest nicht was ich schreibe. Die Deutungshoheit im Sinne der klassischen Spieltheorie gestehe ich dir so gerne zu.

Das Attribut "Vortäuschen" macht aber systemtheoretisch keinen Sinn. Entweder, weil deine Systemmodellierung dir die Beurteilung dieser Kategorie nicht erlaubt (ich weiß nicht ob die Black Box schummelt, also hängt der Grad der Herausforderung für mich auch nicht davon ab), oder weil sie für die für das Erreichen des Ergebnisses keine Relevanz hat (Ich hab das Vertrauen in die SL, dass mein Wunsch nach Herausforderung nicht am Falschspiel der SL scheitert).

Und ja, ich spreche ab, das eine Anwendbarkeit des übersimplifizierten klassischen Spielmodells auf Spielmodi, die zu dem Zeitpunkt faktisch noch unbekannt waren, überhaupt sinnig sind. Siehe oben.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 17:31
Damit hast du klar gemacht, über was du nicht willst, dass hier geredet wird. OK.
Aber was ist dann wirklich das Gesprächsthema? Du hast eine Erklärung abgegeben, die innerhalb der gesetzten Grenzen der von dir angewandten spieltheoretischen Definitionen und Begriffe höchstwahrscheinlich korrekt ist.
Also kann man noch über Begriffe diskutieren oder über die Anwendbarkeit für das Rollenspiel.

Was wären sonst Themen, über die man die Diskussion führen könnte? Wenn du willst, sieh mich ruhig als zu dumm/eingeschränkt an, um es selbst zu begreifen, aber sag mir einfach, was ist die Fragestellung?
Ich würde gerne offen mit dir diskutieren, da du dir offensichtlich ziemlich viel Mühe gemacht hast, diesen Themenkomplex zu starten, aber ich verstehe nicht, worüber.

Ich weiß auch ehrlich gesagt gar nicht, was du noch willst. Wir haben uns doch auf Seite 1 schon gut verstanden  ;)
Und ich hab doch auch gar keine Frage gestellt. Ich hab das Spannungsverhältnis zwischen Erzählspiel und herausforderungsbasiertem Rollenspiel bezogen auf Caillios-Theorie dargelegt.

Einige Beiträge haben mir da interessante weitere Aspekte aufgezeigt. Andere User, dass sie nicht willens sind, sich mit dem Thema ernsthaft zu befassen (dich meine ich nicht ;) ). Sehr schade finde ich, dass direkt wieder eine Lager-Denke aufkommt, obwohl niemand von "gut" oder "schlecht" geschrieben hat. Daran merkt man leider gut, dass die wertenden Formulierungen der PESA (die ich auch nicht gut finde) eigentlich nicht das Problem sind. Das Problem ist, dass sich die Leute meinen rechtfertigen müssen, was ihnen Spaß macht. Das ist aber spieletheoretisch völlig irrelevant.
Daher meine Bitte die Termini "Falschspieler" und "entartet" nicht negativ konnotiert zu lesen, sondern neutral. Alea ist nicht mehr alea, wenn das Glück keine Rolle mehr spielt. Es ist zu einer anderen Art geworden und daher entartet. Nicht besser, nicht schlechter - nur anders. Im Bezug auf Rollenspiele.
Glücksspiele um Geld wiederum sind da eine ganz andere Sache. Aber um die geht es uns ja nicht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 28.02.2023 | 17:41
Du hast ja hoffentlich das "bewusst nicht würfeln, wenn laut Regeln gewürfelt werden muss" gelesen. Das erklärt doch alles, was du da gerade schreibst. Wenn das nicht klar ist, dann entscheidet der SL nach bestem Wissen und Gewissen, sofern er agon im Spiel haben möchte. Und wenn er unbewusst etwas falsch macht, dann macht er einen Fehler. Das ist völlig normal und passiert jedem. Falschspiel ist immer eine bewusste Entscheidung. Alles andere sind Fehler und die können dir bei jedem Spiel passieren.
In Rollenspiel Regelwerken gibt es kein echtes"Muss".
(Das war mein Punkt)

Es ist alles mehr oder weniger ein "Kann", vielleicht noch ein "Sollte."

Es ist im Prinzip alles im Spiel
1. Situationsabhängig
2. Ermessen der Spielleitung

Sowas wie "in Situation X muss immer gewürfelt werden" gibt es nicht wirklich, weil es ja gar nicht "DIE Situation X" gibt.
Jede Situation ist anders.

Im Brettspiel habe ich die dagegen schon.
Wenn ich z.B. auf Feld X stehe, dann sagen die Regeln ich muss was bestimmtes Würfeln, um auf Feld Y zu kommen.

(Dann muss ich mir auch keine Gedanken machen ob mein Feld vielleicht anders heißt oder ob ich noch woanders hinkann als auf Feld Y)


Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 17:41
Dann mein Vorschlag: Formuliert doch einfach mal um. Was wären denn neutralere Begriffe als "Falschspieler" und "entartet"? Und wie könnte man das o.g. so formulieren, dass es keine (o.k. unwahrscheinlich, aber wenigstens kaum) mitschwingende Wertungsinterpretation zulässt?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 17:43
Sowas wie "in Situation X muss immer gewürfelt werden" gibt es nicht wirklich, weil es ja gar nicht "DIE Situation X" gibt.
Jede Situation ist anders.

Die Moves in vielen pbta-Spielen kommt dem schon nahe. Da steht recht klar, wenn x passiert, mache Y ...
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 28.02.2023 | 17:45
Daher meine Bitte die Termini "Falschspieler" und "entartet" nicht negativ konnotiert zu lesen, sondern neutral. Alea ist nicht mehr alea, wenn das Glück keine Rolle mehr spielt. Es ist zu einer anderen Art geworden und daher entartet. Nicht besser, nicht schlechter - nur anders. Im Bezug auf Rollenspiele.

Aber gegen "Schummeln" verwehrst du dich im gleichen Atemzug? wtf?

Nur zur kurzen Erklärung, wie ich das sehe:

Kinder schummeln. Falschspieler sind erwachsene Betrüger. Und das Stichwort "entartet" hat allerspätestens das Dritte Reich hinreichend gründlich verbrannt, daß man es heutzutage halbwegs "neutral" höchstens noch auf Dinge wie Krebszellen und dergleichen anwenden kann. Sorry, aber mit der penetranten Verwendung dieser Begriffe wirst du dir nie einen Gefallen tun -- zumal ich so meine gelinden Zweifel habe, das Caillios als Franzose die im Original auch schon genau so und nicht anders verwendet haben soll. Die sind wahrscheinlich eher erst bei der Übersetzung ins Deutsche überhaupt eingebaut worden.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 28.02.2023 | 17:47
In Rollenspiel Regelwerken gibt es kein echtes"Muss".
(Das war mein Punkt)

Es ist alles mehr oder weniger ein "Kann", vielleicht noch ein "Sollte."

Es ist im Prinzip alles im Spiel
1. Situationsabhängig
2. Ermessen der Spielleitung

Sowas wie "in Situation X muss immer gewürfelt werden" gibt es nicht wirklich, weil es ja gar nicht "DIE Situation X" gibt.
Jede Situation ist anders.

Im Brettspiel habe ich die dagegen schon.
Wenn ich z.B. auf Feld X stehe, dann sagen die Regeln ich muss was bestimmtes Würfeln, um auf Feld Y zu kommen.

(Dann muss ich mir auch keine Gedanken machen ob mein Feld vielleicht anders heißt oder ob ich noch woanders hinkann als auf Feld Y)

Das "Muss" wäre der auszuhandelnde geplante Spielstil am Tisch, nach dem die Beantwprtung der zwangsweise offen bleibenden Fragen sich zu orientieren hätte.
Das Regelwerk sollte dabei die Spielenden da durch Klarheit und Übersichtlichkeit bei helfen.
Und hunderte Seiten Regeln irgendwo mit einem Satz effektiv zu annullieren ist alles andere und ein designtechnisches Armutszeugnis.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 17:54
Tja, aber da sind wir wieder am Beginn der Diskussion:
Du hast ja gesagt, dass manche/viele Regelwerke "Schummelparagraphen" enthalten. Jetzt muss man natürlich fragen: Optional, dazugehörig...oder ist das Weglassen jener eben das "Optionale"?

Nicht falsch verstehen:
Bin bei Dir. Einigt man sich auf die Prämisse "The dices rule!" ist jede Veränderung ein "Falschspiel". Dass es da zu gewissen Stolpersteinen kommen kann, wenn man nicht gänzlich darauf eingestellt ist, dürfte klar sein.

Die Veränderung ist die Entartung, das Falschspiel ist das verschleiern. Eine offene Entartung von alea ist völlig in Ordnung, wenn das alle wissen und damit alle zufrieden sind. Ich hab schon oft Cthulhu diceless gespielt. Da fällt alea völlig weg, die Regeln werden ignoriert und alle hatten Spaß. Daran hat doch niemand was auszusetzen.

Eine verschleierte Entartung, ohne Wissen der anderen, das ist Falschspiel. Da genügt es nicht, wenn irgendwo hinten im SL-Teil versteckt so ein Hintertürchen erwähnt wird. Solange die Spieler davon ausgehen, dass alea gilt, ist es Falschspiel.
Das Problem entsteht eben dann, wenn es extra geheime Regeln für die SL gibt, von denen die Spieler aber nichts wissen sollen (daher sind sie in einem abgetrennten SL-Teil "nur für SL"). Aus Sicht der Narration mag das Sinn ergeben, aus spieletheoretischer Sicht aber nicht. Wie soll ein Spieler denn einer Regel zustimmen, von der er gar nicht weiß das es sie gibt? Deswegen kann sie der SL entweder ignorieren (womit er auf dem gleichen Level wie die Spieler ist) oder er wird zum spieletheoretischen Falschspieler.

nobody@home: Wieso, der Vergleich mit der Krebszelle passt doch perfekt. Sie macht nicht mehr das, was sie eigentlich soll. Genau das passiert bei alea, wenn ich den Wurf dann nicht respektiere. Wenn dir die Termini nicht gefallen, dann beschwere dich gerne beim Übersetzer (ich hab die Neuübersetzung aus dem Jahr 2017 von Peter Geble). Ich hab die ja nicht erfunden. Wenn ich ne eigene Theorie aufstelle, dann nehme ich schönere, versprochen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 28.02.2023 | 17:56
Die Moves in vielen pbta-Spielen kommt dem schon nahe. Da steht recht klar, wenn x passiert, mache Y ...

Neben "was passiert" muss ich auch noch wie, wem, wann, wo, wodurch, warum etc.
mit einfließen lassen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 17:57
Zitat
Die Veränderung ist die Entartung, das Falschspiel ist das verschleiern. Eine offene Entartung von alea ist völlig in Ordnung, wenn das alle wissen und damit alle zufrieden sind. Ich hab schon oft Cthulhu diceless gespielt. Da fällt alea völlig weg, die Regeln werden ignoriert und alle hatten Spaß. Daran hat doch niemand was auszusetzen.

Eine verschleierte Entartung, ohne Wissen der anderen, das ist Falschspiel. Da genügt es nicht, wenn irgendwo hinten im SL-Teil versteckt so ein Hintertürchen erwähnt wird. Solange die Spieler davon ausgehen, dass alea gilt, ist es Falschspiel.
Das Problem entsteht eben dann, wenn es extra geheime Regeln für die SL gibt, von denen die Spieler aber nichts wissen sollen (daher sind sie in einem abgetrennten SL-Teil "nur für SL"). Aus Sicht der Narration mag das Sinn ergeben, aus spieletheoretischer Sicht aber nicht. Wie soll ein Spieler denn einer Regel zustimmen, von der er gar nicht weiß das es sie gibt? Deswegen kann sie der SL entweder ignorieren (womit er auf dem gleichen Level wie die Spieler ist) oder er wird zum spieletheoretischen Falschspieler.
Ich muss das mal nachprüfen. Wo das in verschiedenen Regelwerken genau steht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Suro am 28.02.2023 | 18:03
@Haukrinn:
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Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 18:03
Ich muss das mal nachprüfen. Wo das in verschiedenen Regelwerken genau steht.

Das ist mir damals besonders aufgefallen, als EARTHDAWN stellvertretend für Rollenspiele als hybrides Medium analysiert habe. Ich glaub wir hatten hier auch mal eine Sammlung dazu gemacht. Da war es erschreckend in wie vielen SL-Teilen sowas steht. Noch kritischer sind dann die expliziten SL-Bücher wie eben in EARTHDAWN (aktuelle deutsche Ausgabe) und, wenn ich mich recht entsinne, im SL-Buch von D&D5.
 
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 28.02.2023 | 18:05
Ich muss das mal nachprüfen. Wo das in verschiedenen Regelwerken genau steht.

Wo du schon dabei bist, prüf' doch auch gleich noch mal nach, wie diese Regelwerke sicherstellen, daß auch ja kein Spieler jemals das supergeheime SL-Material zu Gesicht bekommt. Sonst wär' da schöne Geheimnis ja gleich futsch... ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 18:06
Neben "was passiert" muss ich auch noch wie, wem, wann, wo, wodurch, warum etc.
mit einfließen lassen.

Wer ist das "ich" in dieser Aussage? Die SL? Die hat eigentlich nicht mitzureden, wann der Wurf passiert. Den triggert die Narration. Wird nur selten so gespielt ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 18:08
@Haukrinn:
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Würde mich auch sehr interessieren  :d
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alexandro am 28.02.2023 | 18:09
Das "Muss" wäre der auszuhandelnde geplante Spielstil am Tisch, nach dem die Beantwprtung der zwangsweise offen bleibenden Fragen sich zu orientieren hätte.
Das Regelwerk sollte dabei die Spielenden da durch Klarheit und Übersichtlichkeit bei helfen.
Und hunderte Seiten Regeln irgendwo mit einem Satz effektiv zu annullieren ist alles andere und ein designtechnisches Armutszeugnis.

Erstmal wäre zu klären, ob wirklich ALLE Regeln durch diesen Satz annulliert werden. Oft ist der Satz ja noch mit bestimmten Bedingungen und Ansprüchen an das Spiel verbunden, welche auch mit dem Spielstil zu tun haben.

Und: hunderte Seiten Regelwerk stehen einem Designziel dass (angeblich) auf "Klarheit und Übersichtlichkeit" fußt eindeutig im Weg und sind insofern auch ein Armutszeugnis.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 18:09
Das ist mir damals besonders aufgefallen, als EARTHDAWN stellvertretend für Rollenspiele als hybrides Medium analysiert habe. Ich glaub wir hatten hier auch mal eine Sammlung dazu gemacht. Da war es erschreckend in wie vielen SL-Teilen sowas steht. Noch kritischer sind dann die expliziten SL-Bücher wie eben in EARTHDAWN (aktuelle deutsche Ausgabe) und, wenn ich mich recht entsinne, im SL-Buch von D&D5.

Also die Grundannahme, die ich hier lese "steht im SL Teil, dürfen die Spieler nicht wissen" gehe ich erst einmal so nicht mit.  Solange das nicht explizit so drinnen steht, ist es erst einmal nur eine Aufteilung der Regeln nach Aufgaben.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 28.02.2023 | 18:11
Wer ist das "ich" in dieser Aussage? Die SL?
Natürlich, die Umstände unter denen etwas passiert fließen mit ein.

Ist was anderes ob ne Figur, umgeben von anderen Figuren in einer Pfütze ertrinkt oder ganz allein auf hoher See, in einem Seesturm.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 18:14
Natürlich, die Umstände unter denen etwas passiert fließen mit ein.

Ist was anderes ob ne Figur, umgeben von anderen Figuren in einer Pfütze ertrinkt oder ganz allein auf hoher See, in einem Seesturm.

Was aber nicht von den Regeln erfasst wird. Es sei den es gibt einen Move, wie "Wenn du jemanden in einer gefährlichen Lage hilfst, ..."
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rhylthar am 28.02.2023 | 18:22
Wo du schon dabei bist, prüf' doch auch gleich noch mal nach, wie diese Regelwerke sicherstellen, daß auch ja kein Spieler jemals das supergeheime SL-Material zu Gesicht bekommt. Sonst wär' da schöne Geheimnis ja gleich futsch... ;)
Da meine ich mich noch zu erinnern:
Vorne steht so etwas drin wie "Nur für den SL!".  :D

Klappt wahrscheinlich ähnlich gut wie "der rote Knopf". Wahrscheinlicher ist es hingegen, dass nur die SL dieses Buch angeschafft hat.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 28.02.2023 | 18:24
Würde mich auch sehr interessieren  :d

Das kann ich nur bedingt beantworten, ich komme halt aus der Ecke Informatik/Mathematik/Theor. Physik und da war das neben Modellbildung und Komplexität seit jeher mein Steckenpferd. Und ich mache seit langer Zeit Beratung in Bereichen, in denen es deutlich mehr um Kommunikation, Kollaboration und Storytelling geht. Da zeigt sich, dass diese Form der Systemtheorie auch dort sehr nützlich ist. Und auch sehr deckungsgleich mit dem was Psychologen, Biologen und Soziologen in diesen Bereichen so aufstellen.

