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Pen & Paper - Rollenspiel => Pen & Paper - Rollenspiel- & Weltenbau => Pen & Paper - Eigenentwicklungen => Thema gestartet von: Eismann am 10.03.2024 | 20:35

Titel: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Eismann am 10.03.2024 | 20:35
Moin,

Ein kleines Gedankenspiel zum Weltenbau: Definieren wir mal, dass fossile Brennstoffe nicht brennbar sind. Kohle, Öl und Erdgas brennen schlecht oder gar nicht. Wie verändert sich dadurch, historisch gesehen, die Welt? Und wird da eine interessante, bespielbare Parallelwelt draus?
Das Folgende basiert auf meinem angestaubten Geschichtswissen, mag also eher grob und nicht immer ganz korrekt sein. Aber man kann da sicher jede Menge Detailkram noch zusammenrecherchieren.

Bis irgendwann um 1700 verändert sich vermutlich nicht viel. Fossile Brennstoffe spielen kaum irgendwo eine größere Rolle. Spätestens mit dem Beginn der industriellen Revolution beginnt sich das aber zu ändern.
In England sind alle anderen Vorbedingungen vorhanden: Durch den Straßen- und besonders den Kanalbau gibt es Methoden privates Kapital für Großprojekte zu akkumulieren. (Ingenieurs-)Wissenschaften werden finanziell gezielt gefördert, die produktive Landwirtschaft stellt genug Arbeitskräfte für andere Aufgaben frei und durch die Kolonien sind große Absatzmärkte vorhanden. Mit Segelschiffen wird globaler Handel betrieben.
Was nun noch benötigt wird, ist Energie, und da greift man in England auf die Kohle zurück. Was aber, wenn die ausfällt?
Hierbei sind zwei Formen am wichtigsten: Bewegungsenergie zum Transport, aber auch für Maschinen wie Pumpen in Bergwerken, aber später auch für mechanische Webstühle, und kontrollierbare, große Hitze zum Schmelzen und Verarbeiten von Metallen.

Bewegungsenergie wird traditionellerweise aus unterschiedlichen Quellen gewonnen: Menschliche oder tierische Arbeit, Wind oder Wasser. Für die schiere Menge, die benötigt wird, würde ich da am ehesten auf Wasserkraft tippen. Die lässt sich relativ wetterunabhängig (abgesehen von Dürren, Fluten und starkem Frost), kontinuierlich und auch in großen Mengen produzieren, ist aber massiv standortabhängig. Produktionszentren lassen sich nur dort errichten, wo es genug Wasser und Gefälle gibt. Dank der Erfahrungen im Kanalbau dürften Aktienunternehmungen, die Wehre und Dämme zur Energiegewinnung errichten, schnell wie Pilze aus dem Boden schießen. Was aber auch den Verlust von Anbauflächen bedeutet. Außerdem lassen sich so die für den Abbau von Erzen nötigen Pumpen nur selten sinnvoll betreiben, einfach weil an den jeweiligen Minenstandorten selten die nötigen Gegebenheiten vorhanden sind. Vielleicht greift man da auf menschliche oder tierische Arbeit zurück, aber allgemein dürfte das Erze und damit Metalle vermutlich merklich verteuern. Und menschliche Arbeit will entweder bezahlt werden, oder man greift auf Zwangsmaßnahmen zurück.

Mit der Entwicklung von Elektromotoren (beginnend um 1840) ändert sich das mit der Abhängigkeit von Standorten langsam. Elektrizität kann durch Wasserkraft gewonnen und dann an geeignetere Produktionsstandorte an Flüssen oder dem Meer weitertransportiert werden. Für Fahrzeuge ist die Lösung aber nur leidlich geeignet. Man kann mit Batterien und Elektromotoren zwar Fahrzeuge und Boote antreiben, was auch schon vor der Entwicklung des Ottomotors gemacht wird, aber die Leistung ist überschaubar und die Batterien groß und schwer, was Reichweite und Nutzen ziemlich einschränkt.

Für die Metallverarbeitung wird man vermutlich auf Holzkohle zurückgreifen müssen. Damit wird Waldbestand ein wichtiges Wirtschaftsgut, und statt dem mittleren Osten werden die großen Waldgebiete von Skandinavien über Sibirien bis Kanada, aber auch südliche Urwaldregionen zu einem wichtigen Energielieferanten und damit geopolitisch umkämpft. Außerdem würden Forste neben den Stauwerken Konkurrenten um Ackerland werden.

