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Pen & Paper - Spielsysteme => HeXXen 1733 => Thema gestartet von: aikar am 10.06.2023 | 12:02

Titel: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: aikar am 10.06.2023 | 12:02
Vorweg: Dieses Thema enthält "Spoiler" zur Natur von Hexen und Sturmgeistern. Wer also nur als Spieler:in oberflächlich in den Hintergrund einsteigen will, sollte hier abbrechen.
Ebenso alle, die HeXXen einfach als spaßiges Bier & Bretzel - Pulpsetting spielen wollen und sich das nicht ruinieren wollen. Ihr wurdet gewarnt.




HeXXen hat mich als Setting von Anfang an fasziniert und die Vorstellung pulpiger Hexen- und Monsterjagden in diesem hat mich sehr gereizt, ich habe eigentlich nur auf das für mich passende Regelsystem (und mehr Zeit) gewartet und mich derweil in die Hintergrundbände eingelesen.
Aber je mehr ich letzteres tue, um so schwerer tue ich mir mit einem Sachverhalt: Hexen und andere Kreaturen der Dunkelheit entstehen, wenn Menschen in Zeiten eines schweren Traumas von Sturmgeistern aus der Hölle besessen werden.
Letztendlich läuft das darauf hinaus, dass Menschen, die ohnehin schon auf die schlimmste denkbare Art zu Opfern werden, Vergewaltigungen, Folter und Todesangst durchleben, sich in Folge selbst verdammen und zu den Bösen des Settings werden. Und das, soweit ich es bisher sagen kann, ohne Hoffnung auf Erlösung.
Das gilt z.B. auch für die Voodoo-Anhänger unter den den Sklaven in der Karibik, eine Ausprägung, die bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht hat und irgendwie tue ich mir jetzt echt schwer, HeXXen noch zu genießen.
Es läuft für mich dem Gedanken eines leichtherzigen pulpigen Settings mit klarem gut-böse-Muster einfach komplett zuwider und ich tue mir schwer mit dem Gedanken, meine Spieler:innen eine Hexe unterhaltsam zur Strecke bringen zu lassen, von der ich weiß, das sie höchstwahrscheinlich einfach nur jemand ist, dessen Leben auf die denkbar ekelhafteste Weise ruiniert worden ist.

Wie seht ihr das? Wie geht ihr damit um?

Zusatz: Natürlich könnte ich das in "meinem" HeXXen" problemlos ändern, die Spieler:innen würden es nie mit bekommen. Aber irgendwie schlägt es mir auf den Magen und verleidet mir gerade den Spaß an HeXXen und mich würde eure Meinung dazu interessieren.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Hereagain am 10.06.2023 | 12:10
Vorweg: Dieses Thema enthält "Spoiler" zur Natur von Hexen und Sturmgeistern. Wer also nur als Spieler:in oberflächlich in den Hintergrund einsteigen will, sollte hier abbrechen.
Ebenso alle, die HeXXen einfach als spaßiges Bier & Bretzel - Pulpsetting spielen wollen und sich das nicht ruinieren wollen. Ihr wurdet gewarnt.




HeXXen hat mich als Setting von Anfang an fasziniert und die Vorstellung pulpiger Hexen- und Monsterjagden in diesem hat mich sehr gereizt, ich habe eigentlich nur auf das für mich passende Regelsystem (und mehr Zeit) gewartet und mich derweil in die Hintergrundbände eingelesen.
Aber je mehr ich letzteres tue, um so schwerer tue ich mir mit einem Sachverhalt: Hexen und andere Kreaturen der Dunkelheit entstehen, wenn Menschen in Zeiten eines schweren Traumas von Sturmgeistern aus der Hölle besessen werden.
Letztendlich läuft das darauf hinaus, dass Menschen, die ohnehin schon auf die schlimmste denkbare Art zu Opfern werden, Vergewaltigungen, Folter und Todesangst durchleben, sich in Folge selbst verdammen und zu den Bösen des Settings werden. Und das, soweit ich es bisher sagen kann, ohne Hoffnung auf Erlösung.
Das gilt z.B. auch für die Voodoo-Anhänger unter den den Sklaven in der Karibik, eine Ausprägung, die bei mir das Fass zum Überlaufen gebracht hat und irgendwie tue ich mir jetzt echt schwer, HeXXen noch zu genießen.
Es läuft für mich dem Gedanken eines leichtherzigen pulpigen Settings mit klarem gut-böse-Muster einfach komplett zuwider und ich tue mir schwer mit dem Gedanken, meine Spieler:innen eine Hexe unterhaltsam zur Strecke bringen zu lassen, von der ich weiß, das sie höchstwahrscheinlich einfach nur jemand ist, dessen Leben auf die denkbar ekelhafteste Weise ruiniert worden ist.

Wie seht ihr das? Wie geht ihr damit um?

Ich habe das gleich Problem. Ich habe die ganze Metaphysik mit Sturmgeistern, Atlantern und Titanen in den Mülleimer geworfen.
Höllenfürsten sind Höllenfürste und die anderen Kreaturen entstammen den Sagen oder haben in irgendeiner Form einen Pakt mit den Höllenfürsten. Das Regelsystem ist cool. Das Setting ist eher meh.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Aedin Madasohn am 10.06.2023 | 12:29
Wie seht ihr das?

auch wenn das jetzt ewas arg Meta wird: GENAU aus so welchen (und zwar überall) herumliegenden Stolpersteinen&Fallstricken bin ich nicht mehr von der "Qualität" von "Verlagsware" überzeugt.

ich fahre da eine klare DIY-Schiene.

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Tele am 10.06.2023 | 13:24
Ohne das jetzt böse zu meinen, ihr habt Teile des Settings nicht gelesen oder nicht verstanden.

