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Pen & Paper - Spielsysteme => Weitere Pen & Paper Systeme => Thema gestartet von: Seraph am 2.04.2025 | 07:57
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Ohne große Vorahnung habe ich Ende 2024 bei der Vorbesteller-Aktion von System Matters mitgemacht und mir Wanderhome geschnappt - eine cozy Welt, in der es keine Gewalt gibt und antropormorphe Tiere durch eine idyllische Welt wandern? Das klang genau nach meinem Geschmack!
(https://img.itch.zone/aW1nLzU0NzA1OTYucG5n/original/x93D6I.png)
Gestern haben wir einen ersten Oneshot gespielt. Meine Spieler waren im Vorfeld etwas skeptisch, haben sich aber natürlich darauf eingelassen. Für Fragezeichen sorgten unter anderem
- dass es KEINE Regelmechanismen gibt (Marker mal abgesehen) und alles narrativ läuft
- dass es keine Kämpfe/gewalttätigen Konflikte geben wird
- dass die Welt grundsätzlich gut ist, bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Adlige, korrupte Anführer, Soldaten etc.)
- dass kaum etwas am Hintergrund von Wanderhome ausdefiniert ist
Wir beschlossen, um mal aus der Rollenspiel-Routine rauszukommen, alles auszuwürfeln und sich auf keine Wanderbücher (so heißen die "Klassen" in Wanderhome) festzulegen. Während die drei Spieler danach ihre Charaktere mithilfe der Fragen aus dem Wanderbuch bauten, erschuf ich (natürlich ebenfalls zufällig) den Startpunkt unserer Reise.
Die Gruppe bestand dann aus
1. einem Hasen-Lehrer, der neben Insekten- und Naturkunde im Geheimen politische Lehren über die Rebellion lehren wollte und Angst vor Höhen hat
2. ein Eichhörnchen-Krämer, der neben Honig, Wolle und Gewürzen auch "Hoffnung und Zuversicht" verkauft und mit seinem gewaltigen Last-Hirschkäfer Norm unterwegs ist
3. ein Graureiher-Tänzer, der unserem Lehrer die Bedeutung des Teilens beigebracht hat und seine Gefühle mithilfe verschiedener Tänze zum Ausdruck gebracht hat
Was war der Startpunkt unserer Reise (auch das steht in Wanderhome natürlich nicht fest)? Unser Krämer hatte eine Schatzkarte, die zu unserem Startort führte. Dort sollte ein Schatz sein, mit dessen Hilfe er die hungernden Tiere seiner Heimat ernähren möchte.
Ich würfelte anhand der Naturelle-Tabellen (Ort-Erschaffung) aus dem Buch die folgenden Tags: Kloster - Lagune - Brücke. Hatte ich vorher bereits Bilder über ein Dorf, das um eine große Eiche gebaut war und von Eichhörnchen und Füchsen im Stile von "Everdell" und "Beatrix Potter" bevölkert war, im Kopf, so sorgten die nun gewürfelten Tags für eine komplette Verschiebung des "Vibes". Vor meinem Augen entstand eine halb untergegangene Klosteranlage in einem Sumpf voller Mangroven - das Kloster der Flüsternden Fälle. Eine gewaltige Steinbrücke führte auf das Kloster zu, das über einen Wasserfall gebaut wurde. Für jedes gewürfelte Naturelle werden zudem noch Unterpunkte definiert, um die Orte mit Leben zu füllen. Das Kloster enthielt natürlich lautes Glockenläuten und einen Kräutergarten, aber auch eine Sage um einen alabasternen Mönch. Die Lagune enthielt von den Mönchen angelegte Laufstege und Sumpfwasser und die Brücke wurde von Riesen erbaut und beinhaltete ein "uraltes Wesen, das unter ihr haust".
Wow! Ich hatte sofort Bilder über ein fernöstliches Kloster im Kopf, von ruhigem Wasser umgeben und Flamingo-Mönche auf Seerosen tanzend.
Wir begannen das Spiel und die Gruppe bugsierte den sperrigen Hirschkäfer des Krämers über die Laufstege. An der steinernen Brücke angekommen erhaschten sie einen Blick auf die Wasserfälle, das Kloster dahinter und die Berge am Horizont. Der Tänzer drückte seine Bewunderung für die Schönheit der Umgebung durch einen Tanz auf der Wasseroberfläche aus (toll beschrieben von dem Spieler!), bis er einen Schatten unter der Wasseroberfläche sah. Schnell hüpfte er zurück an Land und die Gruppe sah eine gewaltige Muräne, die sich aus dem See schälte. Obwohl sich alle anfangs fürchteten, stellte die Muräne sich als friedlich heraus. Sie war ein Wesen, das bereits über 700 Jahre alt war und bereits im Wasser lebte, als die Mönche das Kloster noch nicht übernommen hatten. Sie begrüßte die Gruppe herzlich und zog sich dann wieder zurück. Die drei überquerten die Brücke und wurden von zwei Dachs-Mönchen begrüßt, die ihnen heiße Suppe anboten (der Winter stand schließlich bald vor der Tür).
Die Gruppe wurde auf das Anwesen der Klosteranlage geführt - es gab neben dem eigentlichen Kloster (das sehr klein wirkte - vermutlich war es größtenteils ein unterirdisches Kloster) einen Kräutergarten, eine Herberge für Gäste (eingerichtet in einem Turm der Klostermauer) und Stallungen für Reittiere.
Die Gruppe packte den Hirschkäfer in den Stallungen, musste vorher aber erst einen mittelgroßen Stein aus dem Boden entfernen, damit das verwöhnte Tier sich hinlegen konnte. Danach kehrte man in der Herberge ein und unterhielt sich mit der Gastwirtin, einer freundlichen Pudeldame. Bevor die Gruppe ein Abendessen im Schankraum einnahm, bezog man noch Betten im Obergeschoss eines Turms. Dass die Treppe außen herauf führte, freute den Hasen nicht gerade...
Die Gruppe erfuhr noch, dass der Abt "Herr von der Taub", der ein Bekannter des Hasen war, nicht mehr lebte. Er sei letztes Jahr an einem Fieber verstorben. Man könne aber sein Grab besuchen [an dieser Stelle grinsten die Spieler und stellten fest wie "versaut" man durch andere Rollenspiele doch war. Warum waren alle so freundlich hier? Warum war der Abt verstorben? Das roch doch nach einer Falle!]
Dann beendeten wir den Abend bei einem herrlichen spätherbstlichen Abendessen mit Pfifferlingragout, Kürbiseintopf, frisch gebackenem Walnussbrot und Löwenzahnsalat.
Fazit:
Wir hatten alle viel Spaß an dem Abend und stellten fest, dass wir das Würfeln gar nicht wirklich vermisst hatten (wir spielen aber ohnehin sehr narrativ). Die Wanderbücher helfen, schnelle Beziehungen zu den anderen SC und zu NSC aufzubauen. Das Auswürfeln der Reiseorte erfordert, dass man sich ein paar Notizen macht, regt dann aber sofort das Kopfkino an und - wie gesagt - aus meiner mitteleuropäischen Eichensiedlung wurde ein fernöstliches Wasserkloster.