Dampfmaschinen werden vermutlich trotzdem entwickelt, benötigen aber Holz, Holzkohle oder zur Not Torf zum Betrieb. Der Ottomotor dürfte auch mit Alkohol umsetzbar sein, womit spätestens ab 1900 auch Rohrzucker, Zuckerrüben etc. zu Energieträgern für mobile Anwendungen, also "leichtere" Fahrzeuge und Flugzeuge wichtig werden. Stellt sich die Frage, ob so die Sklaverei in der Karibik wirklich abgeschafft werden kann. Von weiterer Nutzung von Ackerland zur Energiegewinnung ganz zu schweigen. Die wohlhabenderen Staaten werden vermutlich die nötige Energie aus ärmeren Regionen importieren, was die Lebensmittelsituation global ziemlich schwierig machen dürfte.

Das sind jetzt erstmal nur ein paar erste Grundideen und Pfeiler, auf die man ein Setting aufsetzen könnte.
Wie würde eine Welt wohl so um 1900 oder auch 1950 aussehen mit diesen Grundannahmen?

Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Tudor the Traveller am 10.03.2024 | 21:30
Hmm, ich tu mich schwer mit der Setzung. Bin halt Chemiker und Kohlenstoff ist Kohlenstoff. Steinkohle, Holzkohle, Erdöl, Holz, Alkohol... da brennt halt chemisch gesehen immer das Gleiche... und da basiert einfach ALLES drauf, das ganze Leben.

Vor allem mit dem Wegfall von Erdöl kannst du auch die ganze moderne Chemie abschreiben. Keine Kunststoffe, keine Pharmaka... ok, wenn es nur nicht brennen soll, wäre die chemische Verwendung eventuell noch drin? Wobei Raffinerien mit dem Wegfall von fossilen Treibstoffen vielleicht weniger lukrativ sind?

Ach ja, Flugzeuge werden auch eher schwierig ohne Kerosin.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Eismann am 10.03.2024 | 21:43
Interessanter Punkt. Ja, natürlich ergibt das chemisch wenig Sinn, aber das gehört eben zum Zweck der Übung. Quasi als Axiom.

Was Petrochemie angeht: Man kann da je beide Gedanken (pro und contra Kunststoffe aus Öl/Kohle) weiterspinnen.

Wie so oft gilt da: Man findet immer einen Grund warum etwas nicht geht. Aber interessanter ist, was wäre, wenn es trotzdem so ist.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: KyoshiroKami am 10.03.2024 | 21:43
Hmm, ich tu mich schwer mit der Setzung. Bin halt Chemiker und Kohlenstoff ist Kohlenstoff. Steinkohle, Holzkohle, Erdöl, Holz, Alkohol... da brennt halt chemisch gesehen immer das Gleiche... und da basiert einfach ALLES drauf, das ganze Leben.

Geht mir genauso. Dann müsste wohl eher die Prämisse her, dass sich es nicht zu der Umwandlung von Biomasse in Erdöl, etc. gekommen ist.


Zitat
keine Pharmaka

Daaaas stimmt so nicht ganz. Viele Arzneimittel kommen aus der Natur (Heilpflanzen und so). Klar gibt es auch synthetisierte Wirkstoffe, teilweise sind das dann auch abgewandelte Naturstoffe, aber wir würden ohne die moderne Chemie nicht komplett ohne AMs dastehen.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Eismann am 10.03.2024 | 21:56
Nicht zu vergessen gibts ja noch Naturkautschuk, der phasenweise auch wirtschaftlich enorm wichtig war.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Isegrim am 10.03.2024 | 21:57
Ich halte die industrielle Revolution dann für ziemlich ausgeschlossen. Mit Holzkohle wäre eine Stahlproduktion im industriellen Maßstab mE schwierig (Hochöfen & so), und die Mengen an Stahl wurden für so vieles gebraucht, nicht zuletzt für Eisenbahnen und andere Maschinen. Vielleicht wäre China technisch ein passender Vergleich. Die hatten zu einer Zeit hochentwickelte Maschinen auf Wasserkraft-Basis wie mechanische Webstühle, große Flotten mit Segeln, Drucktechnik uvm. Aber eine industrielle Revolution hatten sie halt nicht.