Wenn jemand mir die entsprechenden Fördergelder besorgt, dann untersuche ich das gerne auch im Rollenspielbereich genauer.  ;D

Stehen und fallen tut das Ganze im Übrigen wie jede Theorie natürlich mit dem Schritt der Modellbildung. Und da sehe ich gerade im Spielbereich einen deutlichen Hang zur Übersimplifizierung, die das entstehende Modell dann entwertet. Was schade ist, denn diesen Hang sollten wir besser Politikern und Unternehemsberatern überlassen.  ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Rorschachhamster am 28.02.2023 | 18:29
Also die Grundannahme, die ich hier lese "steht im SL Teil, dürfen die Spieler nicht wissen" gehe ich erst einmal so nicht mit.  Solange das nicht explizit so drinnen steht, ist es erst einmal nur eine Aufteilung der Regeln nach Aufgaben.
Bürger, woher haben sie das Wissen von [ZENSIERT]? Welche Sicherheitsstufe haben Sie, bitte? Soso. Bitte begeben Sie sich umgehend zum nächsten Terminierungsterminal, legen Sie Ihre Ausrütung und Kleidung in das NKLAF (NeuKLonAusrüstungsFach) und erwarten Sie weitere Instruktionen. Schönen Dank für Ihr Vertrauen!  ~;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 18:32
Also die Grundannahme, die ich hier lese "steht im SL Teil, dürfen die Spieler nicht wissen" gehe ich erst einmal so nicht mit.  Solange das nicht explizit so drinnen steht, ist es erst einmal nur eine Aufteilung der Regeln nach Aufgaben.

Guter Punkt.

Es ist ja  aber nicht selten der Fall, dass der SL-Teil explizit nur für die Augen des SL sein soll. Hab gerade gestern HARNMASTER bekommen. Da sind die Kapitel in "Frei", "Eingeschränkt" und "Geheim" eingeteilt. Viel plastischer geht es halt nicht mehr mit der Benennung.
Wohlwissend, dass es uralt ist und ohne Wissen ob es einen solchen Paragraphen da gibt. Wir wollen ja auch nicht über die Regelwerke sprechen, die das nicht machen. So wird man es wohl auch nur in Regelwerken finden, die nicht in zwei Bücher geteilt sind. Alleine weil es marketingtechnisch doof von den Machern wäre, 80% der Leute zu sagen: "Kauft das SL-Buch nicht!"

Da wäre es dann wohl kommunikativ von SL-Seite her notwendig die Spieler regelseitig zu informieren.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 18:36
Es ist ja  aber nicht selten der Fall, dass der SL-Teil explizit nur für die Augen des SL sein soll.

Ja, solche Publikationen gibt es. Und dies ist aus vielen anderen Punkten schon Käse. Allein das Rotieren der SL führt das ad absurdum.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 28.02.2023 | 18:45
Ich bin mir nebenbei nicht sicher, daß Rollenspiel außer der "Mimikry" eine der anderen Cailloisschen Kategorien wesentlich mit abdeckt. Agon? Außerhalb des Spezialfalls Turnier, wo dann verschiedene Gruppen gegeneinander antreten, gibt's normalerweise einfach keinen Wettbewerb zwischen den Spielern oder den Seiten Spieler/SL darum, wer "gewinnt" oder welchen Platz belegt; sämtliche spielweltliche "Herausforderungen" dienen streng genommen nur der Unterhaltung und Aufrechterhaltung der Illusion. Alea? Beschreibt, wenn ich das in der Kurzzusammenfassung, die ich gefunden habe, richtig gelesen habe, in erster Linie das bewußte Sich-Ausliefern an den Zufall wie beim Lotto oder Roulette; die Verwendung von Würfeln und anderen Zufallsgeneratoren im Spiel dient aber aus meiner Sicht anderen Zwecken (zumal die Regeln normalerweise definitiv Wege auch für die Spieler vorsehen, die Wahrscheinlichkeiten mindestens schon im Vorfeld auf die eine oder andere Weise zu manipulieren), und natürlich gibt's auch das eine oder andere (seltene) Rollenspiel, das sie gar nicht verwendet. Und Ilinx? Na ja, "Rausch, Ekstase, Lust an der Angst" mag im einen oder anderen Spiel tatsächlich mal auftreten, aber auch da geht's eher nicht um ein Erlebnis des Spielers persönlich -- auch das gruseligste Horror-Rollenspiel, bei dem man trotz atmosphärischer Beleuchtung und Hintergrundmusik immer noch relativ bequem am Tisch sitzt, ist noch lange kein Bungeesprung. ;)

Damit will ich nicht kategorisch abstreiten, daß einzelne Elemente der anderen Kategorien sich hier und da auch mal mit einschleichen können (schließlich betrachtet selbst ihr Erfinder sie nicht als scharf voneinander getrennt); aber der Löwenanteil der Spielaktivität "Rollenspiel" scheint mir allemal definitiv auf die Mimikry zu entfallen, der Rest ist bestenfalls leicht schmückendes Beiwerk.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 18:50
Ja, solche Publikationen gibt es. Und dies ist aus vielen anderen Punkten schon Käse. Allein das Rotieren der SL führt das ad absurdum.

Wenn es ein rotieren gibt. Ich lese hier von einigen Leuten, die nur spielleiten oder spielen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 28.02.2023 | 19:09
Wenn es ein rotieren gibt. Ich lese hier von einigen Leuten, die nur spielleiten oder spielen.

Und Regelwerke sie so etwas nahelegen, finde ich Käse ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 28.02.2023 | 19:14
Ich bin mir nebenbei nicht sicher, daß Rollenspiel außer der "Mimikry" eine der anderen Cailloisschen Kategorien wesentlich mit abdeckt. Agon? Außerhalb des Spezialfalls Turnier, wo dann verschiedene Gruppen gegeneinander antreten, gibt's normalerweise einfach keinen Wettbewerb zwischen den Spielern oder den Seiten Spieler/SL darum, wer "gewinnt" oder welchen Platz belegt; sämtliche spielweltliche "Herausforderungen" dienen streng genommen nur der Unterhaltung und Aufrechterhaltung der Illusion. Alea? Beschreibt, wenn ich das in der Kurzzusammenfassung, die ich gefunden habe, richtig gelesen habe, in erster Linie das bewußte Sich-Ausliefern an den Zufall wie beim Lotto oder Roulette; die Verwendung von Würfeln und anderen Zufallsgeneratoren im Spiel dient aber aus meiner Sicht anderen Zwecken (zumal die Regeln normalerweise definitiv Wege auch für die Spieler vorsehen, die Wahrscheinlichkeiten mindestens schon im Vorfeld auf die eine oder andere Weise zu manipulieren), und natürlich gibt's auch das eine oder andere (seltene) Rollenspiel, das sie gar nicht verwendet. Und Ilinx? Na ja, "Rausch, Ekstase, Lust an der Angst" mag im einen oder anderen Spiel tatsächlich mal auftreten, aber auch da geht's eher nicht um ein Erlebnis des Spielers persönlich -- auch das gruseligste Horror-Rollenspiel, bei dem man trotz atmosphärischer Beleuchtung und Hintergrundmusik immer noch relativ bequem am Tisch sitzt, ist noch lange kein Bungeesprung. ;)

Damit will ich nicht kategorisch abstreiten, daß einzelne Elemente der anderen Kategorien sich hier und da auch mal mit einschleichen können (schließlich betrachtet selbst ihr Erfinder sie nicht als scharf voneinander getrennt); aber der Löwenanteil der Spielaktivität "Rollenspiel" scheint mir allemal definitiv auf die Mimikry zu entfallen, der Rest ist bestenfalls leicht schmückendes Beiwerk.

Ich wünschte ich hätte nur ansatzweise heute die Fähigkeit und Muße gefunden dass so wunderbar in Worte zu packen wie du.  :)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Isegrim am 28.02.2023 | 20:43
Agon sind Spiele und Sport, die auf Wettkampf beruhen.

Wettkämpfe wollen und sollen gewonnen werden. Beim Rollenspiel geht es mir nicht ums Gewinnen. Ich denke nicht, dass der Begriff passend ist. Weiteres s.u.

Alea ist das Glücksspiel. Hier nehmen wir einfach die Würfel als Komponente. Die Würfel werden geworfen und die Spieler unterwerfen sich dem Ergebnis.

Auch ein Glücksspiel hat das Ziel, einen Gewinner zu ermitteln, mit Glück als einer oder der einzigen Komponente. Ebenso wie oben: Da Rollenspiel mE nicht mit dem Ziel des Gewinnens oder Verlierens gespielt wird, ist es für mich kein Glücksspiel.

Im RPG werden IG-Wettkämpfe jeder Art (Kämpfe, soziale Auseinandersetzungen tatsächliche sportliche oder spielerische Wettkämpfe etc) meist mit dem alea-Aspekt verknüpft. Die taktische & strategische Seite des RPG kann man vielleicht als "echten agon" auffassen (ein Messen im Geiste), für körperliche Wettkämpfe bietet der Spieltisch ja selten eine Gelegenheit...

Solche... Würfel-agone? alea-Kämpfe?... sind ein Teil des Rollenspiels, aber nicht das ganze. Je nach Spielstil können sie einen sehr kleinen Teil darstellen, bzw kann fraglich sein, ob es sich überhaupt um solche handelt. Wenn man der SL eine große Freiheit bei ihrer Tätigkeit lässt, kann es tatsächlich auch nur die Illusion eines Wettkampfes sein, und wenn das allen gefällt, gibt es auch dann keine Probleme. Die Gesamtheit "Rollenspiel / RPG" trifft das mE alles nicht.

Illinx spielt beim Rollenspiel keine Rolle. Hier geht es um Bewegung, etwa wenn Kinder sich einen Abhang runterrollen lassen oder Drehspiele vollführen.

Mimikry ist die Maskierung. Räuber und Gendarm, das Kaufladenspiel oder das spielerische Darstellen eines Charakters.

Mimikry scheint mir, wie nobody@home, der Kern dessen zu sein, was Rollenspiel / RPG mE ausmacht. Beim Live-Rollenspiel hat man dann illnix oben drauf. (Mmhhh, Abhänge runterrollen; viel zu lange nicht gemacht...)

Bei den anderen steht fest, dass alea respektiert wird. Ist dies nicht der Fall, dann entartet das Spiel, laut Callios.

Wenn ich das richtig verstehe kannte Callios RPGs nicht mals, zumindest als er das angeführte Buch schrieb. Wie kann er da RPG in i-einer sinnvollen Weise klassifizieren?

Leider kenn ich weder das Buch von Callios noch die anderen erwähnten Schriften. Soweit ich das sehen kann denke ich aber nicht, dass solche Klassifikationen besonders hilfreich sind. Wenn ich beim Live-Rollenspiel beim Würfeln gezinkte Würfel verwende, schummele/betrüge ich dann? Im Spiel ja, sicher. Und "in echt"? Eine Würfelspielrunde (oder auch eine Partie Poker etc) könnte man ja theoretisch auch in eine RPG-Runde integrieren.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.02.2023 | 21:06
Vielleicht liest ja der ein oder andere hier mal das Buch oder andere ludologische Werke.
Ich hingegen bin ich auch immer offen für Literaturtipps um zu verstehen, worauf eure Erkenntnisse beruhen  ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Isegrim am 28.02.2023 | 21:18
Vielleicht liest ja der ein oder andere hier mal das Buch oder andere ludologische Werke.
Ich hingegen bin ich auch immer offen für Literaturtipps um zu verstehen, worauf eure Erkenntnisse beruhen  ;)

Kennst du eines, dass nach der Erfindung von D&D erschienen ist. ;)

Im Ernst, wenn es gute Literatur über RPGs gibt, gerne. Werke über andere Spiele sind mE wenig hilfreich.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: pharyon am 2.03.2023 | 16:10
Hallo alter weißer Pottwal,

Ich habe auf die Schnelle das Werk von Caillois nicht auftreiben können. Die Kategorien Agon, Alex, Ilinx und Mimikry sind mir aber aus einem anderen Buch ('Rettet das Spiel!') geläufig.

Deine Darstellung der Kategorien deckt sich meiner Erinnerung nach mit der Beschreibung im Buch.

Ich kann die 'Entartung' des Alea durch Würfeldrehen nachvollziehen, möchte den Punkt sicherheitshalber in eigenen Worten wiederholen:
Wenn ich mich der Prämisse unterordnen, dass eine offene Frage durch ein Zufallselement beantwortet werden soll, darf ich nach Kenntnis des Ergebnisses nicht eine andere Antwort 'wählen', sonst unterlaufe/verwerfen ich die Prämisse. Dann 'entartet' Alea. Tue ich dies heimlich, d.h. ohne Wissen der Mitspielenden, betreibe ich 'Falschspiel'. Dabei ist es erst einmal nicht erheblich ob ich SL oder Spieler bin. Soweit korrekt?

Was die Anteile der Spielkategorien betrifft: Rollenspiel als Spiel beinhaltet meiner Einschätzung nach vor allem Mimikry und Alea, in geringerem Maße Agon und sehr selten Ilinx. Alea übernimmt hier meiner Ansicht nach vor allem die Funktion, das Agon in der Narrative zu vertreten. Durch die 'Werte' der Charaktere - egal, ob Spieler oder Nichtspieler - lege ich die Potentiale fest. Das in Verbindung mit den jeweiligen Entscheidungen in einer Situation soll ersetzen, wie die Mischung aus Anstrengung und Können bei allen Unwägbarkeiten sich in der Narration auswirkt.

Aus diesem Zusammenspiel sollte ich das jeweilige Wirkungsfeld des Alea in einem Regelwerk schon bewusst behandeln, sonst schade ich dem Spiel in meiner Gruppe ggf. unabsichtlich sehr. Auch für das Design eines Spiels sollte ich mir über die Bedeutung des Alea im Zusammenspiel mit den anderen Merkmalen, vor allem Mimikry, Gedanken gemacht haben. Denn Bennies oder wie immer sie heißen mögen schränken die Wirkung des Alea immer ein bzw. verändern sie - Weg vom alleinigen Bestimmen von Ergebnissen hin zum Entscheiden über Ressourcen.

p^^
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 2.03.2023 | 18:57
Denn Bennies oder wie immer sie heißen mögen schränken die Wirkung des Alea immer ein bzw. verändern sie - Weg vom alleinigen Bestimmen von Ergebnissen hin zum Entscheiden über Ressourcen.

Wenn diese Aussage als wahr angesehen wird, gilt sie auch für alle anderen abstrakten Ressourcen wie HP, Mana usw. Oder man erkennt an, dass der Verlust der Ressource Benie genauso zu den Wirkungen des Alea gehört und keine Einschränkung der Wirkung desselben bedeutet.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 2.03.2023 | 19:18
Ich bin da bei RackNar. Sein Einwurf, dass alea ja respektiert wird und daher eine Ressource kostet (zum Beispiel Bennies) erscheint mir absolut logisch. Zumindest solange die Bennies/Gummipunkte etc. eine beschränkte Ressource sind.

Aber wie ist es, wenn man mit mimikry (zum Beispiel das Ausspielen von Nachteilen) Ressourcen generieren kann, mit dem ich dann wiederum alea "kontern" kann? Und welche Auswirkung hat das auf agon?

Die Charaktererschaffung ist auch ein spannendes Thema. Ich kann einen Charakter ja eher nach agon (optimiert auf den jeweiligen Spielstil) oder eben nicht (unoptimiert auf den jeweiligen Spielstil) und alle Abstufungen dazwischen bauen. Das ist mir das erste Mal bei unserer "Wheel Of Time" (D&D3.5)-Kampagne aufgefallen. Da meinte unser SL direkt zu mir: "So unoptimiert hast du keine Chance." und ich hab den Char dann nochmal neu gebaut.