Obwohl ja nichts vor Beginn des Spiels feststand, haben wir in ~3 Stunden bereits viel erschaffen und viele Ideen für die nächste(n) Runde(n) erzeugt. Ist der Abt wirklich an einem Fieber gestorben? Worauf deutet die Schatzkarte des Krämers hin? Auf die unterirdische Bibliothek des Klosters? Was hat es mit dem Alabasternen Mönch und der uralten Muräne im Wasser auf sich? Wurde das Kloster wirklich von Riesen erbaut?
Man darf gespannt sein, wir werden auf jeden Fall noch min. einen Abend dranhängen :)
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Klingt voll gut :d
Danke für den immersiven Erfahrungsbericht, da wäre ich gern als Mäuschen dabei gewesen und hätte heimlich zugeschaut.
Das ist so weit weg von meiner aktuellen Rollenspiel-Realität und trifft dennoch einen Nerv. Faszinierend!
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Vielen Dank für die Beschreibung
Was ich mich frage:
Wenn es keine Regelmechanismen und keine Settingbeschreibung gibt... was ist dann in diesem dicken Regelbuch ? Ausschließlich Zufallstabellen ?
Und wie werden Herausforderungen gelöst (wie z.B. das Entfernen des dicken Steins) ? Wenn die Beschreibung Sinn macht läuft es automatisch, ansonsten scheitert man ?
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Vielen Dank für die Beschreibung
Was ich mich frage:
Wenn es keine Regelmechanismen und keine Settingbeschreibung gibt... was ist dann in diesem dicken Regelbuch ? Ausschließlich Zufallstabellen ?
Und wie werden Herausforderungen gelöst (wie z.B. das Entfernen des dicken Steins) ? Wenn die Beschreibung Sinn macht läuft es automatisch, ansonsten scheitert man ?
Ein Teil wird für die Beschreibung, wie man das Spiel spielt und für Grundsätze der Spielphilosophie (man darf immer "Nein, das möchte ich nicht" oder "Lass uns was anderes machen" etc.) verwendet. Danach nehmen die Wanderbücher einen großen Teil ein (4-5 Seiten pro "Klasse"). Der Rest sind Zufallstabellen für Naturelle (Ort beschreiben), Merkmale (von SC/NSC) und für Jahreszeiten (die wiederum Orte und NSC beeinflussen).
Tja, für die Herausforderungen gibt es keine konkreten Ansätze. Man erzählt es sich einfach gemeinsam. Ich denke, es kommt auch noch ein bisschen darauf an, ob man mit Spielleitung oder ohne spielt. Die Leitung kann das ganze natürlich noch etwas "strecken" und weitere Probleme schaffen ("Deine Pfoten sind schwitzig und du kannst den Stein nicht anheben - vielleicht leiht dir hier jemand ein Tuch?"). Und Spieler können natürlich ihre Marker ausgeben, um Teile des Narrativs zu bestimmen - ein schönes Beispiel ist, dass Marker dafür genutzt werden können zu zeigen, was NSC brauchen, um sich zum Guten zu ändern. Damit beeinflussen die Spieler natürlich konkret die Welt und ihre Bewohner.
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Finde das mit dem "Kopfkino" interessant. Würde erwarten, dass das mit Leuten, die alle ähnlich ticken funktioniert. Aber halt auch Probleme macht, wenn jemand die Referenzen nicht kennt. Ich wäre bei "Beatrix Potter" z.B. raus (keine Ahnung, wer das ist) und bei "Everdell" habe ich nur sehr allgemeine Assoziationen. Auf das "fernöstliche Kloster" wäre ich z.B. nicht gekommen - Deiner Beschreibung nach wäre das bei mir durchaus "europäisch geblieben".
Jedenfalls sehr interessant und hört sich nach Spaß an :d
Habt ihr eigentlich den Eindruck, dass die sehr umfassenden Darstellungen von Spielphilosophie etc. einen Unterschied für das Spiel bewirken? Ich bin da skeptisch.
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Finde das mit dem "Kopfkino" interessant. Würde erwarten, dass das mit Leuten, die alle ähnlich ticken funktioniert. Aber halt auch Probleme macht, wenn jemand die Referenzen nicht kennt. Ich wäre bei "Beatrix Potter" z.B. raus (keine Ahnung, wer das ist) und bei "Everdell" habe ich nur sehr allgemeine Assoziationen. Auf das "fernöstliche Kloster" wäre ich z.B. nicht gekommen - Deiner Beschreibung nach wäre das bei mir durchaus "europäisch geblieben".
Jedenfalls sehr interessant und hört sich nach Spaß an :d
Habt ihr eigentlich den Eindruck, dass die sehr umfassenden Darstellungen von Spielphilosophie etc. einen Unterschied für das Spiel bewirken? Ich bin da skeptisch.
Zum Thema Beatrix Potter - Kinderbuchautorin, Waldtiere, englische Landidylle. Hier (https://www.wikiart.org/en/beatrix-potter) kann man beispielhaft ein paar Impressionen sehen.
Und nein, ich persönlich halte die Darstellungen von Philosophien, Spielkultur etc. für zu überladen und zu umfangreich. Aber ich bin da vermutlich auch nicht die Zielgruppe - unsere Spielgruppe kennt sich schon ewig und wir wissen, was wir gegenseitig anspielen dürfen und wo die Grenzen sind.
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Vielen Dank für den Einblick. Ich bin um Wanderhome auch schon herumgeschlichen.
Würdest du es auch ohne Spielleitung probieren? Oder anders gefragt: Warum habt ihr euch entschieden, es mit Spielleitung zu testen?
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Ich hab mir Wanderhome auch mehrfach überlegt, dachte aber es wären mehr Regeln dabei. Trotzdem spannend, schaus mir nochmals an, danke.
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Würdest du es auch ohne Spielleitung probieren? Oder anders gefragt: Warum habt ihr euch entschieden, es mit Spielleitung zu testen?
Ja, die richtigen Spieler vorausgesetzt auf jeden Fall! Das Spiel lebt davon, dass man quasi "on the Road" die Welt bastelt und ausdefiniert. Ob das jetzt eine neutrale Leitung macht (die nicht mitspielt) oder einer der Spieler ist glaube ich nicht relevant.
Wir haben uns aber für die klassische Variante entschieden, weil es einfacher war um reinzukommen (und weil ich gerne den Erklärbär mache ^-^)
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Ich bin tatsächlich auch schon da rumgeschlichen. Deine Beschreibung des Spielabends hatte mir ebenfalls sofort auch gezeigt, dass man überall böses wittert.
Was ich mich frage: Warum ist das Spiel interessant? So ganz ohne wirkliche Antagonisten? Also, es mag sicher mal sowas wie "Gegner" geben ... aber ohne den BBEG im Hintergrund: Woraus zieht man die "Spannung" des Spielabends? Ich könnte mir vorstellen, so ein Spiel mal einen Abend lang mitzuspielen ... ich bin mir aber sicher, dass mir am Ende des Abends etwas fehlen würde.
