Spannende Thread Idee !
Als Spieler:
- Ich war lange Zeit ein klassischer "Sorry, aber mein Charakter ist halt so" Spieler (meist mit "rechtschaffen guten" Charakteren). Das war bisweilen auch Trotz weil wir suboptimale SL hatten deren Geschichten oftmals dazu eingeladen haben nicht der Story zu folgen (z.B. weil die Auftraggeber arrogante Arschlöcher waren die Charakter wie Dreck behandelt haben). Da bin ich inzwischen rausgewachsen. Und ich spiele auch nicht mehr mit solchen SL. In den letzten Jahren richtet sich mein Trotz mehr gegen die Internet-Nörgler die (vor allem bei D&D) der Welt erklären wollen was man spielen kann und was nicht. Da mache ich dann Charaktere die laut Internet unglaublich schlecht sind (standard Human oder Dragonborn als Barbar und dann auch noch Path of the Berserker etc.).
Was sich nicht geändert hat:
- Auch wenn es bestimmte Charakter-Tpen gibt die ich bevorzuge breche ich doch auch gerne aus dem gewohnten Rahmen raus. Insofern spiele ich viele verschiedene Klassen und Typen von Charakteren. Von übertriebenen Optimisten über psychopathische Mörder-Hobos (die trotzdem gut mit der Gruppe harmonieren) bis hin zu klassischen Butlern ist da alles dabei.
- Ich bin definitiv ein Regelfanatiker. Das hat sich ebenfalls nicht geändert und eckt bisweilen an, aber ich kann da nicht aus meiner Haut, vor allem wenn ich das Gefühl habe das ich im Nachteil bin nur weil ich mir mühe gebe die Regeln richtig anzuwenden. Das erstreckt sich bisweilen auch jenseits der Regeln auf andere Dinge. Wenn mein Krieger nachts im Gasthaus in der vermeintlich sicheren Stadt angegriffen wird gehe ich automatisch davon aus das er nicht in Rüstung geschlafen hat. Da nervt es micht wenn der Paladin-Spieler neben mir darauf besteht das er immer im Plattenpanzer schläft.
Als Spielleiter:
- Alles in allem glaube ich das ich im Laufe der Zeit auf vielen Gebieten besser geworden bin. Man lernt halt nie aus und gerade in den letzten 1-2 Jahrzehnten gibt es auch einen großen Fundus an Material im Internet das man nutzen kann um sich als SL zu verbessern. Ich denke ich mache inzwischen vieles besser, habe aber immer noch Schwachpunkte in denen ich mich noch verbessern kann (vor allem meine Organisation ist noch schlecht und ich kämpfe stets damit mit meinen Beschreibungen eine gute Atmosphäre zu vermitteln).
- Inzwischen stelle ich auch die Story der Spieler in den Mittelpunkt. Meine Kampagnen haben immer noch einen Plot, aber ich bin offen was dessen Entwicklung angeht und letztlich können die Spieler machen was sie wollen.
- Auch ich lasse die Spieler inzwischen weniger würfeln. Ich nutze in vielen Situationen auch die "Roll with it" Regel aus Burning Wheel (keine Ahnung ob die wirklich so hieß). Sprich: Wenn die Spieler Schleichen oder Wahrnehmung gewürfelt haben, dann nutze ich das Ergebnis für die ganze Szene.
Allgemein:
- In meiner Anfangszeit war es noch schwer Spieler zu finden. Deshalb habe ich damals auch mit Leuten gespielt um die ich heute einen Bogen machen würde. Aber die Alternative war damals nur gar nicht zu spielen. Inzwischen habe ich einen großen Fundus aus Spielern (soviele das es meist mehr Interessenten für neue Kampagnen gibt als man sinnvoll haben möchte). Zudem kann man dank Online-Spielen jetzt auch mit Leuten spielen die auf anderen Kontinenten sitzen. Das ist schon eine krasse Veränderung für das Hobby und ich genieße das !
- Ich habe früher immer wieder dazu tendiert mir mehr Rollenspiel aufzuhalsen als ich Zeitlich wirklich sinnvoll genießen konnte. Inzwischen weiß ich wo meine Grenzen liegen und habe auch Tage an denen ich anderen Hobbys nachgehen kann (Serien oder Filme gucken, Videospiele zocken oder sogar mal wieder was lesen).