Bei "Rettet das Spiel!" musste ich grad lachen, das liegt gerade neben mir und wird jetzt gelesen  :d
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 2.03.2023 | 19:39
Aber wie ist es, wenn man mit mimikry (zum Beispiel das Ausspielen von Nachteilen) Ressourcen generieren kann, mit dem ich dann wiederum alea "kontern" kann? Und welche Auswirkung hat das auf agon?

Zur Einordnung: Stellst du die Frage auch, z.B. beim Einlegen einer langen Rast? Hier ist es wohl agon (Strategie bzw. Taktik) das die Auswirkungen  von alea verändert.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 2.03.2023 | 20:58
...
Aber wie ist es, wenn man mit mimikry (zum Beispiel das Ausspielen von Nachteilen) Ressourcen generieren kann, mit dem ich dann wiederum alea "kontern" kann? Und welche Auswirkung hat das auf agon?

...

Dann wird das Farmen von bennies Teil der Arbeit/Anstrengungen.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 2.03.2023 | 22:30
Zur Einordnung: Stellst du die Frage auch, z.B. beim Einlegen einer langen Rast? Hier ist es wohl agon (Strategie bzw. Taktik) das die Auswirkungen  von alea verändert.

Inwiefern sind da Würfel involviert?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 2.03.2023 | 22:34
Es sind Entscheidungen die sich auf Ressourcen auswirken, die durch den Zufall verändert werden. Wie der Einsatz von Bennies auch.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 08:11
Es sind Entscheidungen die sich auf Ressourcen auswirken, die durch den Zufall verändert werden. Wie der Einsatz von Bennies auch.

Da würde ich unterscheiden zwischen Bennies, die direkt als Resultat eines Würfelwurfs eingesetzt wurden und einer langen Rast, bei der das Würfeln erst abgeschlossen sein muss. Rasten geht ja erst nach dem Kampf. Da ist alea ja schon vorbei. Da ist schon entschieden auf wessen Seite das Glück war.

Agon passt aber, wenn man es als Aktion sieht, wieder gleiche Voraussetzung zu schaffen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 08:53
So einfach ist es nicht. Es sind Entscheidungen die auch vor einem Kampf getroffen werden. Wie das anspielen von Nachteilen für Bennies
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 10:39
So einfach ist es nicht. Es sind Entscheidungen die auch vor einem Kampf getroffen werden. Wie das anspielen von Nachteilen für Bennies

Das hat aber dann trotzdem nichts direkt mit dem alea zu tun. Es beeinflusst das alea ja nicht, wie etwa Boni auf Würfe durch taktisches Verhalten. Dem alea ist es egal, ob du mit einem oder hundert LP in den Kampf gehst. Aber es interessiert zum Beispiel ob du mit Vorteil oder Nachteil angreifst oder eben das Ergebnis mit dem Einsatz eines Bennies beeinflussen kannst.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.03.2023 | 11:43
Das hat aber dann trotzdem nichts direkt mit dem alea zu tun. Es beeinflusst das alea ja nicht, wie etwa Boni auf Würfe durch taktisches Verhalten. Dem alea ist es egal, ob du mit einem oder hundert LP in den Kampf gehst. Aber es interessiert zum Beispiel ob du mit Vorteil oder Nachteil angreifst oder eben das Ergebnis mit dem Einsatz eines Bennies beeinflussen kannst.

Ja, stop mal, wenn mich ein Gegner trifft (Gesetz dem Fall die SL würfelt), dann interessiert mich das total. Habe ich 10 HP und nehme W8 Schaden, dann bleibe ich im Spiel (Chance auszuscheiden 0%). Habe ich 4HP und nehme W8 Schaden, dann bin ich zu 50% raus aus der Nummer. Das erscheint zumindest mir alles andere als irrelevant.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alexandro am 3.03.2023 | 11:46
Jepp, für Alea ist es wichtig, was der Einsatz des Glückspiels ist. Verliere ich im schlimmsten Fall nur 5% meiner TP, oder kann der Wurf darüber entscheiden, ob meine Figur lebt oder stirbt?

Ansonsten könnten wir auch einen Satz Würfel werfen und die Spielende mit dem höchsten Ergebnis darf erzählen, wie sie gewinnen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 12:03
Genau. Es nicht so der große Unterschied, ob ich noch 20 HP statt 5 habe, zu ich habe noch einen Benni statt ich habe keinen - in der Betrachtung das beide Ressourcen durch Entscheidungen der Spieler vor dem Konflikt aufgebaut wurden.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Ma tetz am 3.03.2023 | 12:31
Rasten kann auch direkt Alea beeinflussen, weil Abzüge für geringe Lebenskraft abgebaut werden, oder Zustände (z.B. Wunden) abgebaut werden, die die folgenden Würfelproben direkt beeinflussen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 12:57
Jepp, für Alea ist es wichtig, was der Einsatz des Glückspiels ist. Verliere ich im schlimmsten Fall nur 5% meiner TP, oder kann der Wurf darüber entscheiden, ob meine Figur lebt oder stirbt?

Ansonsten könnten wir auch einen Satz Würfel werfen und die Spielende mit dem höchsten Ergebnis darf erzählen, wie sie gewinnen.

Sehe ich anders. Es ist nur wichtig, dass der Einsatz auch eingehalten wird.

@Haukrinn: Das ist relevant. Aber für agon. Der Wurf ist derselbe, die Frage ist aber: Ist es taktisch klug es darauf ankommen zu lassen.

@Ma tetz: Auch das ist agon, allerdings mit Einfluss auf alea,  stimmt.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.03.2023 | 13:16
@Haukrinn: Das ist relevant. Aber für agon. Der Wurf ist derselbe, die Frage ist aber: Ist es taktisch klug es darauf ankommen zu lassen.

Es ist irrelevant ob ich aus dem Spiel fliegt oder nicht? Ist das echt die Definition von Alea?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 14:03
Es ist irrelevant ob ich aus dem Spiel fliegt oder nicht? Ist das echt die Definition von Alea?

Alea ist der Zufall/das Glück. Dem ist egal ob du um einen Cent oder dein Leben spielst, wie beim Frankenburger Würfelspiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Frankenburger_W%C3%BCrfelspiel

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 14:10
Und wie passen da dann Modifikatoren dazu?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 14:14
Und wie passen da dann Modifikatoren dazu?

Da beeinflusst agon eben alea. Steht doch schon im Ausgangspost. Taktisches Spiel (agon) beeinflusst die Wahrscheinlichkeiten von alea und kann es sogar umgehen - wenn eben gar kein Wurf mehr nötig ist, weil die Situation eindeutig ist.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 14:16
Und wo ist der unterschied zu 4 Punkte Schaden alles noch ok und 4 Punkte schaden Figur ist raus?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 14:19
Und wo ist der unterschied zu 4 Punkte Schaden alles noch ok und 4 Punkte schaden Figur ist raus?

Aus alea-Sicht ist das völlig egal. Das ist aus agon-Sicht für dich interessant, weil du anhand dessen vielleicht entscheidest, dass ein Rückzug besser wäre oder du eine Ressource nutzt um alea zu beeinflussen, wie zum Beispiel Bennies.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.03.2023 | 14:43
Alea ist der Zufall/das Glück. Dem ist egal ob du um einen Cent oder dein Leben spielst, wie beim Frankenburger Würfelspiel: https://de.wikipedia.org/wiki/Frankenburger_W%C3%BCrfelspiel

Inwiefern erlaubt uns dies dann überhaupt eine Analyse von "Rollenspiel"? Ich kann ja nicht einfach eng ineinander greifende Spielmechanismen einfach ausklammern und ignorieren? Da kann man ja nur zum falschen Schluß kommen!

PS: Damit bekomme ich ja nicht mal Mensch-Ärgere-Dich-Nicht modelliert... :)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 14:50
Das ganze lässt mich gerade ein wenig am Prinzip Alea als relevant für das Rollenspiel zweifeln ...
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Eismann am 3.03.2023 | 14:54
Glücksspiel ohne Risiko oder Einsatz erscheint mir recht sinnlos. Um genau zu sein könnte man sich fragen, wo überhaupt das spielerische Element bleibt.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 15:00
Das ganze lässt mich gerade ein wenig am Prinzip Alea als relevant für das Rollenspiel zweifeln ...

Das ganze ist auch nur relevant, wenn du einen Zufallsmechanismus haben möchtest. Alea ist das dem Zufall/Glück ausgeliefert sein. Also bei den meisten Rollenspielen der Wurf der Würfel und das respektieren des Ergebnisses. Alles davor oder danach ist nicht alea. Das sind Auswirkungen von anderen Teilbereichen auf alea oder umgekehrt.

@Haukrinn: Keine Ahnung was du willst. Ihr verbeißt euch doch in kleinen Details.

@Eismann: Das Buch "Rettet das Spiel!" sieht es gerade anders herum.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Eismann am 3.03.2023 | 15:02
Das darf es gern. Ohne Risiko oder Einsatz einfach vor sich hinwürfeln erscheint mir trotzdem wenig spieltauglich. Welche Glücksspiele gibt es denn, die ohne Einsatz oder Risiko auskommen?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 15:04
Das darf es gern. Ohne Risiko oder Einsatz einfach vor sich hinwürfeln erscheint mir trotzdem wenig spieltauglich. Welche Glücksspiele gibt es denn, die ohne Einsatz oder Risiko auskommen?

Dann wären ja alle Brettspiele sinnlos. Oder gibt es da ein Risiko oder Einsatz?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Eismann am 3.03.2023 | 15:06
Brettspiele haben üblicherweise taktische oder gestalterische Elemente. Das hat dann mit reiner Alea nichts mehr zu tun. Es geht um Glücksspiele.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 15:24
Brettspiele haben üblicherweise taktische oder gestalterische Elemente. Das hat dann mit Alea nichts mehr zu tun. Es geht um Glücksspiele.

Da kommen wir jetzt sehr weit ab vom Thema. Ich kann dir "Rettet das Spiel!" nur sehr empfehlen. Da wird das direkt im ersten Kapitel sehr anschaulich erklärt.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Eismann am 3.03.2023 | 15:29
Schade, hätte mich interessiert. Mir fällt nämlich zum Thema Alea ohne Einsatz auch kein Spiel ein. Von daher lässt sich vermuten, dass es ohne diese Rahmenbedingung möglicherweise auch nicht als Spiel taugt.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alexandro am 3.03.2023 | 15:47
Alea ist der Zufall/das Glück. Dem ist egal ob du um einen Cent oder dein Leben spielst, wie beim Frankenburger Würfelspiel:

Ja, man könnte Caillois so lesen, dass es rein auf den Glücksfaktor ankommt, unabhängig vom Einsatz.

Wenn es aber das sein sollte, was Caillois gemeint hat, dann
a) zweifle ich daran, dass dieser seine Theorie mal einem "reality check" unterzogen hat (Spiele in denen das Zufallselement als Selbstzweck existiert, dürften kaum aufzutreiben sein), und
b) verstehe ich dann nicht, warum ausgerechnet Bennies jetzt Alea aushebeln sollen - wenn es egal ist, was der Einsatz ist, und damit aus welchem anderen Bereich des Spiels (sei es jetzt Agon oder Mimikry) generierte Ressourcen davon beeinflusst werden, dann besteht kein Unterschied wie genau am Wurf gedreht wird - Alea ist (wenn man dieser Auslegung von Caillois folgt) davon nicht berührt.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 3.03.2023 | 15:54
Sobald ich eine "taktische" Wahl habe, ist es strenggenommen kein reines Glück mehr.
Und Glück gibt's nicht ohne Pech.


Wenn ich im Rollenspiel taktisch günstig agiere, besteht die Möglichkeit, dass ich gar nicht erst prüfen muss, ob ich Pech habe.

Es sei denn, ich werde durch die Spielleitung in Situationen gezwungen, in denen ich taktisch keine andere Wahl mehr habe - und nur durch Glück wieder rauskomme.
(Wird oft als Raillroading empfunden)

Ist das nicht der Fall, bestehen durchaus Einflussmöglichkeiten - solche Glück/ Pech Situationen ganz zu umgehen.
Oder in vielen Fällen - die Chance auf Pech möglichst gering zu halten.
Indem man z.B. mit seiner Figur nur Aktionen macht, in denen sie besonders gut oder talentiert ist.
Die Entscheidung diese Aktion zu tätigen wird vorher vom Spieler häufig sogar selbst getroffen.
(Kein Muss)

PS. Es ist übrigens auch möglich Rollenspiel  ganz ohne Würfeln zu spielen.


Edit.
Wie hoch der Glücksfaktor ist, hängt beim Rollenspiel doch häufig stark von der SL, bzw. dem Abenteuer (den jeweiligen Situationen) ab, als von den sogenannten "Regeln."

Nochmal ein Beispiel:
Angenommen ich baue ein Abenteuer wie-
- Die Helden sind in einem Raum gefangen- aus dem sie aber entkommen können, wenn sie durch Logik und Nachdenken die richtigen Schlüsse ziehen. - Das richtige tun- Dann habe ich strenggenommen keinen echten/ klassischen Glücksfaktor mehr.

Das würde sich erst ändern, wenn z.B. die dafür benötigten Hinweise erst erwürfelt werden müssten. Oder, wenn es noch andere Faktoren gäbe, die durch Pech die Aufgabe erschweren oder unmöglich machen könnten. (Irgendwelche Feinde, Zufallsbegegnungen und ähnliches)

(Auch Kriminalfälle können theoretisch mittels Logik gelöst werden, solange die dafür erforderlichen Hinweise (auch ohne Würfelglück) zu finden sind.)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Aedin Madasohn am 3.03.2023 | 17:31
Sobald ich eine "taktische" Wahl habe, ist es strenggenommen kein reines Glück mehr.
Edit.
Wie hoch der Glücksfaktor ist, hängt beim Rollenspiel doch häufig stark von der SL, bzw. dem Abenteuer (den jeweiligen Situationen) ab, als von den sogenannten "Regeln."

es gibt Regelengines, wo wir genügend Boni akkumilieren können (relevante Attribute/Talente/Fertigkeiten für den Wurf hoch haben, passende Gear und/oder Zauber) bzw. die typischen Mali ausgleichen, etwa Distanz zum Ziel = Fernrohr, Nacht = Nachtsicht(Gerät), Distanz = Langbogen/Gewehr
so dass das blanke Würfeln eine immer kleinere Rolle spielt und in einer Wahrscheinlichkeitsspanne endet.
Arbeitet die Engine mit W6-Pools und 5 oder 6 auf dem Würfel sind ein Erfolg, so kann man sich auch durch wiegen >;D des Würfelbechers Eimers die im arithmetischen Mittel erwartbaren "Autoerfolge" auswiegen und gegen die geforderten Erfolge für die Probe setzen.

da wird die Spanne für das klassische Würfel-Glückspiel, wie es uns der Tacitus von den alten Germanen berichtete, echt klein.

und ob ein RSP mit so einer rein glücksbasierten alles&oder-nichts Masche funktionieren würde? :think:

vielleicht ist ja ein RSP schon grundsätzlich ein entartes Glücksspiel, weil wir uns durch passende Optimierung (Attribute, Talente, Gear) aus der Sphäre "des blanken Glücks(wurfs)" in die Sphäre "der kompetenten Chars" fortbewegen? :think:

sicherlich, in grauer Vorzeit hatten wir noch das Vergnügen, die Attribute auszuwürfeln und dann zu schauen, ob wir damit unseren Wunschchar auch bekommen. Doch heute sind Kauf/Punkte/Prioritätsmodelle (wenn nicht sogar gleich fertige Chars geliefert werden) nicht ohne Grund weit verbreitet.
 



Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: pharyon am 3.03.2023 | 19:24
Wenn diese Aussage als wahr angesehen wird, gilt sie auch für alle anderen abstrakten Ressourcen wie HP, Mana usw. Oder man erkennt an, dass der Verlust der Ressource Benie genauso zu den Wirkungen des Alea gehört und keine Einschränkung der Wirkung desselben bedeutet.
Okay, dann beeinflusst ein "Bennie"-Merkmal in der Form, dass ich nach dem Glücksfaktor noch eine Entscheidung treffen darf: Gebe ich mich mit dem Ergebnis zufrieden oder verwende ich eine Ressource? Entwertet wird Alea dadurch in der Tat nicht.

Ich habe bei einigen Beiträgen den Eindruck, dass noch nicht immer klar ist, dass Rollenspiel durch mehrere der Kategorien im wechselseitigen Einfluss besteht und wozu manche Eigenschaften/Effekte gehören.