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Ich kann mir nur gewaltfreie Konflikte schon gut vorstellen - ich habe auch genug Primetime Adventures gespielt -, allerdings mag ich es als Spielleiter nicht immer einfach anzusagen, ob die NSCs jetzt was schaffen oder irgendwo die Spielercharaktere übertrumpfen oder nicht.
Das Worldbuilding durch Tabellen klingt gut. Ich habe mir das Kloster auch sofort sehr bildhaft westlich vorgestellt.
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Was ich mich frage: Warum ist das Spiel interessant? So ganz ohne wirkliche Antagonisten? Also, es mag sicher mal sowas wie "Gegner" geben ... aber ohne den BBEG im Hintergrund: Woraus zieht man die "Spannung" des Spielabends? Ich könnte mir vorstellen, so ein Spiel mal einen Abend lang mitzuspielen ... ich bin mir aber sicher, dass mir am Ende des Abends etwas fehlen würde.
Geht mir auch so.
Und mir ist beim Lesen klargeworden, dass ich Regelmechanismen brauche. Völlig freies narratives Spiel ist für mich nicht interessant.
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Ja, das kann ich gut nachvollziehen.
Deswegen halte ich von den Systemen, die ich bereits gespielt habe, die Year Zero Engine am besten - die Regeln sind auf ein absolutes Minimum reduziert worden, erlauben aber trotzdem, selber aktiv zu werden (und auch zu scheitern). Unserem gestrigen Spiel hätte es auch nicht geschadet, wenn wir ein paar Mal gewürfelt hätten (z.B. als der Reiher vor der Riesenmuräne "floh", als der Hase seine Angst vor Höhe überwinden musste oder als die Gruppe den Stein aus dem Stall entfernt hat). Vermisst haben wir es aber auch nicht. Wäre ein Würfelwurf vorhanden gewesen und wäre dieser gescheitert, dann hätten wir sowieso eine narrative Lösung gefunden.
Was ich mich frage: Warum ist das Spiel interessant? So ganz ohne wirkliche Antagonisten? Also, es mag sicher mal sowas wie "Gegner" geben ... aber ohne den BBEG im Hintergrund: Woraus zieht man die "Spannung" des Spielabends? Ich könnte mir vorstellen, so ein Spiel mal einen Abend lang mitzuspielen ... ich bin mir aber sicher, dass mir am Ende des Abends etwas fehlen würde.
Wie beschreibe ich das am besten...es kann ja in dem Sinne Antagonisten geben, als es NSC gibt, die nicht sofort alle Informationen rausrücken. Oder die lügen. Oder die Hilfe verweigern. Und auch wenn nicht gekämpft wird, gibt es ja genügend Konfliktpotenzial, das man aus "normalen" Rollenspielen auch gewöhnt ist...
Beispiel: Der Schatz den wir suchen, ist oben in einer Baumkrone versteckt, aber keiner von uns kann klettern. Der Reiher soll fliegen? Aber es stürmt doch so sehr! Wir sollten der Wetterhexe einen Besuch abstatten und sie bitten, das Wetter zu beruhigen. Oder wir bauen uns ein provisorisches Katapult und ballern den Dachs auf den Baum. Aber woher kriegen wir das ganze Holz...? Und der Händler im Dorf hat einen selbstgebauten Paragleiter, vielleicht leiht er uns den? Was, er liegt mit Magenschmerzen im Bett und ist nicht ansprechbar? Suchen wir die Ingredienzen für Medizin!
Nichts anderes passiert ja bei anderen Settings auch. Nur eben hier ohne Waffengewalt.
Und ich persönlich bin auch ein Spieler, der viel Freude aus Geheimnissen und dem "Erkunden" der Welt zieht. Für unseren obigen Oneshot habe ich per KI ein Bild erzeugt und mich dann etwas geärgert, warum das Kloster so winzig ist. Aber besser hab ichs auf die Schnelle nicht hinbekommen. Schon war also die Idee eines größtenteils unterirdischen Klosters geboren. Gemauerte Gänge, Torbögen, Zisternen, Fackeln in Wandhalterungen. Mysteriöse Dachsmönche, die in der Dunkelheit verschwinden...sofort hatte ich einen bestimmten "Geheimnis-Vibe" verspürt und wollte wissen, ob das Kloster vielleicht etwas versteckt vor der Außenwelt. Oder ob es etwas bewacht. Und wurde das Kloster und die Brücke wirklich von Riesen gebaut, wie die Muräne behauptet hat? Gab es eine vorige Zivilisation, bevor die Tiere kamen? Und wie passt die Schatzkarte unseres Krämers darein...?
Ich kann das schlecht zusammen fassen, aber Dinge wie diese entfachen in mir direkt dieses "Sense of Wonder", dieses Glitzern in den Augen, dieses unbedingte Wissen-wollen, was hier passiert. Und mir persönlich ist das wichtiger, als zu würfeln :)
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Echt interessant. Ich finde die Idee eines (weitgehend?) gewaltfreien Rollenspiels ziemlich anziehend. Und das wirft auch eine Menge Fragen auf:
Wie weit geht eigentlich das "Verbot" von Gewalt in dem Spiel? Beschränkt sich das auf Waffengewalt? Körperliche Gewalt? Psychische Gewalt? Soziale Gewalt?
Die einzige nicht-gewaltvolle Lösung von Konflikten wäre ja eine solche, der beide Seiten aufgrund des besseren Arguments freiwillig (!) zustimmen. Nicht jeder Konflikt ist auf diese Weise lösbar. Ist das so gedacht?
Sind eigentlich alle Figuren in der Welt Pflanzenfresser?
Man kann sich freilich auch dafür entscheiden, diese Dinge zu ignorieren, wo sie zum Problem werden. Andere Rollenspiele haben ja auch jede Menge Setzungen, die nur bedingt plausibel und konsequent sind.
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Erlebt man dann quasi "nur" narrativ eine Geschichte miteinander ohne große Hindernisse, oder wie muss man sich das genau vorstellen?
Klang mir so in der Spielabendbeschreibung...
Das Setting gefällt mir, und ich bin eh fast nur noch narrativ mit einem Minderstmaß an Regeln unterwegs.
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Echt interessant. Ich finde die Idee eines (weitgehend?) gewaltfreien Rollenspiels ziemlich anziehend. Und das wirft auch eine Menge Fragen auf:
Wie weit geht eigentlich das "Verbot" von Gewalt in dem Spiel? Beschränkt sich das auf Waffengewalt? Körperliche Gewalt? Psychische Gewalt? Soziale Gewalt?
Die einzige nicht-gewaltvolle Lösung von Konflikten wäre ja eine solche, der beide Seiten aufgrund des besseren Arguments freiwillig (!) zustimmen. Nicht jeder Konflikt ist auf diese Weise lösbar. Ist das so gedacht?
Sind eigentlich alle Figuren in der Welt Pflanzenfresser?
Man kann sich freilich auch dafür entscheiden, diese Dinge zu ignorieren, wo sie zum Problem werden. Andere Rollenspiele haben ja auch jede Menge Setzungen, die nur bedingt plausibel und konsequent sind.