1) ja sowas wie die spontane Aufnahme eines Sturmgeistes kann passieren (wird überall als selten beschrieben), aber zumeist geht dies mit Sturmweihen, Blutpakten, Verzauberungen etc. einher (siehe Hexenzorn, Unter Wölfen, Dinge aus dem Sumpf). Die Leute sind entweder Freiwillige oder Opfer eines miesen Zaubers.
2) Meist nehmen wirklich böse Menschen wie Mörder etc. Sturmgeister auf, was in vielen Abenteuern beschrieben ist.
3) Voodoo ist nicht per se böse in dem Seeting, nur einige Spielarten des Voodoo, wie es übrigens selbst von der Voodoo Gemeinde gesehen wird.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Hereagain am 10.06.2023 | 13:27
Ohne das jetzt böse zu meinen, ihr habt Teile des Settings nicht gelesen oder nicht verstanden.

1) ja sowas wie die spontane Aufnahme eines Sturmgeistes kann passieren (wird überall als selten beschrieben), aber zumeist geht dies mit Sturmweihen, Blutpakten, Verzauberungen etc. einher (siehe Hexenzorn, Unter Wölfen, Dinge aus dem Sumpf). Die Leute sind entweder Freiwillige oder Opfer eines miesen Zaubers.
2) Meist nehmen wirklich böse Menschen wie Mörder etc. Sturmgeister auf, was in vielen Abenteuern beschrieben ist.
3) Voodoo ist nicht per se böse in dem Seeting, nur einige Spielarten des Voodoo, wie es übrigens selbst von der Voodoo Gemeinde gesehen wird.

Doch ich habe es verstanden. Ich finde den Mythologischen Unterbau nicht gut und habe sie rausgeworfen. Da waren einige im Ulisses-Discord sehr schockiert darüber. Aber ich habe keinen Bock auf eingesperrte Titanen und Atlanter. Ich möchte Höllenfürsten erlegen, Vampire pfählen und Werwölfe schnetzeln.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Tele am 10.06.2023 | 13:38
Also ich bin sehr aktiv im Ulisses Discord und da war sicher niemand schockiert, wenn du irgendwas für deinen Tisch anpasst.

Und mir ging es um die Behauptung, dass alle Monster traumatisierte Menschen seien. Das ist die absolute Ausnahme. 
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Hereagain am 10.06.2023 | 13:42
Das stimmt so außer bei den Hexen, da ist es tatsächlich häufiger der Fall. Auch in den publizierten Szenarien.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Tele am 10.06.2023 | 14:02
Das stimmt so außer bei den Hexen, da ist es tatsächlich häufiger der Fall. Auch in den publizierten Szenarien.

Auch das ist nicht so einfach: Königreich der Dornen und Kopfloser Reiter sind traumatisierte Frauen Weiße Hexen geworden.

Die Grundprämisse des Threads greift einen Satz aus dem GRW auf, der im weiteren Verlauf des Settings selten Anwendung findet.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: aikar am 10.06.2023 | 14:30
@Tele: Ich habe aktuell SEHR viel Zeit (Krankenhausaufenthalt) mich detailliert durch die Bücher zu lesen.
Bei Voodoo steht z.B. steht z.B. wörtlich dass ALLE Loas Sturmgeister sind, nicht nur die, die unter Petro fallen. Und jede Besessenheit führt weiter in die Dunkelheit deshalb(Zitat) "existieren 1733 auch weitaus mehr Voodoo-Priester des schwarzen Weges als des weißen".
Ja, manche weiße Hexen oder Voodoo-Priester können dem länger widerstehen und versuchen mit dem Bösen gutes zu tun. Aber letztendlich ist es nur ein Hinauszögern des Verfalls.


Und wie ganz oben geschrieben: Klar kann ich das für meinen Tisch anpassen. Sogar so, dass nie ein Spieler der nicht selber tief in den SL-Teil eintaucht jemals etwas bemerkt. Und mir ist auch klar, dass das für die meisten HeXXen-Spieler:innen oder HeXXenmeister nie ein Thema sein wird.

Darum geht es mir nicht. Mir geht es darum, dass ich den Sachverhalt an sich ekelhaft und unnötig finde und von Ulisses eigentlich anderes erwartet hätte, gerade nach dem Theater, das sie bei Beasts & Barbarians gemacht haben.
Trauma-Opfer und Sklaven auch noch auf einen Weg in die Verdammnis zu schicken, von dem es praktisch kein zurück, sondern höchstens ein Verzögern gibt, finde ich einfach unnötig.

Aber so wie du sagst, es sind letztendlich nur ein paar wenige Sätze. Deshalb habe ich das mal an Ulisses-Feedback geschickt ob sie nicht darüber nachdenken wollen, die paar Sätze in Neuauflagen und neuen Editionen zu retconnen. Dem Setting würde es wohl keinen Schaden machen.
Und mal schauen ob ich meinen Frieden mit HeXXen machen kann, indem ich diese Punkte für mich einfach streiche. Aktuell regt es mich halt einfach auf.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Tele am 10.06.2023 | 14:38
Ja, okay. Ich klinke mich hier aus. Sei dir alles unbenommen. Ich hoffe sie ändern es keinesfalls.

Schon mal über den offensichtlichen Fingerzeig: Hexenprozesse erschaffen Hexen und Sklaverei entmenschlicht Täter und Opfer und so werden beide Seiten zu Monstern. Beides ziemlich starke und durchdachte Statements.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: ghoul am 10.06.2023 | 15:07
Randnotiz:
Zombie = Geist eines Sklaven, der nicht einmal im Tod Ruhe findet, er muss ewig weiterschuften. Das ist der wahre Zombie-Horror!
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Weltengeist am 10.06.2023 | 17:26
Irgendwie verstehe ich als Nicht-Horror-Spieler die Aufregung gerade nicht.