Ich hatte mal die Idee zu einer Steampunk-Welt, die wirklich lange auf Dampfkraft angewiesen sein sollte (Jahrhunderte minimum), und in der es keine späteren Entwicklungen geben sollte wie Flugzeuge, Autos, Plastik. Dafür hatte ich überlegt, dass es aus i-welchen Gründen kein Öl gibt. Aber Steampunk ohne brennbare Kohle macht natürlich überhaupt keinen Sinn. ;)

Bin halt Chemiker und Kohlenstoff ist Kohlenstoff.

Brennt Diamant? Aber die Diskussion hatten wir schon oft, und sie ist jedesmal wieder sinnlos. Nehmt doch die Vorgaben einfach mal hin, die jemand in einem Fantasy-Szenario macht.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: nobody@home am 10.03.2024 | 21:57
Ein Punkt ist sicher: wenn aus Mangel an Kohle und Öl (und bis zur Erfindung hinreichend fortgeschrittener Destilliermethoden auch an Alkohol) in erster Linie Holz und Holzkohle als Energielieferanten verfeuert werden, was ja unabhängig von aller Industrie schon zu reinen Koch- und Heizzwecken einen gewissen Grundbedarf darstellt...dann wird natürlich Holz entsprechend noch begehrter und umkämpfter und der Raubbau an den Wäldern entsprechend schneller voranschreiten, als wir es schon aus der Geschichte kennen. Immerhin braucht man dasselbe Zeug auch als Werkstoff für alle möglichen Sachen vom einfachen Gebrauchsgegenstand bis zu Gebäuden und Schiffen -- wenn es also auch noch gleichzeitig als Brennstoff quasi alternativlos wird, dann merkt man die Tatsache, daß einfach nur so-und-soviel Holz überhaupt in der Welt vorhanden ist (und es auch nicht beliebig schnell nachwächst), natürlich entsprechend früher als in der realen Geschichte.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Ruinenbaumeister am 10.03.2024 | 22:10

Ein paar Technik-Links, die für dich interessant sein dürften: Low-tech Magazine (https://solar.lowtechmagazine.com/about/), Das Museum of Retro Technology  (https://solar.lowtechmagazine.com/about/)
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Kurna am 10.03.2024 | 22:13
[...]
Brennt Diamant? Aber die Diskussion hatten wir schon oft, und sie ist jedesmal wieder sinnlos. Nehmt doch die Vorgaben einfach mal hin, die jemand in einem Fantasy-Szenario macht.

Ja, Diamant brennt, braucht dafür aber Sauerstoffüberschuss. Ist übrigens eine (im Falle des Irrtums teure) Methode, um Fälschungen zu erkennen. :)

Aber zur Themenfrage:
Meiner Ansicht nach wird ohne Öl, Kohle und damit durchgeführter Mechanisierung die menschliche Arbeitskraft weiter eine deutlich größere Bedeutung behalten. Damit postuliere ich, dass es Großbritannien (plus später den anderen europäischen Mächten) nicht gelingen wird, China so in eine Abhängigkeitsposition zu drücken. Wenn es nicht aus anderen Gründen zerfällt, dürfte China daher um 1950 schon eine der relevanten Großmächte sein.




Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Isegrim am 10.03.2024 | 22:20
Off topic:
Ja, Diamant brennt, braucht dafür aber Sauerstoffüberschuss. Ist übrigens eine (im Falle des Irrtums teure) Methode, um Fälschungen zu erkennen. :)

Man lernt nie aus, danke. Da zur Entstehung ja hohe Temperaturen notwendig sind: Das funzt also nur, weil es unter Sauerstoffabschluss geschieht?

Aber die Prüfmethode erinnert mich an die alte (angebliche) Hexenerkennungsmethode: Wenn sie untergeht, war sie unschuldig, wenn sie schwimmt: Verbrennt sie!  ;D
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: unicum am 10.03.2024 | 22:43
Ich denke Strom wird früher wichtiger werden. Zugestanden glaube ich nicht das man bis ~1930+ dann schon bei der theorie des Atomstromes ist, aber man kann mit Strom schon viel fossile Energie ersetzen.

Fliegen wird aber echt schwierig. Sicher das geht auch heute schon elektrisch aber,... schwierig eben.

Aber ja es bleibt dabei das es schwer wird Metalle zu erschliessen und zu veredeln. Ein ganzes Schiff aus Metall? Fast nicht vorstellbar - so zimelich egal wie man es antreibt.

Holzwirtschaft wird wichtiger - das stimmt wohl (und wieder wird der Schwarzwald abgeholzt,...).