Ich denke, es ist by the book schon gedacht, dass Gewalt in jeder Form tabu ist. Das ist eine der wenigen Prämissen des Settings - alle Personen, die man trifft sind grundlegend gut und in jedem Ort wird man auf Gastfreundschaft treffen.
Für mich persönlich deute ich das aber auch so, dass nicht immer alles Friede-Freude-Eierkuchen sein muss. NSC können bockig und stur sein, können (aus Gründen) lügen, können von Trauer gezeichnet sein etc.
Ganz wichtig noch zu erwähnen - bei Wanderhome gab es Krieg. Der ist aber vorbei. Das Land heilt. Wie lange das her ist (Wochen? Jahre?) muss jede Gruppe selbst entscheiden. Und daraus wird man auch schon viel machen können (Traumata heilen etc.)
Edit (Thema Ernährung): ich bin mir nicht sicher, ob das im Buch explizit angesprochen wird, aber alle Tiere sind grds spielbar und koexistieren. Daraus schließe ich, dass sich die Tiere sowohl pflanzlich als auch von Fisch ernähren und zudem Insekten als Nutztiere halten (letzteres wird explizit erwähnt). Es gibt z.B. Hummelhirten, die große flauschige Brummer vor sich her scheuchen. Riesige Nashornkäfer als Lasttiere, Motten als Brieftaubenersatz etc
Erlebt man dann quasi "nur" narrativ eine Geschichte miteinander ohne große Hindernisse, oder wie muss man sich das genau vorstellen?
Klang mir so in der Spielabendbeschreibung...
Das Setting gefällt mir, und ich bin eh fast nur noch narrativ mit einem Minderstmaß an Regeln unterwegs.
Jein. Im Prinzip trifft es das, allerdings würde ich persönlich auch größere Hindernisse einbauen, wie in jedem anderen Rollenspiel auch (Zugang zu gewissen Orten, Schluchten überqueren, Materialien für Ritual XYZ sammeln etc.).
Wenn du das Setting grds. magst und kaum noch mit Regeln spielst, gib dem ganzen einfach mal ne Chance.
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Ich hab grad etwas rumgestöbert in ein paar Reviews..
Habt ihr das auch so empfunden, dass das Spiel mitunter ein wenig düster sein kann weil anscheinend die Themen Trauer und Verlust immer ein wenig mitschwingen?
Glaub das wäre für meine Runde dann eher nix.
Aber als Buch fände ich es trotzdem interessant und anschaffenswert für mich selber.
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Habt ihr das auch so empfunden, dass das Spiel mitunter ein wenig düster sein kann weil anscheinend die Themen Trauer und Verlust immer ein wenig mitschwingen?
Es hat manchmal eine gewisse "Grund-Melancholie", aber ich bin absolut überzeugt, dass man diese Themen komplett ausblenden kann, wenn man das nicht möchte. Der Krieg ist dann eben schon 100 Jahre her und die emotionalen Fragen aus den Wanderbüchern muss man nicht zwingend auswählen. Sollte alles kein Problem sein, einfach "cozy" zu spielen.
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Okay... Das beruhigt... :)
Ich finde ja dieses Bild hier unfassbar gut...
(https://sphaerenmeisters-spiele.de/media/image/product/13871/md/wanderhome-de~5.jpg)
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Ja,toll oder? :)
Ich mag das hier auch sehr gerne:
(https://cdn.shopify.com/s/files/1/0569/2912/4552/files/Candlefeast-9x18_low-res-JPG_600x600.jpg?v=1637781564)
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@Seraph: Danke für die umfassenden Ausführungen.
Eine friedliche Welt, die nicht gleichzeitig vegan ist, ist natürlich ein Widerspruch. Bei dem ersten Bild grillen sie im Hintergrund, glaube ich zu erkennen, einen riesigen Käfer. Den könnte man mal fragen nach Gewaltfreiheit...
Andererseits sind Widersprüche natürlich zu erwarten.
Und wenn ich es richtig verstehe, positioniert sich Wanderhome (und sein Autor) ja durchaus so, dass eine politisch/soziale Agenda durchscheint. (Die ist mir übrigens durchaus sympathisch, soweit ich sie verstehe). Entsprechend muss man ja damit rechnen, dass solche Fragen gestellt werden.
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Worauf deutet die Schatzkarte des Krämers hin?
ein Ort, welcher von Riesen gebaut wurde :think: :think: :think:
die Karte ist schwarz grün auf weißem Grund?
und irgendwo in den Konturen, welche wie Gänge und Räume ausschauen, ist ein rot markierter Punkt - wo natürlich ein Schatz versteckt ist! >;D
die ganz schlaue Schwester Eule hat übrigens versucht, die Rieslingas Runen vorzulesen
"uuuhhh ahhh heeeere"
ist das der Zauberspruch, um das Versteck zu öffnen?
#Fluchtwegeplan ;D
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Ich habe mir Wanderhome geholt, um es mit meinen Kindern (9 und 11) zu spielen -- als Abwechslung zu Mausritter, was teilweise schon fast zu spannend ist.
Ich habe ein bisschen Erfahrung mit Ein ruhiges Jahr (mit meiner Tochter und auch mit meiner Stammrunde), hatte aber im Gegensatz dazu bei Wanderhome auch nach einem ersten Anlesen keine Vorstellung davon, wie das am Tisch aussehen könnte.
Daher vielen Dank für den ausführlichen Spielbericht! :d
Und es ist wirklich toll illustriert. Da denke ich an Lurchi oder auch Herrn Fuchs & Frau Elster und Geschichten, in denen die Spannung durch die Frage erzeugt wird, ob der Kuchen für das Kaffeekränzchen zu lange im Ofen ist -- und keine überzeichneten* Schulhofschläger oder außer Kontrolle geratenen Roboter bekämpft werden müssen.
(Und die Melancholie von Wanderhome sagt mir dabei aber auch sehr zu!)
[*Mobbing ist ein echtes Problem, sieht aber in der Realität meist anders aus als in Geschichten für Kinder, insbesondere Serien und Filmen. Und die Täter zu entmenschlichen und sich zu freuen, wenn sie dann ausgelacht, bloßgestellt usw. werden, ist auch keine Lösung.]
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Habt ihr das auch so empfunden, dass das Spiel mitunter ein wenig düster sein kann weil anscheinend die Themen Trauer und Verlust immer ein wenig mitschwingen?
Das ist sehr geschickt gelöst in dem Buch: Alles, was an traumatische Ereignisse rührt, ist mit einem bestimmten Symbol versehen.
Du einigst Dich vorher mit Deinen Mitspielern, ob Du diese Thematik anrühren willst oder nicht.
Ein Beispiel: Ein Klassenbuch besteht gleichsam darin, dass Du ein Mündel hast. Wenn Du alle Optionen aktivierst, kann dieses Mündel auch tot sein.
Das heißt, es wandert vielleicht als geisterhafter Erinnerungsschemen mit. Oder Schlimmeres.
Wenn Du das nicht möchtest, spielst Du ohne diese Optionen. Dann ist es einfach nur cozy und feelgood.