Für mich ist Horror in nahezu all seinen Facetten geradezu dadurch definiert, dass richtig, richtig fiese Sachen mit Unschuldigen passieren. Und zwar ganz egal, ob jetzt Unschuldige von Vampiren gebissen und dadurch selbst zu Vampiren werden, ob Unschuldige von Zombies gebissen und dadurch selbst zu Zombies werden, ob Unschuldige von Alien-Brut befallen und dadurch Träger der nächsten Alien-Invasion werden oder ob Unschuldige vom Teufel besessen sind und nichts dagegen tun können.

Als bekennendes Sensibelchen kann ich nichts davon ausblenden und einfach nur Vampire, Zombies oder Alien-Überträger klatschen - genau deshalb spiele ich dieses Genre (und auch ähnlich düstere Spiele wie "Shadows of the Demon Lord") nicht und schaue mir auch keine entsprechenden Filme an. Auch wenn es ja mittlerweile so eine Art Konsens zu geben scheint, dass Vampir- oder Zombiethemen FSK12-Material sind (außer es gibt da auch Sex, dann natürlich FSK16+).

Aber vor dem Hintergrund wundere ich mich "von der Seitenlinie" schon, warum es jetzt auf einmal schlimm ist, wenn in einem Horror-Rollenspiel Unschuldige zu Hexen werden statt zu Vampiren, Werwölfen oder Zombies. Mag mich mal jemand erleuchten?
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: nobody@home am 10.06.2023 | 17:38
Es läuft für mich dem Gedanken eines leichtherzigen pulpigen Settings mit klarem gut-böse-Muster einfach komplett zuwider [...]

Ich weiß nicht -- "das Böse macht seinem Namen alle Unehre und wer einmal in seinen Klauen gelandet ist, ist nicht mehr zu retten, sondern kann nur noch unschädlich gemacht werden" klingt für mich eigentlich erst mal sehr klar und einfach. Sobald wir uns zusätzlich noch um Rettung und Erlösung Sorgen machen müssen, kommen doch schon wieder die ersten Grautöne ins schöne Schwarzweiß... :think:

Natürlich bin ich in HeXXen selbst nicht im Geringsten drin; das muß schon dazugesagt werden. Ein oberflächlicher Blick von außen weckt jedenfalls einen gewissen Eindruck von "John Sinclair zu Zeiten des Barock", wozu dann so ein Weltbild schon einigermaßen gut passen würde -- auch John & Co. fragen meiner dunklen Erinnerung nach außer bei engen persönlichen Bekannten eher selten danach, wer die Monster, die sie plätten, früher vielleicht mal waren.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Banjo the Clown am 10.06.2023 | 17:53
Aber vor dem Hintergrund wundere ich mich "von der Seitenlinie" schon, warum es jetzt auf einmal schlimm ist, wenn in einem Horror-Rollenspiel Unschuldige zu Hexen werden statt zu Vampiren, Werwölfen oder Zombies. Mag mich mal jemand erleuchten?

Ich kann mit Horror auch eher nichts anfangen, aber mich wundert es weniger, wenn die Verknüpfung "Trauma führt zum Bösenᵀᴹ" Übel aufstößt. Diese ist nicht unbedingt naheliegend und zeigt auch eher, dass die Autor:innen etwas nicht so ganz verstanden haben. Das wiederum ist in dem Genre keine Seltenheit, wie man bspw. auch diesem Essay (https://papercult.substack.com/p/psychosis-is-badly-written-in-tabletop) über Psychose in TTRPGs entnehmen kann.

Nachdem ich hier mitgelesen habe, ist mir jetzt immerhin klarer, wieso Ulisses Hexxen noch nicht auf dem amerikanischen Markt veröffentlicht hat.  ;)
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: aikar am 10.06.2023 | 17:56
Aber vor dem Hintergrund wundere ich mich "von der Seitenlinie" schon, warum es jetzt auf einmal schlimm ist, wenn in einem Horror-Rollenspiel Unschuldige zu Hexen werden statt zu Vampiren, Werwölfen oder Zombies. Mag mich mal jemand erleuchten?
Liegt bei mir wohl vor allem daran, dass ich HeXXen eben NICHT als Horror-Rollenspiel eingestuft hätte. Bei Cthulhu oder auch Warhammer hätten mich die obigen Sachverhalte nicht oder nur weniger gestört. HeXXen hat sich für mich aber eben eher als pulpiges "Monsterklatschen" präsentiert. Und da finde ich sowas dann halt schon unnötig harten Stoff. Aber vielleicht/wahrscheinlich stehe ich da eh nur allein mit meiner Empörung auf weiter Flur weil meine Erwartungen nicht dem Ist-Stand entsprechen. Dann hat sich das Thema eh erledigt.

Ich kann mit Horror auch eher nichts anfangen, aber mich wundert es weniger, wenn die Verknüpfung "Trauma führt zum Bösenᵀᴹ" Übel aufstößt. Diese ist nicht unbedingt naheliegend und zeigt auch eher, dass die Autor:innen etwas nicht so ganz verstanden haben. Das wiederum ist in dem Genre keine Seltenheit, wie man bspw. auch diesem Essay (https://papercult.substack.com/p/psychosis-is-badly-written-in-tabletop) über Psychose in TTRPGs entnehmen kann.

Nachdem ich hier mitgelesen habe, ist mir jetzt immerhin klarer, wieso Ulisses Hexxen noch nicht auf dem amerikanischen Markt veröffentlicht hat.  ;)
Mich wundert es halt auch gerade bei einem Ulisses-Haussystem. Ulisses war in den vergangenen Jahren doch sehr darauf aus, Sachen wie eingeborene Kulturen, Sklaverei etc. sehr vorsichtig zu behandeln (Beasts & Barbarians wurde deswegen sogar eingestampft, bevor es erschienen ist). Egal wie man jetzt zur Notwendigkeit dessen steht, es ist doch ein ziemlicher Bruch.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Bad_Data am 10.06.2023 | 18:08
Aber vielleicht/wahrscheinlich stehe ich da eh nur allein mit meiner Empörung auf weiter Flur weil meine Erwartungen nicht dem Ist-Stand entsprechen. Dann hat sich das Thema eh erledigt.

