Was wird da schwer Verstanden?
Dass Niederhalten im Grunde auch eine Treff-Absicht haben muss damit es funktioniert?
Ja, genau.
Daraus wird nach 1-2 "Generationen" (zu verstehen als mittlere Dienstzeit...das sind in vielen Armeen wenige Jahre!) an Soldaten, die es nicht aus eigenem Erleben kennen, die nebulöse Vorstellung, dass man irgendwie so grob in Richtung des Gegners hält und das langt dann.
Als Nebenschauplatz gibt es noch die irrige Vorstellung, das ginge nur mit vollautomatischem Feuer.
Es wird aber andersrum ein Schuh draus:
Wenn überhaupt eine Niederhaltewirkung erzielt werden soll, muss das Feuer so nah am Ziel liegen, dass die Unterscheidung in "normales" Feuer und Niederhalten keinerlei Sinn ergibt.
Man schießt ja nicht mit Absicht im Bereich 1-1,5 m an einem erkannten Ziel vorbei.
Im Kalten Krieg und kurz danach war das auf Manövern unter NATO-Kräften oft so ein bisschen gentlemen's agreement: ich schieße grob in eure Himmelsrichtung und ihr tut so, als hättet ihr Angst davor. Und im Zweifelsfall wird das auch mal durch einen Schiedsrichter durchgesetzt (!), gerne mit den in Relation viel zu guten Schießbahnleistungen als Maßstab für die Trefferwahrscheinlichkeiten...
Um so mehr hat man sich dann gewundert, als in den beiden "forever wars" der 2000er insbesondere die Afghanen sich als sehr schwer niederzuhalten erwiesen.
Das hat neben einer recht fatalistischen Grundhaltung auch die zwei ganz praktischen Gründe, dass die Jungs gegen die vielen Unannehmlichkeiten der Kriegsführung in der Gegend gerne mal Betäubungsmittel nehmen und dass dort der Feuerüberfall auf größtmögliche Entfernung fester Teil der Kriegsführung ist. Entsprechend viel Erfahrung gibt es dort, wenn es um das Einschätzen von Feindfeuer geht.
In der Folge haben u.A. das USMC und die britischen Streitkräfte beschlossen, ihre leichten MGs durch spezialisierte ZF-Gewehre zu ersetzen (USMC) oder einfach komplett auf moderne Sturmgewehre mit guten Optiken zu setzen (UK), weil deren Niederhalteleistung aufgrund der höheren Präzision deutlich besser ist - bei geringerem Munitionsverbrauch.
Speziell die Briten haben damit neu gelernt, was sie früher längst wussten und konnten, als die Infanterie mit rein halbautomatischen Gewehren (FN FAL/L1A1) sehr wohl in der Lage war, die Feuerüberlegenheit zu erringen und zu halten.
Zumindest früher wurde in der britischen Armee überschossen als Teil der Ausbildung, d.h. die Leute wurden hinter einen geeigneten Erdhaufen gesetzt und dann wurde mit verschiedenen Waffen einmal ineffektiv und einmal effektiv (sprich: näher am Ziel) geschossen, damit die Jungs eine Vorstellung davon bekommen, wie sich das jeweils anhört und nicht im Gefecht das erste mal damit konfrontiert werden.
Am Rande:
Das Ganze hat auch nichts damit zu tun, ob man gut sichtbare Ziele hat. Wenn man gar keine Vorstellung von der Feindposition hat, hat das Feuer schlicht zu unterbleiben (was aber oft nicht der Fall ist, weil eigenes Feuer beruhigt).
Sobald das aber halbwegs eingrenzbar ist, wird gezielt geschossen; dann eben auch auf vermutete statt auf eindeutig erkannte Stellungen, aber das kann man durchaus explizit trainieren.
Z.B. die Schweizer Armee hat entsprechende Zielscheiben, mit denen auf geringe Entfernungen weit entfernte und verdeckte Ziele dargestellt werden. Da haben schon wenige Übungsdurchgänge mit entsprechender Auswertung und Coaching einen enormen Nährwert.