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Eine friedliche Welt, die nicht gleichzeitig vegan ist, ist natürlich ein Widerspruch. Bei dem ersten Bild grillen sie im Hintergrund, glaube ich zu erkennen, einen riesigen Käfer. Den könnte man mal fragen nach Gewaltfreiheit...
Andererseits sind Widersprüche natürlich zu erwarten.
Und wenn ich es richtig verstehe, positioniert sich Wanderhome (und sein Autor) ja durchaus so, dass eine politisch/soziale Agenda durchscheint. (Die ist mir übrigens durchaus sympathisch, soweit ich sie verstehe). Entsprechend muss man ja damit rechnen, dass solche Fragen gestellt werden.
Als Veganer stimme ich dir dazu, aber das sehe ich hier auch nicht als Problem. Es ist halt immer noch "nur" ein Spiel und ich denke, das Spiel verbleibt bei Gewaltfreiheit unter gleichberechtigten bewussten Lebewesen und bezieht Nutztiere nicht mit ein. Ist natürlich immer noch Banane, aber wie gesagt...mir ist das hier nicht so wichtig.
Die restlichen politischen Aussagen schimmern klar durch, z.B. soll jeder Spieler seine Pronomen benennen. Ich gebe zu, das Buch ist hier und da etwas schwierig zu lesen, weil es u.a. das Gendersternchen benutzt. Hat aber auf das Spiel selbst natürlich keinen Einfluss.
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Die restlichen politischen Aussagen schimmern klar durch, z.B. soll jeder Spieler seine Pronomen benennen. Ich gebe zu, das Buch ist hier und da etwas schwierig zu lesen, weil es u.a. das Gendersternchen benutzt. Hat aber auf das Spiel selbst natürlich keinen Einfluss.
Also in den paar Texten die ich da auf der System Matters Seite lesen konnte finde ich das Politische schon ziemlich durchdringend in dem Ganzen.
Wer da seine Probleme mit "Woke" hat, für den wird's eher zäh, denke ich mal.
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Da war auch mein erster Gedanke, ja.
Ob da natürlich sinnvoll ist, ein Spiel deswegen abzulehnen, sei mal ausgeklammert. Aber es wird mit Sicherheit Leute geben, die sich Wanderhome deswegen nicht kaufen werden, keine Frage.
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Sprachlich ist das Buch aber wirklich schön übertragen worden - also es wirkt auf mich auf eine unaufdringliche Weise poetisch.
Die Gendersterne haben mich hier komischerweise weniger gestört als bei der Übersetzung von Electric Bastionland.
Dass System Matters so generell bei ihren Produkten verfährt, ist halt etwas, womit man leben muss.
Der Autor ist meines Wissens nonbinär.
Das Spiel selber beinhaltet aber nach meinem Eindruck weniger das Erkunden von Geschlechterrollen - das scheint mir gar nicht im Fokus zu stehen.
Ich fand es eigentlich ganz angenehm, dass offen bleiben kann, ob meine Romancier-Kröte jetzt männlich oder weiblich sei.
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Nochmal vielen Dank an alle, das ist schon sehr interessant.
Ich finde es halt ein wenig seltsam, dass man im "woken" Spektrum das offensichtliche Problem von gewalttägigem Karnismus übersehen kann. Aber kann tatsächlich einfach das sein: Übersehen; nicht daran gedacht.
Letztlich - ich wiederhole mich, pardon - hat man wohl immer an irgendeiner Stelle Widersprüche; kann man dann als kognitiv dissonant bezeichnen, oder als Ausdruck menschlicher Widersprüche (also das gleiche in netter).
Ansonsten nervt mich der Habitus amerikanischer "Liberals" und deren "virtue signalling" (ich meine, das ist der Terminus) schon ein wenig, gleichzeitig sehe ich natürlich den guten Willen. Entsprechend zwiespältig fällt mein Eindruck aus.
Würde da gern mal reinlesen, ist mir dafür aber zu teuer.
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Da war auch mein erster Gedanke, ja.
Ob da natürlich sinnvoll ist, ein Spiel deswegen abzulehnen, sei mal ausgeklammert. Aber es wird mit Sicherheit Leute geben, die sich Wanderhome deswegen nicht kaufen werden, keine Frage.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich es in dem Kontext nicht sogar als Feature sehe.
Obwohl ich an sich recht konservativ bin und mit "Woke im Mainstream" nicht viel anfangen kann, sehe ich durchaus Bereiche in denen das sinnvoll und gut ist.
Ich denke, in einem Spiel in denen Frösche, Bieber und Mäuse an Hummelhirten vorbei einen Hirschkäfer heimbringen ist es schon okay, wenn die Eidechse nonbinär sein darf..
Ich hoffe, das kommt jetzt nicht falsch rüber bei irgendjemanden, ist definitiv keinesfalls böse gemeint.
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Ich finde es halt ein wenig seltsam, dass man im "woken" Spektrum das offensichtliche Problem von gewalttägigem Karnismus übersehen kann. Aber kann tatsächlich einfach das sein: Übersehen; nicht daran gedacht.
Würde ich auch anhand der von Dir gewählten Beispiele nicht als "Übersehen" bezeichnen - das Buch vertritt einfach keinen veganen Standpunkt.
Nutztierhaltung von Insekten ist in dieser Welt moralisch okay. Du kannst deine Hummel flauschen und deinen Nashornkäfer schlachten.
Was Du nicht tun kannst, ist Dein Schwert ziehen, um eine Person (anthropomorphes Tier) zu attackieren. Obwohl Du es trägst und es vielleicht noch Scharten vom letzten Krieg aufweist.
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Auch wenn das jetzt sehr OT wird - aber genau das ist ja entweder Übersehend oder schlichtweg "Ignorieren", bzw. Ausleben von Speziesismus.
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Sorry wenn ich euch da bei irgendwas unterbreche, aber auf welchem der beiden oben verlinkten Bilder soll ein Käfer gegrillt werden?
Auf dem oberen ist der Käfer auf der Brücke doch ganz eindeutig das Zugtier des Wagens.
Und auf dem unteren Bild sieht es für mich eher so aus, als würde der Käfer versuchen irgendwas aus der Pfanne zu stibitzen. Jeder, der schon mal mit einem Hund bei einem Barbecue war, weiß wie das ist.
Oder was habe ich übersehen?
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Auf den Bildern ist es tatsächlich nicht zu sehen, das stimmt.
Im Buch wird allerdings explizit Bezug darauf genommen.
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Sorry wenn ich euch da bei irgendwas unterbreche, aber auf welchem der beiden oben verlinkten Bilder soll ein Käfer gegrillt werden?
Auf dem oberen ist der Käfer auf der Brücke doch ganz eindeutig das Zugtier des Wagens.
Und auf dem unteren Bild sieht es für mich eher so aus, als würde der Käfer versuchen irgendwas aus der Pfanne zu stibitzen. Jeder, der schon mal mit einem Hund bei einem Barbecue war, weiß wie das ist.
Oder was habe ich übersehen?