Beispielsweise Agon verstehe ich z.B. als den Anteil, bei dem ich als Spieler den Herausforderungen der Spielleitung entgegentrete. Gewisse Anteile erwarte ich als "fair", so dass ich die Szene "bestehen" kann. Allerdings nicht unbedingt in dem Sinne, dass die Spielleitung mir einen gleich (oder zumindest vergleichbar) starken Gegner gegenüber setzt. Für einen "gleichberechtigten Wettbewerb" muss die Spielleitung meiner Meinung nach zu viele andere Aufgaben auch erfüllen.

Das Beispiel Einschätzung zum Kampfbeitritt: Hier geht es meines Erachtens nach weniger um Agon als um Mimikry. Habe ich eine gute Vorstellung davon, was meiner Spielerfigur im Kampf passieren kann? Systeme, in denen ich mehrere Iterationen (z.B. Runden) Zeit habe, meine Entscheidung zu Gunsten der Sicherheit meines SC neu zu treffen, sind z.B. sehr dankbar dafür. Systeme, in dem jeder Kampf, ja selbst eine einzige Kampfhandlung das Ausscheiden meines SC ermöglichen führen ja nicht umsonst zu einer anderen Verhaltensweise im Umgang mit Konflikten. Mit Agon, würde ich behaupten, hat das aber eher wenig zu tun.

p^^
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.03.2023 | 20:00

@Haukrinn: Keine Ahnung was du willst. Ihr verbeißt euch doch in kleinen Details.

Ich möchte gerne verstehen, wieso du die ganze Zeit davon redest, wie ein Faktor den anderen entartet, die Faktoren aber offenbar, auch in deiner eigenen Darstellung, ausschließlich nur dann irgendeine Aussagekraft besitzen, wenn man sie auf total atomare Prozesse wie nen Würfelwurf bezieht. Das wirkt nicht nur höchst selektiv, sondern auch total inkonsistent.

Ich habe zudem immer noch nicht begriffen, wo du damit überhaupt hinwillst. Und was das insbesondere mit dem Titel dieses Threads zu tun hat.

Ich finde das Thema eigentlich total spannend und ich glaube, da stecken ein paar tolle Erkenntnisse drin. Wenn du dich aber dermaßen und ohne tiefere Erläuterung auf einige wenige, nicht wirklich haltbare Äußerungen versteifst, dann führt das zu nix. Und die Leute, die dich dann auf die Lücken in deiner Argumentation und die nicht aufzulösenden logischen Kreisschlüsse hinweisen, mit „lies doch das 65 Jahre alte Buch, your argument is invalid“ abzuwatschen, hilft auch nicht.  :(
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 3.03.2023 | 20:45
Ich fang nochmal von vorne an:

Was ist eine Entartung? Eine Entartung ist, wenn man sich nicht an die Spielregeln hält. Denn ein Spiel hat als immanenten Bestandteil, dass dessen Regeln gelten. Die Regeln von Schach sagen ganz genau, was ein Bauer machen kann. Ziehe ich ihn wie eine Dame und bestehe darauf, dass das richtig ist, dann ist das Spiel entartet. Denn warum sollte sich der Gegenspieler noch an die Regeln von Schach halten? Es ist entartet, weil es dann eigentlich nicht mehr Schach ist.

Ein Falschspieler hingegen tut so, als würde er die Regeln respektieren, macht dies aber heimlich nicht. Er zieht den Bauer wie eine Dame, während der Gegenüber gerade wegschaut. Wenn dieser das dann nicht bemerkt, dann entartet das Spiel nicht, denn der "Betrogene" hat ja keinen Grund sich nicht weiter an die Regeln zu halten (solange nicht zwei Falschspieler gegeneinander spielen).

Und hier haben wir die Parallele zum Würfeldrehen. Der Spielleiter dreht die Würfel versteckt hinter dem SL-Schirm. Alle anderen Spieler denken die Regeln gelten weiter, also wird der SL zum Falschspieler, damit das Spiel nicht entartet. Das ist die Grundannahme, warum Würfeldrehen Falschspiel ist.

Das wird hier aber ständig mit der Grundannahme durcheinander geworfen, dass sich die verschiedenen Kategorien wechselseitig beeinflussen, wie pharyon ebenfalls angemerkt hat:

Ich habe bei einigen Beiträgen den Eindruck, dass noch nicht immer klar ist, dass Rollenspiel durch mehrere der Kategorien im wechselseitigen Einfluss besteht und wozu manche Eigenschaften/Effekte gehören.

Wie eine Kategorie eine andere "entarten" könnte, weiß ich nicht. Umgehen ja (taktisches Spiel macht Würfelwurf unnötig), entwerten ja (Würfeldrehen macht taktisches Spiel sinnfrei).
Entarten - nicht, dass ich wüsste.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.03.2023 | 20:54
Danke! Also geht es dir, alle ludologischen Fachtermini mal beiseite geschoben, einfach nur um den Fakt, dass ein nicht explizit im allen Mitspielenden bekannten Regelgerüst festgehaltenes SL-seitiges Würfeldrehen, ein auf Herausforderung basierendes Spiel kaputt macht.

Okay, damit kann ich mitgehen.

Mir ist nur nicht klar, warum das ein Merkmal vom Erzählspiel ist. Da wären wir eigentlich wieder bei den zwei Achsen, die ich schon ein paar Seiten zuvor angesprochen habe. Herausforderung ist die eine, Erzählfokus die andere. Spiele können sich auf beiden Achsen verorten und sogar zwischen verschiedenen Bereichen hin und her pendeln. Ein Spiel, dass sich da auf einer Nulllinie positioniert, wäre zumindest mit nicht bekannt.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 21:03
... Mir ist nur nicht klar, warum das ein Merkmal vom Erzählspiel ist.

Ist es ja auch nicht.

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 21:07
...
Und hier haben wir die Parallele zum Würfeldrehen. Der Spielleiter dreht die Würfel versteckt hinter dem SL-Schirm. Alle anderen Spieler denken die Regeln gelten weiter, also wird der SL zum Falschspieler, damit das Spiel nicht entartet. Das ist die Grundannahme, warum Würfeldrehen Falschspiel ist.
...

Wenn es Dir nur um das Thema Würfel drehen geht, so geben Deine Posts das definitiv nicht her. Sag das doch einfach und baue einfach keine (mMn falschen) Thesen zu Bennis mit ein. Dann ist der Drops gelutscht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: tartex am 3.03.2023 | 21:19
Leute, habt ihr eigentlich Callois gelesen? (Okay, ist bei mir auch schon wieder fast 20 Jahre her...)

Das sind deskriptive Kategorien und es wird kein Reinheitsanspruch gestellt.

Wie soll so etwas entarten?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Zed am 3.03.2023 | 21:49
Du nutzt eine Menge Implikationen, Alter Weißer Pottwal, die nicht unwidersprochen bleiben.

Wenn man sich nicht an die Spielregeln hält, dann würden das die meisten wohl "Regelbruch" nennen, nicht "Entartung".

Was, wenn Teil der Spielregeln ist, dass man ab und zu die Würfel drehen darf? Oder wenn geschrieben steht, dass die Regeln nicht mehr oder weniger als eine Orientierung bieten sollen?

Fürs FRPG gesprochen, das andersartige Regeln und (vielleicht sogar am wichtigsten) andere Ziele als Schach hat, fallen da die von Dir genutzten Begriffe Falschspieler und "Betrogene" und eigentlich auch schon Deine grundlegende These schon mal weg - oder wo ist mein Denkfehler?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 3.03.2023 | 22:01
Um nochmal zur Ludologie zurück zu kehren. Callois selbst sagt ja auch, dass fiktive Bestätigung sehr wohl Regelgebundenheit im Spiel legitim ersetzen kann.  ;D

Das kommt in den von ihm in Reinform idealisierten Spielen wohl eher nicht als Wechselbeziehung vor, dürfte aber für eine reale Mischform, die zudem im Spielverlauf auch ihre Schwerpunkte wechselt (umgangssprachlich also Rollenspiel), sogar eher der normale Modus Operandi sein.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: pharyon am 3.03.2023 | 22:12
Bei meinem letzten Beitrag ging es nicht um Entartung.

Bei Entartung würde ich nicht auf die Spielregeln verweisen. Es gibt ja auch Regeln, die diese Entartung zulassen oder fördern. Entartung entsteht dann, wenn ich eine Prämisse zunächst anwenden, dann aber übergehe. Dann hätte ich die Anwendung  mir ersparen können. Beispiel Alea: Wenn ich erst würfele, dann aber - weil mir das Ergebnis nicht passt - anders entscheide, untergraben ich die Befolgung der Prämisse. Wenn ich nämlich Alea übergehen darf, warum sollte Alea dann für meine Mitspielenden gelten. Wie gesagt, die spezifischen Regeln eines Spiels mögen dies sogar fördern, dann 'entarten' die Anwender dieser Regeln Alea regelkonform. 'Entarten' ist daher ein Spielprämisse-untergraben/aushöhlen.

Allerdings interessiert mich viel mehr, wie die Anteile des Ludus im Rollenspiel genutzt bzw. angewandt werden.

p^^
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 3.03.2023 | 22:17
Was, wenn Teil der Spielregeln ist, dass man ab und zu die Würfel drehen darf?
Dann müsste mMn noch unterschieden werden, ob das in der Situation, in der es geschieht transparent ist oder ob die SL so tut, als wäre es ein reguläres Würfelergebnis. Im zweiten Fall denke ich, dass es ebenfalls eine Entartung sein dürfte. Schließlich tut die SL so, als würden in der Situation die Würfel Geltung haben, sie haben es aber nicht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 3.03.2023 | 22:21
Dann müsste mMn noch unterschieden werden, ob das in der Situation, in der es geschieht transparent ist oder ob die SL so tut, als wäre es ein reguläres Würfelergebnis. Im zweiten Fall denke ich, dass es ebenfalls eine Entartung sein dürfte. Schließlich tut die SL so, als würden in der Situation die Würfel Geltung haben, sie haben es aber nicht.

Und was, wenn genau diese Illusion zu den Regeln gehört? Oder als ein anderes Beispiel der s.g. Quantumoger?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: pharyon am 3.03.2023 | 22:22
Amromosch, das wäre dann 'Falschspiel'. Die SL tut so, als ob das Würfelergebnis gilt, was es aber da nicht tut.

p^^
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 3.03.2023 | 22:24
Amromosch, das wäre dann 'Falschspiel'. Die SL tut so, als ob das Würfelergebnis gilt, was es aber da nicht tut.

p^^
Ja. Das meinte ich. Trotz der Vereinbarung, dass die SL Würfel drehen darf, sollte das dennoch Falschspiel sein.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 3.03.2023 | 22:28
Ich finde die Betrachtung von alea für mich hauptsächlich interessant, weil die Geschmäcker da extrem verschieden sind.

Bei Pathfinder kann man durch Steigern und den Erwerb magischer Gegenstände bspw. Werte erreichen, die Proben hinfällig machen, weil sie zu 100% gelingen. Bei DnD 5e geht das nicht so einfach. Da beinhaltet ein Würfelwurf in der Regel immer den Zufall. Die einen mögen das eine mehr, die anderen das andere. Finde ich schon interessant.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 4.03.2023 | 01:30
"Taktik" liegt  der Herausforderung näher als "Glück."
Damit man einer Herausforderung gerecht werden kann, geht häufig irgendeine Form von "Leistung" voraus.
Bei Taktik ist das idR. eine "Denkleistung."
A la "wie löse ich das Problem?" Oder "wie gehe ich am besten vor, um etwas Bestimmtes zu erreichen?"

Beim "Glück" leiste ich eigentlich gar nichts.
Außer vielleicht, dass ich es motorisch schaffe, den Würfel zu werfen.
Auf das Ergebnis habe ich dabei keinen Einfluss.
 (Es sei denn, ich bin ein "Würfelmagier", der seine geistigen Fähigkeiten dazu benutzt, das gewünschte Ergebnis zu erzielen... ~;D)

Edit.
Habe den Eindruck dass "Herausforderung" im Rollenspiel trotzdem häufig mit " gut Würfeln müssen" in Verbindung gebracht wird.
Das ist schon ein kleines bisschen komisch, irgendwie... ;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Eismann am 4.03.2023 | 02:02
Am Ende des Tages ist der Würfelwurf auch nur eine Methode der Entscheidungs- oder Ergebnisfindung. Ähnliche Ergebnisse könnte man auch über reines Ressourcenmanagement oder Ausdiskutieren erzielen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 4.03.2023 | 08:19
Ja. Das meinte ich. Trotz der Vereinbarung, dass die SL Würfel drehen darf, sollte das dennoch Falschspiel sein.

 :d
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 4.03.2023 | 08:22
Am Ende des Tages ist der Würfelwurf auch nur eine Methode der Entscheidungs- oder Ergebnisfindung. Ähnliche Ergebnisse könnte man auch über reines Ressourcenmanagement oder Ausdiskutieren erzielen.

Oder Schere, Stein, Papier, Echse, Spock  ~;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 4.03.2023 | 08:30
Danke! Also geht es dir, alle ludologischen Fachtermini mal beiseite geschoben, einfach nur um den Fakt, dass ein nicht explizit im allen Mitspielenden bekannten Regelgerüst festgehaltenes SL-seitiges Würfeldrehen, ein auf Herausforderung basierendes Spiel kaputt macht.

Okay, damit kann ich mitgehen.

Mir ist nur nicht klar, warum das ein Merkmal vom Erzählspiel ist. Da wären wir eigentlich wieder bei den zwei Achsen, die ich schon ein paar Seiten zuvor angesprochen habe. Herausforderung ist die eine, Erzählfokus die andere. Spiele können sich auf beiden Achsen verorten und sogar zwischen verschiedenen Bereichen hin und her pendeln. Ein Spiel, dass sich da auf einer Nulllinie positioniert, wäre zumindest mit nicht bekannt.

Passt alles  :d Das ist ja das was ich mit Spannugsverhältnis meine: Je mehr ich Richtung Erzählspiel gehe, desto weniger kann ich herausforderungsorientiert spielen. Gerade auch weil Falschspiel zwar für die Narration gut sein kann, das taktische Spiel aber völlig entwertet. Andersherum ist es ähnlich. Spiele ich einen "Taschenlampenfallenlasser" mag das erzählerisch interessant uns soaßig sein, taktisch gesehen ist es unpassend. Ich hab am Montag meinen einzigen Zauberslot benutzt um mit einem Esel zu verhandeln. Taktisch gesehen war das unklug, erzählerisch war es saulustig.

Man muss dich einfach klar machen, dass Rollenspiel ein Spektrum ist, zwischen einem Märchenopa und einem taktischen Kriegsspiel.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 4.03.2023 | 08:56
Passt alles  :d Das ist ja das was ich mit Spannugsverhältnis meine: Je mehr ich Richtung Erzählspiel gehe, desto weniger kann ich herausforderungsorientiert spielen. Gerade auch weil Falschspiel zwar für die Narration gut sein kann, das taktische Spiel aber völlig entwertet. Andersherum ist es ähnlich. Spiele ich einen "Taschenlampenfallenlasser" mag das erzählerisch interessant uns soaßig sein, taktisch gesehen ist es unpassend. Ich hab am Montag meinen einzigen Zauberslot benutzt um mit einem Esel zu verhandeln. Taktisch gesehen war das unklug, erzählerisch war es saulustig.

Man muss dich einfach klar machen, dass Rollenspiel ein Spektrum ist, zwischen einem Märchenopa und einem taktischen Kriegsspiel.

Haukrinn mag mich korrigieren, aber wenn ich ihn richtig gelesen habe, dann geht er mit genau dieser Annahme, daß Rollenspiel ein "Spektrum" ist, nicht mit. Er geht ja anscheinend von zwei voneinander unabhängigen Achsen bzw. Dimensionen aus, nicht bloß von einer -- damit schließen sich dann aber "Erzählonkeln" einer- und Taktik andererseits potentiell gar nicht mehr aus. :think:
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: flaschengeist am 4.03.2023 | 09:00
Haukrinn mag mich korrigieren, aber wenn ich ihn richtig gelesen habe, dann geht er mit genau dieser Annahme, daß Rollenspiel ein "Spektrum" ist, nicht mit. Er geht ja anscheinend von zwei voneinander unabhängigen Achsen bzw. Dimensionen aus, nicht bloß von einer -- damit schließen sich dann aber "Erzählonkeln" einer- und Taktik andererseits potentiell gar nicht mehr aus. :think:

So habe ich es auch verstanden und teile diese Ansicht mit der Einschränkug, dass die Achsen nicht orthogonal sondern teilkorreliert sind, um in Haukrinns Bild zu bleiben.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 4.03.2023 | 09:23
Gerade auch weil Falschspiel zwar für die Narration gut sein kann, das taktische Spiel aber völlig entwertet.