Hmm, ich tu mich schwer mit der Setzung. Bin halt Chemiker und Kohlenstoff ist Kohlenstoff. Steinkohle, Holzkohle, Erdöl, Holz, Alkohol... da brennt halt chemisch gesehen immer das Gleiche... und da basiert einfach ALLES drauf, das ganze Leben.

Ja das problem haben viele, ich als Ingenieur der Lasermesstechnik hab manchmal bei SF so meine Problemchen,... und die Historiker bei allem was eben zumindest pseudohistorisch ist,...
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: sma am 10.03.2024 | 23:08
Ich würde sagen, so bis ca. 1800 könnte sich alles gleich entwickeln.

Ich verstehe zwar nicht, wieso Holzkohle funktioniert, aber Steinkohle nicht, dennoch wäre mit Holzkohle die Erfindung von Dampfmaschinen möglich und eine vielleicht langsamere industrielle Revolution möglich. Wenn man auch Alkohol verbrennen kann, wäre das eine alternative zum Benzin oder Diesel.

Elektrizität könnte man auch entdecken. Das geschah im 17. Jahrhundert, konnte im 18. Jahrhundert reproduziert und erklärt werden und um 1800 gelang es, Wasserstoff und Sauerstoff zu trennen, was Grundlage für Energie aus Wasserstoff sein könnte (wenn Holzkohle nicht brennt, könnte es auch auch einfacher als in Wirklichkeit sein, Wasserstoff aufzubewahren). Oder der nichtbrennbare Kohlenstoff stellt sich als perfekte Batterie heraus…

Um 1833 erfand W.E. Weber zusammen mit Gauß den Telegraphen und ich sehe nicht, wieso das nicht auch in einer Welt, die gerade mal 30 Jahre von der unseren abweicht, weil man keine Steinkohle verbrennen kann, passieren sollte. Um 1834 erfand der Engländer Wheatstone ebenfalls so ein Gerät, welches 1837 von der Eisenbahn eingeführt wurde.

Nun braucht es nur mehr kapitalischen Weitsinn als die beiden Gelehrten hatten, um das Auszurollen. In unserer Welt waren es Amerikaner (Morse, Baudot, Murry, et.al.) die das noch ein weiteres mal erfanden. Ähnlich wie die Glühbirne, die Edison ein weiteres Mal erfand, nachdem das Prinzip schon 1809 von einem Herrn Davy gezeigt wurde. Können denn die nicht-brennbaren Kohlfäden zumindest glühen? Im 19. Jahrhundert könnte also trotzdem zu einer industriellen Revolution kommen.

Jetzt müssen wir nur noch Herrn Boole das Glück gönnen, dass seine Arbeiten von Wheatstone, der sich zu dieser Zeit mit Kryptografie beschäftigte und dessen Brieffreund Lord Playfair entdeckt und zu Überlegungen zur Informationsverarbeitung angestellt werden. Wenn Playfair z.B. auch Babbage kannte und ihn überzeugen konnte, dass man statt mechanischer Maschinen besser elektromechanische Rechenmaschinen bauen sollte. Die nötigen Relais wurden 1835 von John Henry erfunden, aber auch Weber und Whetstone hatten ähnliche Ideen. In den 1830er Jahren war alles vorhanden, um mit den Theorie von Gauß und Boole (aber ohne die Arbeiten von Shannon und von Neumann 100 Jahre später) einen elektromechanischen Computer wie ihn Zuse erstmalig 1938 gebaut hatte, auch 100 Jahre früher bauen.

Lady Ada könnte ja trotzdem in den 1840er über die Programmierung nachdenken (und so eine dedizierte Rechenmaschine zu dem zu machen, was wir heute unter einem Computer verstehen).

In unserer Welt wurde Kryptografie erstmalig im Krim-Krieg eingesetzt, wenn es diesen in der "Kohlenstoff brennt nur, wenn er von Holz stammt" Welt könnte es diesen Konflikt ebenfalls geben, dann aber vielleicht mit elektrisch betriebenen Fahrzeugen, statt Dampfschiffen und Fahrzeugen, und dieser Konflikt könnte die Computertechnologie für die Berechnung von Artillerie-Tabellen beflügeln (wie in unserer Welt, aber eben knapp 100 Jahre früher).