- Früher war der Sonntag der perfekte Rollenspieltag. Keiner mußte Arbeiten und wir hatten Zeit ohne Ende. Wir haben dann oft von 15 bis 23 Uhr gespielt (soweit ich mich erinnere). Inzwischen ist das Wochenende für mich (und viele andere auch) ein Familientag und wir spielen an Wochentagen Abends so 3-4 Stunden.
Was sich nicht geändert hat:
- Ich mag keine Fertigabenteuer. Ich fand die zu DSA-Zeiten schrecklich Railroadig. Und das lag nicht nur an den SL... die wenigen Abenteuer die ich damals gelesen habe haben versucht den SL dazu zu erziehen Railroading zu betreiben. Meine wenigen Versuche in den letzten Jahren doch mal ein Fertigabenteuer zu leiten waren Katastrophen. Fertigabenteuer passen einfach nicht zu mir. Auch nicht als Spieler wo man ebenfalls vom Railroading genervt wird. Einzig kleine Abenteuer (am besten auf 1-4 Seiten) finde ich bisweilen noch brauchbar.
- Die Welt bzw das Setting in dem man Spielt gehören den Spielern und dem SL. Wer ein Problem damit hat wenn man den "Kanon" bricht passt nicht zu meinen Spielstil (egal ob als Spieler oder SL). Wenn die Spieler es schaffen einen der ihren auf den Thron von Königreich XY zu manövrieren das ist das cool und es ist mir schnurz wenn es den Kanon Kaputt macht. Wenn die Spieler in Star Wars Darth Vader töten (ist bei uns passiert !) dann finde ich das spannend weil die ganze Kampagne jetzt womöglich eine Wendung nimmt die für alle einschließlich mir selbst als SL nicht vorhersehbar war.
Als Spielleiter
In meiner Anfangszeit Mitte 80er bis 90er :korvin: habe ich innerhalb der DnD-Familie ziemlich viele Hausregeln ausprobiert, zB diese: Es gab es die Menge an XP zwar "by the book", aber aufgeteilt wurde sie durch die Gruppe selbst. Auch wenn das Experiment wegen Mobbinggefahr ziemlich schnell beendet wurde, hinderte es mich nicht daran, weitere Dinge auszuprobieren, denn es war klar, dass AD&D nicht perfekt ist.
Ich war als SL 2 Jahre jünger als die meisten meiner Mitspieler (wir waren nur Jungs), und ich hatte mich damals von dem einen oder anderen zu "sinnvolleren" Regelungen beschwatzen lassen - wodurch unser Barde zum Superhelden wurde.
Diese Jahre mit meiner ersten Gruppe haben mich in vielerlei Hinsicht geprägt: Hinter einigen wenigen ausprobierten Regelungen, die sich bewährt hatten, stehe ich auch heute noch, wie eine vom Spielfortschritt abgekoppelte XP-Variante. (Meine zweite Gruppe, mit der ich seit den 90ern spiele, steigt alle 7 anwesenden Spieltage auf und fertig. Das hat unser Spiel deutlich befreit.) Das Spiel mit meiner ersten Gruppe hat mir einige Glaubenssätze für besser laufendes Rollenspiel beschert, zwei davon sind: 1) Die Gruppe trennt sich nicht. 2) Erstmal keine Eingriffe in Charakterregeln (da sonst "Superbarde").
Meine Motivation und meine Prinzipien für mein Systembastelprojekt "Beyond Time" (in progress) speisen sich aus dem, was in meiner ersten Gruppe alles schiefgelaufen ist und dem, was in meinen beiden Gruppen gut lief.
Es ist mit dem Ende der ersten Gruppe Ruhe in die Experimentiererei eingekehrt. Ich habe mit meiner zweiten Gruppe meinen SL-Stil gefunden. Meine persönliche Mischung aus "die Geschichte vordenken" und "die Geschichte entstehen lassen" (<- das sind oft Flowmomente) funktioniert sehr oft. Ich freue mich, wenn Flowmomente insbesondere in ausgespielter Diplomatie entstehen, aber ich habe auch die Gelassenheit, sie nicht erzwingen zu wollen.
Allgemein
Ich bin sowohl liberaler als auch politischer geworden.
Ich hatte für mich schon immer in Frage gestellt, ob es die eine, ideale Art zu leben gibt, und ich schätze es, wenn meine Überzeugungen herausgefordert werden - unter anderem, weil sie mir häufig erst durch die Herausforderung bewusst werden. Nicht selten habe ich über mich gelernt, dass das, was ich für eine urmenschliche Grundkonstante hielt, am Ende doch nur kulturelle oder meine private Prägung war.