Habe mir das Bild gerade mal "in Groß" gezogen.
Da hast Du recht :d
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Auf den Bildern ist es tatsächlich nicht zu sehen, das stimmt.
Im Buch wird allerdings explizit Bezug darauf genommen.
Aufs Käfer grillen?
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Verständnisfrage @Seraph: Du schrobst, dass es "keine Gewalt gibt".
Ist das denn auch ein USP des Spiels, der beworben wird?
Ich finde für mich (nicht vegan, aber veggie) eine Grenze zwischen Aggression, Gewalt und Kampf einerseits und jagen für Mahlzeiten/Überleben, gefährlichen Situation und ggfs auch körperliche Verletzungen andererseits.
Eine Lawine kann Gewalt auslösen und für die Heldentiere sehr gefährlich werden. Wäre das Teil des gewollten Spiels, oder eher nicht?
Ist die Befreiung von anthropomorphen Tieren aus Käfighaltung (gewalttätiger Tenor) ein Thema für ein Abenteuer?
Oder soll es total feel good sein und die Herausforderungen eher entdeckerischer und zwischentierischer Natur sein?
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Ja, afaik wird das so beworben.
Es gibt keine Gewalt, die NSC sind (bis auf wenige Ausnahmen) grundsätzlich gut und man hat überall Recht auf Gastfreundschaft (solange man sich nicht daneben benimmt). Die Wanderbücher sind sehr auf zwischentierische Beziehungen, Sanftheit und gegenseitiges Verständnis aufgebaut.
Jagen, gefährliche Situationen und Verletzung werden AFAIR gar nicht angesprochen (man möge mich korrigieren).
Käfighaltung kommt ebenfalls AFAIR nicht vor.
Oder soll es total feel good sein und die Herausforderungen eher entdeckerischer und zwischentierischer Natur sein?
Ja, genau so verstehe ich es.
(was für mich persönlich nicht bedeutet, dass NSC nicht mal gemein und nickelig sein dürfen und die Herausforderungen z.B. darin bestehen, dass der blöde Frosch-Bürgermeister einem die Tür vor der Nase zuknallt und man einen alternativen Weg in sein Haus finden muss)
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Ja, vermutlich ist es halt in Wahrheit nicht wirklich "Gewaltfreiheit", sondern ein bestimmter Fokus. Und es ist ja auch schon ziemlich revolutionär, wenn man zumindest die Arten von Gewalt explizit ausschließt, die in anderen Rollenspielen den Großteil von Handlung/Spannung/Inhalt ausmachen.
Psychische Gewalt ist ja irgendwie dann immer eine Grauzone.
Und bei struktureller Gewalt... Nun ja. Vermutlich ist das Leben an sich strukturelle Gewalt (was nicht gleichbedeutend damit ist, dass strukturelle Gewalt in Ordnung sei).
Sorry wenn ich euch da bei irgendwas unterbreche, aber auf welchem der beiden oben verlinkten Bilder soll ein Käfer gegrillt werden?
Im Hintergrund am Feuer. Auf dem großen Bild ist es dann tatsächlich klar zu sehen, dass der Käfer an der Pfanne zugange ist.
Das Bild wäre damit "gerettet", der Rest des Spiels, nach Seraphs Darstellung, nicht.
Übrigens wird auf den Bildern auffällig viel geraucht. Finde ich erstmal gut und passt zu gemütlicher Hobbit-Atmosphäer. Überrascht mich dann aber wieder ein wenig, wenn man sich anschaut, wie das sonst in den Medien so gehandhabt wird.
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Auch wenn das jetzt sehr OT wird - aber genau das ist ja entweder Übersehend oder schlichtweg "Ignorieren", bzw. Ausleben von Speziesismus.
So kann man das natürlich sehen. Mich hatte es beim ersten Lesen etwas irritiert.
Unsere Trennung von Mensch und Tier findet sich in Haeth in der Unterscheidung Wirbeltier und Insekt.
Das Regelwerk stellt klar, dass die Wirbeltiere in Fleisch- und Pflanzenfresser zerfallen. Das heißt, die antropomorphen Katzen sind in dieser Welt anscheinend keine Vegetarier oder gar Veganer geworden - und da sie offenkundig keine anderen Wirbeltiere fressen, werden sie sich wohl an den Käfern gütlich tun, die ja auch aus irgendeinem Grund gehalten werden.
Wanderhome zitiert als ästhetisches Vorbild die Pastoralen des 19. Jahrhunderts - diese idyllisierte Darstellung des Landlebens, freundliche Schäfer mit ihrem milde dreinblickendem Vieh usw. Deshalb meinte ich, dass diese Nutztierhaltung und ihre spezifische Darstellung kein "Versehen" ist - sie gehört quasi zu diesem Genre dazu, zu der Stimmung, die evoziert werden soll.
Wanderhome scheint mir an sich unkritisch. Und dies kann man natürlich auch gegen das Spiel vorbringen.
So wird im Regelwerk erklärt, dass es auf dem Land Mangel gibt und die Ressourcen knapp sind, anderswo aber Überfluss herrscht.
Dieses offenkundige Distributionsproblem - das ja durchaus Anlass für Konflikte geben würde - verbleibt in der Spielwelt als ein "das ist halt so".
Das Gebot der Idylle verbietet eine Rebellion gegen die herrschenden Zustände.
Und das Regelwerk erzählt zwar von herrschsüchtigen Tieren, die die Macht innehaben und deren Herzen vergiftet sind, aber wehren kann man sich deren Dünkel nicht so recht. Man kann nur darauf vertrauen, dass sie nach und nach quasi von selbst die Schlüssel zur Kontrolle der Gesellschaft verlieren, weil sie gemieden und nicht mehr unterstützt werden.
Ganz zugespitzt würde ich sagen, dass Wanderhome ein in seiner Orientierung auf Cozyness und Harmonie sehr konservatives Spiel ist.
Materielle Ungleichheit führt nicht zu Unruhen, weil alle eingesehen haben, dass das Leben schön ist, wenn man wenig hat.
In diesem Sinne ist das Spiel gar nicht progressiv, seine Utopie ist eine verklärte Vergangenheit, die nie existiert hat, und die so phantastisch ist, dass Menschen gar nicht in ihr vorkommen können.
In der Realität ist "Gewalt" ja nicht einfach nur böse. Für die Schwachen war Gewalt oft genug einfach der einzige Weg, der Ausbeutung wenigstens mal für kurze Zeit Einhalt zu gebieten.
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Das ist sehr interessant und gut auf den Punkt gebracht! :)
Kurze Anmerkung dazu:
Und das Regelwerk erzählt zwar von herrschsüchtigen Tieren, die die Macht innehaben und deren Herzen vergiftet sind, aber wehren kann man sich deren Dünkel nicht so recht. Man kann nur darauf vertrauen, dass sie nach und nach quasi von selbst die Schlüssel zur Kontrolle der Gesellschaft verlieren, weil sie gemieden und nicht mehr unterstützt werden.