Und weil Computer so wichtig für das Militär sind, forscht man weiter und will unbedingt die Relais ersetzen. Röhren sind der nächste wichtige Schritt. Lee de Forest und von Lieben erfanden diese unabhängig voneinander 1906 in unserer Welt. Hier schieben wir die Erfindung 50 Jahre in die Vergangenheit, ca. 1856. Damit lassen sich nun gewaltige Computer bauen, die 1000 oder mehr Rechenoperationen pro Sekunden ausführen können (der Z3 als Nachfolger des Z1 schaffte 5 Rechenoperationen pro Sekunde, mein iPhone schafft 15.000.000.000 pro Sekunde, die 5 GPU-Kerne für die Grafik nicht mitgezählt, der UNIVAC von 1951 (der Asimov inspiriert hat, seinen Supercomputer MULTIVAC zu nennen) hatte 6100 Röhren und schaffte fast 2000 Rechenoperationen pro Sekunde.

In unserer Welt war die danach wichtigste Erfindung der Transistor, der es möglich machte, Minicomputer in Schrankgröße zu bauen wie die PDP-1 von 1969, und der integrierte Schaltkreis, der erst Logikgatter (den von Boole erkannten Prinzipien folgend) ermöglichste und schließlich Mikroprozessoren, wie der Intel 4004 als erste CPU im Jahr 1971. Auf dem MOS 6502 waren dann auf einem winzigen Stück Silizium etwa 7500 Transistoren vereint, um 1975 den wohl aus dem Homecomputer-Ära bekanntesten Prozessor zu erfinden.

Um solche Chips herzustellen, muss man in jedem Fall die Fotografie erfinden, was in unserer Welt in den 1830er und 40er Jahre (in Frankreich, meine ich) stattfand. Die braucht aber (wenn wir nicht so genau auf die Chemie schauen) jetzt auch kein Erdöl oder sonstige fossile Brennstoffe, behaupte ich mal.

Damit die chemische Industrie im 19ten Jahrhundert jedoch genau so durchstartet wie in unserer Welt, braucht es etwas, das sich auch lohnt zu erforschen und zu bauen. Wenn wir kein Plastik herstellen können, dann vielleicht den fotoelekrtischen Effekt und schließlich Solar-Panele, da man sich ja eh mit Silizium für die Transistoren und Chips auseinandersetzen muss. Und dann können wir bequem Strom herstellen, in Steinkohle speichern und so das Fehlen von Benzin ausgleichen.

Nebenher haben wir natürlich auch schon die ganze Zeit Windkraft und Wasserkraft.

Die größte Änderung dieser parallelen Welt wäre dann, dass weniger CO2 vom Menschen freigesetzt wird und daher keine menschengemachte Klimakrise die Zivilisation bedroht.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Tudor the Traveller am 10.03.2024 | 23:18
Off topic:
Man lernt nie aus, danke. Da zur Entstehung ja hohe Temperaturen notwendig sind: Das funzt also nur, weil es unter Sauerstoffabschluss geschieht?

Ja, das ist bei allen verdichteten Kohlenstoff-Varianten so, auch bei Kohle. Druck spielt auch eine sehr große Rolle.

Der Witz ist, dass Kohlenstoff zwar komplett verbrennt, aber gar nicht so einfach anzuzünden ist. Das merkt man schon, wenn man einen Kamin mit Holz anfeuern will. Oder einen Kohlegrill. Der Diamant treibt das auf die Spitze, weil extrem verdichtet, super stabiles Kristallgitter, extrem wenig Oberfläche. Diamanstaub hingegen soll ganz gut brennen. Habe ich aber noch nie getestet  ;)

 :btt:

Die Stahlverhüttung ist imo eine entscheidende Weiche, die ohne Kohle kaum denkbar ist. Wobei ja aktuell die Umstellung auf Wasserstoff vorangetrieben wird. Da müsste man aber viel in der Kette ändern... vielleicht wäre die Welt dann schon lange mit Windkraft und Solar unterwegs.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: KhornedBeef am 10.03.2024 | 23:21
Stahl müsste mit Koks gehen. Dafür ist er ja da, und nicht fossil.
Muss man aber eben mehr Wald für fällen
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: sma am 10.03.2024 | 23:58
Ich denke Strom wird früher wichtiger werden. [...]
Fliegen wird aber echt schwierig. Sicher das geht auch heute schon elektrisch aber,... schwierig eben.
Ersteres denke ich auch und mit ein bisschen Handwedeln sollte durch Wasser- und Windkraft auch genug da sein. Ansonsten siehe meinen langen Text weiter oben.