Nein, da bist du nicht allein (wobei ich es nicht Empörung nennen würde). Ist es denn so, dass das wirklich immer der Fall ist? Oder ist es eher die Ausnahme?
Die Verbindung Opfer mit traumatischen Erfahrungen werden immer und unausweichlich zu Monstern, die man vernichten muss, fände ich jedenfalls auch sehr fragwürdig. Nicht nur, weil da eine schwierige realweltliche Verbindung sehe, sondern auch, weil ich den zu häufigen Gebrauch erzählerisch schwierig und abstumpfend empfinde.

Was die Einstufung als Horror-Spiel angeht: Nur weil ich Horror mag heißt das ja nicht, dass ich jede Form von Horror toll finden muss. Ich hatte auch Runden, die im Horror-Genre unterwegs waren, aber wo explizit gewisse Dinge ausgeschlossen worden sind.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: nobody@home am 10.06.2023 | 18:26
@aikar: Ironischerweise hätte ich meinerseits wahrscheinlich meine Probleme eher mit allzu bedenkenlosem "Monsterklatschen", weil sich mir dann im Reflex sofort als erstes die Frage stellt, womit die Monster so eine Behandlung überhaupt verdient haben. ;) Aber das ist dann natürlich wieder ein etwas anderes Thema.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Weltengeist am 10.06.2023 | 19:49
Liegt bei mir wohl vor allem daran, dass ich HeXXen eben NICHT als Horror-Rollenspiel eingestuft hätte.

Wenn ich da mal aus dem Beschreibungstext zum GRW zitieren dürfte:

Zitat
Das in Kunstleder gebundene Buch der Regeln enthält alles, was du für das actiongeladene Horror-Rollenspiel in einer alternativen Fassung unseres europäischen Barocks benötigst.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Lichtschwerttänzer am 10.06.2023 | 20:00
Pulp ist auch korrumpierende Finsternis, das könnte passen
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Hacos am 14.06.2023 | 18:21
@Tele: Ich habe aktuell SEHR viel Zeit (Krankenhausaufenthalt) mich detailliert durch die Bücher zu lesen.
Bei Voodoo steht z.B. steht z.B. wörtlich dass ALLE Loas Sturmgeister sind, nicht nur die, die unter Petro fallen. Und jede Besessenheit führt weiter in die Dunkelheit deshalb(Zitat) "existieren 1733 auch weitaus mehr Voodoo-Priester des schwarzen Weges als des weißen".
Ja, manche weiße Hexen oder Voodoo-Priester können dem länger widerstehen und versuchen mit dem Bösen gutes zu tun. Aber letztendlich ist es nur ein Hinauszögern des Verfalls.


Und wie ganz oben geschrieben: Klar kann ich das für meinen Tisch anpassen. Sogar so, dass nie ein Spieler der nicht selber tief in den SL-Teil eintaucht jemals etwas bemerkt. Und mir ist auch klar, dass das für die meisten HeXXen-Spieler:innen oder HeXXenmeister nie ein Thema sein wird.

Darum geht es mir nicht. Mir geht es darum, dass ich den Sachverhalt an sich ekelhaft und unnötig finde und von Ulisses eigentlich anderes erwartet hätte, gerade nach dem Theater, das sie bei Beasts & Barbarians gemacht haben.
Trauma-Opfer und Sklaven auch noch auf einen Weg in die Verdammnis zu schicken, von dem es praktisch kein zurück, sondern höchstens ein Verzögern gibt, finde ich einfach unnötig.

Aber so wie du sagst, es sind letztendlich nur ein paar wenige Sätze. Deshalb habe ich das mal an Ulisses-Feedback geschickt ob sie nicht darüber nachdenken wollen, die paar Sätze in Neuauflagen und neuen Editionen zu retconnen. Dem Setting würde es wohl keinen Schaden machen.
Und mal schauen ob ich meinen Frieden mit HeXXen machen kann, indem ich diese Punkte für mich einfach streiche. Aktuell regt es mich halt einfach auf.

Dann muss ich aber leider trotzdem sagen, dass Tele recht hat und du da Sachen nicht richtig gelesen hast bzw. falsch reininterpretierst.

1. Nein es ist kein "Hinauszögern des Verfalls". Weiße Hexen und auch Beschreiter des weißen Wegs des Voodoos verfallen nicht zwangsläufig dem Bösen, wie auch Jäger, die Verderbnis ansammeln nicht zwangsläufig dem Bösen verfallen. Oder auch Teufelspaktierer nicht, wie man im Band "Teufelsbann" lesen kann mit dem Orden der Geläuterten. Es gibt ja auch regeltechnische Möglichkeiten Verderbnis abzubauen, genauso wie bei Dämonen (was was anders als Sturmgeister sind) ein Exorzismus vorgenommen werden kann und auch so die Person gerettet werden kann.
Aber natürlich ist das alles halt eine Gratwanderung. SOLL es auch sein. Man verwendet hier nun mal die Macht des Bösen um das Böse selbst zu besiegen. Klar SOLL das gefährlich sein. Alles andere wäre unsinnig.

2. Die Rettung von Hexen oder Werwesen, also Menschen, die von einem Sturmgeist in eine neue Spezies verwandelt wurden, wird auch mehrfach in verschiedenen Bänden genauso klar beschrieben, wie die Degeneration der Unholde. Und hier ist keine Rettung möglich, weil sie eben nicht bloß besessene Menschen sind, wie durch einen Dämon, sondern sie verwandeln sich in etwas anders, etwas meist monströses. Und vor allem über Zeit bleibt halt auch nichts mehr von der Person übrig, die sie früher war, weil der Sturmgeist auch die Persönlichkeit auslöscht und nur noch das übrig lässt, wovon er zehren kann, also eben alles Dunkle in der Seele einer Person.
Daher da ist nichts was man retten kann.