Nein, nein und noch mal nein. Schreibe es 50x mal mit Kreide an die Tafel:

Nur, weil einige Regeln nicht beachten und das mit der Narration rechtfertigen, fordert noch benötigt narratives Spiel das Missachten von Regeln.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 4.03.2023 | 09:23
Am Ende des Tages ist der Würfelwurf auch nur eine Methode der Entscheidungs- oder Ergebnisfindung.
Jepp
Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass, wenn der Spielleiter im Laufe des Abenteuers, auch nur einen einzigen Würfelwurf aufzwingt (der nicht umgangen werden kann), der aber dazu führen kann, dass das Abenteuer/Aufgabe hinterher nicht mehr lösbar ist, dann existiert auch keine echte Herausforderung
mehr.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Isegrim am 4.03.2023 | 09:33
Je mehr ich Richtung Erzählspiel gehe, desto weniger kann ich herausforderungsorientiert spielen.

Nicht unbedingt. Wenn man die Herausforderung darin sieht, die richtigen Schlüsse zu ziehen und die richtigen Entscheidungen zu treffen, kann das Glücksmoment direkt hinderlich sein. Würdest du vermutlich unter agon einordnen (was ich nicht passend finde, da es keinen wirklichen Gegner gibt, aber geschenkt).

Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 4.03.2023 | 10:32
So habe ich es auch verstanden und teile diese Ansicht mit der Einschränkug, dass die Achsen nicht orthogonal sondern teilkorreliert sind, um in Haukrinns Bild zu bleiben.

So meinte ich es. Auch die Hypothese einer Teilkorrelation erscheint mir tatsächlich sinnig, wäre aber zu belegen und widerspricht als Eigenschaft der Daten einer Orthogonalität des Raumes, in dem diese liegen, nicht.

Dem generellen Walpostulat, dass Falschspiel taktisches Spiel generell kaputt macht (und erzählerisches eher unterstützt) stimme ich immer noch nicht zu. Kann man sich theoretisch endlos dran kaputt diskutieren, aber das bringt nix. Pbta wäre ein klares praktisches Beispiel für Falschspiel macht erzählerisches Spiel kaputt. Ich bin mir sicher, dass sich auch für die umgekehrte Seite reichlich Beispiele finden lassen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 4.03.2023 | 11:14
Ich würde jetzt tatsächlich zwei Arten von möglichen Herausforderung sehen.

Die eine ist eine taktische: Schaffe ich es die Aufgabe unter den gegebenen Bedingungen zu lösen ?
(Vorausgesetzt die Aufgabe ist
1. Auch ohne Glück lösbar
Und
2. wird nicht durch aufgezwungene, nicht umgehbare Würfe plötzlich obsolet)

Die andere eine erzählerische: Schaffe ich es ein Abenteuer/Geschichte zu spielen, das von allen als unterhaltsam/ spannend empfunden wird.

(Ob die Aufgabe(das Abenteuer) gelöst wird, ist hier nicht das Wichtigste, solange sich alle unterhalten fühlen. =Subjektiv)

Beides schließt sich mMn. gegenseitig nicht aus.

Wobei Würfelpech ( an der falschen Stelle) vermutlich beide Arten von Herausforderung behindern kann.

Edit.
Eine dritte könnte noch eine  Art "Malen nach Zahlen" sein.
Sprich: Ich setze mir die Herausforderung das erzählerisch umzusetzen, was mir die Zahlen auf dem Würfel vorgeben.

A la " Nimm was der Zufall dir hin wirft, und mach das Beste draus."

Könnten auch zufällige Karten sein, wie das bei diversen Erzählspielen der Fall ist.

(Letzteres kann vmtl. sowohl einer angestrebten taktischen Lösung als auch einer Geschichte, die man als vergleichsweise "besser" empfunden hätte, im Weg stehen)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 4.03.2023 | 11:48
Dem generellen Walpostulat, dass Falschspiel taktisches Spiel generell kaputt macht [...] stimme ich immer noch nicht zu.
Wenn Spielende am Ende einer Herausforderung nicht wissen, ob taktische und strategische Entscheidungen unter Berücksichtigung des Zufalls zu dem erzielten Ergebnis geführt haben oder ob die SL dafür gesorgt hat, ist doch der Aspekt taktischen Spiels vollkommen wertlos.

Im Grunde hat die SL, wenn sie denn Falschspiel betreiben darf, oft das letzte Wort darüber, wie Situationen (Herausforderungen) sich entwickeln und ausgehen. Bei herausforderungsorientiertem Spiel will aber die Spielgruppe einen möglichst großen Einfluss darauf haben. Das beißt sich doch offensichtlich oder übersehe ich irgend etwas?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 4.03.2023 | 12:27
Mit unter das Problem der nicht frei von Willkür stattfindenden Frage wann, wer was wie würfelt und wann die Spielwelt wie agiert bzw. reagiert. Es gibt Mechanismen, die versuchen das abzufangen (z.B. Reaktions- und Moraltabellen), aber zu 100 % können diese das nicht schaffen. Und wo Willkür herrscht, kann es keine objektive, reproduzierbare Herausforderung geben. Und was nicht existiert, kann nicht zerstört werden.

Und bevor mir wieder einer unterstellt, ich erlaube anderen nicht auf ihre Art Spaß zu haben. Es ist mir egal, wie jemand spielt. Aber bei in die Welt gestellten Modellen müssen offensichtliche Fehler benannt werden dürfen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 4.03.2023 | 13:29
Wenn Spielende am Ende einer Herausforderung nicht wissen, ob taktische und strategische Entscheidungen unter Berücksichtigung des Zufalls zu dem erzielten Ergebnis geführt haben oder ob die SL dafür gesorgt hat, ist doch der Aspekt taktischen Spiels vollkommen wertlos.

Nein (und das hat der Threadersteller, zumindest in seinem letzten Post auch nicht gesagt). Es ist wertlos, wenn die SL schummelt, obwohl sie das laut Regelwerk nicht darf.

Wenn alle darüber Bescheid wissen, würde ich in einer nicht sozial dysfunktionalen Gruppe (also insbesondere einer, die die SL nicht als Gegner, sondern als Verbündeten und vielleicht noch als neutrale Instanz wahrnimmt) durchaus zutrauen, dass Sie herausfordernd spielen können, ohne dass sie durch so eine Regel (oder durch Bennies oder sonst irgendwas hier schon einmal genanntes) behindert würden.

Ich fände es im Übrigen total spannend, wenn man irgendwann soweit ist, eine wirklich im Cailloischen Sinne weiterentwickelte RPG-Theorie als Werkzeug zur Hand zur haben, diese zur konkreten Spielanalyse zu nutzen. Ich bin mir nämlich relativ sicher, dass auch die Selbsteinschätzung vieler Puristen (egal aus welchem Lager) einer kritischen Einordnung durch einen neutralen Beobachter nicht lange standhält.  ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: flaschengeist am 4.03.2023 | 13:32
Ich fände es im Übrigen total spannend, wenn man irgendwann soweit ist, eine wirklich im Cailloischen Sinne weiterentwickelte RPG-Theorie als Werkzeug zur Hand zur haben, diese zur konkreten Spielanalyse zu nutzen. Ich bin mir nämlich relativ sicher, dass auch die Selbsteinschätzung vieler Puristen (egal aus welchem Lager) einer kritischen Einordnung durch einen neutralen Beobachter nicht lange standhält.  ;)

Sowas von +1 :d
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 4.03.2023 | 14:37
Im Grunde hat die SL, wenn sie denn Falschspiel betreiben darf, oft das letzte Wort darüber, wie Situationen (Herausforderungen) sich entwickeln und ausgehen. Bei herausforderungsorientiertem Spiel will aber die Spielgruppe einen möglichst großen Einfluss darauf haben. Das beißt sich doch offensichtlich oder übersehe ich irgend etwas?
Ich würde ja sagen: Kommt auf die Art der Herausforderung an.

Wenn die Herausforderung darin bestehen soll, das Abenteuer bzw. die Aufgabe zu lösen, dann würde ich fragen:
Kann diese Aufgabe noch erfüllt werden, wenn ich dieses Würfelergebnis unter den Tisch fallen lasse?

Wenn ja, dann hat es vermutlich keine bedeutenden Auswirkungen.


Das Gleiche würde vermutlich für die Herausforderung gelten, eine unterhaltsame Geschichte zu erzählen.
Wird die erlebte Geschichte von den Spielern als schlechter empfunden, wenn ich das Ergebnis weglasse?

Wenn nein, dann kann ich das weglassen.

(Wenn ja, dann sollte ich es strenggenommen eigentlich nicht weglassen)

Edit.
Besser wäre es ja, aus meiner Sicht zumindest, gar nicht erst würfeln zu lassen, wenn das Ergebnis ( bzw. ein mögliches)meinem gewünschten Spielerlebnis im Weg stehen könnte.
Statt es dann im Nachhinein zu verschönbessern.

Oder dann eben ggf. zumindest Regeln zur Hand zu haben, wie man das ganz offiziell noch korrigieren kann.
(Z. B. Gummipunkte, Glückspunkte und Co)

Edit 2.
Wenn jetzt natürlich die Herausforderung darin bestehen soll, jedes, wie auch immer zustande gekommene Würfelergebnis als gesetzt in die "Erzählung" umzusetzen.
Dann kann es tatsächlich als Falschspiel angesehen werden.

Allerdings steht dabei mMn. nicht im Vordergrund, die am besten empfundene Geschichte zu erzählen (Da die Bedeutung eines bereits geworfenen Würfels hier schwerer wiegt, als das Empfinden der Spieler)
Oder dass die Aufgabe/ das Abenteuer gelöst werden kann.( Mit genug Pech an der falschen Stelle, wird die Aufgabe uU. unlösbar)

Gleichzeitig kann es sein, dass Fragen ob der Wurf notwendig oder sinnvoll war, erst gar nicht gestellt werden.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 4.03.2023 | 16:52
Wenn alle darüber Bescheid wissen, würde ich in einer nicht sozial dysfunktionalen Gruppe [...] durchaus zutrauen, dass Sie herausfordernd spielen können, ohne dass sie durch so eine Regel [...] behindert würden.
Wie soll das denn funktionieren? Die Spielenden wollen mithilfe der Regeln und ihren Charakteren ein bestimmtes Ziel erreichen (herausforderungsorientiertes Spiel). Wenn die Regeln aber nicht gelten, geht das gar nicht.

Wie sollen Spielende denn das Gefühl für einen selbst verdienten Erfolg oder Misserfolg verspüren, wenn sie gar nicht wissen, ob überhaupt nach den Regeln gespielt wurde? Ich sehe da wirklich keine Möglichkeit, dass das dauerhaft möglich ist.

Daher bin ich auch der Meinung dass Falschspiel herausforderungsorientiertes Spiel unmöglich macht. Narratives Spiel ist natürlich sowohl mit als auch ohne Falschspiel möglich.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 4.03.2023 | 17:15
Wie soll das denn funktionieren? Die Spielenden wollen mithilfe der Regeln und ihren Charakteren ein bestimmtes Ziel erreichen (herausforderungsorientiertes Spiel). Wenn die Regeln aber nicht gelten, geht das gar nicht.

Wenn's bekannt ist, dann ist es "Rules-as-played". Wenn das Spiel es sogar erlaubt, dann ist es sogar "Rules-as-written". Somit würde selbst exzessives Würfeldrehen regelkonform sein.

Das Ganze ist ja auch eine Frage des sozialen Vertrags. Wenn die Gruppe herausforderungsorientiert spielen, aber keine Charaktere sterben sehen möchte, dann wird so eine Regel (je nach Spielsystem) zwingend. Wenn die Gruppe sagt, wir wollen herausforderungsorientiert spielen, aber wir wollen nicht, dass ein Abenteuer in eine Sackgasse gerät, dann gilt das Gleiche. Wenn alle sagen "was liegt, das liegt, scheißegal, was dann passiert", dann würde ich davon ausgehen, dass eine SL, die keinen Vollnulpenstatus innehat, das auch beherzigt.

Ich schrieb auch schon oben, dass du die "Unberechenbarkeit" der SL auch beliebig weiter weg schieben kannst - sie bleibt trotzdem da. Passiert überhaupt etwas? - das entscheidet der SL. Oder das Abenteuer. Und damit der Abenteuerautor. Du musst dich generell darauf verlassen, dass die SL dir ein Spiel bietet, dass deinen Ansprüchen genügt und dir Spaß macht. Warum bittesehr, soll man ausgerechnet an dieser einen Stelle damit aufhören? Ich begreife einfach nicht, warum man ausgerechnet bei so etwas meint, die SL käme jetzt plötzlich auf die Idee, gegen die Intention und die Wünsche der Spielgruppe zu handeln?!?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 4.03.2023 | 17:44
Ich schrieb auch schon oben, dass du die "Unberechenbarkeit" der SL auch beliebig weiter weg schieben kannst - sie bleibt trotzdem da. Passiert überhaupt etwas? - das entscheidet der SL. Oder das Abenteuer. Und damit der Abenteuerautor. Du musst dich generell darauf verlassen, dass die SL dir ein Spiel bietet, dass deinen Ansprüchen genügt und dir Spaß macht. Warum bittesehr, soll man ausgerechnet an dieser einen Stelle damit aufhören? Ich begreife einfach nicht, warum man ausgerechnet bei so etwas meint, die SL käme jetzt plötzlich auf die Idee, gegen die Intention und die Wünsche der Spielgruppe zu handeln?!?

Weil man genau da dann mit dem aus anderen (Nicht-Rollen-)Spielen importierten Begriff "Falschspieler" punkten kann? :think:

Ich meine, so ziemlich niemand wird einer SL Schummelei unterstellen, wenn sie den SC mal statt dreier Goblins zwei Orks präsentiert; für Dinge dieser Art gibt's einfach nicht so viel an klassischen "Betrugs"-Vorbildern aus der Zeit vor 1974. Aber sobald wir es mit Karten und Würfeln zu tun kriegen, nun, bei Spielen mit diesen haben die Leute vermutlich schon seit Jahrhunderten und -tausenden beschissen -- und der Verdacht überträgt sich dann halt leicht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 4.03.2023 | 18:01
Ich wundere mich nur, warum die Gefahr bei einem herausforderungsorientierten Spiel (HefoSp? Oder darf man das jetzt endlich wieder ARS nennen anstatt um den heissen Brei herum zu reden) immer an dieser einen Geschichte festmacht.

 Ich sehe die Gefahr für so einen Spielstil eigentlich viel mehr in der Vorenthaltung von Informationen. Ich bin als Spieler ja komplett darauf angewiesen, alle wesentlichen Informationen zu bekommen, damit ich die richtige Taktik anwenden kann, damit ich meine Fähigkeiten ausreizen kann.

Was ist, wenn mir die SL da (aus Nachlässigkeit oder Unwissenheit, ja vielleicht sogar aus Bosheit) solche Informationen vorenthält?

Das wäre es, worüber ich mir als Spieler in so einem Spielstil viel eher Gedanken machen würde.  :)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: ghoul am 4.03.2023 | 19:11
Ja, äußerst rätselhaft, dieses ARS.  ;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Kurna am 4.03.2023 | 22:58
Ja, äußerst rätselhaft, dieses ARS.  ;D

Wäre vielleicht ganz spannend, wenn mal jemand eine Theorie aufstellt, was dieses ARS eigentlich ist.  ~;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 4.03.2023 | 22:58
Wenn's bekannt ist, dann ist es "Rules-as-played". Wenn das Spiel es sogar erlaubt, dann ist es sogar "Rules-as-written". Somit würde selbst exzessives Würfeldrehen regelkonform sein.
Bestreite ich gar nicht. Bloß herausforderungsorientiert zu spielen geht dann nicht.

Das Ganze ist ja auch eine Frage des sozialen Vertrags. Wenn die Gruppe herausforderungsorientiert spielen, aber keine Charaktere sterben sehen möchte, dann wird so eine Regel (je nach Spielsystem) zwingend.
Dann braucht man bloß eine Hausregel, was als Alternative zum Charaktertod passiert, aber kein Falschspiel.