Gaaanz allgemein gilt für Halb- oder Vollautomaten im militärischen Kontext:
Möglichst aggressive Feuereröffnung mit dem Schwerpunkt eher auf Volumen statt auf Präzision (aber eben nicht sinnlos in die Landschaft hacken, sondern immer noch mit brauchbarer Trefferwahrscheinlichkeit - das muss man natürlich auch entsprechend ausbilden) und dann langsamer Übergang zum kontrollierten Feuer.
Ob man in der kontrollierten Phase dem Gegner unter Feuer ausweicht und sich verkrümelt oder den Gegner in seiner Stellung fixiert, flankiert und dort vernichtet, ist für die Schießweise unerheblich.
Beim Flankieren schießen die "Läufer" natürlich am Ende noch mal mehr und bei einem eigenen Feuerüberfall wird für die Gewehrschützen vor das große Feuervolumen noch mal ein präziser Einzelschuss gesetzt (grob: alle zielen, Gruppenführer eröffnet das Feuer, auf dieses Signal schießen alle möglichst zeitgleich ihren Einzelschuss, geben danach ein Magazin Vollgas und gehen in die kontrollierte Phase über, sofern der Gegner erkennbar in seinem Feuer nachlässt).
(siehe zu dem ganzen obigen Themenkomplex auch die angehängte PDF)
War ja klar, dass Milleniums End hier irgendwann auftaucht ;D
Wie funktioniert die "Nicht-Regel"?
Wie immer lädt ME das einfach beim SL ab.
Es gibt also keinen Moralwurf o.Ä., sondern der SL bestimmt frei Schnauze anhand der Gesamtsituation und vor allem anhand der Gegner, wie die darauf reagieren.
Spielercharaktere haben immer freie Auswahl, ob sie in Deckung gehen oder nicht (was bei der Settingprämisse klar geht, weil die SC alle ziemlich abgehärtete Profis sind).
In der Spielpraxis führt das i.d.R. zu den gleichen Verläufen wie bei einer ausufernden Verregelung, sofern diese sinnvoll ist und nicht irgendwelche Artefakte produziert.
Man erkauft sich mit der verbrauchten Munition die Gelegenheit, die Distanz zu schließen oder zu öffnen.
Noch eine letzte Frage: Vorhin wurde gesagt, 45° sind ziemlich viel für das Feld das Niedergehalten werden kann - was wären hier denn realistischere Werte?
Gerne auch aufgedröselt in Maschinengewehr / Sturmgewehr oder was sonst noch so Sinn macht... : )
Ich würde weniger in Grad oder Fläche denken, sondern in Einheitengröße.
Als groben Anhaltspunkt:
Mit einem Sturmgewehr oder einem LMG kann man ca. eine Gruppe niederhalten, mit einem lafettierten MG einen Zug (beides eher hoch gegriffen).
Das variiert aber schwer danach, auf wen man schießt und wie die Leute im Gelände unterwegs sind.
Wenn der Gegner im Hinterland völlig unbedarft im Kompanierahmen von A nach B die Straße lang marschiert, bekommt man die zu Beginn auch alle mit einem einzelnen LMG bespaßt.
Eine weit aufgefächerte Gruppe aus Veteranen in durchschnittenem Gelände wird man umgekehrt kaum niederhalten können.
Als ziemlichen Optimalfall das hier (https://youtu.be/fF_cA18GA7I9): kurze Entfernung, MG auf Lafette - und man sieht ja, was für einen kleinen Bereich man damit tatsächlich wirksam beschießen kann.
Wenn die Entfernung größer wird und das MG nicht auf der Lafette montiert ist, muss man kontrollierter schießen und entwickelt dementsprechend weniger Feuervolumen.
Andersrum kann man so wie im Video auch nur zu Beginn eines Feuerüberfalls schießen, sonst ist in kürzester Zeit die Munition weg und das Rohr hinüber.
Da ist es so zu sehen wie oben beschrieben: brutaler Einstieg und dann Übergang in kontrolliertes Schießen, um die Zeit zu strecken, die man für die verbrauchte Munition erkauft.