3. Du machst den Fehler das zu sehr mit irgendeiner Moral und viel zu sehr aus der Sicht "Was sagt das über das Opfer aus" betrachtest. Das Statement ist aber klar "Was sagt das über die Täter aus?". Denn das ist nun mal hier in dem System die klare Botschaft. Die Täter sind die Mistsäcke. Sklaven, die zu Zombies gemacht werden um über den Tod hinaus noch Sklaven zu sein zeigt klar die absolute Gier und Unmenschlichkeit des Täters und gibt nicht dem Trauma des Opfers die Schuld.
Genauso wie das Statement "Hass schafft mehr Hass" ebenfalls in dem Setting klar zu finden ist.
Vor allem in einer Welt, wo eben diese Moralperspektive nicht funktioniert. Denn man bekämpft hier nichts Geringeres als das mystische reine Böse. Natürlich verhält es sich dann eben auch genau so. Rein böse.

4. Und ja man verdammt sich selbst, denn es wird eben in mehreren Bänden betont, dass ein Sturmgeist freiwillig aufgenommen werden muss. Anders findet er keinen Halt. Aber das ist eben der Horrorteil bzw. auch der Märchenteil dieses Settings, der min. genauso häufig als integral für Hexxen 1733 beschrieben wird. Das Böse kommt in Verkleidung und ist mit vermeintlichen Nettigkeiten bewaffnet. Wie Hänsel und Gretel von einer Hexe ein Dach über den Kopf und etwas zu essen bekommen, nur um diese in Wahrheit dann zu mästen und zu essen. Oder wie eine Schwangere mit Rapunzelsalat gefüttert wird um zu überleben, weil die böse Frau sie damit von ihr abhängig machen will und dadurch zwingen kann ihr ihr Kind zu überlassen. Oder wie Rumpelstilzchen der Müllers Tochter zwar Stroh zu Gold spinnt und ihr damit das Leben rettet, aber am Ende nur aus egoistischen Motiven und eigentlich nur ihre missliche Situation ausnutzt.
So ist es auch bei Hexxen. Ein Vergewaltigungsopfer wird eine Pistole angeboten, damit sie "Gerechtigkeit" schaffen kann. Hat sie das gemacht, werden andere Ziele, die es "genauso verdient haben" angeboten. Das sind eben die Methoden der Sturmgeister. Sie bieten Macht an und verschweigen den Preis dafür. Weil sie Instrumente des reinen infernalen Bösen sind.

5. Weiß ich nicht wieso du Hexxen als was anders als z.B. Warhammer Fantasy wahrnimmst. Denn nein, eigentlich will es kein "Bier und Brezl" Spiel sein. Kein Band, ja nicht einmal ein Abenteuer suggeriert das. Daher keine Ahnung wie du auf das kommst.
Hexxen 1733 will ein Action-Horror Spiel sein. Ja es ist pulpig, was aber halt schnelle Gefechte und eine Chance für die Menschen zu gewinnen bedeutet, aber nicht, dass hier Friede, Freude, Eierkuchen herrschen würde. Es präsentiert unsere Welt in der jeder, der keine Skrupel hat, die Macht des mystischen reinen Bösen für seine Zwecke anzapfen kann. Natürlich enstehen dann Sachen, die eben rein böse sind.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: felixs am 14.06.2023 | 18:39
Nach dem, was ich bisher gesehen habe, scheint es mir so zu sehen: Man kann Hexxen pulpig spielen und all die ethischen Dilemmata ausblenden, die hier angeführt worden sind (und die sich übrigens in ähnlicher Weise in vielen Welten zeigen, wenn man genau hinschaut und die Dinge zuende denkt). Oder man kann diese Dinge in aller Konsequenz aufnehmen, im Spiel wichtigen Raum dafür geben; ja, man kann sie auch geradezu zelebrieren.

Bzw.: Viel Potential für Tragik, die man nicht in aller Konsequenz ausmalen muss. Aber kann.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Runenstahl am 14.06.2023 | 18:45
Ohne das System zu kennen mal so von aussen reingegrätscht:

Vielleicht liegt das "Problem" eher darin das Aikar ein anderes Setting bzw eine andere Atmosphäre bekommen hat als er erwartet hatte. Vielleicht liegt der Fehler hier im Marketing oder es wurde von Aikar schlicht anders wahrgenommen als es gedacht war.

So oder so scheint mir das du, Aikar, mit einem anderen Setting besser bedient bist wenn die Beschreibung dir unbehagen verursacht.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Fluffy am 14.06.2023 | 19:02
Ist diese besessenheit, durch die menschen zu Hexen werden, nun eine freiwillige oder unfreiwillige Besessenheit? Das ist doch der Punkt der entscheidet, ob die Hexen ihren Status selbst wählen oder nicht.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: felixs am 14.06.2023 | 19:11
Ist diese besessenheit, durch die menschen zu Hexen werden, nun eine freiwillige oder unfreiwillige Besessenheit? Das ist doch der Punkt der entscheidet, ob die Hexen ihren Status selbst wählen oder nicht.

So einfach ist es, denke ich, nicht.

Es gibt überhaupt fast keine freiwillige Wahl. Wer sich für "böses" entscheidet, tut das meist aus einem guten Grund oder aufgrund von Drohungen. Es gibt fast immer einen plausiblen Grund für das, was getan wird. Auch rutscht man ja meist allmählich in den Sumpf. Auf den Punkt gebracht: Die Wahl ist eher nicht: "Gutes Leben oder ein Leben voller Mordlust und Gewalt", sondern eher: "Jetzt sofort und viel Leid und Qual, oder füge (auch) anderen etwas zu".

Es ist also verfahren und dramatisch, tragisch.