Ich begreife einfach nicht, warum man ausgerechnet bei so etwas meint, die SL käme jetzt plötzlich auf die Idee, gegen die Intention und die Wünsche der Spielgruppe zu handeln?!?
Mache ich gar nicht. Würfeldrehende SL können sehr wohl im Sinne der Spielgruppe handeln. Bloß kann diese Gruppe dann halt nicht herausforderungsorientiert spielen (was sie vermutlich auch gar nicht will).
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 4.03.2023 | 23:03
Ich sehe die Gefahr für so einen Spielstil eigentlich viel mehr in der Vorenthaltung von Informationen. Ich bin als Spieler ja komplett darauf angewiesen, alle wesentlichen Informationen zu bekommen, damit ich die richtige Taktik anwenden kann, damit ich meine Fähigkeiten ausreizen kann.
Da bin ich ganz bei dir. Sind die wesentlichen Informationen nicht da, lässt sich auch schlecht herausforderungsorientiert spielen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Isegrim am 5.03.2023 | 00:32
Sind die wesentlichen Informationen nicht da, lässt sich auch schlecht herausforderungsorientiert spielen.

Häufig genug kriegt man solche Infos durch was? Würfelwürfe. Weil das gekaufte Abenteuer es so sagt, weil die SL meint, dass gehört "eigentlich" dazu, weil old habits die hard etc pp. Und wenn dann die Würfel nicht so wollen, steht man vor einem Problem...

Mag sein, dass es unklug ist, Abenteuer-wichtige Infos an Würfelwürfe zu hängen, aber wenn die SL solche Würfe manipuliert, kann dass das "herausforderungsorientierte Spiel" überhaupt erst wirklich ermöglichen, wenn die Herausforderung darin gesehen wird, aus den Indizien die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 5.03.2023 | 09:11
Mag sein, dass es unklug ist, Abenteuer-wichtige Infos an Würfelwürfe zu hängen, aber wenn die SL solche Würfe manipuliert, kann dass das "herausforderungsorientierte Spiel" überhaupt erst wirklich ermöglichen, wenn die Herausforderung darin gesehen wird, aus den Indizien die richtigen Schlüsse zu ziehen.
Jepp
Dafür ist es nicht einmal nötig, dass die Spielleitung irgendwelche Würfe manipuliert.
Es reicht, wenn das Abenteuer sagt: Info gibt's nur bei erfolgreichem Wurf.
Und wenn der vergeigt wird, dann kommt die Gruppe nicht weiter.
(Wie bei einem Sudoku, bei dem eine wichtige Zahl fehlt)

Die wenigsten Abenteuer werden wahrscheinlich dahingehend geprüft, ob sie auch, unabhängig von Würfelglück, genug Informationen bieten, um sie zu lösen bzw zu bestehen.

Ähnliches kann auch Tore, Türen, Portale, Schlößer, Brücken, Überqueren von Flüssen etc. betreffen. Kommen die Helden da nicht rein, drüber, durch, und ist das aber die einzige Möglichkeit, geht's nicht weiter.

In Verbindung mit ein paar Todesfallen,
(Ein einziger Wurf vergeigt= tot) kann der Glücksfaktor jede Form von echter Herausforderung in den Schatten stellen.

Edit.
Was noch hinzukommen kann, sind von der Spielleitung, spontan geforderte Würfe, die nicht explizit im Abenteuer vorgesehen sind, aber bei einem Fehlschlag letztlich dazu führen, dass (man muss ja die Würfel achten) entscheidende Informationen nicht gegeben, wichtige Wege nicht frei werden.

Und das geschieht selten aus bösem Willen.
Sondern weil man das in dem Moment vielleicht für spannender hält.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: 6 am 5.03.2023 | 09:15
Mache ich gar nicht. Würfeldrehende SL können sehr wohl im Sinne der Spielgruppe handeln. Bloß kann diese Gruppe dann halt nicht herausforderungsorientiert spielen (was sie vermutlich auch gar nicht will).
Stell Dir folgenden Fall vor: SL beschreibt eine Situation mit einem Hindernis. Spieler hat eine geniale Lösung zum Überwinden des Hindernisses. SL würfelt. Der Würfel sagt "Aktion schlägt fehl". SL dreht den Würfel sodass das Ergebnis sagt "Aktion hat funktioniert", weil die Lösung aus seiner Sicht sehr intelligent war.
War der Spielzug herausforderungsorientiert oder nicht?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 5.03.2023 | 09:26
Wenn ich das alles hier so lese, stellt sich mir die Frage, ob es überhaupt herausforderungorientiert sein kann, den Erfolg von einem Würfelwurf abhängig zu machen?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 5.03.2023 | 09:55
Wenn ich das alles hier so lese, stellt sich mir die Frage, ob es überhaupt herausforderungorientiert sein kann, den Erfolg von einem Würfelwurf abhängig zu machen?

Na ja, "Herausforderung" kann ja auch sein, den Zufall so gut wie möglich zu managen und dann aus den Folgen das Beste zu machen. Beispiele dafür gibt's überall -- prinzipiell sogar im Sport, wo man ja auch so gut wie nie wirklich alles komplett unter Kontrolle hat.

Wo genau das dann im Rahmen von Agon bzw. Alea zu verorten wäre, müßten aber die Experten ausklamüsern.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Fluffy am 5.03.2023 | 09:56
Stell Dir folgenden Fall vor: SL beschreibt eine Situation mit einem Hindernis. Spieler hat eine geniale Lösung zum Überwinden des Hindernisses. SL würfelt. Der Würfel sagt "Aktion schlägt fehl". SL dreht den Würfel sodass das Ergebnis sagt "Aktion hat funktioniert", weil die Lösung aus seiner Sicht sehr intelligent war.
War der Spielzug herausforderungsorientiert oder nicht?

ich denke schon es war herausforderungsorientiert, aber die herausforderung bestand darin, zu wissen, was der SL für intelligent hält. Damit verschiebt sich die herausforderung von einer mathematischen Optimierung der Charakters und Spielsituation hin zur Einschätzung und beeinflussung einer anderen person.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 5.03.2023 | 10:21
@
Fluffy

Diese Einschätzung: "Kann der Plan funktionieren? " - gehört zum Rollenspiel dazu.

Da alles Fiktion ist, werden Ideen gesammelt, die auch in der Realität funktionieren können.
Je eingängiger und Alltags- tauglicher eine Idee, desto wahrscheinlicher, dass sie von allen am Tisch akzeptiert wird.

Wenn ich jetzt zum Beispiel sage: Ich schneide mir ein Stück Apfel mit meinem Messer heraus, wird niemand sagen:" Das geht nicht!"
Oder " Mach Mal einen Prüfwurf ob du das schaffst!"

So ist es im Rollenspiel auch (häufig per Regel) möglich, Würfe entfallen zu lassen, wenn die Idee sicher funktioniert.

Oder anders: Nur dann würfeln zu lassen, wenn die Idee nicht ganz wasserdicht ist.
Es praktisch - eine erkennbare Chance zu Scheitern gibt.

Weshalb bei Routine Sachen eigentlich gar nicht gewürfelt werden sollte.

Edit. Nicht wenige Spielleiter lassen dann aber unnötigerweise trotzdem würfeln.
Und jeder Wurf birgt die Chance zu scheitern.


Zur " mathematischen Optimierung eines Charakters":
Ich kann natürlich auch den "Messerwerfer" der Gruppe, (der seine Fähigkeiten mit dem Dolch auf Maximum gesteigert hat), würfeln lassen, ob er beim Apfelessen vielleicht doch patzt, und sich mit dem Messer dabei in den Finger schneidet.

Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das (glaubwürdig!) passieren könnte, würde sich definitiv nicht mehr in der Patzer Chance beim Würfeln widerspiegeln.

(Spiel- praktikabel ist mMn. auch was anderes)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 5.03.2023 | 10:41
Stell Dir folgenden Fall vor: SL beschreibt eine Situation mit einem Hindernis. Spieler hat eine geniale Lösung zum Überwinden des Hindernisses. SL würfelt. Der Würfel sagt "Aktion schlägt fehl". SL dreht den Würfel sodass das Ergebnis sagt "Aktion hat funktioniert", weil die Lösung aus seiner Sicht sehr intelligent war.
War der Spielzug herausforderungsorientiert oder nicht?
Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass die SL hier keinen Fehler gemacht hat, indem sie einen Würfelwurf fordert. Ich weiß zwar nicht, warum die SL verdeckt würfeln sollte, wenn ein Charakter etwas tut, aber nehmen wir an, auch das sei von den Regeln so gewollt.

In dem Fall geht der Spieler herausforderungsorientiert an die Sache heran und die SL torpediert das ganze durch Falschspiel.

Gegenfrage: Was spricht dagegen, dass die SL dem Spieler sagt, dass sie den Würfelwurf ignoriert und die Aktion gelingen lässt? Ich denke, das tut die SL nicht, weil sie möchte, dass der Spieler das Gefühl hat, dieses Hindernis selbst überwunden zu haben. Bloß funktioniert das oft nicht so, weil Spielende ja merken, dass eine SL stets verdeckt würfelt, auch wenn es gar nicht erforderlich wäre. Und das muss ja irgend einen Grund haben.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: RackNar am 5.03.2023 | 11:12
... Ich denke, das tut die SL nicht, weil sie möchte, dass der Spieler das Gefühl hat, dieses Hindernis selbst überwunden zu haben. ...

Gerade an diesem Punkt habe ich dann Bauchschmerzen. Sie haben es ja eben nicht selbst überwunden. Sondern der Zufall hat entschieden. Da ist keine Leistung der Spieler vorhanden. Man könnte jetzt argumentieren, dass die Leistung der Spieler darin besteht, die Wahrscheinlichkeit zu beeinflussen. Aber das hat in der Regel eben nicht mit der konkreten Herausforderung zu tun. Sondern war eine einmalige Leistung, die auf alle Herausforderung dieser Art wirkt. D.h. beim 2. mal ist keine neue Leistung erbracht worden ...
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 5.03.2023 | 11:27
Gerade an diesem Punkt habe ich dann Bauchschmerzen. Sie haben es ja eben nicht selbst überwunden. Sondern der Zufall hat entschieden. Da ist keine Leistung der Spieler vorhanden. Man könnte jetzt argumentieren, dass die Leistung der Spieler darin besteht, die Wahrscheinlichkeit zu beeinflussen. Aber das hat in der Regel eben nicht mit der konkreten Herausforderung zu tun. Sondern war eine einmalige Leistung, die auf alle Herausforderung dieser Art wirkt. D.h. beim 2. mal ist keine neue Leistung erbracht worden ...
Ich sehe da ganz klar eine Leistung des Spielers. So wie die Situation beschrieben wurde, musste der Spieler ja erst auf eine gute Idee kommen, um würfeln zu dürfen. Zusätzlich ist die Frage, wie geskillt wurde und wie die Gruppe ausgerüstet ist.

Aber ich halte Hindernisse, die mit einem einzelnen Würfelwurf überwunden oder eben nicht überwunden werden, auch nicht gerade für gutes Abenteuerdesign, wenn man herausforderungsorientiert spielen möchte. Das ist sicherlich mit ein Grund, warum die meisten Systeme im Kampf mehrere Würfe fordern, um einen Konflikt beizulegen. Das reduziert nämlich den Einfluss von Zufall.

Klar ist aber auch: Wann gewürfelt werden muss/darf, ist ein entscheidender Faktor fürs herausforderungsorientierte Spiel.

Unabhängig von all dem ist die These ja auch nicht, dass herausforderungsorientiertes Spiel immer gut funktioniert, wenn niemand Falschspiel betreibt. Die These ist ja andersrum zu sehen: Wenn jemand Falschspiel betreibt, ist herausforderungsorientiertes Spiel kaum/nicht möglich.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: 6 am 5.03.2023 | 11:43
Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass die SL hier keinen Fehler gemacht hat, indem sie einen Würfelwurf fordert. Ich weiß zwar nicht, warum die SL verdeckt würfeln sollte, wenn ein Charakter etwas tut, aber nehmen wir an, auch das sei von den Regeln so gewollt.
Gerne.
Zitat
In dem Fall geht der Spieler herausforderungsorientiert an die Sache heran und die SL torpediert das ganze durch Falschspiel.
Warum sollte die SL hier die Herausforderungorientierung "torpedieren"? SL stellt Aufgabe. Spieler löst diese Aufgabe.
Zitat
Gegenfrage: Was spricht dagegen, dass die SL dem Spieler sagt, dass sie den Würfelwurf ignoriert und die Aktion gelingen lässt?
Du würdest damit die Illusion des Nervenkitzels für den Spieler zerstören. Für die Herausforderungsorientierung (also dem Punkt, den wir hier diskutieren) würde sich da natürlich nichts ändern.

Zitat
Ich denke, das tut die SL nicht, weil sie möchte, dass der Spieler das Gefühl hat, dieses Hindernis selbst überwunden zu haben.
Nee. Der Spieler hat die Herausforderung ja selbst überwunden. SL stellt die Aufgabe. Spieler überwindet sie.

Zitat
Bloß funktioniert das oft nicht so, weil Spielende ja merken, dass eine SL stets verdeckt würfelt, auch wenn es gar nicht erforderlich wäre. Und das muss ja irgend einen Grund haben.
Du meinst Willing Suspention of Disbelieve (https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/WillingSuspensionOfDisbelief) oder spezieller Kayfabe (https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/Kayfabe). Sprich die Spielenden wissen im Normalfall dass die SL bei verdeckten Würfen an den Würfeln drehen kann und sie vertrauen ihm dass er nicht gegen ihre Interessen Würfel dreht.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 5.03.2023 | 12:22
Unabhängig von all dem ist die These ja auch nicht, dass herausforderungsorientiertes Spiel immer gut funktioniert, wenn niemand Falschspiel betreibt. Die These ist ja andersrum zu sehen: Wenn jemand Falschspiel betreibt, ist herausforderungsorientiertes Spiel kaum/nicht möglich.
Nur würde ich hier die Frage stellen: Wo fängt das "Falschspiel" konkret an, und wo hört es auf?

Fängt es schon beim schlechten Abenteuer Design an? (Weil nur ein einziger Wurf entscheidet, ob das Abenteuer weitergeht)
(Dann würde die SL vielleicht nur zu spät merken, dass das für's Spiel nicht praktikabel ist, und das quasi nachträglich korrigieren)
Wirklich Falschspiel durch die Spielleitung?

Oder - steht es zwar nicht im Abenteuer- aber die Spielleitung merkt nach dem Wurf: "Oh das sollte jetzt eigentlich nur spannend sein. Ich dachte/ hoffte es gelingt.
Mein blöder Fehler - denn es muss gelingen damit das Abenteuer weitergeht.
Also korrigiere ich diesen meinen Fehler."

Auch Falschspiel?


Edit.
In dem Moment, wo ich als Spielleiter würfeln lasse, muss die Gruppe quasi mit allen dadurch möglichen Ergebnissen leben können.

( Und idR. auch das Abenteuer weiterhin funktionieren)

Wenn man jetzt als Spielleiter aber merkt: Verdammt! Habe mich verschätzt, habe das nicht bedacht. Gruppenvertrag steht (durch mich) auf Alarm.

Dann sehe ich das zumindest nicht als Falschspiel durch die SL an.

Ausnahme: Es wurde mit der Gruppe absolute Transparenz vereinbart - wenn und warum ein Wurf korrigiert wird.
(Was ja an sich nicht das Problem wäre, für Gruppen in denen Transparenz jetzt wichtiger wäre als  Illusion - dann werden die Gründe eben offen gelegt)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Zed am 5.03.2023 | 13:24
Da Widerspruch ausblieb, nehme ich an, dass Haukrinns Vorstoß, die hier beschriebene Spielweise „ARS“ zu nennen, richtig ist. „Herausforderungsorientiert“ halte ich als Begriff für unzutreffend, denn auch die Beispiele, in denen der Würfel mal gedreht wird, orientieren sich ja in Richtung Herausforderungen. Nur nicht in dem maximalen Ausmaß, den sich diejenigen vorstellen, die den Begriff hier eingeführt haben.

Ich möchte das Beispiel von „6“ weiter ausführen: Die Gruppe hat ihre geniale Idee. Die SL denkt sich, mit 50/50 kann sie nichts falsch machen und legt eine 10 als Erfolg fest.

Schon während der W20 rollt, ärgert sich die SL: Es hätte eigentlich bei der genialen Idee ein automatischer Erfolg sein können oder höchstens eine „1“ als Fail. Der Würfel landet bei einer „8“.