Hier greift der einzige minimale Regelmechanismus - man kann jederzeit Marker ausgeben, um zu erkennen, was ein NSC braucht, um sich zum Positiven zu verändern, bzw. was ihn aktuell noch davon abhält. Letzten Endes werden sich, wenn man das ausspielen will, alle Antagonisten auch wieder läutern lassen können. Und es ist eine spannende Möglichkeit, die Spieler selber kreativ werden zu lassen.
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Ganz zugespitzt würde ich sagen, dass Wanderhome ein in seiner Orientierung auf Cozyness und Harmonie sehr konservatives Spiel ist.
Sehr interessanter Satz. Eventuell sehe ich weil ich mich auch eher als konservativ wähne diese Probleme auch nicht, die ihr da oben aufmacht mit eventuellen Ungerechtigkeiten.
Ich akzeptiere die Prämisse des Spiels wie sie ist, und sehe da keine tieferen Widersprüche.
Auch hier wieder, das ganze Ding ist so gaga, dass ich diese anderen Dinge auch ohne Problem akzeptieren kann.
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Man könnte halt erwarten, dass ein eher "wokes" Spiel die Problematik "unserer Trennung von Mensch und Tier" nicht so einfach übernimmt. Eben weil veganes (nicht-speziezistisches) Denken in "woken" Kreisen sehr verbreitet sein müsste. Aber vielleicht spielt das einfach in der Agenda des Autors keine Rolle. Oder wird bewusst ausgeklammert, weil man dann einen weiteren Widerspruch hätte, den man lösen müsste.
Den Gedanken von Thandbar, dass vieles am Ende sehr konservativ wirkt, teile ich. (Hatte sogar angefangen, das auszuformulieren, das dann aber nicht getan, weil ich Abdriften der Diskussion fürchtete. Sehe ich jetzt anders.). Meinem Eindruck nach ist das genau die Richtung, in die sich die amerikanischen "Liberals" bewegen: Die Umsetzung der Kritik in der sozialen Praxis ist weitgehend gescheitert, man flüchtet sich also in eine konservative Idylle, gegen die Zumutungen einer neoliberalen, zunehmend autoritär-libertären Welt. Freilich ist das eine konservative Idylle, die nicht in die Vergangenheit, sondern in eine Utopie weist, welche "die gute alte Zeit" (von der man doch noch irgendwie ahnt, dass sie so gut nicht war) mit Elementen aus der eigenen Kosmologie ergänzt. Man landet dann quasi in einem queeren Beutelsend. Insofern ist das wahrscheinlich gar kein Widerspruch, sondern eher Ausdruck einer gewissen theoretischen Hilflosigkeit angesichts des realen Scheiterns der futuristisch-progressivistischen Utopien.
Ich hoffe, das ist trotz der Kürze und der teilweise etwas impressionistischen Terminologie einigermaßen nachvollziehbar.
Ich traue mich, das zu schreiben, weil ich den Eindruck habe, dass wir hier gerade einen Diskussionsfluss haben, in dem das nicht zur Eskalation führt. Sollte ich mich irren, darf mein Beitrag gelöscht werden.
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Sehe ich auch so und hätte ich als Gedanken vor der Auseinandersetzung mit Wanderhome gar nicht konkret benennen können. :d
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Ist halt die alte Diskussion: wie und warum konnten (viele) Hippies Tolkien toll finden?
Wanderhome ist doch eigentlich auch nur das Auenland mit Furries, oder?
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Njaa, man kann halt nicht alles über einen Kamm streichen.
Die Schwulen aus meinem Bekanntenkreis sind zB alles, nur nicht "queer".
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Njaa, man kann halt nicht alles über einen Kamm streichen.
Die Schwulen aus meinem Bekanntenkreis sind zB alles, nur nicht "queer".
So baut sich halt jeder seine eigene Nische.
Deine Bekannten haben halt vermutlich auch nicht den Anspruch, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Identität progressiv seien. Und wollen entsprechend wohl eher nicht in die von Wanderhome bediente Nische.
Hier ist das ganz offensichtlich Teil der Agenda.
Aber um nochmal zum Thema zurückzukommen:
Man kann Wanderhome sicher auch spielen, ohne diese ganzen politischen Ansprüche explizit umzusetzen.
Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage nach der Zielgruppe. Wanderhome ist ja schon in sehr vieler Hinsicht recht speziell.
Würde das auf jeden Fall mal mitspielen, wenn sich die Gelegenheit ergeben würde. Auch wenn ich ansonsten sicher nicht direkt die Zielgruppe bin.
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Wanderhome scheint mir an sich unkritisch. Und dies kann man natürlich auch gegen das Spiel vorbringen.
So wird im Regelwerk erklärt, dass es auf dem Land Mangel gibt und die Ressourcen knapp sind, anderswo aber Überfluss herrscht.
Dieses offenkundige Distributionsproblem - das ja durchaus Anlass für Konflikte geben würde - verbleibt in der Spielwelt als ein "das ist halt so".
Hier greift der einzige minimale Regelmechanismus - man kann jederzeit Marker ausgeben, um zu erkennen, was ein NSC braucht, um sich zum Positiven zu verändern, bzw. was ihn aktuell noch davon abhält. Letzten Endes werden sich, wenn man das ausspielen will, alle Antagonisten auch wieder läutern lassen können. Und es ist eine spannende Möglichkeit, die Spieler selber kreativ werden zu lassen.
kann es vielleicht nur sein, dass im Buch eine Lage als "jetzt gerade so: Mangellage da und dort" geschildert wird, damit im Spiel das "sich ausgleichen" kann?
- warum hat man Mangel an etwas?
- warum haben die anderen Überfluss an etwas?
- durch welche "tauschende" Aktion gleicht sich hier was aus?
"erkenne meinen Mangel als auch meinen Überfluss und nun erkenne deinen Überfluss und deinen Mangel - vielleicht können wir ja handeln, weil wir Überkreuz Überfluss zu Mangel haben"
"der Frosch mit der überquellenden Speisekammer hat niemanden (kein Lurch mehr im Umkreis), den er zur großen Party überhaupt einladen kann. Verhilf ihm zu Vertrauen&Freundschaft mit den bepelzten Nachbarn und die hungrige Familie Dachs sitzt dann bei ihm am Tisch"
klingt ja anders, als Familie Dachs in Kämpferskills zu trainieren, damit sie im RichFrog-Dungeon alles platthauen und dann leerlooten ~;D
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Deine Bekannten haben halt vermutlich auch nicht den Anspruch, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Identität progressiv seien.
Warum sollten sie auch... ;)
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Oh. Aufgrund des Artworks war ich interessiert. Aber die Prämisse des Spiels ist nicht meine Welt. Danke an den TE für die ausführliche Beschreibung. :d
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Zugegebenermaßen habe ich Schwierigkeiten mir vorzustellen, wie das Spiel aussehen würde, wenn es bei den angesprochenen Themen "progressiv" wäre.
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Zugegebenermaßen habe ich Schwierigkeiten mir vorzustellen, wie das Spiel aussehen würde, wenn es bei den angesprochenen Themen "progressiv" wäre.
Ich stehe auf dem Schlauch. Kannst Du nochmal anders formulieren?
