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Pen & Paper - Spielsysteme => RuneQuest/Mythras/BRP => Thema gestartet von: Weltengeist am 26.07.2025 | 08:38
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Irgendwie kenne ich kein Rollenspiel, das so sehr zum Basteln des eigenen Regelwerks einlädt wie die BRP/RQ/Mythras-Systemfamilie. Gefühlt höre ich immer mal wieder Ratschläge wie "Nimm doch einfach(*) den Kern von Mythras, aber die optionale Keine-Trefferzonen-Regel von BRP, ergänze das Blutmagiesystem von Legend, die Erzählregeln aus D100 Renaissance und die Fraktionsregeln aus dem Mythras-Ergänzungsband. Ach ja, die Skillliste machst du sowieso, wie du sie brauchst, und die SciFi-Ausrüstung ergänzt du aus Luther Arkwright..."
Okay, bisschen übertrieben, aber ich denke ihr wisst, was ich meine. Da die Systeme ziemlich kompatibel sind, kann man sie als eine Art Baukasten betrachten und sich daraus ein passgenaues Regelwerk zusammenbasteln.
Meine Frage an diejenigen von euch, die das so handhaben: Wie behaltet ihr den Überblick (und wie dokumentiert ihr gegenüber den Spielern), welche Regeln jetzt für was gelten? Habt ihr Checklisten à la BRP? Kopiert ihr die Regeln irgendwie neu zusammen? Gibt es ganz andere Tipps und Tricks? Bin neugierig...
(*) Mein derzeitiges Hasswort Nummer Eins. Schon mal bemerkt? Immer wenn Leute eigentlich nicht wissen, wie etwas geht, versuchen sie, mit "man muss nur einfach" darüber hinwegzutäuschen...
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Toller Thread. Werde sehr interessiert mitlesen :d
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Für BRP gibt es ein in Word editierbares RTF-Dokument. Das kann dabei helfen, wenn man denn BRP zur Basis nimmt: https://www.chaosium.com/getting-started-designing-games/
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Ich kann nur sagen wie ICH das handhabe:
1. Setting-Idee
Gucken WAS ich mit W100 spielen will (1940er US Gangster, Flash Gordon-artige Science-Fantasy, Intelligente Haustiere, Historisch-Mythologisches Griechenland, etc.)
2. System passend zum Setting
Gucken welches der W100-Systeme bereits meine Idee abdeckt (Cthulhu, bloß das Kampfsystem muss angepasst und für Nahkampf detaillierter sein ODER Mythras, nur eine investigative Komponente muss hinzugefügt werden ODER BRP, aber ich brauche zusätzlich Magie für Schamanen, Geister und Dämonen, etc.)
3. System ausdünnen
Das W100-System welches am Besten zu meiner Idee passt von allem befreien was das Setting oder den gewünschten Spielstil stört/behindert (z.B. brauche ich bei BRP-Star-Trek wahrscheinlich keine Körpertrefferzonen, Waffenlängen, etc. ODER ich brauche beim Mythras in dem ich Geister spiele keine Regeln für Ertrinken, Verhundern, etc. )
4. Was fehlt-Liste
a) Eine Liste erstellen was regeltechnisch für das Setting gewünscht ist, was das System der Wahl aber nicht abbildet.
b) Gucken welches andere W100-System Regeln dazu hat und diese übernehmen (gegebenenfalls mit leichten Anpassungen).
5. Regel-Änderungen
Gucken welche Regeln zwar vorhanden sind, aber nicht so funktionieren wie ich es gerne hätte.
a) Die Regeln dieses Themas anderer W100-Systeme checken (entweder durch nachdenken/erinnern oder durch nachschlagen).
b) Gucken, ob eine Übernahme dieser Regeln aus dem anderen W100-System weitere Konsequenzen in dem gewählten W100-System hätte und überlegen wie ich sich eventuelle daraus ergebende Änderungen anpasse (bestes Beispiel: Kampf... Strike Ranks wie in RuneQuest oder Aktionspunkte wie in Mythras ODER Lebenspunkte... nur Gesamtlebenspunkte (Cthuilhu), nur Körperzonen-Lebenspunkte (Mythras) oder beides (RuneQuest und BRP, wenn man diese Regeloption verwendet ODER Ausdauerpunkte/Erschöpfung... völlig ohne oder mit Ausdauer/Erschöpfung).
6. Stichpunktartig Protokollieren
In Stichpunkten aufschreiben welche Regeln des von mir erwählten W100-Systems gelten und welche Regeln ich von wo Importiert habe.