Und jetzt würde es in den Augen von ARS ein Betrug, ein Würfeldrehen, ein Falschspiel sein, wenn die SL sagt: „Wisst Ihr was, bei der Idee reicht eine „8“ auch. In diesem Fall ist das Nachjustieren der SL nichts anderes als eine Korrektur der eigenen Fehleinschätzung.

Ich verstehe nicht, warum ein maßvolles Korrigieren von Fehleinschätzungen (getroffen von der SL oder von denen, die das Abenteuer verfasst haben) durch die SL zu jedem Zeitpunkt einen solchen Sündenfall darstellen soll. Ich bitte um Aufklärung, warum in jedem Fall ab einem Zeitpunkt die Rahmenbedingungen, die im Abenteuer stehen, oder die die SL festgelegt hat, in Stein gemeißelt sein sollen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: schneeland am 5.03.2023 | 13:58
Die moralischen Bewertungen mal außen vor gelassen: die zentrale Schwierigkeit an der nachträglichen Korrektur ist, dass sie das Potential hat, das Spielmodell einer Interaktion mit einer Weltsimulation (mit einem neutral agierenden Spielleiter) zu untergraben und dadurch die Bemühungen der Spieler, sich innerhalb dieser Weltsimulation günstige Chancen zu verschaffen, untergräbt. Im von Dir genannten Beispiel kommt das noch nicht so stark zum Tragen, weil der Spielleiter ja bereits während des Würfelwurfs und noch vor Feststehen des Ergebnisses die Entscheidung korrigieren möchte. Aber es öffnet eben das Tor dafür, dass nicht die Würfel bzw. die Weltsimulation über den Fortgang der Geschichte entscheiden, sondern Präferenzen des Spielleiters (egal ob zugunsten oder zuungunsten der Spieler).

Davon unberührt bleibt die bereits Frage aufgeworfene Frage, ob "Herausforderung" eine sinnvolle Beschreibung für einen Prozess mit Würfelanteil ist, und wie man die Informationsasymmetrie zwischen Spielern und SL in diesem Kontext bewertet.

Einschränkend: ich sehe mich nicht als Experten für ARS, aber ich glaube, ARS und OSR sind nah genug beieinander, dass die Aussage gültig bleibt.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 5.03.2023 | 14:01
Ich verstehe nicht, warum ein maßvolles Korrigieren von Fehleinschätzungen (getroffen von der SL oder von denen, die das Abenteuer verfasst haben) durch die SL zu jedem Zeitpunkt einen solchen Sündenfall darstellen soll. Ich bitte um Aufklärung, warum in jedem Fall ab einem Zeitpunkt die Rahmenbedingungen, die im Abenteuer stehen, oder die die SL festgelegt hat, in Stein gemeißelt sein sollen.

Ich denke dass fußt primär in zwei Wünschen
- Es muss ein konkretes Abgrenzungskriterium für ARS geben (in diesem Fall "Falschspiel", oder, wenn man das ausschmücken möchte, dann halt SchErz)
- Die SL ist eine absolut neutrale Instanz die den Gruppenvertrag zu jeder Zeit zu 100% berücksichtigt.

Punkt 2 ist in der Praxis wohl kaum zu stemmen (da zielen ja auch die Beispiele aus den letzten Posts drauf ab), Punkt 1 wiederum ist eine ziemlich willkürliche Zuordnung. Hier wird ein Beispiel rausgegriffen, welches angeblich ARS widerspricht. Die Unterscheidung zu anderen Willkürentscheidungen der SL (greift jetzt eine Regel oder ein Ruling? Ist das Ruling eine Entscheidung der SL oder wird gewürfelt? Wer würfelt? Wie wird das Würfelergebnis interpretiert?) ist aber löchrig oder wird bei der Abgrenzung komplett ignoriert. Einzig und allein die Unvereinbarkeit mit Punkt 2 wäre anzumerken, aber da das eh Wunschdenken ist, bin ich mir nicht sicher, wie es hier mit der praktischen Anwendbarkeit aussieht (siehe auch meine Anmerkungen zur vermuteten Diskrepanz zwischen selbst wahrgenommenen und neutral beobachteten Spielstil).

Ich glaube der zentrale Fehlschluss bei der ganzen Geschichte ist, dass man versucht hier etwas auf Spielstruktur und Spielprozess abzubilden (Falschspiel), was aber eigentlich Teil des sozialen Vertrags der Spielgruppe miteinander ist: Bescheiß uns nicht um unseren Spielspaß. Ich glaube die Aussage würde so ziemlich jede Person hier unterschreiben - und alle, die schon eine Weile dabei sind wissen auch, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Da so ein Element des sozialen Vertrags aber komplett unabhängig vom konkreten Spielstil ist (egal wie du spielst, du willst dabei nicht um deinen Spaß gebracht werden), ist das natürlich wieder kein sinnvolles Abgrenzungskriterium für ARS mehr.

Ich selbst hätte mit dem Fehlen eines solchen Kriteriums ehrlich gesagt überhaupt kein Problem. ARS stellt den Erhalt der Spielweltkonsistenz und (bedingt) die Entscheidungsfreiheit der Spieler an die Spitze - beides soll durch "dramatische" Entscheidungen nicht entwertet werden. Das finde ich absolut legitim, und ich spiele durchaus Spiele, bei denen ich genau das haben möchte - mit der Anmerkung, dass zum Beispiel Mechanismen wie Gummipunkte oder regelkonformes Würfeldrehen dem in keinster Weise entgegen stehen, denn das sind keine dramatischen, sondern spieltaktische Entscheidungen. Andere Spielstile halten andere Dinge für besonders wichtig und setzen die Präferenzen anders, und heben beispielsweise die dramatische Konsistenz hervor, sind dafür aber bereit, Logiklöcher oder Scheinherausforderungen in Kauf zu nehmen.

Die moralischen Bewertungen mal außen vor gelassen: die zentrale Schwierigkeit an der nachträglichen Korrektur ist, dass sie das Potential hat, das Spielmodell einer Interaktion mit einer Weltsimulation (mit einem neutral agierenden Spielleiter) zu untergraben und dadurch die Bemühungen der Spieler, sich innerhalb dieser Weltsimulation günstige Chancen zu verschaffen, untergräbt.

Nun ist diese Weltsimulation aber nicht nur durch Entscheidungsgraphen und statistische Prozesse geprägt, sondern auch durch Willkür- und Fehlentscheidungen von SL, Abenteuer- und sogar Spielautor:in. Sie stellt damit ein in der Realität nicht zu erreichendes Ideal dar. Die Frage sollte also eher sein: Welche Kompensationsmechanismen sind hier als Korrekturmaßnahmen zulässig und warum? Ich denke, das ist aber, wie oben schon angemerkt, keine Frage des Spielprozesses, sondern des sozialen Vertrags.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: ghoul am 5.03.2023 | 14:13
Kurze Zwischenfrage aus dem Exil:
Versucht ihr hier, PESA-ARS nachzudefinieren oder geht es ganz entkoppelt um eine eigen Definition eines Haukrinn-ARS?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 5.03.2023 | 14:15
Kurze Zwischenfrage aus dem Exil:
Versucht ihr hier, PESA-ARS nachzudefinieren oder geht es ganz entkoppelt um eine eigen Definition eines Haukrinn-ARS?

Ich versuche immer noch rauszufinden worauf der Threadersteller eigentlich hinauswill und habe mich jetzt einfach nur dieser Nomenklatur bedient.  :)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 5.03.2023 | 14:19
Da Widerspruch ausblieb, nehme ich an, dass Haukrinns Vorstoß, die hier beschriebene Spielweise „ARS“ zu nennen, richtig ist. „Herausforderungsorientiert“ halte ich als Begriff für unzutreffend, denn auch die Beispiele, in denen der Würfel mal gedreht wird, orientieren sich ja in Richtung Herausforderungen. Nur nicht in dem maximalen Ausmaß, den sich diejenigen vorstellen, die den Begriff hier eingeführt haben.
ARS sagt mir leider nichts. Insofern kann ich darauf nicht eingehen.

Gerne.Warum sollte die SL hier die Herausforderungorientierung "torpedieren"? SL stellt Aufgabe. Spieler löst diese Aufgabe.Du würdest damit die Illusion des Nervenkitzels für den Spieler zerstören. Für die Herausforderungsorientierung (also dem Punkt, den wir hier diskutieren) würde sich da natürlich nichts ändern.
Es ändert sich einfach alles. Wenn zur Herausforderung ein Würfelwurf gehört (wir gehen ja davon aus), dann hat der Spieler diese also nicht erfolgreich gelöst. Und dann schenkt die SL dem Spieler einen Erfolg, den er sich eigentlich selbst verdienen möchte.
Ich glaube der zentrale Fehlschluss bei der ganzen Geschichte ist, dass man versucht hier etwas auf Spielstruktur und Spielprozess abzubilden (Falschspiel), was aber eigentlich Teil des sozialen Vertrags der Spielgruppe miteinander ist: Bescheiß uns nicht um unseren Spielspaß. Ich glaube die Aussage würde so ziemlich jede Person hier unterschreiben - und alle, die schon eine Weile dabei sind wissen auch, dass das keine Selbstverständlichkeit ist. Da so ein Element des sozialen Vertrags aber komplett unabhängig vom konkreten Spielstil ist (egal wie du spielst, du willst dabei nicht um deinen Spaß gebracht werden), ist das natürlich wieder kein sinnvolles Abgrenzungskriterium für ARS mehr.
Ich denke, das ist der entscheidende Punkt. Wer als Spielender herausforderungsorientiert spielen möchte, dem ist "Falschspiel" egal in welche Richtung ein Dorn im Auge. Denn dann weiß niemand im Nachhinein mehr, ob die eigenen Entscheidungen relevant waren. Und dann fühlen Spieler sich betrogen. Oder zumindest wissen sie nicht, ob ihre Entscheidungen von der SL absichtlich entwertet wurden. Und das negiert das Empfinden etwas Positives erreicht zu haben.

Beim Korrigieren von Fehleinschätzungen würde ich persönlich sagen, dass das gut ist. Wenn transparent ist, dass die SL bei einem geforderten Würfelwurf einen Fehler gemacht hat, ist das nicht so problematisch für herausforderungsorientiertes Spiel als so zu tun, als wäre ein Würfelwurf gelungen, der misslungen ist.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 5.03.2023 | 15:24
Interessieren würde mich ja spaßeshalber schon einmal, worin beim Rollenspiel die "Herausforderung" eigentlich liegen soll. Generell sollen ja Spieler und SL gerade keine Gegner sein und auch die Spielergruppe mit- und nicht gegeneinander spielen (eventuelle Interessenkonflikte zwischen Charakteren außen vor gelassen, solange sie nicht auf die out-of-character-Ebene durchschlagen) -- damit fällt der gängigste Herausforderungsmodus aus anderen Spielen aber schon mal recht komplett weg.

Natürlich könnte man jetzt sagen "Wir wollen ja die Herausforderungen durch die Spielwelt meistern!". Okay, nur: die und ihre sämtlichen Auswirkungen im Fall sowohl des Erfolgs als auch des Fehlschlags sind ja ihrerseits rein fiktiv (auch wenn sie natürlich wie so ziemlich jede brauchbare Fiktion die Gefühle der Spieler bewegen mögen). Und wo bleibt dann, wenn ich die vorherige Aussage eigentlich genauso gut 1:1 in "Wir wollen eine Geschichte dieser speziellen Art mit einer anständigen und belastbaren Illusion von Herausforderung erleben!" übersetzen kann, noch der große kategorische Unterschied zum "Erzählspiel"?

Oder geht's letzten Endes vielleicht doch nur mal wieder um "Die Spielleitung soll Spielerentscheidungen nicht entwerten!"? Die Diskussion klingt mir ja ein gutes Stück weit danach, aber das wäre dann aus meiner Sicht eigentlich gar kein so großer Streitpunkt mehr, sobald er erst mal nur hinreichend klar benannt worden ist. Mit anderen Worten, vielleicht wird mit den ganzen anderen Begriffen ja nur deshalb um sich geschmissen, damit man ein paar Nebelkerzen hat und sich besser zoffen kann. ;)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 5.03.2023 | 15:38
Ich kann den Herausforderungsgedanken durchaus nachvollziehen, den gibt es ja im Solo-Videospiel in gleicher Weise. Ist halt PvE, nicht PvP. Die Anwendbarkeit der Cailloischen Kategorisierung mag damit schwierig werden, denn die geht ganz klar von kompetitivem Spiel und dadurch etablierten Rangfolgen der Spieler aus (sowohl bei Agon, als auch bei Alea). Aber das ist ja in der Diskussion eher nebensächlich.

Das wir uns nur in der Fiktion bewegen, ist dafür eigentlich ebenfalls nebensächlich. Sinn ist ja, imaginäre Herausforderungen zu kreieren und die Fähigkeiten der Spieler (ganz wichtig: Spieler, nicht Charaktere!) daran zu messen. Spannend daran finde ich, dass es offenbar kein Kriterium ist, "angemessene" Herausforderungen zu kreieren. Sie müssen nur erfassbar sein - sie dann links liegen zu lassen (weil sie zu leicht oder zu schwer sind), ist dann wiederum eine Aufgabe für die Spielenden - und damit eine, öhm, Meta-Herausforderung?  ;D

Stehen und fallen tut das alles mit der Neutralität und weitestgehenden Unfehlbarkeit der SL (denn dessen Entscheidungen und Kommunikation repräsentieren ja letztendlich das E in PvE). Was exakt der Grund war, weshalb weiter oben auch schon die Kompensationsmechanismen angesprochen habe, mit denen man die Abweichungen von der Ideallinie aufklären kann. Ich denke, an der Stelle driften dann die Spielstile auch auseinander, weil unterschiedliche Gruppen unterschiedliche Kompensationsmechanismen als "erlaubt" ansehen. Vom offenen korrigieren über das implizite, aber verdeckte nachkorrigieren hin zu Regelmechanismen, die so etwas genauso wie statistische Ausreißer abfangen können (Bennies) und vielleicht sogar bis hin zur aktiven Weltengestaltung durch alle Spielenden (im Sinne von ich habe als SL dieses Detail nicht oder falsch kommuniziert, also ist die Interpretation des Spielenden entscheidend, nicht meine eigene).

Die Wahl der Kompensationsmechanismen ist aber kein Kriterium dafür, ob ein Spiel oder ein Spielstil allgemein als Herausforderung wahrgenommen wird. Denn diese Wahrnehmung ist subjektiv und damit vom jeweiligen Spielenden, im Idealfall vom Konsens einer Spielgruppe dazu, abhängig.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: 6 am 5.03.2023 | 16:18
Es ändert sich einfach alles. Wenn zur Herausforderung ein Würfelwurf gehört (wir gehen ja davon aus), dann hat der Spieler diese also nicht erfolgreich gelöst. Und dann schenkt die SL dem Spieler einen Erfolg, den er sich eigentlich selbst verdienen möchte.
Ich fürchte Du kommst da mit den Begrifflichkeiten hier im Thread durcheinander. Herausforderungsorientiert ist "Agon". Der Würfelwurf selber ist "Alea". Alea bedeutet, dass Du Dich passiv dem Schicksal überlässt. D.h. dass ein Würfelwurf selber nichts mit verdienen zu tun hat. Du "verienst" Dir also nicht das Würfelergebnis "6", sondern Du lässt das Schicksal entscheiden welches Ergebnis kommt. Und somit hat der Würfelwurf selber nichts mit Herausforderungsorientiert zu tun.
Logischerweise ändert sich in Bezug auf "Agon" also Herausforderungsorientiert nichts bei meinem Beispiel.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 5.03.2023 | 16:25
Es ändert sich einfach alles. Wenn zur Herausforderung ein Würfelwurf gehört (wir gehen ja davon aus), dann hat der Spieler diese also nicht erfolgreich gelöst. Und dann schenkt die SL dem Spieler einen Erfolg, den er sich eigentlich selbst verdienen möchte.Ich denke, das ist der entscheidende Punkt. Wer als Spielender herausforderungsorientiert spielen möchte, dem ist "Falschspiel" egal in welche Richtung ein Dorn im Auge. Denn dann weiß niemand im Nachhinein mehr, ob die eigenen Entscheidungen relevant waren. Und dann fühlen Spieler sich betrogen. Oder zumindest wissen sie nicht, ob ihre Entscheidungen von der SL absichtlich entwertet wurden. Und das negiert das Empfinden etwas Positives erreicht zu haben.