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Na, es sind ja einige Kritikpunkte genannt worden: Veganismus, Gewaltlosigkeit auch gegen Ungerechtigkeit etc.
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Wer da seine Probleme mit "Woke" hat, für den wird's eher zäh, denke ich mal.
Ich glaube, wer Probleme mit progressiven Inhalten hat, und keine Mitglieder der eigenen Peergroup für kurzfristige Vorteile unter den Bus zu werfen, der hat wahrscheinlich ohnehin kein Interesse an einem harmonieorientierten Setting mit starkem Fokus auf Altruismus. ;)
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Kurze Info - Mittwoch wird unser Plot weitergespielt, dann werde ich nochmal berichten.
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Ich glaube, wer Probleme mit progressiven Inhalten hat, und keine Mitglieder der eigenen Peergroup für kurzfristige Vorteile unter den Bus zu werfen, der hat wahrscheinlich ohnehin kein Interesse an einem harmonieorientierten Setting mit starkem Fokus auf Altruismus. ;)
Ich muss zugeben, dass ich den Satz nicht ganz kapiere, speziell vor allem den Mittelschachtelteil.
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So, am Mittwoch haben wir Wanderhome weitergespielt.
Eigentlich passt dieses Spiel perfekt zu uns - wir suhlen uns in Atmosphäre und characterplay und kommen kaum mit dem Plot voran ;D
Deshalb ist heute auch gar nicht so viel passiert. Die Gruppe besprach sich beim Frühstück in der Herberge der Klosteranlage, was sie nun tun wolle. Unser Eichhörnchen entrollte die Schatzkarte und der Graureiher entdeckte darauf eine kleine Zeichnung von einem meditierenden Mönch. Die Gruppe ging darauf zum Kräutergarten, was mir herrliche Beschreibungen der Umgebung, der Gerüche und der Natur ermöglichte. Sie trafen auf einen Uhu-Mönch, der dort arbeitete und unser Hasenlehrer konnte die Augen nicht von den gewaltigen Mohrrüben abwenden, die dort wuchsen. Der Mönch erzählte der Gruppe, dass der "Alabasterne Mönch" ein Monument und ein beliebter Wallfahrtsort im Kloster sei. Er befinde sich in den Katakomben unter dem Kloster. Das Eichhörnchen sprach den Mönch noch auf den verstorbenen Abt des Klosters an (man merkt, wie misstrauisch die Spieler noch von anderen Systemen sind ;D) und erkannte echte Trauer bei dem Ordensbruder.
Die Gruppe war nicht sehr begeistert davon, unter Tage gehen zu müssen, fasste sich dann aber ein Herz. Eine lange Treppe, viel zu groß für Tiere (das Kloster war ja von Riesen erbaut worden), führte in die Tiefe. In Wandnischen erhellten Öllampen mit bunten Flammen die Gänge - aber nur alle 10m, weshalb Teile der Gänge im Dunkeln lagen. Hier kam sogar so etwas wie leichte Gruselstimmung auf. Die Gruppe hörte Schritte und Geräusche in der Dunkelheit und beschloss, nachzusehen. Der Graureiher-Spieler (der es gerne eskalieren lässt), beschloss, dass eine tolle Idee war, sich aufzuteilen und rannte davon in die Dunkelheit. Hase und Eichhörnchen tapsten bibbernd in die andere Richtung und trafen bald auf einen zunächst gruseligen, dann aber freundlichen Dachs-Mönch, der die Aufsicht über die Katakomben und die Lampen hatte. Er war blind und orientierte sich allein durch sein hervorragendes Gehör.
Der Graureiher hatte unterdessen eine tiefer gelegte Kammer mit einer alabasternen Statue gefunden - das war das Monument! Die Statue stellte einen meditierenden Biber dar. Der blinde Dachs führte die anderen beiden Spieler unterdessen ebenfalls zu dieser Kammer und ließ die Gruppe dann alleine, um weiter zu arbeiten.
Der Hase fasste sich ein Herz und entzündete mit einer der blauen Flammen der umliegenden Feuerschalen kleine Kerzen, die auf einem Wasserbecken vor der Mönchsstatue schwammen. Daraufhin verlieh ich ihm einen Marker, weil er "alten Gottheiten und Wesenheiten gehuldigt hatte". Das Eichhörnchen gab seinen Marker aus der letzten Runde daraufhin aus, um "der Weisheit der vielen kleinen und vergessenen Gottheiten zuzuhören" - woraufhin der Geist des Bibers, der einer der ersten Mönche war, die das Kloster nach dem Weggang der Riesen besiedelten, aus dem Wasserbecken erschien. Das Eichhörnchen überwand seine Furcht und erzielte dem Geist von seiner Schatzkarte.
Der Biber erzählte, dass die Schatzkarte auf ein wundersames Land "jenseits der Berge" hinweise, wo es Nahrung im Überfluss gebe und die Flüsse vor Milch und Honig überquellen. Der verstorbene Abt des Klosters sei vor Jahren bereits dorthin aufgebrochen, aber mit einem Fieber aus den Bergen zurück gekehrt, an dem er letztendlich erlegen sei. Allerdings sei er jetzt bei ihm, denn der Tod sei nicht das Ende, sondern nur der Beginn einer weiteren Reise.
Wir schlossen die Runde damit, dass beim nächsten Termin der Kern von Wanderhome, nämlich das Reisen, beim nächsten Mal weiter gehen sollte und wir uns auf den Weg in die Berge machen.
Alles was dann passiert, wird - wie bisher auch - komplett dem Zufall überlassen. Ich bin schon gespannt, was uns die Würfeltabellen für wundersame Orte in den Bergen aufzeigen, wohin die Riesen verschwunden sind und ob die Spieler der Krankheit begegnen, die den Abt dahingerafft hat :)
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Vielen Dank für die Einblicke.
Hört sich gut an und ich kann mir gut vorstellen, dass das mit der richtigen Gruppe Spaß macht.
Und ich finde es sympathisch, wenn der Plot eben nicht im Mittelpunkt stehen muss.
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Klingt spitze..
Danke für den Bericht... :)
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Der Graureiher-Spieler (der es gerne eskalieren lässt), beschloss, dass eine tolle Idee war, sich aufzuteilen und rannte davon in die Dunkelheit. Hase und Eichhörnchen tapsten bibbernd in die andere Richtung und trafen bald auf einen zunächst gruseligen, dann aber freundlichen Dachs-Mönch
Ich denke hier kann man den Vorteil der Tatsache erkennen, dass Gewalt und Tod ausgeklammert werden. Man kann auch gerne mal die Taschenlampe fallen lassen, ohne dass man Angst haben muss wie ein asozialer Egoist dazustehen.
Die beschrieben Stimmung erinnert mich irgendwie an den Anime Frieren: Beyond Journey's End (https://www.tanelorn.net/index.php/topic,52552.msg135271947.html#msg135271947). Okay, okay, ich habe erst 3 Folgen gesehen, aber fand gerade die Langsamkeit und den Verzicht auf Action super... Abwechslung muss sein.
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Ein sehr schöner Spielbericht! Vielen Dank!