7. Konsistenz, ohne zu viel Detailverliebtheit
Die meisten Spieler wenden Regeln so an wie sie der Spielleiter vorgibt, oder verlassen sich darauf, dass der Spielleiter die Aktionen der Spieler so in Regeln umsetzt, wie er sie verwenden will und lesen selbst nicht alle Details eines Regelwerks (wenn überhaupt!).
a) Wichtigster Punkt ist für mich die Gleichbehandlung am Spieltisch. Solange alle am Tisch (Spieler für ihre SCs, wie auch der Spielleiter für die NSCs) die selben Regeln verwenden darf es ruhig Mal sein, dass eine Regel kurz improvisiert wird, oder das eine implementierte Regel doch etwas im gespielten Regelsystem "knischt". Solange alle gleichbehandelt werden ist alles gut. Und das fehlerhafte Regelelement kann zwischen den Spielsitzungen - nach kurzer Diskussion mit den Spielern, oder kurzer Info an die Spieler - bis zur nächsten Spielsitzung noch einmal überarbeitet werden.
Die Übersicht zu behalten ist aufgrund der schieren Anzahl an W100-Systemen nicht immer einfach, das stimmt.
Man kann nicht jedes Regeldetail eines jeden W100-Systems kennen (oder überhaupt jedes W100-System kennen!).
Faustregeln:
- Die größten Werkzeugkästen sind BRP und MYTHRAS.
- Wenn du ein modernes Setting bespielen willst, guck zunächst in W100-Systeme die von vornherein auch ein modernes Setting bespielen (z.B. wenn du "Vampire The Maskerade" mit W100 bespielen möchtest, dann guck - neben BRP und MYTHRAS - in Cthulhu, Rivers of London und Destined rein, aber RuneQuest Glorantha oder Age of Vikings wird dir da nicht viel helfen)
- Überlege dir ob du ganze "Kapitel" austauschen willst oder nur Regeldetails (z.B. willst du Glorantha mit Mythras bespielen, dann wäre es richtig die Gesamte Mythras-Magie durch die von RuneQuest auszutauschen... und nicht die Runen vergessen ODER möchtest du im historischen Rom Cthulhu spielen, dann könnte es nötig werden das Kampfsystem von RuneQuest, BRP mit Optionalregeln oder Mythras dahin zu implementieren. ANDERERSEITS gefällt dir vielleicht auch nur nicht wie RuneQuest Gifte oder kritische Treffer behandelt und übernimmst diese aus Mythras)
- Umso näher sich die W100-Systeme sind, umso einfacher ist eine Mischung der Regelelemente (Mythras/M-Space/Destined/Mongoose RQ2 bzw. Cthulhu1-6/Sturmbringer/RuneQuest/Elfquest/BRP...)
- W100-Systeme sind sehr modular und der Austausch eines Regelteils bzw. eine Anpassung eines Regelteils durch die Version eines anderen W100-Systems ist meistens problemlos möglich, aber man sollte immer beachten ob und wie dies andere Regelteile beeinflusst oder ob die Änderung dieses Regelteils das Spielgefühl verändert
Nicht alles was in einem Regelbuch steht ist auch wirklich nötig oder Förderlich für das Setting dieses Rollenspiels.
Mut zur Lücke (und eventueller Schließung der Lücke zwischen Spielsitzungen) ist meiner Meinung nach besser, als das alles überreguliert wird.
Bestes Beispiel ist das ElfQuest RPG: ElfQuest braucht eigentlich kein so detailliertes Kampfsystem (welches zum Großteil RQ3 entspricht), eine simplere Variante tut es bei dem Setting auch.
P.S.: Ich versuche gerade Listen/Tabellen mit den Regelteilen der W100-Systeme zu erstellen, um Spielleitern etwas an die Hand zu geben was sie wo finden können. Aber die sind noch lange nicht fertig.
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Andre: Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Die ist sehr nützlich, und ich kann da wahrscheinlich demnächst viel mit anfangen. Meine Frage war allerdings eine andere...
Mir ging es eigentlich nur darum: Wenn du all das gemacht (also all die Entscheidungen getroffen) hast: Wie merkst du dir das? Und wie kommunizierst du es an deine Spieler? Haben die alle Regeln, aus denen du das zusammengestellt hast? Was machst du, wenn nicht? Und falls doch: wie sorgst du dafür, dass auch sie wissen, was jetzt gilt?
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Andre: Vielen Dank für die ausführliche Antwort. Die ist sehr nützlich, und ich kann da wahrscheinlich demnächst viel mit anfangen. Meine Frage war allerdings eine andere...
Mir ging es eigentlich nur darum: Wenn du all das gemacht (also all die Entscheidungen getroffen) hast: Wie merkst du dir das? Und wie kommunizierst du es an deine Spieler? Haben die alle Regeln, aus denen du das zusammengestellt hast? Was machst du, wenn nicht? Und falls doch: wie sorgst du dafür, dass auch sie wissen, was jetzt gilt?
Ich notiere mir das nur in Stichpunkten.