Was das fliegen angeht: Da man seit 1800 Wasserstoff herstellen kann, wäre das dann ein Zeitalter der Luftschiffe. Man fliege nur bitte nicht durch ein Gewitter ohne vernünftige Erdung bei der Landung. Und es gibt hoffentlich Batterien für Elektromotoren zum Antrieb, damit die Schiffe nicht wie ein Ballon mit dem Wind segeln müssen.

Das Elektroauto ist übrigens auch älter als Mercedes mit Ottomotor. 1839 hat Anderson in Schottland eines gebaut und 1888 konnte man einen Flocken Elektrowagen in Deutschland kaufen (2 Jahre nach dem Patent für das Automobil, das Daimler nach seiner Tochter Mercedes nannte).

Das es schwer ist, industriell Metall herzustellen, ist da IMHO das viel größere Problem. Vielleicht hat Kohlenstoff ja eine andere Eigenschaft, z.B. als Katalysator (ist das das richtige Wort?) den Schmelzpunkt von Eisen derart zu reduzieren, dass ein Holzkohlefeuer im Hochofen reicht...
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Eismann am 11.03.2024 | 00:03
Also mit Holzkohle wurden früher schon Hochöfen betrieben, das geht durchaus. Da muss man Steinkohle nicht wieder in die Gleichung mit reinzwängen. Mag in der Masse möglicherweise ein Problem darstellen, aber da kenne ich mich nicht genau genug aus.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: nobody@home am 11.03.2024 | 00:39
Also mit Holzkohle wurden früher schon Hochöfen betrieben, das geht durchaus. Da muss man Steinkohle nicht wieder in die Gleichung mit reinzwängen. Mag in der Masse möglicherweise ein Problem darstellen, aber da kenne ich mich nicht genau genug aus.

Ich denke, die Masse macht's da durchaus. Wenn fossile Brennstoffe ersatzlos(*) wegfallen, hat halt die Welt als Ganzes schlagartig weniger für Menschen nutzbare Gesamtenergie verfügbar...und spätestens, wenn die Metallbearbeitung in hinreichend großem Maßstab betrieben werden soll, macht sich das halt bemerkbar, denn die ganze Holzkohle, die man dann zum Befeuern der Hochöfen braucht, will ihrerseits ja erst mal in entsprechenden Mengen produziert sein.

(*) Und als ersatzlos würde ich das in diesem Szenario schon bezeichnen -- es tritt ja nichts wirklich Neues an deren Stelle, sondern die Bewohner dieser Welt müssen sich halt mit dem begnügen, was an auch uns schon bekannten Alternativen nach ihrer schlichten Streichung übrig bleibt.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: KhornedBeef am 11.03.2024 | 00:40
Hm. Ich hatte im Kopf, dass aus Koks schon aus Holz- statt Fossilkohle hergestellt wurde, finde es aber nicht. Würde ich aber Handwedeln. Ist jedenfalls die kritische Zutat bei der Stahlherstellung. Einerseits zum Heizen, andererseits zur Aufkohlung ohne unerwünschte Begleitstoffe.
Man kann den Schmelzpunkt von Eisen mit Kohlenstoff aus jeder Quelle senken, das ist ja eben bei Gusseisen der Fall, aber mit Holzkohle bekommt man Schwefel, Asche etc. dazu.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Eismann am 11.03.2024 | 00:54
Koks wird üblicherweise aus Steinkohle hergestellt, eben weil Steinkohle Schwefel und andere ungewünschten Zusatzstoffe enthält. Holzkohle ist zumindest laut Wikipedia sehr geeignet zur Verhüttung, auch weil sie wenig Asche und kaum Schwefel enthält. Die Brenndauer ist nur merklich geringer. Wurde auch über Jahrtausende dafür genutzt.
Am Ende ist es dann halt eine Frage der Masse. Um 1850 wurden im Ruhrgebiet und in England jeweils irgendwas um 1 Mio Tonnen Steinkohle pro Jahr gefördert. Das eskaliert dann später massiv, aber es zeigt zumindest in der Frühzeit der Industrialisierung, wieviel da ersetzt werden müsste (nicht nur durch Holzkohle, sondern wie besprochen über unterschiedliche Wege). Schiffstransporte aus in Skandinavien, verschiedenen Kolonien oder Russland produzierter Holzkohle wären dann beispielsweise ein Phänomen und auch geostrategisch ein großes Thema. Vielleicht auch Alkohol aus der Karibik, Kautschuk aus Zentralafrika usw.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Tudor the Traveller am 11.03.2024 | 07:05
Da müsste man mal überschlagen, wie viel Holzkohle pro Waldfläche produziert wird. Meine Vermutung ist, dass der Wald zz schnell abgeholzt ist, als dass man Verarbeitungsstandorte in industriellem Maßstab lukrativ betreiben kann. Wir reden hier ja nicht von ein paar Köhlerhütten im Wald.