Zugleich sehe ich eine Zunahme in der Gesellschaft von Engstirnigkeit, bewusster Empathieverweigerung, Entsolidarisierung, Ignoranz gegenüber Wissenschaftlichkeit und Faktenbasiertheit und einer Kultivierung von Empörungskultur - in all dem sehe ich die größte Bedrohung unserer zivilisatorischen Errungenschaften, unserer Freiheit, unserer geschützten Menschenwürde, unserer Fähigkeit, Probleme anzugehen, die wir nur gemeinsam angehen können (wie das Ozonloch oder das Variolavirus, die wir als Weltgemeinschaft (eigentlich) erfolgreich bekämpft haben). Die Wahl Trumps 2016 (und damit der Sieg der Prinzipien, die ich für bedrohlich halte) hat mich dann dazu gebracht, in eine demokratische Partei einzutreten, in der ich zwar nur "passives Mitglied" bin, aber wenigstens dieser kleine Beitrag musste sein. Als Jugendlicher hatte ich mich oft gefragt, wie ich auf die politischen Veränderungen im Deutschland der 20er und 30er reagiert hätte. Dass für mich als angehender Senior diese Frage nicht länger hypothetisch sein würde, das hatte ich nicht erwartet.
Als Spieler:
- Ich habe früher am liebsten ein Idealisiertes Ich mit Waffe in der Hand gespielt. Sie waren gute Menschen, am liebsten Krieger oder Magier.
- Heute lege ich dynamische Charakter Arcs an und spiele Personen die oft sehr anders als ich. Es sind auch mal Verlierer oder auf den Untergang zusteuernde Charaktere. Das funktioniert nur, weil ich mittlerweile mit SL spiele, die das unterstützen.
- Früher hatte ich Freude am Steigern. Heute bräuchte ich das gar nicht mehr (ausreichende Kompetenz vorrausgesetzt).
- Ich hatte Freude am Crunch. Heute ist es nervig, sich da einlesen zu müssen.
Allgemein bevorzuge ich leichte Systeme ohne viel Sonderregeln, Feats etc.. - Meine Charaktere hatten bisweilen ausufernde Backgrounds, die eigentlich schon eine abgeschlossene Geschichte waren (also dem SL keine offenen Enden boten). Heute liefere ich unaufgelöste Situationen. Die Aufbereitung ist Spielleiterfreundlich: Alles ist Stichpunktartig, maximal zwei Seiten, wobei die zweite Seite eine Auflistung von Freunden und Feinden sowie möglichen Storyhooks ist.
- Ich mag mich nicht mehr so in komplizierte Storys reinfuchsen. Ich mag es nicht mehr, mir Notizen machen zu müssen damit ich was kapiere. Wenn es nicht Klick gemacht hat, frage ich einfach beim SL nach.
Als Spielleiter:
- Früher habe ich Kaufabenteuer gespielt. Heute nerven sie mich, weil der Vorbereitungsaufwand dadurch größer statt Kleiner wird. Charakterbackrounds / Arcs bilden ein großes Fundament meiner Kampagnen.
- Als Spielleiter ist meine Abneigung gegen Steigern, Umfang und Crunch noch größer geworden. Da ich mehr Improvisiere als früher, sollten die Regeln das auch erlauben (Stichwort Gegnerwerte).
- Ich mache keine Plots mehr, sondern nur noch interessante Ausgangsituationen die eine Reaktion der Spieler erwarten.
- Meine Erwartungshaltung zu den Spielern hat sich geändert: Ich erwarte nicht mehr, dass sie aus vielen Kleinen Hinweisen das große Ganze zusammen puzzeln. Ich will, dass sie kapieren was los ist und es spaßig ist zu spielen, keine Arbeit, so dass ich meine Infos wiederholt mit dem Zaunpfahl und beim nächsten Recap nochmal plump präsentiere.
(Auf der anderen Seite ist vieles was ich hier unter Spielleiter geschrieben habe quatsch, da die letzte Kampagne die ich geleitet habe die G7 Kampagne von DSA war. Aber das obige beschreibt zumindest den gefühlten Normalfall ; ))
Allgemein:
- Früher nahm ich alles recht Ernst (Atmosphäre und so). Heute darf eine Session auch mal etwas lockerer und lustiger sein, sofern es nicht die Regel ist.
- Die Spielzeit, sowohl was Häufigkeit als auch Spielzeit angeht, hat abgenommen.