Den Spielern sage ich das auch so:
"Wir spielen im historischen alten Griechenland zur Zeit kurz nach Alexanders Tod.
Wir verwenden das Mythras Spielsystem.
Ich werde auf die Regeln für Ausdauer und Erschöpfung verzichten, solange niemand versucht dies auszunutzen... wendet einmal gesunden Menschenverstand an.
Es gibt die Möglichkeit, dass jemand Magie kann, aber ich werde keines der 5 Magiesysteme von Mythras verwenden, sondern jeder einzelne Zauber wird wie eine neue eigenständige Fertigkeit behandelt.
Ich möchte das Fertigkeits-Steigerungs-System von BRP verwenden, dass bedeutet, dass ihr Kreuzchen vor jede Fertigkeit macht, die ihr erfolgreich im Spiel eingesetzt habt und könnt diese nach einem Abenteuern versuchen zu steigern.
Ich möchte auf die meisten Zusatzeffekte im Kampf verzichten; es gibt nur Maximaler Waffenschaden, Körpertrefferzone auswählen und Rüstung ignorieren.
etc."
Aber wie gesagt:
Meine Spieler sind eh nicht so tief in den Regeln drin.
Die Spieler orientieren sich am Charakterbogen (der natürlich den von mir zusammengestellten Regelmix abbilden muss; so darf ich natürlich keine Körpertrefferzonen auf dem Charakterbogen haben, wenn ich ohne spiele; und ich sollte den Eintrag Waffenlänge oder Trefferpunkte einer Waffe streichen, wenn mein Kampfsystem ohne Waffenlängen arbeitet und eine Waffe beim parieren keinen Schaden nehmen kann) und fragen dann entweder, oder sie beschreiben was sie machen wollen und ich benenne ihnen die Regeloptionen, bzw. was sie tun oder würfeln müssen.
Im Zweifelsfall lasse ich aber lieber zu Viele Informationen zu Regeln auf dem Charakterbogen stehen auch wenn ich diese nicht aktiv verwende, um den Spielern zu zeigen:
"Nur weil ich ohne eine bestimmte Detailregel spiele um den Spielfluss zu beschleunigen, so bedeutet dies nicht, dass du eine vermeintliche Regellücke ausnutzen kannst um irgendetwas unlogisches zu machen. Es GIBT eine Regel dazu, die ich gewillt bin einzusetzen solltest du versuchen zu minimaxen oder dich als Munchkin aufführen."
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Unser SL macht das ähnlich, aber eben mit OSR. Der hat Labyrinth Lord als Basis genommen und uns dann die Regelanpassungen/Änderungen per Handout gegeben. Das hat eigentlich sehr gut geklappt.
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Aber wie gesagt:
Meine Spieler sind eh nicht so tief in den Regeln drin.
Die Spieler orientieren sich am Charakterbogen (der natürlich den von mir zusammengestellten Regelmix abbilden muss; so darf ich natürlich keine Körpertrefferzonen auf dem Charakterbogen haben, wenn ich ohne spiele; und ich sollte den Eintrag Waffenlänge oder Trefferpunkte einer Waffe streichen, wenn mein Kampfsystem ohne Waffenlängen arbeitet und eine Waffe beim parieren keinen Schaden nehmen kann) und fragen dann entweder, oder sie beschreiben was sie machen wollen und ich benenne ihnen die Regeloptionen, bzw. was sie tun oder würfeln müssen.
Es gibt sicherlich Leute hier im Forum, die allein beim Gedanken an diese Vorgehensweise sofort die "Falsches Rollenspiel(TM)"-Karte zücken würden. Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich schon lange keine Gruppe mehr, wo die Spieler wirklich die Regeln jenseits der absoluten Basics gelesen hätten (okay, ein Spieler ist eine Ausnahme, aber auch wirklich die Einzige). So gesehen könnte man das wahrscheinlich tatsächlich in vielen Gruppen so machen, ohne dass jemand was vermisst...
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Es gibt sicherlich Leute hier im Forum, die allein beim Gedanken an diese Vorgehensweise sofort die "Falsches Rollenspiel(TM)"-Karte zücken würden. Aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich schon lange keine Gruppe mehr, wo die Spieler wirklich die Regeln jenseits der absoluten Basics gelesen hätten (okay, ein Spieler ist eine Ausnahme, aber auch wirklich die Einzige). So gesehen könnte man das wahrscheinlich tatsächlich in vielen Gruppen so machen, ohne dass jemand was vermisst...
Wenn ich mit W100-Veteranen spielen würde, dann würde ich eine Kurzübersicht der vorbereiten mit einer Liste der Regeln des Hauptsystems die ich nicht so bespielen möchte und den kopierten Regelteilen aus den anderen W100-Rollenspielen die ich statt dessen verwenden möchte.