Wenn man das nicht will, muss man (bewusst oder nicht) einen radikalen distanzierten Standpunkt einnehmen und "pulpig" unter Ausblendung der elenden Ursachen und Konsequenzen spielen. Das hört sich vielleicht falsch an - für mich ist das in den meisten Spielwelten die einzige Art von Spiel, welche ich spielen möchte. Nicht in Reinform, aber auf dem Spektrum näher an dieser beschönigenden, Konsequenzen zensierenden Spielweise. Leid, Elend und Ambivalenz habe ich genug im echten Leben, möchte ich nicht im Spiel haben.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Fluffy am 14.06.2023 | 19:35
Ok, dann kann man es sehen wie will. Wenn einer sie retten will, hat er dafür genauso Gründe, wie wenn einer sie als Schwertfutter sieht. Und wer die Ambivalenz nicht verkraftet, spielt was anderes. 
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: aikar am 14.06.2023 | 22:02
Ohne das System zu kennen mal so von aussen reingegrätscht:

Vielleicht liegt das "Problem" eher darin das Aikar ein anderes Setting bzw eine andere Atmosphäre bekommen hat als er erwartet hatte. Vielleicht liegt der Fehler hier im Marketing oder es wurde von Aikar schlicht anders wahrgenommen als es gedacht war.

So oder so scheint mir das du, Aikar, mit einem anderen Setting besser bedient bist wenn die Beschreibung dir unbehagen verursacht.
Da hast du (und Hacos und Tele und andere) wahrscheinlich recht. Ich lass das alles jetzt erstmal sacken. Danke für euren Input.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: jom am 28.05.2025 | 12:06
ich bin ja jetzt nicht so sehr der spezialist im lore von hexxen. Aber wie siehts mit Religion aus? So wie es hier beschrieben wird, gibts irgendwelche bösen abstrakten "Sturmgeister" statt gott und teufel. Ist das so? wenn ja, dann ist das ziemlich schwach.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: HAL 40000 am 28.05.2025 | 13:16
Servus. Wenn ich mich richtig erinnere waren die Sturmgeister doch aus der Hölle entkommene Geistwesen? Vorzugweise bei Stürmen tauchen die auf und fahren in manche Leute, was diese zu Hexen, Vampiren, sonstwas macht. Dämonen gibt es auch. Höllenfürsten hatten den Vatikan besetzt, von daher gibt es schon ziemlich viel Teufelszeug.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Alter Weißer Pottwal am 28.05.2025 | 14:01
Im Schwarzwald wurde ein Tor zur HÖLLE geöffnet. Das ist die Grundprämisse des Spiels.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Hotzenplot am 28.05.2025 | 14:36
Im Schwarzwald wurde ein Tor zur HÖLLE geöffnet. Das ist die Grundprämisse des Spiels.

Stimmt, das kann die Ausgangslage sehr einfach beantworten und ist insofern ein guter Reminder daran, was da eigentlich abgeht.

Dennoch kann ich Aikars anfangs geäußertes Mißgefühl nachvollziehen. Meiner Meinung nach muss der Knoten im Kopf so gelöst werden, dass du Pulp in nicht pulpigen Settings spielen kannst. Pulp ist die Art des Spielens, nicht das Setting und ganz oft auch nicht die Erlebniswelt der Spielfiguren. Pulp findet in der Meta-Ebene des Spiels statt.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: felixs am 28.05.2025 | 14:43
Grundsätzlich hat man dieses Problem in sehr vielen Spielwelten.

Entweder landet man bei Setzungen, die einen stark rassistischen Beiklang mit genozidalen Konsequenzen haben ("X sind böse, von Natur aus und immer und unwiderbringlich. Und alle. Und auch schon die Kinder. Also muss man sie alle ausrotten").
Oder man macht sich darüber Gedanken und landet dann bei Graustufen, die von einem Dilemma ins nächste führen.

Ich habe in fast allen mir bekannten Rollenspielen spätestens auf den zweiten Blick Dinge entdeckt, die ich so nicht spielen möchte. Nun bin ich auch recht empfindlich was solche Sachen angeht. Natürlich nehme ich zur Kenntnis, dass "unsere" reale Welt nach diesen Mustern funktioniert und dass unser Leben ein unauflösbares Dilemma ist (die Philosophie von Peter Wessel Zapffe ist hier interessant). Gleichzeitig möchte ich das nicht auch noch im Spiel haben. Schadet da zwar eigentlich niemandem, ich finde es aber unangenehm (verurteile niemanden, der es anders sieht). Und naive Karl-May-Romantik ist zwar erträglich, aber ich bin nicht in der Lage, das selbst so zu sehen.

Im Endeffekt bedeutet das aber auch, dass (für mich) ein großer Teil der Filme, ein größerer Teil von Büchern, und ein ziemlich großer Teil von Rollenspielszenarien nicht erträglich ist. Es muss da also große Unterschiede in der jeweiligen Schmerzempfindung und -Intensität geben. Gerade bei Filmen wundere ich mich, was andere Leute sich anschauen können (und vermeide daher gemeinsames Filmschauen).

Der einzige (für mich) gangbare Weg ist, Spielwelten und Szenarien so umzuschreiben, dass die (subjektiv) als problematisch empfundenen Dinge nicht thematisiert werden. Also Streichung und Umerklären, Vermeidung als Strategie.

Finde übrigens auch nicht, dass "Pulp" die Sache löst. Das ist ja eher ein Satz von Genrekonventionen, der aber auch eigene Widersprüche enthält. Und einer dieser Widersprüche ist, dass auch dem Autoren von Schundromanen ("Pulp") plötzlich die Konsequenz seiner Handlung klar werden kann und an unerwarteter Stelle ethische Probleme eine Rolle spielen. Es ist ein kleiner Schritt von "Pulp" zu utopisch/dystopischer Literatur.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: nobody@home am 28.05.2025 | 15:34
Stimmt, das kann die Ausgangslage sehr einfach beantworten und ist insofern ein guter Reminder daran, was da eigentlich abgeht.