Stahl wäre daher vermutlich deutlich teurer. Gut möglich, dass man auf andere Werkstoffe ausreicht, aber das vermutlich auch teurer.

Transportwege nicht vergessen. Segelschiffe auf dem Meer  aber überland wird schwieriger ohne oder mit sehr teurer Eisenbahn. Wenn die Flusstäler dann ruck zuck abgeholzt sind...
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Ruinenbaumeister am 11.03.2024 | 07:44
Landverkehr könnte auch mittels Pferdebahnen abgewickelt werden, wie weiland zwischen Linz und Budweis. Da die Schienen keine schweren Lokomotiven tragen müssen, brauchen sie nicht aus Stahl gewalzt zu werden. Es reichen Holzbalken, die mit Stahl beschlagen werden. Auch die Fahrzeuge selbst können überwiegend aus Holz bestehen. Ein Pferd kann auf einer solchen Bahn ein Vielfaches dessen transportieren, was es auf der Straße ziehen könnte.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Quaint am 11.03.2024 | 08:17
Ist ein interessantes Gedankenspiel. Eventuell spielen Kanäle auch eine große Rolle, denn mit entsprechenden Booten kann man schwere Lasten auch ganz gut bewegen. Wahrscheinlich dann von Tieren gezogen.
Ich könnte mir auch vorstellen, dass die industrielle Revolution sich verzögert oder ausfällt. Andererseits ist Klimawandel dann wahrscheinlich weniger ein Thema.
Und wenn sich mal moderne Technik entwickelt und es in Richtung Cyberpunk und SciFi geht, ist es dann auch wieder relativ egal, dass historisch keine fossilen Brennstoffe genutzt wurden. Mit Atomkraft, je nachdem Spaltung oder Fusion, und den "erneuerbaren" Energien kommt man dann schon ganz gut hin.

Eigentlich sind die fossilen Brennstoffe ja auch nur sowas wie ein Schluckauf der Geschichte. Vor 1700 oder so spielen sie kaum eine Rolle, und wahrscheinlich nach 2100 oder so auch nimmer. Eine vorübergehende Phase.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Feuersänger am 11.03.2024 | 09:28
Ich verstehe zwar den Sinn der Gedankenübung, aber die Setzung "fossile Energieträger brennen nicht" denkbar unglücklich gewählt, weil halt einfach komplett unrealistisch. Wenn das Zeug nicht brennt, brennt überhaupt nichts, es gibt keine Redoxreaktionen und sämtliches Leben findet nicht statt.

Darum wäre es mE eher sinnvoll als Setzung anzunehmen, dass die Menschen halt schlicht nicht auf die Idee kommen, das Zeug im großen Stil abzubauen. Oder durch eine Laune der Natur gäbe es überhaupt keine fossilen Brennstoffe, weil die seinerzeit alle in den Erdmantel abgerutscht sind. Mag auch unrealistisch sein, aber mE weniger unrealistisch als "die Naturgesetze gelten auf einmal nicht mehr".

That said, wie wirkt sich das Ganze aus?
Nunja, ich würde sagen, Tech- und Kulturlevelmäßig ist damit "Steampunk" das höchste der Gefühle:
- sämtliche "Steam" Werkzeuge sind eben auf Holz/Holzkohle beschränkt,
- dadurch ist die Verfügbarkeit entsprechend gering und die Preise hoch.
- Alle "modernen" Kontraptionen bleiben Luxusartikel für eine reiche Oberschicht,
- auch weil es mangels Energie keine Massenproduktion gibt; alle Gerätschaften werden handgefertigt
- die unteren Schichten können sich vermutlich nichtmal Heizen leisten, da die Holzpreise durch die neckischen Spielereien der Reichen raufgetrieben werden
- Wale vermutlich ausgerottet