OK, zum "Verdienen":
Angenommen ein Spieler hat eine gute Idee, die funktionieren kann.
Dann verlangt die Spielleitung aber einen Wurf, der misslingt.

Hat er sich den Erfolg dann nicht verdient, weil er schlecht gewürfelt hat?
Oder anders: Was habe ich denn "geleistet" wenn ich gut oder schlecht würfel?
Auf das Würfelergebnis habe ich doch keinen Einfluss.
Ich habe nur auf die Idee davor Einfluss.

Man könnte hier höchstens sagen: "Wäre meine Idee in den Augen der Mitspieler noch besser gewesen, hätte die Spielleitung mir den Erfolg vielleicht ganz ohne Wurf geschenkt."

(Aber selbst hier habe ich eine Restunsicherheit, dass, egal wie gut meine Idee gewesen wäre, ich immer hätte würfeln müssen, was meine Idee (Denkleistung) zumindest in Teilen entwertet)

(Da war jmd. schneller..:-))
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: nobody@home am 5.03.2023 | 16:34
Ich fürchte Du kommst da mit den Begrifflichkeiten hier im Thread durcheinander. Herausforderungsorientiert ist "Agon". Der Würfelwurf selber ist "Alea". Alea bedeutet, dass Du Dich passiv dem Schicksal überlässt. D.h. dass ein Würfelwurf selber nichts mit verdienen zu tun hat. Du "verienst" Dir also nicht das Würfelergebnis "6", sondern Du lässt das Schicksal entscheiden welches Ergebnis kommt. Und somit hat der Würfelwurf selber nichts mit Herausforderungsorientiert zu tun.
Logischerweise ändert sich in Bezug auf "Agon" also Herausforderungsorientiert nichts bei meinem Beispiel.

Ich meine, natürlich könnte ich mir das Würfelergebnis "verdienen". Ich müßte den/die Würfel einfach nur selber geschickt genug "drehen"... ;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 5.03.2023 | 16:47
Ich meine, natürlich könnte ich mir das Würfelergebnis "verdienen". Ich müßte den/die Würfel einfach nur selber geschickt genug "drehen"... ;D
Das oder Telekinese/ Geisteskraft.

Und wehe jmd. fasst meine Würfel an....
Die sind sonst für immer entweiht!
 ~;D
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 5.03.2023 | 21:43
OK, zum "Verdienen":
Angenommen ein Spieler hat eine gute Idee, die funktionieren kann.
Dann verlangt die Spielleitung aber einen Wurf, der misslingt.

Hat er sich den Erfolg dann nicht verdient, weil er schlecht gewürfelt hat?
Oder anders: Was habe ich denn "geleistet" wenn ich gut oder schlecht würfel?
Auf das Würfelergebnis habe ich doch keinen Einfluss.
Ich habe nur auf die Idee davor Einfluss.

Man könnte hier höchstens sagen: "Wäre meine Idee in den Augen der Mitspieler noch besser gewesen, hätte die Spielleitung mir den Erfolg vielleicht ganz ohne Wurf geschenkt."

(Aber selbst hier habe ich eine Restunsicherheit, dass, egal wie gut meine Idee gewesen wäre, ich immer hätte würfeln müssen, was meine Idee (Denkleistung) zumindest in Teilen entwertet)

(Da war jmd. schneller..:-))

Wenn du die Befähigung deiner Figur und damit deren Fehlschlagschance nicht mitberücksichtigst (und einen Reserveplan hast) , dann war deine Idee eben doch nicht so toll oder zumindest nicht gut genug.

Bezgl. Player vs. Player: Aus Zeiten individueller EP und nicht stufenadequat zugeordneter Schätze gab es auch noch den Wettstreit unter den Figuren auf dem Weg zum selben Ziel schneller besser zu werden und coolere Stunts abzuziehen als die Mitspieler. Aber wer überzogen hat, starb halt und die neue Figur begann dann wieder ein gutes Stück schwächer.

Dazu gab es übrigens auch den Fall, dass verschiedene Gruppen in dasselbe Abenteuer beim gleichen SL gegangen sind und ggf vorher geflüchtet sind oder gar einen TPK erlitten haben (und die Schätze oder gar Toten die Monster stärkten) bis eine Gruppe das Abenteuer geschafft hatte.

Also Herausforderung: Die Aufgabe steht fest. Sinnvollerweise eine Aufgabe, welche auch auf verschiedene Arten gelöst werden könnte und kein Pixelbitching ist, die eine alleingültige Lösung aus dem SL-Kopf zu erraten. Ohne Skripting ist so eine Aufgabe auch selten wirklich "episch", weil da Misserfolg bei ultimativem Einsatz ohne Schicksalseingriffe fast themenbestimmend ist, sondern ein Konflikt unter vielen und auch der kann dich umbringen, aber Rückzug und verpissen ist eine reelle Option.


Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 5.03.2023 | 21:54
Ich fürchte Du kommst da mit den Begrifflichkeiten hier im Thread durcheinander. Herausforderungsorientiert ist "Agon". Der Würfelwurf selber ist "Alea". Alea bedeutet, dass Du Dich passiv dem Schicksal überlässt. D.h. dass ein Würfelwurf selber nichts mit verdienen zu tun hat. Du "verienst" Dir also nicht das Würfelergebnis "6", sondern Du lässt das Schicksal entscheiden welches Ergebnis kommt. Und somit hat der Würfelwurf selber nichts mit Herausforderungsorientiert zu tun.
Logischerweise ändert sich in Bezug auf "Agon" also Herausforderungsorientiert nichts bei meinem Beispiel.
In dem Moment, in dem der Würfelwurf gilt, ist das richtig. Alles, was zum Wurf führt und diesen modifiziert, ist agon, der Wurf selbst alea.

Wird der Wurf aber nicht akzeptiert, sondern durch Falschspiel verändert, wird über agon entschieden. Und genau dann funktioniert herausforderungsorientiertes Spiel nicht mehr.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Eismann am 5.03.2023 | 21:57
Kurios, wenn man bedenkt, dass es bei Agon um Herausforderungen geht. Vielleicht wäre es dann besser, das Zufallselement komplett zu entfernen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 5.03.2023 | 22:09
Ja, genau das ging mir auch gerade durch den Kopf. Vor allem weil Amromosch ja selber gerade das fein säuberlich voneinander getrennt hat. Ich glaube ja gerne, dass Leute gerne genau diese Form von Herausforderung suchen, wenn ich aber gerade meine Fähigkeiten als Spieler unter Beweis stellen will, dann fände ich es ziemlich daneben, wenn mir der Zufall die Tour vermasselt. Das ist kein Agon, das ist maximal Nervenkitzel durch Zufallsentscheidung.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Maarzan am 5.03.2023 | 22:10
Kurios, wenn man bedenkt, dass es bei Agon um Herausforderungen geht. Vielleicht wäre es dann besser, das Zufallselement komplett zu entfernen.

Wo ist bei das entsprechende vorhandene Kompetenzniveau herausfordernden Herausforderungen etwas garantiert?
Am Ende steht immer ein - ggf durch Vorsichtsmaßnahmen enger beschnittener - möglicher Ergebnisraum mit einer gewissen zu erwartenden Verteilung an Ergebnissen. 

Und ähnliches wird im Spiel umgesetzt:
Abschätzen, was die beste Vorgehensweise ist, soweit wie möglich die eigenen Chancen verbessern oder mögliche Fehlschläge absichern und dann hinein und hoffentlich erfolgreich durch.

Die Ingame-Manipulation der Basischance ist die besagte Arbeit.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: 6 am 5.03.2023 | 23:12
In dem Moment, in dem der Würfelwurf gilt, ist das richtig. Alles, was zum Wurf führt und diesen modifiziert, ist agon, der Wurf selbst alea.
Der Würfelwurf wird auch in meinem Beispiel modifiziert. Die Lösung des Spielenden ist aus Sicht des SLs gut genug, dass er jedes Würfelergebnis  als Erfolg zählt. Der einzige Unterschied ist, dass Alea keine Rolle dabei spielt, sondern einzig Herausforderungsorientierung (agon).
EDIT: snip
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: 6 am 5.03.2023 | 23:16
Die Ingame-Manipulation der Basischance ist die besagte Arbeit.
Und die kann auch unabhängig von Würfeldreherei auf 100&-ige Erfolgswahrscheinlichkeit hinauslaufen. Man könnte daher durchaus argumentieren, dass die Ideallösung bei einer Herausforderung auf das komplette Ausschalten des Zufallselement hinaus läuft. Das Optimum wird also aus Agon-Sicht dann erreicht, wenn das Zufallselement komplett ausgeschaltet wird.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 6.03.2023 | 05:39
Wenn du die Befähigung deiner Figur und damit deren Fehlschlagschance nicht mitberücksichtigst (und einen Reserveplan hast) , dann war deine Idee eben doch nicht so toll oder zumindest nicht gut genug.
Zur Befähigung absprechen:
Das würde aber nur für eine Figur in Frage kommen, die tatsächlich geistig eingeschränkt ist (bewusstlos oder ähnliches)
Und selbst da nicht, weil das Abenteuer ja letztlich als Gruppe gelöst wird.
Will heißen: Selbst wenn meine Figur was übel auf den Kopf gekriegt hat, ich als Spieler habe aber einen Einfall, wie die Gruppe Hindernis X überwinden könnte, dann wird der idR. geäußert, und ggf. dann eben von den noch wachen und handlungsfähigen Figuren umgesetzt.

Davon ab: Um einer Figur die Befähigung zu einem Einfall absprechen zu können, reicht es idR. nicht auf sowas banales wie den " Intelligenz Wert" zu schauen.
Das ist schon im Reallife so schwammig, dass man daraus erst Recht keine bindenden Schlüsse für's Rollenspiel ziehen sollte.

Edit.
Einfälle kann theoretisch jede Figur, jeder Spieler haben- die Umsetzung muss nicht durch die gleiche Figur geschehen. - Das kann letztlich auch die sein, die die beste Befähigung dafür hat.

Macht z.B. mehr Sinn, wenn der Zimmermann etwas aus Holz anfertigt.
(Selbst wenn der Barde die Idee dafür hatte)

Würde der Spieler des Barden darauf bestehen, dass das seine Figur trotzdem ohne jede Hilfe selbst anfertigt - wäre ein Wurf wahrscheinlich angebracht.

Ist auch immer die Frage: Welcher Grad an "Kunstfertigkeit" überhaupt erforderlich ist, um einen Einfall umzusetzen.
Und natürlich ob es Figuren gibt, die in dieser Fertigkeit Routine haben.

Je praktikabler die Lösung, und je einfacher umsetzbar (weil Umsetzung nicht schwer, oder Profis anwesend), desto unwahrscheinlicher wird ein Fehlschlag. - Bis hin zu : Klappt einfach (Ohne Wurf)


PS.
Es gibt auch übrigens die Möglichkeit als Spielleiter festzulegen: "Es ist euch gelungen, würfelt Mal wie gut genau!"
(Auf die (Kunst) Fertigkeit, die dafür eingesetzt wurde)
Macht zum Beispiel bei der Herstellung von neuen, besonderen Gegenständen Sinn.

Der Würfelwurf legt dann lediglich den Grad des Erfolges fest.

(Von reicht aus bis super Klasse)
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Amromosch am 6.03.2023 | 18:31
Ja, genau das ging mir auch gerade durch den Kopf. Vor allem weil Amromosch ja selber gerade das fein säuberlich voneinander getrennt hat. Ich glaube ja gerne, dass Leute gerne genau diese Form von Herausforderung suchen, wenn ich aber gerade meine Fähigkeiten als Spieler unter Beweis stellen will, dann fände ich es ziemlich daneben, wenn mir der Zufall die Tour vermasselt. Das ist kein Agon, das ist maximal Nervenkitzel durch Zufallsentscheidung.
Ich glaube, dass sehen viele so, die sehr stark herausforderungsorientiert spielen. Daher mögen viele, die so spielen auch z.B. DnD 5e nicht so gerne, weil da der Zufall eine recht große Rolle einnimmt. Da sind vielen Spiele wie Pathfinder lieber oder auch Spiele, die 2W20 verwenden anstelle eines W20.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 6.03.2023 | 19:28
Ich glaube, dass sehen viele so, die sehr stark herausforderungsorientiert spielen. Daher mögen viele, die so spielen auch z.B. DnD 5e nicht so gerne, weil da der Zufall eine recht große Rolle einnimmt. Da sind vielen Spiele wie Pathfinder lieber oder auch Spiele, die 2W20 verwenden anstelle eines W20.

Da würde mich natürlich dann schon wieder der Input von ARS-Spielern interessieren. Bei Traveller (Miller) hätte man das ja auch, aber bei AD&D1 zum Beispiel so gar nicht. Wie wird das dort gesehen?
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: ghoul am 6.03.2023 | 19:36
Siehe hier: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,125294.msg135144823.html#msg135144823
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 7.03.2023 | 13:11
Zufall steht natürlich nicht nur für ne Pechchance, sondern umgekehrt auch für ne Glückschance.

Damit kann es (durch Glück per Zufall) auch gelingen, dass Aktionen klappen, von denen niemand am Tisch ernsthaft glaubt, dass sie funktionieren.

Weil- z.B. zu viele Unsicherheiten im Plan existieren oder auch schlicht den Figuren die nötige Kompetenz dafür fehlt.
Durch unverschämtes Glück können dann eben auch solche Aktionen gelingen.
Weshalb der Zufall im Spiel natürlich schon auch seine Berechtigung hat.

Ein beliebtes Filmzitat: "Der Plan ist wahnsinnig, und wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit draufgehen? - Worauf warten wir noch?!!!"
 ~;D

Edit.
Sowas wie" Ich fordere mein Glück " heraus, mag vielleicht die Art von Nervenkitzel sein, die Spieler dabei suchen.

Wenn ich jetzt ein Art von Herausforderung darin suchen und finden müsste, dann wahrscheinlich die, sich seiner Angst vor dem Scheitern zu stellen. Oder ihr zu trotzen.
Dinge, die man im Reallife aus guten Gründen nie wagen würde, kann man im Spiel natürlich leichter riskieren, weil im Zweifel nur die Figur stirbt/zu Schaden kommt.

A la: "Ich habe mir meinen Erfolg "verdient", indem ich mich getraut habe, Risiken einzugehen."
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Haukrinn am 7.03.2023 | 14:19
Siehe hier: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,125294.msg135144823.html#msg135144823

Okay, das ist natürlich nicht hilfreich. Wenn du dich hier nicht ernst genommen fühlst, dann lass uns das bitte irgendwie korrigieren.

Ein beliebtes Filmzitat: "Der Plan ist wahnsinnig, und wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit draufgehen? - Worauf warten wir noch?!!!"

Ja, aber damit bist du glaube ich eher wieder beim Drama-Ende der Werteskala angekommen. Ich denke, beim dem Herausforderungsgedanken geht es ja vor allem darum, ob man gewinnt oder verliert. In der Dramaorientierung ist die Frage eher "was bist du bereit, dich deinen Erfolg kosten zu lassen". Das sind schon ziemlich unterschiedliche Zielvorstellungen.
Titel: Re: Spannungsverhältnis von herausforderungsbasiertem Rollenspiel und Erzählspiel
Beitrag von: Issi am 7.03.2023 | 15:22
Ja, aber damit bist du glaube ich eher wieder beim Drama-Ende der Werteskala angekommen. Ich denke, beim dem Herausforderungsgedanken geht es ja vor allem darum, ob man gewinnt oder verliert. In der Dramaorientierung ist die Frage eher "was bist du bereit, dich deinen Erfolg kosten zu lassen". Das sind schon ziemlich unterschiedliche Zielvorstellungen.
Glaube gewinnen wollen sowohl die, die das per taktischer Herausforderung schaffen wollen ( möglichst ohne Entwertung ihrer Idee durch Würfelwurf), als auch die, die meinen, es braucht den Zufall (das Risiko) unbedingt, um sich einen Erfolg zu "verdienen."

Denke dass Letzteren ein Erfolg, bei dem nicht mehr gewürfelt werden muss, wie "geschenkt" vorkommen würde.
"Unverdient" quasi
(Was natürlich Quatsch ist, da ja die Idee gut genug war, um auf einen Wurf zu verzichten)

Will sagen- Ich habe den Eindruck - der kann auch falsch sein -
Dass hier ein Erfolg nur als solcher wahrgenommen wird, wenn auch Risiko dabei war - ansonsten hat man ihn sich nicht verdient (gefühlt).