Dennoch kann ich Aikars anfangs geäußertes Mißgefühl nachvollziehen. Meiner Meinung nach muss der Knoten im Kopf so gelöst werden, dass du Pulp in nicht pulpigen Settings spielen kannst. Pulp ist die Art des Spielens, nicht das Setting und ganz oft auch nicht die Erlebniswelt der Spielfiguren. Pulp findet in der Meta-Ebene des Spiels statt.

Ganz abgesehen davon, daß "Pulp" als Spielgefühl auch noch einigermaßen schwammig definiert ist. Hand aufs Herz, wer orientiert sich dabei wirklich noch an mittlerweile hundert Jahre alten (und mit ihrem Inhalt heute teilweise ebenfalls für mindestens Stirnrunzeln sorgenden) US-Magazinen aus Billigpapier? :)

Grundsätzlich hat man dieses Problem in sehr vielen Spielwelten.

Das ist richtig. Auch Spielwelten werden, wie fiktive Settings allgemein, letztendlich nur von Menschen erfunden, die dann wieder praktisch schon zwangsläufig ihre eigenen blinden Flecke mitbringen -- und das unabhängig davon, ob man sie aus dem nächsten Laden mitbringt oder die SL sie sich in privater Heimarbeit aus den Fingern saugt. Entsprechend wird sich wohl nie garantieren lassen, daß eine bestimmte Spielwelt niemandem jemals den Spielspaß gründlich vergällt, schon allein deshalb nicht, weil verschiedene Leute in dieser Hinsicht mit grundverschiedenen Ansprüchen daherkommen können...aber Perfektionismus ist ja nicht alles und konstruktiv an dem Problem arbeiten kann man trotzdem, sowohl als Autor als auch als privater Nutzer.

(Dabei darf's aus meiner Sicht in Spielwelten natürlich allemal Dinge geben, die im Argen liegen, denn irgendwas müssen die SC ja zu tun haben. Problematisch wird's in erster Linie dann, wenn diese Dinge ganz selbstverständlich auch oder womöglich gar in erster Linie gerade auf der Seite zu finden sind, die einem vom Erfinder als die moralisch überlegene oder wenigstens beabsichtigt sympathischere präsentiert wird...)
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: unicum am 28.05.2025 | 16:07
Ich denke es ist auch die Sache das sich viele im Rollenspiel nicht mit den Grauwerten des eigentlichen heutigen Lebens noch rumschlagen wollen, wenigstens da will man vieleicht auch mal schwarz und weiß denken können. Da fallen dann natürlich solche die dies nicht ausblenden können etwas hinten runter. Das mag zwar bei HeXXen jezt nicht ganz so schwarz/weiß sein (ich kenn das Setting auch nur sehr oberflächlich). Aber prinzipiell ist es für einen gewissen Teil der Rollenspieler durchaus entspannend wenn man einfach Gegner ohne Rücksicht umhacken kann. (Dennen ist eh nicht mehr zu helfen, etc, pp).
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Fezzik am 28.05.2025 | 16:09
*Hand heb* Mir zum Beispiel.
Jedem das seine. Ich für meinen Teil mag manchmal einfach entspannt Vampire totwürfeln dürfen.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: nobody@home am 28.05.2025 | 16:17
Ich denke es ist auch die Sache das sich viele im Rollenspiel nicht mit den Grauwerten des eigentlichen heutigen Lebens noch rumschlagen wollen, wenigstens da will man vieleicht auch mal schwarz und weiß denken können. Da fallen dann natürlich solche die dies nicht ausblenden können etwas hinten runter. Das mag zwar bei HeXXen jezt nicht ganz so schwarz/weiß sein (ich kenn das Setting auch nur sehr oberflächlich). Aber prinzipiell ist es für einen gewissen Teil der Rollenspieler durchaus entspannend wenn man einfach Gegner ohne Rücksicht umhacken kann. (Dennen ist eh nicht mehr zu helfen, etc, pp).

Jedem das Seine halt. Persönlich habe ich fürs "ohne Rücksicht umhacken" schon genügend Brett- und insbesondere Computerspiele, daß sich mein Bedarf danach, dasselbe auch noch ins Rollenspiel mitzuschleppen, doch etwas in Grenzen hält. :)
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: aikar am 28.05.2025 | 16:59
Meiner Meinung nach muss der Knoten im Kopf so gelöst werden, dass du Pulp in nicht pulpigen Settings spielen kannst. Pulp ist die Art des Spielens, nicht das Setting und ganz oft auch nicht die Erlebniswelt der Spielfiguren. Pulp findet in der Meta-Ebene des Spiels statt.
Das ist sicher richtig. Fängt ja schon damit an, dass die meisten Pulp-Rollenspielen in den 1930ern unserer Welt spielen. Auch nicht gerade eine gute Zeit und auch mit viel Leid für Unschuldige.

Ich hab mit dem Thema, das hier gerade nach 2 Jahren wieder aufgerissen wird, aber inzwischen auch meinen Frieden gemacht. Ich war damals gerade in einer angespannten Situation, hatte schlechte Laune und es hat bei mir was getriggert.

Und ich mag tatsächlich, auch wenn ich realweltlich kein religiöser Mensch bin, einfach in Fantasy-Settings die Vorstellung, dass zumindest nach dem Tod gute Menschen (bzw. Wesen) eine Erlösung finden. Unschuldig verdammt über den Tod hinaus ist etwas, was mich einfach stört. Deshalb gibt es in meinem Aventurien auch keine Duglums-Pest, außer man ist Paktierer. Aber mir ist klar, Dark Fantasy lebt auch etwas von dieser Hoffnungslosigkeit. Und ich habe hier auch Warhammer Fantasy & 40k im Regal stehen. Sagt ja keiner, dass alle Empfindungen logisch sind :D.