Achja. In manchen Steampunk-Settings wird ja als Energiequelle sowas wie Kalte Fusion postuliert. Könnte man hier auch dazuerfinden, ist auch nicht weniger realistisch als "Kohlenstoff und Kohlenwasserstoffe brennen nicht, wenn sie vorher in der Erde waren".
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Rorschachhamster am 11.03.2024 | 09:30
Stellt sich die Frage, ob so die Sklaverei in der Karibik wirklich abgeschafft werden kann.
Da die Sklaverei schon vor der Industriellen Revolution weniger stark vertreten war, ist da der Schwerpunkt glaube ich eher die Südstaaten und Brasilien. Kann ein wenig(er) industrieller Norden die Südstaaten besiegen?  :think:

Sozioöknomisch wäre auch durch Wasserkraft und Windkraft und dementsprechend Fertigungsanlagen eher im Land verteilt die Landflucht wahrscheinlich geringer - zusammen mit stärkerer Abhängigkeit von händischer Arbeit würde die extreme Ungleicheit zwischen Arbeiter und Unternehmer wahrscheinlich geringer werden. Vielleicht.  :think:
Interessanter Gedanke, das alles.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Isegrim am 11.03.2024 | 09:45
Da die Sklaverei schon vor der Industriellen Revolution weniger stark vertreten war, ist da der Schwerpunkt glaube ich eher die Südstaaten und Brasilien.

MWn gab die Baumwollverarbeitung mit Maschinen der Sklaverei in den Südstaaten einen neuen Aufschwung. Ohne industrielle Baumwollverarbeitung wär die wesentlich weniger lohnend gewesen. Sklaverei im Zucker- oder Tabakanbau ist weniger auf industrielle Verarbeitungstechniken angewiesen.

Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Eismann am 11.03.2024 | 14:00
Ist ein interessantes Gedankenspiel. Eventuell spielen Kanäle auch eine große Rolle, denn mit entsprechenden Booten kann man schwere Lasten auch ganz gut bewegen. Wahrscheinlich dann von Tieren gezogen.
Bis zur kommerziellen Nutzung der Eisenbahn war das in England tatsächlich der Standard. Zwischen 1770 und 1830 wurde das Kanalsystem Englands auf über 6000km erweitert, oft durch dafür eigens gegründete Aktienunternehmen. Oft relativ schmale Kanäle für dünne, aber lange Transportboote, die dann aneinander gehängt von Pferden wie Eisenbahnwagons gezogen wurden. Wenn die Eisenbahn aufgrund des teureren Materials in Herstellung und Verbrauch kommerziell nur in Sonderfällen interessant ist, würde diese Methode vermutlich länger der Standard bleiben.
Titel: Re: Weltenbau-Gedankenspiel: Feuerfeste Fossile
Beitrag von: Zed am 11.03.2024 | 15:08
Bis zur kommerziellen Nutzung der Eisenbahn war das in England tatsächlich der Standard. Zwischen 1770 und 1830 wurde das Kanalsystem Englands auf über 6000km erweitert, oft durch dafür eigens gegründete Aktienunternehmen. Oft relativ schmale Kanäle für dünne, aber lange Transportboote, die dann aneinander gehängt von Pferden wie Eisenbahnwagons gezogen wurden. Wenn die Eisenbahn aufgrund des teureren Materials in Herstellung und Verbrauch kommerziell nur in Sonderfällen interessant ist, würde diese Methode vermutlich länger der Standard bleiben.
Ja, es ist wirklich ein spannende Episode der Geschichte moderner Infrastruktur, dass bis in die Mitte des 19 Jhd soviel Arbeit, Planung und Geld in die Kanalsysteme flossen, die das Militär und die Wirtschaft der Länder total umzukrempeln begannen - und kurz darauf die Eisenbahn kam, die den Umkrempelprozess noch einmal neu startete und viele Kanäle ihrer Berechtigung beraubte.

Eine kleine Episode dazu, die mir ein Schwedenkenner erzählte: Was für uns die Idee zum Nord-Ostsee-Kanal (https://de.wikipedia.org/wiki/Eider-Kanal), war für die Schweden der Götakanal (https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ta-Kanal). Ein Gedanke beider Kanäle war, wie man durch sie wirklich von Dänemark unabhängig werden könnte, da die Kanäle Wasserstraßen schufen, die nicht länger über dänisches Hoheitsgebiet führten.

Die Schweden aber hatten noch einen weiteren Gegenspieler fest im Blick, nämlich Russland. Wie konnten sie verhindern, dass Russland den zu bauenden Götakanal für sich als militärisch nutzbar erachtete? Die russischen Militärschiffe hatten eine normierte Breite - und die Schleusen des Götakanals wurden schlicht 20cm schmaler konzipiert als entsprechende russische Kriegsschiffe.