*Hand heb* Mir zum Beispiel.
Jedem das seine. Ich für meinen Teil mag manchmal einfach entspannt Vampire totwürfeln dürfen.
Ja. Mag ich auch immer noch :D
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Kurna am 28.05.2025 | 17:04
*Hand heb* Mir zum Beispiel.
Jedem das seine. Ich für meinen Teil mag manchmal einfach entspannt Vampire totwürfeln dürfen.

Als jemand, der manchmal einen Vampir spielt, finde ich das gemein.  :'(
 ;)
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Haukrinn am 28.05.2025 | 17:50
Zitat
Es läuft für mich dem Gedanken eines leichtherzigen pulpigen Settings mit klarem gut-böse-Muster einfach komplett zuwider...

Das wäre dann wohl das Problem, denn

Zitat
Das in Kunstleder gebundene Buch der Regeln enthält alles, was du für das actiongeladene Horror-Rollenspiel in einer alternativen Fassung unseres europäischen Barocks benötigst.

HeXXen (übrigens ein Spiel dass ich aus ähnlichen Gründen wie du nicht mal mit der Kneifzange anfassen würde, und ich habe z.B. mit LotFP keinerlei Probleme) will offenbar gar nicht das sein, was du behauptest. Ich glaube aber tatsächlich, dass in diesem "nicht das sein, was du willst" keinen sehr guten Job macht, aber das ist vielleicht auch eine Geschmacksfrage. Tatsächlich sehe ich das persönlich so wie du, Monsterjäger im Barock mit Actionfokus, da verträgt  kein menschliches Elend im Extrem. Und vielleicht hat man über die Implikationen davon im Autorenteam auch nicht genug nachgedacht - da stecke ich nicht drin (ich hab das einmal probiert und mich ein bisschen eingelesen und dann links liegen gelassen).

Ich könnte jetzt auch unverantwortlich sagen, HeXXen steht da in einer sehr langen deutschen Tradition von Spielen, die sich nicht darauf einigen können, was sie sein wollen. Und die dann schnell in fragwürdige Ecken abdriften, ohne dass es jemandem rechtzeitig auffällt.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Boba Fett am 28.05.2025 | 18:24
HeXXen steht da in einer sehr langen deutschen Tradition von Spielen, die sich nicht darauf einigen können, was sie sein wollen. ...

Ach, ich glaube schon, das Hexxen zu Anfang wusste, was es sein wollte - nämlich pulpiges Monsterjagen in Barock-Ambiente.

Das Problem, was Hechsen hat, ist, dass es verdammt erfolgreich ist. Und so musste immer mehr Zeug rauskommen und immer epischer werden.
Kühe müssen gemolken werden, solange sie Milch geben. (Und das ist kein Vorwurf. Ein Verlag muss Geld verdienen, um existieren zu können.)
Und jetzt sind wir in der Karibik angelangt, und Neu-England kommt bestimmt irgendwann auch, und dann kommen Hexen & Eisbären oder Hexen in Fernost.
Und in epischer Breite kommen Atlanter und Titanen und irgendwann geht es dann von Baldurs Gate in die Hölle. Äh, ich meinte Rom natürlich...

Die Alternative wäre, dass es weniger erfolgreich wäre und Ulisses es irgendwann aufgeben muss, weil es nicht rechnet.
Auch kein Vorwurf, siehe oben. Aber dann würden wir jetzt in einem "verdammt, warum wurde Hechsen abgesägt!" Thread diskutieren.

Wer die Grundprämisse mag, der kann HeXXen spielen und auf die ganze Background-Kanon Sache verzichten.
Die Rollenspielpolizei wird deswegen nicht kommen. Und wer es nicht mag, braucht es nicht zu spielen..

Zur Frage, was ich davon halte?
Es gibt schlimmeres. Das Horror-Genre ist doch voll von so einer Traumata Backgroundstory Methodik.

Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Ludovico am 28.05.2025 | 18:31
Also ich sehe nicht, inwiefern Monsterjäger im Barock kein menschliches Leid verträgt.
Es muss dabei halt auch Opfer und menschliches Leid geben. Denn sonst macht es keinen Sinn, Monster zu jagen. Die Pervertierung von Leid ist dabei etwas, was dem Ganzen noch einen sehr interessanten Twist geben kann.
Ansonsten kann man sich ja auch mal die Serie Supernatural ansehen. Das ist auch ziemlich Horror, es sind auch Monsterjäger, es gibt viel menschliches Leid.
Bei Rollenspielen kann man dies auch bei Solomon Kane und All for One sehen - beides Monsterjäger-Rollenspiele und bei beiden leiden die Menschen. Colonial Gothic würde auch noch fast in die Reihe passen.
Ich würde Hexxen, dass durch diesen Thread erst mein Interesse geweckt hat - wie ein stark horrorlastiges 7th Sea (1st Edition) oder ein Warhammer FRPG (beides auf Monsterjagd konzentriert)  sehen.
Titel: Re: HeXXen - Ein fatalistisches und deprimierendes Setting?
Beitrag von: Radulf St. Germain am 28.05.2025 | 20:12
Ich kann es schon verstehen. Manchmal hat eine Spielwelt einen Aspekt, den man moralisch gar nicht mag. Und den kriegt man auch nicht los, auch wenn man den einfach weglässt. Weil man halt immer dran denken muss.

Mir geht das bei Hexxen zwar nicht so (kenne nur Savage Hexxen), aber ein bisschen komisch finde ich das mit den Hexen im Speziellen schon. Vielleicht weil es mir zu "realistisch-menschlich" ist anstatt dass man gegen eindimensionale Karikaturen kämpft. Das kann ich für mich ganz gut ausblenden aber ich kenne andere Themen, da geht das nicht so gut.